Fjodor Ssologub
Der Kuß des Ungeborenen und andere Novellen
Fjodor Ssologub

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XII.

Wolodja verließ das Zimmer.

Die Mutter ging einigemal auf und ab. Sie merkte, daß ihr auf dem Fußboden ihr Schatten folgte, und – seltsam! – dies weckte in ihr zum erstenmal in ihrem Leben ein seltsames Unbehagen. Der Gedanke, einen Schatten zu haben, ließ sie nicht los. Jewgenia Stepanowna fürchtete aber diesen Gedanken und bemühte sich, den Schatten nicht mehr zu beachten.

Der Schatten aber schlich ihr nach und neckte sie. Jewgenia Stepanowna bemühte sich, an etwas anderes zu denken, – es war umsonst!

Plötzlich blieb sie blaß und erregt stehen.

»Na ja, Schatten!« rief sie laut aus, in seltsamer Erregung mit den Füßen stampfend. »Was ist denn dabei? Was ist denn dabei?«

Sie sagte sich aber gleich, daß es keinen Sinn habe, zu schreien und mit den Füßen zu stampfen, und wurde still.

Sie trat vor den Spiegel. Ihr schönes Gesicht war blasser als sonst, und ihre Lippen zitterten vor Angst und Zorn.

»Es sind die Nerven,« sagte sie sich. »Ich muß mich zusammennehmen, sonst gehe ich ganz aus dem Leim . . .«


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