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Siebenzehntes Kapitel.

Wack're Herzen! Englands Ehre,
Die gefochten ohne Wanken
Und dann auf dem Deck des Ruhmes
Mit Riou, dem Tapfern, sanken. –
Wo im Meeresgrund sie schlafen,
Rauscht die Woge dumpf und bang.
Und der Nixen Trauersang
Klagt um jene Braven.

Campbell.

 

Die überlebenden Sieger riefen einander flüchtige Glückwünsche zu, während sie Kapitän M.'s Befehl ausführten, der sie zum Beistande der Verwundeten aufrief, welche haufenweise auf dem Verdecke lagen und von denen manche unter den Leichnamen, welche über sie hergefallen, sich ihrer erschöpften Kräfte wegen nicht hervorarbeiten konnten und fast erstickten. Das Geschäft, diejenigen, welche keiner menschlichen Hülfe mehr bedurften, von denen abzusondern, die durch ärztlichen Beistand noch gerettet werden konnten, war eben so ermüdend, als traurig. Es wurde kein Unterschied zwischen den Leidenden gemacht, sondern Engländer und Franzosen wurden, wie sie an die Reihe kamen, sorgfältig auf die Halbdecke der beiden Schiffe gebracht, deren Wundärzte mit aufgestreiften Hemdärmeln und blutbefleckten Händen und Armen, zum Zeichen, daß sie ihre Berufspflichten schon gewissenhaft erfüllt hätten, bereit waren, sie in Empfang zu nehmen.

An dem vordersten Theile der Backbordseite des Halbdecks auf der französischen Fregatte, wo Kapitän M. und seine Mannschaft enterten, lagen die Todten und Sterbenden auf einem Haufen, dessen Gipfel mit den Spitzen der Karronaden zu beiden Seiten gleich war; und von Zeit zu Zeit ließen sich unter der Masse tiefe Seufzer hören, welche zeigten, daß Einige der Unglücklichen mehr in Folge des Druckes anderer Körper, als wegen der Gefährlichkeit ihrer eigenen Wunden starben.

Kapitän M. wollte, obgleich er einen bedeutenden Blutverlust erlitten und noch immer stark blutete, das Verdeck nicht verlassen, bevor er eine Abtheilung Leute zur Wegräumung des Leichenhaufens gesammelt hatte, und es wurden viele, die vielleicht in wenigen Minuten erstickt wären, auf diese Art gerettet. Ganz zu unterst lag der Leichnam des tapfern französischen Kapitäns, und Kapitän M. gab dem ersten Lieutenant den Auftrag, ihn hinunter zu tragen, als Willy, der ernsthaft auf dem Verdecke herumspähte, zu dem Letztern hineilte, der ihm zurief:

»Geh' aus dem Wege, Bursche; man kann dich hier nicht brauchen.«

»Hat Niemand meinen Hut gesehen?« fragte der Knabe, während er dem Befehl Folge leistete und ein wenig auf die Seite trat.

»Da ist er, mein kleiner Kampfhahn,« sagte einer von den Hochbootsmannsgehülfen, der den Hut fand, als der Leichnam des französischen Kapitäns, unter dem er breit gedrückt wie ein Pfannkuchen gelegen, hinweg geschafft wurde.

»Also bist du es, dem ich die rechtzeitige Hülfe verdanke?« sagte Kapitän M. dem Hochbootsmannsgehülfen den Hut aus der Hand nehmend und ihm, so gut es gehen wollte, seine frühere Gestalt wieder gebend, indem er ihn auf Willy's Kopf setzte. Willy sah dem Kapitän in's Gesicht, lächelte bejahend und ging.

»Ein freundlicher Dienst wird mir umsonst geleistet,« bemerkte Kapitän M. – »und die alte Fabel von der Maus und dem Löwen bewahrheitet sich stets, um uns demüthig zu machen. Hätte ich den Jungen nicht auf das Quarterdeck versetzt, so würde ich aller Wahrscheinlichkeit nach eine Lücke gemacht haben. Es war von seiner Seite ein Beweis ausgezeichneter Geistesgegenwart.«

Wir haben unsere Erzählung nicht unterbrochen, um anzuführen, daß es, während des beschriebenen Kampfes, Mr. Pearce gelungen war, beide Fahrzeuge vor den Wind zu bringen (obgleich sie einander immer noch so fest in den Armen hielten, als wenn sie stets die besten Freunde von der Welt gewesen wären), und sie waren jetzt außer dem Bereich der feindlichen Batterien, die, sobald sie den ungünstigen Ausgang des Gefechts wahrgenommen, angefangen hatten, mit glühenden, ihren Grimm bezeichnenden Kugeln zu feuern.

