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Vierundvierzigstes Kapitel.

Nur sollt ihr sehen
Unser römisch Jagen.

Shakespeare.

Nie hört' ich solchen Lärm;
Denn Wälder, Himmel, Wasser, kurz die ganze Gegend
Schien nur Ein Schrei zu sein!

Shakespeare.

 

In aller Frühe brachen Courtenay und seine Gefährten mit ihren Begleitern nach dem Jagdplatze auf. Mehrere Elephanten, so wie auch Pferde, standen in Bereitschaft, damit die Offiziere bei ihrer Ankunft sie besteigen, und von ihrem Rücken herab mit größerer Sicherheit schießen könnten. In weniger als zwei Stunden erreichten sie die Stelle, die sie den Tag vorher besichtigt hatten. Das Wild, welches aus einem Umkreise von vielen Meilen von Gebüsch zu Gebüsch getrieben worden war, hatte sich jetzt in einem großen, aus Unterholz und niedrigen Bäumen bestehenden Dickicht zusammen geschaart, und auf drei Seiten des Gehölzes standen Eingeborne, welche man zu der Jagd aufgeboten und denen sich viele Hunderte aus der Stadt und den benachbarten Dörfern angeschlossen hatten. Sobald die Gesellschaft ankam, stiegen die Reiter ab, nahmen ihren Platz auf den Howdahs der Elephanten, und versammelte sich an einer Ecke des Gehölzes, wo die Thiere herausgejagt werden sollten. Der Auftritt war einer der lebhaftesten und interessantesten. Vierzig bis fünfzig Eingeborne aus der höheren Klasse, auf feurigen Arabern sitzend, ihren langen glänzenden Jagdspeer in der Hand, und über hundert zu Fuß, mit Musketen bewaffnet, umgaben die Elephanten, auf denen die Offiziere sich befanden.

Die Leute, welche schweigend das Gehölz umstanden und sich bemühten, den Lärm und die Ungeduld der Hunde im Zaume zu halten, deren dumpfes Bellen von Zeit zu Zeit durch ein tiefes, vom Rande des Gehölzes herdringendes Geheul beantwortet wurde, erhielten jetzt Befehl zum Vordringen. Ein lautes, betäubendes Geschrei, vermischt mit dem Gebell der Hunde, erschallte nun von allen Seiten. Das Gebüsch, welches eine Fläche von fünfzehn bis zwanzig Acres bedeckte und bis dahin nur dünn bevölkert schien, wurde jetzt auf einmal gleichsam lebendig, da es in den Zweigen und Gebüschen tobte und rauschte, obwohl man nichts erblicken konnte.

Als sie mit ihren langen Stangen, schlagend in gerader und zusammenhängender Linie, durch welche nichts entrinnen konnte, vorrückten, so vermehrte sich auch die Bewegung in dem Gehölze, und bald wurde das tausendstimmige Geschrei der Leute durch den Lärm und das Gebrüll vieler tausend Thiere erwiedert. Aber erst als das Wild so nahe an die Waldecke, wo die Jäger standen, getrieben, und so zusammengedrängt war, daß das Gehölz die Thiere nimmer fassen konnte, verließen sie es, zögernd und mit Widerwillen. Zuerst kamen die furchtsamsten, als Kaninchen und Hasen, und andere kleine Thiere zum Vorscheine, und man ließ sie unbeachtet entfliehen; aber bald folgte die Masse, wie wenn sie durch gemeinschaftliche Uebereinkunft sich entschlossen hätte, ihr Geschick auf einmal entscheiden zu lassen.

