Fjodor Ssologub
Der Kuß des Ungeborenen und andere Novellen
Fjodor Ssologub

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IV.

Wanja holte aus der Tasche lachend ein angefangenes Päckchen Zigaretten.

»Wir wollen ein wenig rauchen,« sagte er.

»Ach, nein, das geht doch nicht!« rief Kolja entsetzt aus.

Wanja seufzte auf und sagte:

»Wir Kinder sind das Gehorchen allzu gewohnt, – wir haben es von unsern Vätern gelernt. Die Erwachsenen sind alle furchtbar gehorsam, sie tun alles, was ihnen der Vorgesetzte befiehlt. Das Weibervolk hat viel mehr freien Willen.«

Er schwieg eine Weile und sagte etwas spöttisch in überzeugendem Ton:

»Ach du, du magst keinen Tabak! aber du liebst doch Blumen, Kräuter und Blätter?« fragte Wanja.

»Ja,« sagte Kolja unsicher.

»Der Tabak ist ja auch ein Kraut!«

Wanja blickte ihn mit seinen durchsichtigen Nixenaugen an und reichte ihm lächelnd eine Zigarette.

»Hier, nimm!« sagte er.

Vom durchsichtigen Glanze Wanjas heller Augen bezaubert, streckte Kolja die Hand zögernd nach der Zigarette aus.

»Ja, so ist's recht,« sagte Wanja ermunternd. »Versuch's nur einmal, du wirst bald selbst sehen, wie schön es ist.«

Er holte aus einer seiner tiefen, mit allerlei unnützem Kram angefüllten Taschen Zündhölzer hervor und steckte beide Zigaretten an. Die Jungen fingen zu rauchen an, – Wanja wie ein Gewohnheitsraucher, Kolja mit besorgtem Gesicht. Aber schon der erste Zug geriet ihm in die unrechte Kehle. Es war ihm, wie wenn in seiner Brust und Kehle eine Feuerwolke aufginge, und Funken flimmerten ihm vor den Augen. Er ließ die Zigarette fallen.

»Nun, was hast du denn?« fragte Wanja.

»Es ist bitter,« flüsterte Kolja verlegen. »Ich kann es nicht.«

»Ach du, Zärtling!« sagte Wanja verächtlich. »Rauche doch wenigstens die eine Zigarette zu Ende. Rauche langsam, atme den Rauch nicht zu tief ein, so wirst du dich allmählich gewöhnen.«

Kolja steckte die Zigarette automatisch wieder in den Mund. Er saß auf der Erde, lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum und rauchte, bleich, mit Tränen in den Augen. Mit großer Anstrengung rauchte er die Zigarette zu Ende. Er hatte Kopfweh und Übelkeit. Er legte sich auf die Erde, und die Bäume über ihm bewegten sich langsam im Kreise . . .

Wanja erzählte etwas. Seine Worte drangen kaum in Koljas getrübtes Bewußtsein.

»Wenn man allein ist,« sagte Wanja, »kann man sich ein furchtbar angenehmes Gefühl verschaffen.«

»Wie denn?« fragte Kolja mit schwacher Stimme.

»Man träumt, man malt sich allerlei aus . . . Das wirst du aber noch nicht verstehen . . . Ich will es dir ein anderes Mal erklären . . . Komm bald wieder her. Wollen wir uns hier immer treffen,« sagte Wanja bittend.

Kolja wollte nein sagen, konnte es aber nicht.

»Gut!« sagte er tonlos.


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