Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundfünfzigstes Kapitel.

Mit Erlaubniß Seiner Gnaden, Alles muß mein sein.

Middleton.

 

Sobald M'Elvina einige freie Zeit hatte, wendete er die ersten Augenblicke derselben dazu an, dem Vikar zu schreiben, ihn von dem unter so besonderen Umständen stattgefundenen Wiedererscheinen Seymour's zu unterrichten und ihn zu bitten, er möchte augenblicklich kommen, damit die Ansprüche unseres Helden auf die Güter des Admiral de Courcy geltend gemacht werden könnten. Wie oben bemerkt wurde, war Rainscourt abwesend, und man erwartete ihn auch in den nächsten Tagen noch nicht, da er von einem, mehrere Meilen entfernt wohnenden Freunde zu einer Jagdpartie eingeladen worden war. Seine Tochter schickte einen Brief an ihn ab, worin sie den Schiffbruch genau beschrieb und bemerkte, daß sich der verwundete Offizier im Schlosse befinde, weßwegen Mrs. M'Elvina bis zu seiner Rückkunft bei ihr bleiben würde.

Obgleich Seymour's Wunde von dem Arzte für durchaus nicht gefährlich erklärt worden war, so besserte sich der Kranke doch nicht so schnell, als man bei seiner Jugend und seiner kräftigen Konstitution hätte erwarten können. Daran war nichts Anderes Schuld, als daß seine Liebe zu Emilie, die beständig an seiner Seite war und ihre Gefühle für ihn nicht verbergen konnte, mit zehnfacher Gewalt zurückkehrte. Derselbe ehrenhafte Beweggrund, welcher ihn früher geleitet hatte – nämlich aus ihrer Neigung keinen Vortheil zu ziehen und nicht zuzugeben, daß sie ihre Hand und ihr großes Vermögen an einen unbegüterten Menschen von unbekannter Herkunft verschenke – kämpfte gegen seine Leidenschaft und erzeugte in ihm einen Aufruhr widerstrebender Gefühle, der in seiner gegenwärtigen Lage ihn zu sehr angriff. Er wurde von einem schleichenden Fieber befallen, das die Wiedergenesung verzögerte und sogar noch ernstlichere Folgen befürchten ließ.

Madame de Stael hatte die richtige Bemerkung gemacht, daß die Liebe das ganze Leben eines Weibes ausfülle. Es darf uns daher nicht Wunder nehmen, wenn die Frauen die Symptome derselben auch bei Andern leichter entdecken. Mrs. M'Elvina hatte mit dem gewöhnlichen Scharfsinne ihres Geschlechtes bald herausgefunden, was in Seymour's Gemüthe vorging, und theilte ihre Muthmaßungen ihrem Gatten mit. Da der Gesundheitszustand unseres Helden sich seit einigen Tagen eher verschlimmerte, als verbesserte, so faßte M'Elvina den Entschluß, ihn mit dem Geheimnisse seiner Geburt bekannt zu machen, welches, da es alle Hindernisse entfernte, nach seiner Ansicht die wohlthätigsten Wirkungen hervorbringen mußte.

Allein es gab einen Punkt, den M'Elvina unserem Helden nicht verschweigen konnte, den Umstand nämlich, daß sein Vater als ein Uebertreter der Landesgesetze unter angenommenem Namen gestorben sei, und die Kenntniß davon äußerte auf Seymour eine so gewaltige Wirkung, daß die durch die übrige Mittheilung erwachte Freude fast wieder aufgehoben wurde.

Die erste Frage, welche Seymour an sich selbst richtete, war die, ob Emilie mit einem Manne, dessen Vater auf eine so schimpfliche Art gestorben, eine Verbindung eingehen würde oder dürfte, und ob nicht jener Umstand allein jetzt, da er ungehindert ihr seine Hand anbieten konnte, ihre Vereinigung durchaus unmöglich machen würde. Aufgeregt durch diesen niederschlagenden Zweifel brachte Seymour eine ganze Nacht schlaflos zu, und am Morgen war sein Fieber in einem bedenklichen Grade heftiger geworden. Der Wundarzt bemerkte dieß wohl, und sagte, er könne sich die Sache nicht anders erklären, als daß irgend Etwas das Gemüth seines Patienten schwer bedrücke, und wenn es nicht weggeräumt werde, die Wiedergenesung verzögern, wo nicht gar unmöglich machen dürfte.

