Fjodor Ssologub
Der Kuß des Ungeborenen und andere Novellen
Fjodor Ssologub

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XV.

Die Mutter merkte, daß Wolodja auch weiter sein Spiel betrieb.

Sie sagte ihm beim Mittagessen:

»Wolodja, wenn du dich doch für etwas anderes interessieren wolltest!'

»Für was denn, Mutter?«

»Lies doch etwas!«

»Wenn ich lese, zieht es mich immer zu den Schatten hin.«

»Versuch es mit irgendeinem andern Spiel, vielleicht mit Seifenblasen.«

Wolodja lächelte traurig:

»Die Seifenblasen fliegen davon und mit ihnen auch ihre Schatten an der Wand.«

»Wolodja, du ruinierst dir ja schließlich die Nerven! Ich sehe es, du bist auch abgemagert!«

»Mutter, du übertreibst!«

»Ich bitte dich! . . . Ich weiß, du schläfst schlecht in der Nacht und sprichst oft aus dem Schlafe. Denke dir nur, wenn du krank wirst . . .«

»Warum nicht gar!«

»Wenn du, Gott behüte, verrückt wirst oder stirbst, bedenke doch, wie groß mein Schmerz sein wird!«

Wolodja lachte auf und fiel der Mutter um den Hals.

»Mutter, ich sterbe nicht. Ich will es nie wieder tun!«

Die Mutter sah, daß Wolodja weinte.

»Hör auf!« sagte sie, »Gott ist barmherzig. Schau nur, wie nervös du geworden bist: du lachst und weinst zugleich.«


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