Fjodor Ssologub
Der Kuß des Ungeborenen und andere Novellen
Fjodor Ssologub

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XXIII.

Die Mutter sagt abends zu Wolodja:

»Wolodja, mein lieber Junge, du wirst dich wieder nicht beherrschen können, laß lieber die Türe offen stehen!«

Wolodja macht sich an seine Aufgaben. Er ärgert sich aber, daß die Türe hinter seinem Rücken offen steht, und daß die Mutter ab und zu vorbeigeht.

»So kann ich nicht!« schreit er, den Stuhl mit Lärm zurückschiebend: »Ich kann nicht arbeiten, wenn die Türe offen steht!«

»Was schreist du so, Wolodja?« sagt die Mutter freundlich und besänftigend.

Wolodja bereut aber schon seine Aufregung und weint. Die Mutter liebkost ihn und redet ihm zu:

»Ich bin ja nur um dich besorgt, Wolodja, ich will dir nur helfen, deiner bösen Leidenschaft Herr zu werden!«

»Mutter, setz dich doch hierher!« bittet Wolodja.

Die Mutter nimmt irgendein Buch und setzt sich an Wolodjas Tisch. Einige Minuten macht er ruhig seine Aufgaben. Die Anwesenheit der Mutter fängt ihn aber allmählich zu ärgern an.

Als ob ich wirklich krank wäre! denkt er zornig.

Seine Gedanken geraten durcheinander. Er rückt geärgert hin und her und beißt sich die Lippen. Die Mutter bemerkt es schließlich und verläßt das Zimmer.

Wolodja fühlt aber keine Erleichterung. Er bereut, seine Ungeduld gezeigt zu haben, und die Reue quält ihn. Vergebens versucht er zu arbeiten. Endlich geht er zu der Mutter.

»Mutter, warum bist du von mir fortgegangen?« fragt er schüchtern.


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