Fjodor Ssologub
Der Kuß des Ungeborenen und andere Novellen
Fjodor Ssologub

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VII.

Die Mutter ertappte Wolodja zum zweitenmal bei den Schatten.

Diesmal war ihm der Ochsenkopf gelungen. Er bewunderte ihn und ließ den Ochsen den Hals recken und brüllen.

Die Mutter aber war sehr unzufrieden.

»So lernst du also!« sagte sie vorwurfsvoll.

»Nur ein klein wenig, Mutter!« flüsterte Wolodja verlegen.

»Du kannst dich ja damit in deiner freien Zeit abgeben,« sagte sie. »Du bist kein kleines Kind mehr! Wie schämst du dich nicht, die Zeit mit solchem Unsinn zu verbringen?«

»Mutter, ich will es nicht wieder tun!«

»Du verdirbst dir die Augen dabei!«

»Ich tue es wirklich nicht wieder!«

Er hatte aber nicht die Kraft, das Versprechen zu halten. Die Schatten gefielen ihm zu gut, und während mancher uninteressanten Stunde in der Schule spürte er Lust, sich mit ihnen abzugeben.

Diese Beschäftigung nahm ihm an manchen Abenden so viel Zeit weg, daß er seine Aufgaben nicht ordentlich machen konnte. Um das Versäumte nachzuholen, mußte er später als sonst zu Bett gehen. Aber wie sollte er diese Beschäftigung ganz aufgeben?

Er erfand einige neue Figuren und machte die Schatten nicht nur mit den Fingern. Die Schatten lebten an der Wand, und Wolodja schien es, daß sie ihm viele interessante Dinge erzählten.

Er war ja immer ein Träumer gewesen.


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