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Die Rose.

Von Southey.

Nicht doch, Editha, schone mir die Rose,
Sie lebt vielleicht und fühlt der Sonne Strahl,
Und trinkt erfrischt den Thau der Nacht. – Zerreiße
Mit zarter Hand nicht ihres Lebens Fäden,
Zerstöre nicht ihr das Gefühl des Seins. –
Ungläubig lächelst du. – Laß dich erbitten,
Und ich erzähle von vergangener Zeit,
(In alten Sagen bin ich wohl bewandert)
Wenn du sie leben läßt. Es gab einst Tage,
Eh' diese frischeste von allen Blumen
Der Erde Lauben deckte. – Du hörtest nicht,
Wie durch ein Wunder erst die duft'gen Blätter
Erröthend sich dem Sonnenstrahl entfaltet.

Es wohnt' zu Bethlehem ein jüdisch Mägdlein,
Zillah ward sie genannt, sie war so schön,
Daß ganz Judäa ihres Lobes voll.
Wer ihrer Augen dunkeln Glanz gesehn,
Der ihre Seele zeigt', – und welche Seele
Strahlt in dem milden Feuer! – dem ward weh;
Nicht in der Einsamkeit, noch in der Menge
Entging er der Erinn'rung, noch vermied er,
Daß überall ihr Bildniß nicht ihm folge,
Die Blicke fesselnd und das Herz erfüllend.
Doch weh ward ihm, sie kannte keine Liebe,
Als nur des frommen Eifers tiefe Glut;
Denn alle Neigung ihres Geistes einte
Sie in der Liebe nur zu ihrem Schöpfer.
Die Männer ihres Stammes seufzten stets
Vergebens nach ihr; doch verehrten sie
Die starre Tugend, ihrer Hoffnung Tod.
Nur Einer war dort, eitel, schlecht, verderbt,
Der sie erblickt, begehrt, und dann verzweifelnd
Sie haßte. Starr auf ihrer Wange haftet
Sein sinnlich Auge, bis des Zorns Erröthen
Ihr neue Schönheit gab, er wilder glühte. –
Sie scheute sich vor ihm, sein Blick war frech,
Und seine Züge trugen das Gepräge
Selbstsücht'ger Wildheit; noch mehr fürchtet sie
Den bittern Groll verletzter Eitelkeit,
Der seiner Mienen schwaches, falsches Lächeln
Mit wildem Feuer übergoß. – Sie fürchtet'
Ihn nicht umsonst, denn Hamuel schwur Rache
Und legte Fallen ihrem keuschen Ruf. –
Geschickt verbreitete er böse Kunde,
Die schnell sich weiter pflanzt' und Glauben fand,
Wie Zillah's Blick im Tempel himmelwärts
Gerichtet, nur entzückten Eifers strahle,
Doch daß es Manchen gebe, der ihn auch
Von anderem Gefühl beseelt erschaut;
Wie es ein leichtes Werk sei, vor der Menge
Am hellen Tag die Heilige zu spielen,
Allein daß alle Augen Nachts sich schlössen; –
Ja, daß ihr Leben schlecht und strafbar sei. –
Es schäme sich der Mensch, daß er so leicht
Der bösen Zunge willig Glauben leiht,
Die eines Andern guten Ruf vernichtet.
Die böse Kunde wurde kaum gehört,
Auch wiederholt und Glauben ihr geschenkt;
Denn Hamuel erfand durch schnöden Kunstgriff
So schweren Schein der Schuld, daß zu dem Tode
Der tiefsten Schmach die Jungfrau ward verdammt.
Jenseits der Mauern war ein wüstes Feld,
Ein schwer verhaßter Platz! – dort baute man
Den Scheiterhaufen, thürmte rings den Brennstoff,
Der die gekränkte Jungfrau tödten sollte;
Verlassen schien von Gott und Menschen sie.
Versammelt sahen die Bethlehemiten
Dem Schauspiel zu, und als sie Zillah nun
Gefesselt schauten, an dem Pfahl, wie sie
In stiller Frömmigkeit den sanften Blick
Zum Himmel hob, begannen sie zu zweifeln
An ihrer Schuld. – Von anderen Gedanken
Erfüllt, stand Hamuel bei dem Pfahl, ihn hatte
Die wilde Lust dahin geführt; doch regten
Gefühle, ungewohnt, sich jetzt in ihm,
Die ersten Qualen der erwachten Sünde,
Der Hölle Boten kündigten sich an.
Das Auge Zillah's, als sie rundum schaute,
Fiel auf den Mörder plötzlich und verweilte
Dort einen Augenblick; es drang ihr Blick
In seine Seele wie ein Dolch, und ließ
D'rin tiefe Wunden, unheilbar, zurück.
Gewissen! Gott in uns! nicht in der Stunde
Des Ruhmes schonest den Verbrecher du,
Nicht in des Todes Stunde noch der Schmach
Fliehst du den Frommen. – Seht, die Fackel dort,
Sie nähern sich dem Pfahl – o haltet ein,
Erstickt die Flamme – weh! sie steigen auf,
Erreichen die Unschuldige. – O Gott,
Beschütze die Gequälte – weh, die Glut
Verbreitet sich, sie wirbelt auf und wüthet. – –
– Gott sendet seinen Hauch – vor seinem Wehen
Beugt sich die Brunst – und alle ihre Flammen,
In einem langen Blitze sich vereinend,
Ergreifen und vernichten Hamuel,
Ihn ganz allein – hört ihr das Angstgeschrei
Der Menge – doch mehr Wunder noch – der Pfahl
Entsproßt – und breitet seine Zweige rings
Als eine Laube um die fromme Maid
Und Rosen blühen rings – zum ersten Mal
Erblickt, seitdem das Paradies verloren –
Und füllen rings die Luft mit Edens Düften.

O. L. B. Wolff.

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