Als die Verwundeten hinunter geschafft und, so gut es anging, versorgt waren, wurden zuerst die Leichname untersucht. Die der Franzosen, mit Ausnahme des Kapitäns, wurden über Bord gestürzt, während man die der Engländer auf ihre Fregatte brachte; der einzige Unterschied, der zwischen den Unglücklichen gemacht ward. Hieraus öffnete man die Luken; die französischen Offiziere mußten ihre Degen ausliefern und erhielten, nach gegebenem Ehrenworte, die Erlaubniß, auf dem Verdecke zu bleiben, während die Mannschaft unten, in den vordern und hintern Zellen der Aspasia eingeschlossen wurde, doch so, daß man die Luken über ihnen nur mit starken Gittern schloß, damit sie in ihrem engen Raume nicht die frische Luft entbehren müßten. Nachdem die Aufsicht über die Prise dem ersten Lieutenant und fünfzig Mann anvertraut war, wurden die beiden Schiffe getrennt und legten bei, um dem erlittenen Schaden abzuhelfen.

Kapitän M., dessen Wunden nicht bedenklich waren, hatte sich auf einige Augenblicke hinab begeben, um sich auswaschen und verbinden zu lassen. Seine Sorge, das Schiff wieder in dienstfähigen Stand zu setzen, und, ehe schlechtes Wetter einträte, aus der Bai herauszukommen, trieb ihn, sobald er einige Erfrischungen eingenommen, auf das Verdeck zurück. Auch M'Elvina hatte sich von dem Blute, mit dem er bedeckt war, gereinigt und kam, nachdem er von dem Wundarzt einen schweren Hieb, den er auf die Schulter empfangen, hatte verbinden lassen, mit dem Arm in der Schlinge, und wie gewöhnlich sorgfältig und elegant gekleidet, auf's Halbdeck herauf. Er salutirte vor Kapitän M., den er, seit er ihn auf dem Halbdeck der französischen Fregatte verlassen hatte, um zu Gunsten der Enterer die erwähnte glückliche Diversion zu machen, nicht mehr gesprochen.

»Kapitän M'Elvina,« sagte Kapitän M., seine Hand ergreifend und sie herzlich schüttelnd, »ich finde kaum Worte, um meinen Dank für Ihr Benehmen an dem heutigen Tage auszudrücken. Sie dürfen versichert sein, daß ich bei meiner Rückkehr nicht ermangeln werde, der Regierung eine angemessene Vorstellung davon zu machen. Ich wünschte nur, daß eine Stelle auf meinem Schiffe wäre, die Sie bewegen könnte, hier zu bleiben.«

»Ich danke Ihnen, Kapitän M.,« erwiederte M'Elvina lächelnd; »aber obwohl auf einem kleinen Fahrzeuge, bin ich doch lange gewohnt gewesen, zu befehlen, und es thäte mir sehr leid, wenn die einzige Stelle, die ich annehmen würde, erledigt werden sollte.«

»Ich erwartete eine solche Antwort,« erwiederte Kapitän M. »Sie haben indeß an dem heutigen Tage Ihren Charakter glänzend gerechtfertigt, und alle Beschuldigungen gegen Ihr Vaterland, die man Ihnen, Ihrem vorigen Dienste zufolge, hätte machen können, zum Schweigen gebracht, wozu ich Ihnen aufrichtig Glück wünsche.«

»Kapitän M., da Sie die Güte hatten, freundschaftliche Gefühle für mich auszudrücken, dürfte ich Sie wohl bitten, Ihre Theilnahme an dem jungen Seymour zu beweisen? Ich kann es nur billigen, wenn er der ehrenvollen Laufbahn, für die man ihn bestimmte, getreu bleibt, und mein Schmerz über die Trennung einer Person, die mit meinem Herzen so tief verwachsen ist, wird beträchtlich durch die Versicherung gemildert, daß er an Ihnen einen Freund und Beschützer finden soll. Alle Ausgaben –«

