Christoph Martin Wieland
Geschichte des Weisen Danischmend und der drei Kalender
Christoph Martin Wieland

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

34. Kapitel

Danischmend und der Kalender Alhafi entzweien sich

Am dritten Tage nach Feriduns Wiederkunft kam der Kalender mit lachendem Munde zu Danischmenden und sagte: »Feridun ist wieder da, und wen meinst du wohl daß er mitgebracht hat? Eine Tänzerin von Surate, die ich ehmals bei einer herum streichenden Bande zu Kandahar kennen lernte, und – wie wunderlich sich doch alles fügen muß! – meinen Kameraden Alfaladdin, den Sänger!«

»So gnade Gott dem armen Völkchen von Jemal!« sagte Danischmend.

»Wie so?« erwiderte der Kalender. »Du nimmst die Sache auch gar zu ernsthaft auf. Was für ein so großer Schade wird es nun auch sein, wenn euere rohen Mädchen von einer Bayadere tanzen, und von dem Schwächling Alfaladdin ein Dutzend Liedchen singen lernen?«

»Die Unschuld von Jemal ist auf ewig dahin!« rief Danischmend in einem kläglichen Tone.

»Das hätte doch immer einmal begegnen müssen«, versetzte der Kalender mit seiner gewöhnlichen Kälte: »Ob ein paar Jahre früher oder später, hat wenig zu bedeuten.«

»Deine Art zu denken, Kalender, und die meinige werden nie zusammen stimmen«, sagte Danischmend mit einer Bitterkeit, die ihm sonst, auch in leidenschaftlichen Aufbrausungen, nicht gewöhnlich war, indem er mit verschränkten Armen und großen Schritten im Zimmer auf und nieder ging.

»Freund Danischmend, du bist heute nicht aufgeräumt, wie ich sehe; sonst hätte ich gute Lust gehabt, dich mit meinem ehmaligen Kameraden bekannt zu machen. Es ist ein drolliger Bursche, der keine Gesellschaft verderbt, und uns in unsern kleinen Zirkeln manchen fröhlichen Abend machen wird.«

»Zwei Kalender und eine landstreichende Bayadere!« (brummte Danischmend vor sich hin) »eine feine Gesellschaft! – Ich bin besserer gewohnt. – Doch, wozu das alles? Feridun ist nicht aus unserm Dorfe. Laß ihn die saubere Ware, die er auf den Straßen zu Kischmir aufgelesen hat, für sich behalten! Wir verlangen nichts davon. – Komm, gutes Weib!« – Und damit nahm er Perisadeh und seinen kleinen Sohn bei der Hand, und schlenderte zu dem alten Korbmacher hinüber.

Der Kalender ließ sich die böse Laune, womit ihn Danischmend verließ, wenig anfechten. »Das wird sich schon geben«, dacht er: »und am Ende, was für ein Recht hat der wunderliche Kauz, hier in Jemal, wo er so fremd ist als ich und Alfaladdin, den Meister spielen zu wollen? Er ist besserer Gesellschaft gewohnt, sagt' er, und sah auf einmal wer weiß wie vornehm aus; und doch war es, als ob ihm das Wort wider Willen entschlüpft sei. Was bedeutet das? Sollte wohl gar mehr hinter ihm stecken als er scheinen will? Das müssen wir ausfündig machen, es koste was es will!«


 << zurück weiter >>