Susanne, die gleich ihrem Gatten der Meinung gewesen war, daß die Aufschlüsse, welche Seymour erhielt, eine wohlthätige Wirkung zur Folge haben müßten, eilte in das Krankenzimmer und hatte bald unseren Helden bewogen, daß er ihr seine Zweifel und Besorgnisse anvertraute.

»Nur Eine vermag Sie in dieser Hinsicht zu beruhigen, mein lieber William,« erwiederte sie; »denn obwohl ich für sie bürgen zu können glaube, so genügt doch keine Mittelsperson in diesem Falle – M'Elvina wird gleich hier sein; er wird mir erlauben, Emilien Alles zu entdecken, und Sie sollen die Antwort von ihren eigenen Lippen vernehmen.«

Emilien wurde die wunderbare Geschichte der Geburt und Herkunft unseres Helden – der Umstand, daß sie jetzt keine reiche Erbin mehr sei – seine glühende Liebe zu ihr und seine Besorgnisse während des Vormittags mitgetheilt.

»Mich schmerzt nur das Eine,« erwiederte Emilie weinend, als Susanne ihre Mittheilung beendigt hatte, »daß er mich nie um meine Hand bat, so lange ich eine reiche Erbin zu sein glaubte; – trenn ich jetzt einwillige, so muß man denken, daß – ach, wenn Sie wüßten, wie ich ihn geliebt habe – wie ich, als er ferne war, stets an ihn dachte,« rief das Mädchen schluchzend aus, »Sie würden mir nicht – Niemand würde mir selbstsüchtige Beweggründe zuschreiben. – Ich bin so froh, daß die Güter ihm gehören,« fuhr Emilie durch die Thränen lächelnd fort.

»Meine liebe Emilie, wenn Sie sich jetzt schwierig zeigen, so steht die Sache schlimmer als je. Kein glücklicherer Umstand hätte sich ja ereignen können, als daß Sie und Seymour eine solche Neigung zu einander faßten; dadurch sind alle Schwierigkeiten gehoben, alle Prozesse vermieden und Alles führt zu einem glücklichen Ende. Kommen Sie mit mir. William hat diesen Morgen ein heftiges Fieber; wir vermögen zu helfen.«

Mrs. M'Elvina führte das aufgeregte Mädchen in das Krankenzimmer und flüsterte Seymour zu, Emilie wisse Alles und Alles stehe gut; ja, sie beging die Unvorsichtigkeit, beide miteinander allein zu lassen.

Jetzt hätte ich eine schöne Gelegenheit, ein höchst rührendes Gespräch von Ach und Oh, Liebe und Theure u. s. f. einzuschalten, daß alle jungen Damen von siebenzehn Jahren höchlich erbauen würde; aber da ich für solche Damen keinen Roman schreibe und das junge Paar keine Geheimnisse hat, in welche der Leser nicht bereits eingeweiht wäre, so mag er sich die Scene mit allen sie begleitenden Thränen, Seufzern und Küssen selbst ausmalen; und da jetzt der Knoten verwickelt wird, so verlege ich die Scene in das Ankleidezimmer Rainscourt's. – Er ist in der vorigen Nacht spät nach Hause gekommen und so eben zu seiner gewöhnlichen Stunde, nämlich zwischen zwei und drei Uhr Nachmittags, aufgestanden. Sein französischer Kammerdiener rasirt und frisirt ihn, und theilt ihm dabei alle möglichen Neuigkeiten mit, die er zur Unterhaltung seines Herrn gesammelt hat.

»Monsieur, haben also den jungen, verwundeten Offizier noch nicht gesehen?«

»Nein, ich wundere mich, warum sie ihn hierher brachten. Was ist es für ein Mensch?« –

» C'est un joli garçon, Monsieur; avec l'air bien distingué. – Ich brachte heute Morgen das Wasser hinein, als man ihn verband, denn ich wünschte ihn zu sehen. – C'est un diable de blessure – auch hat der junge Offizier ein ganz sonderbares Zeichen auf der rechten Schulter; es steht aus wie – comment l'appelez-vous? – pied de corbeau.«

Rainscourt fuhr unter den Händen seines Dieners zusammen; es fiel ihm plötzlich das Merkmal des Enkels ein, welches der Vikar so genau beschrieben hatte.