»Kein Wort davon;« erwiederte Kapitän M. »Der Knabe rettete mir heute das Leben durch seine ungewöhnliche Geistesgegenwart, und ich werde über ihn wachen, wie wenn er mein eigenes Kind wäre.«

»Seine Erziehung?«

»Für diese soll gesorgt werden; ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich nichts an ihm versäumen will.«

M'Elvina verbeugte sich und ging auf die andere Seite des Halbdecks; der Gedanke an eine Trennung von Willy war für ihn äußerst qualvoll, und bei seiner durch den Blutverlust verursachten Schwäche fürchtete er, die Bewegung, welche er in diesem Augenblicke nicht mehr bemeistern konnte, möchte bemerkt werden.

So ist der stolze Mann. Er bemüht sich, Gefühle zu verbergen, die ihm Ehre machen, empfindet aber keine Scham, die Leidenschaften über seine Vernunft Meister werden zu lassen – und das Alles, weil er nicht für weibisch gehalten werden will! Ich für meinen Theil liebe das Weinen sehr.

Der zweite Lieutenant, der an die Stelle des ersten mit Ueberwachung der Prise beauftragten getreten war, brachte die Liste der Getödteten und Verwundeten herauf. Die Ersteren erfuhr man nach der Musterung der Schiffskompagnie; die Letztern wurden von den Aerzten angegeben.

Ein tiefer Seufzer entfloh der Brust des Kapitäns, als er die Gesammtsumme erblickte.

»Vierundvierzig todt, siebenundsechszig verwundet! Das ist ein schwerer Verlust. Armer Stevenson! Ich glaubte, er wäre bloß verwundet.«

»Er ist unterdessen gestorben,« erwiederte der zweite Lieutenant; »wir haben einen angenehmen Tischgenossen verloren.«

»Und seine Majestät einen trefflichen Offizier. Ich fürchte, seine Mutter wird den Verlust ihres Sohnes in mehr als in einer Hinsicht fühlen; so viel ich glaube, unterstützte er sie.«

»Ja, Sir; wollen Sie nicht die Stelle einem jungen Gentlemen übertragen?« Es handelte sich um einen dritten Lieutenant.

»Ja, ernennen Sie Mr. Roberson.«

»Er steht auf der Liste, Sir.«

»Wie? getödtet? ja wirklich! armer Bursche! Nun denn – Mr. Wheatly – so trage man diesen ein.«

»Sehr wohl, Sir.«

Erst am folgenden Tage konnte der Verlust des Feindes bestimmt werden. Er war ungeheuer, da die Verdecke mit Truppen voll gedrängt waren. Nicht allein der erste und zweite Kapitän, der zweite Lieutenant und sieben jüngere Offiziere der Fregatte, sondern auch eilf Offiziere der Landsoldaten, die an Bord des Schiffes kämpften, waren gefallen. Der ganze Verlust belief sich auf hundert und siebenundvierzig Todte und hundert und vierundachtzig Verwundete von fast neunhundert Mann.

Wenige Tage darauf kam die Aspasia und ihre Prise vor Plymouth an. Die englische Flagge wogte stolz über der dreifarbigen des feindlichen Schiffes, und beide Fahrzeuge liefen unter dem Hurrah-Geschrei vieler tausend Zuschauer, die sich, um ihre tapfern und siegreichen Vertheidiger zu begrüßen, auf Mount-Wise und Mount-Etgecomb versammelt hatten – in Hamoaze ein.

Kapitän M. begab sich ohne Verzug nach London, wo seiner Darstellung von M'Elvina's wackerm Benehmen der Befehl folgte, denselben augenblicklich frei zu geben. M'Elvina nahm zärtlichen Abschied von Willy, wobei er ihm noch die Ermahnung hinterließ: »sei ehrlich«, und brach auf, um dem alten Hornblow« und seiner Tochter Susanna alle die Wegnahme des Luggers betreffenden Umstände und seine eigenen damit verknüpften Schicksale zu erzählen.


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