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Liebe.

Von S. T. Coleridge.

Gedanken, Leidenschaft, Entzücken,
Was immer auch bewegt das Blut,
Sind sämmtlich nur der Liebe Diener,
Und nähern ihre heilge Glut.

In meinen wachen Träumen leb' ich
Die sel'ge Stunde oftmals durch,
Wo mitten auf dem Bergespfade
Ich lag bei der bemoosten Burg.

Sich mit des Abends Licht vermischend,
Bestrahlt uns sanft der Morgenschein;
Und sie war dort, die Heißgeliebte,
Die mir ganz eigen, völlig mein.

Sie lehnte sich mir gegenüber,
Dort an das alte Ritterbild,
Und horchte dann auf meine Weisen,
Im Abendscheine still und mild.

Sie hatte wenig eig'ne Sorgen, –
Sie, meine Hoffnung, meine Lust,
Liebt' mich am Meisten, wenn mein Singen
Mit Trauer füllte ihre Brust.

Ich spielte sanfte Trauerweisen,
Und sang ein alt und rührend Lied,
Das gut zu jenen Trümmern stimmte,
Die Epheu rings und Moos umzieht.

Sie horcht' mit wechselndem Erröthen,
Und blickt bescheiden vor sich hin,
Sie wußte wohl, ihr in das Antlitz
Dabei zu sehn, trieb mich mein Sinn.

Ich sang ihr dann von jenem Ritter,
Auf dessen Schild ein Feuerbrand;
Und der einst warb zehn lange Jahre
Dort, um die Herrin von dem Land.

Ich sang ihr, wie er litt – die Töne,
Mit denen ich des Andern Schmerz
Ihr schilderte – so tief, so klagend,
Erklärten ihr mein eignes Herz.

Sie horcht' mit fliegendem Erröthen,
Und sah bescheiden vor sich hin,
Verzeih mir, daß mich, gar zu zärtlich,
Sie anzuschauen trieb mein Sinn.

Doch als ich sang, wie schwer Verachtung
Den kühnen Ritter fortgebannt,
Wie er die Berge überstiegen,
Bei Tag und Nacht nicht Ruhe fand;

Daß oftmals aus den wilden Schluchten,
Im dunkeln Schatten viele Mal,
Und oftmals plötzlich ihm erscheinend
Im grünen und besonnten Thal,

Ihm in das trübe Antlitz schaute
Ein Engel wundervoll und licht;
Und daß er wußt', es sei ein Wesen
Von böser Art, der arme Wicht;

Und daß, nicht wissend, was er thue,
Er mitten unter eine Bande
Sich stürzte, und von Schmach errettet
Die Herrin von dem Lande;

Und wie sie weint' und vor ihm knie'te;
Wie sie vergebens ihn gepflegt,
Um die Verachtung mild zu sühnen,
Die seinen Wahnsinn aufgeregt.

Wie in der Höhle sie ihn wartet,
Und wie sein Toben sich gelegt,
Als er auf's gelbe Laub des Waldes,
Ein Sterbender, sich hingelegt.

Die letzten Worte – doch erreicht' ich
Das Zarteste im ganzen Sang,
Dann stört das Mitleid ihre Ruhe,
Denn zitternd war mein Ton und bang.

Und was das Herz nur und die Seele
Bewegt, durchschauerte sie auch;
Das Trauerlied, die Saitenklänge,
Des Abends balsamreicher Hauch.

Hoffnung, und Furcht, die Hoffnung nähret,
Wie sich das unerkenntlich regt;
Und holde Wünsche, lang' bezwungen,
Bezwungen und doch lang' gepflegt. –

Sie weint aus Mitleid und Vergnügen;
Erröthete vor Lieb' und Schaam,
Und hauchte leise meinen Namen,
Den wie im Traum mein Ohr vernahm.

Ihr Busen wallt' – sie ging bei Seite,
Indeß mein Blick auf ihr verweilt –
Dann ist sie plötzlich schüchtern weinend,
Und zaghaft zu mir hingeeilt.

Sie schließt mich halb in ihre Arme,
Umfaßt mich, drückt mich an sich dicht,
Und lehnt zurück ihr Haupt, aufblickend,
Und schaut mir in das Angesicht.

Halb war es Furcht, halb war es Liebe,
Und halb war es verschämte List,
Damit ich lieber fühl' als sähe,
Wie tief ihr Herz erschüttert ist.

Ich stillt' die Furcht, da ward sie ruhig,
Hat ihre Liebe stolz vertraut. –
Und so gewann ich die erkorne,
Die herrliche, die schöne Braut.

O. L. B. Wolff.

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