» Pardon, Monsieur, ce n'est pas ma faute,« sagte der Kammerdiener, indem er mit einem Handtuche das von der Wange seines Herrn, herabfließende Blut abzutrocknen suchte.

»Ich weiß es,« entgegnete Rainscourt sich wieder fassend, »ich bekam einen leichten Krampf.«

Die Operation ging weiter vor sich und war glücklicher Weise zu Ende, als der Kammerdiener wieder das Wort nahm – » Et rappelez-vous, Monsieur, le Vicaire de – –. Il est arrivé hier au soir, um Mr. M'Elvina zu besuchen.«

»Zum Teufel auch,« rief Rainscourt, von seinem Stuhle aufspringend, da ihm diese Aussage neuen Grund zu Besorgnissen gab.

Die verwunderte Miene des Kammerdieners brachte den Herrn wieder zur Besinnung.

»Trage mir meinen Kaffee auf; ich bin diesen Morgen etwas unwohl.«

Rainscourt durfte indeß nicht lange in Ungewißheit bleiben; denn als er kaum mit seiner Toilette fertig war, meldete man ihm, der Vikar, M'Elvina und einige andere Herren seien unten und wünschen ihn zu sprechen.

Da er begierig war, auch das Schlimmste zu erfahren, so begab er sich in das Empfangzimmer, wo er die erwähnten Herren nebst Debriseau und einem Rechtsgelehrten traf.

Wir wollen die Unterredung nicht näher schildern. – Zu Rainscourt's großer Bestürzung ward die Identität unseres Helden unzweifelhaft bewiesen, und er hielt sich für überzeugt, daß er die Güter wieder herausgeben müßte. Seine Entrüstung wandte sich hauptsächlich gegen M'Elvina, dem er Alles zur Last legte, da unser Held nicht nur von ihm aus dem Wrack gerettet worden, sondern weil besonders seine durch Debriseau verstärkten Aussagen den triftigsten Beweis lieferten.

M'Elvina, der langer Bekanntschaft zu Folge eine Gesinnung gegen Rainscourt hegte, welche dieser durch sein Benehmen nicht verdiente, wartete nur darauf, daß derselbe die Ansprüche unseres Helden anerkennen würde, um ihn alsdann mit den zärtlichen Verhältnissen beider jungen Leute bekannt zu machen, wodurch jeder Prozeß abgeschnitten und ein gütlicher Vergleich zu Stande gebracht werden konnte.

»Gut, meine Herren,« bemerkte Rainscourt mit Bitterkeit, »wenn Sie Ihre Aussagen vor dem Gerichte gehörig beweisen können, so werde ich mich natürlich der Entscheidung desselben unterwerfen; allein Sie werden mir nicht übel nehmen, wenn ich aus Rücksicht gegen meine Tochter so lange Widerstand leiste, bis Ihre Angaben eidlich erhärtet sind. Sie können es unmöglich anders erwarten.«

»Wir erwarten es nicht anders, Mr. Rainscourt,« erwiederte M'Elvina – »allein wir glauben, daß das Gericht bei dieser Sache ganz unnöthig ist.«

»Mr. M'Elvina,« fiel Rainscourt zornig ein, »ich verbitte mir jede Bemerkung von Ihnen. Da Sie mit der Familie, und besonders mit meiner Tochter, die durch Ihre Schuld nun wahrscheinlich aller ihrer Aussichten beraubt wird, in so freundschaftlichen Verhältnissen gestanden haben, so halte ich Ihr Betragen für niederträchtig und verrätherisch. Sie werden mich daher entschuldigen, wenn ich nach meinem Bedienten schelle und Ihnen die Thüre weisen lasse.«

M'Elvina wurde blaß vor Wuth.

»Dann, Sir, sollen Sie auch nichts weiter von mir erfahren. Kommen Sie, meine Herren, wir wollen uns entfernen,« fuhr M'Elvina fort, fest entschlossen, Rainscourt für den Augenblick in Unwissenheit zu lassen. Sie entfernten sich, ohne zu ahnen, daß dieser unbedeutende Wortwechsel so schreckliche Folgen nach sich ziehen sollte.


 << zurück weiter >>