In bunten Rudeln, ohne Unterschied der Gattung oder Lebensart, stürzten jetzt die mannigfaltigen Bewohner der Wälder hervor – Rothwild jeder Art, das Geweih in wilder Verwirrung verwickelnd, grimmige Eber, vor Wuth die Borsten emporsträubend, schnell springende Leoparden, flüchtige Antilopen, wilde Panther, Schakals, Füchse, und all' die schreienden, mannigfaltigen Arten des Affengeschlechts. Bisweilen konnte man unter der dichten Masse auch die gewaltige Riesenschlange wahrnehmen, wie sie sich in mächtigen Bogen wälzte – jetzt mit feurigen Augen auf ihren Verfolger zurückblickend, und gleich wieder ihre Flucht beschleunigend, während die Luft von dem wilden Geschrei der Vögel wiederhallte, die hie und da vor Schrecken todt herunterstürzten. Um das Ganze zu krönen, erschienen hoch in der Luft eine Menge Geier, die fast immer auf Einem Platze herumschwebten und auf ihren Antheil an dem bevorstehenden Gemetzel warteten. Als die Thiere in ihrem tollen Laufe sich gegenseitig niederrannten und einander überstürzten – Raubthiere und friedliche, starke und schwache, schädliche und gefahrlose – da hätte man aus dem allgemein herrschenden Schrecken schließen sollen, die Bewohner der Wälder seien zum letzten Gerichte aufgefordert worden.

Es war kein Tag der Gnade. Das Gemetzel nahm seinen Anfang; Schuß auf Schuß streckte die Thiere zu Boden, während die Eingebornen, auf ihren Arabern, mit ihren langen Speeren in den dichtesten Haufen hineinsprengten, unbekümmert um die Gefahr, die ihnen sogar von den Musketen der anderen Abteilungen drohte. Das Gebell der großen Hunde, die ihre Schlachtopfer niederrißen, das hie und da durch den Kampf und das Geheul der Angegriffenen vermehrte Getöse, das Rufen der Eingebornen und das gellende Geschrei der Elephanten, welches diese, auf Befehl ihrer Führer, erhoben, um die wilderen Thiere in gehöriger Entfernung zu halten – all dies bildete eine Scene, die keine Feder zu schildern vermag. Nach wenigen Minuten war alles vorbei. Diejenigen, welche entkommen waren, bargen sich keuchend im nahen Gebüsche, während die Gefallenen bunt durch einander den Boden in jeder Richtung bedeckten.

»Prächtige Tigerjagd, Sar,« bemerkte der Dolmetscher ganz entzückt gegen Courtenay.

»In der That sehr schön. Seymour, das heißt einmal eine Treibjagd. Was würden unsere englischen Jagdfreunde geben, wenn sie hier sein könnten? Aber Dolmetscher, ich habe ja keinen Tiger gesehen.«

»Groß Tiger? Nein, Sar, nicht groß Tiger in diesem Lande. Nennen das Tiger,« sagte der Dolmetscher, indem er mit dem Finger aus einen daliegenden Leoparden deutete.

Dies ist wirklich der Fall – der bengalische Königstiger duldet, gleich seinem Rival, dem Löwen, keine Mitgenossenschaft in seinem Bezirke. An den Gestaden der gewaltigen Ströme Ostindiens durchschweift er allein die Gehölze, welche seine Bedürfnisse befriedigen, und gibt nicht zu, daß geringere Jäger in denselben Wilddieberei treiben. Der Länge nach in der Sonne sich ausstreckend, und mit seinem schönen Schweife spielend, wehrt er dem Eindringen der Panther und Leoparden. Sein majestätischer Mitgenosse scheint gleichsam eine Uebereinkunft mit ihm getroffen zu haben, wornach Keiner in des Andern Hoheitsrechte eingreift; denn wo man den Königstiger antrifft, braucht man nicht die Gegenwart des Löwen zu fürchten. Jeder hat seinen Thron aufgeschlagen, wo es ihm gefällt; beide achten einander, und überlassen die übrige Welt minder mächtigen Räubern.

»Wie viele haben Sie getödtet, Prose?«

»Nun, um die Wahrheit zu sagen, Seymour, ich schoß meine Muskete gar nicht ab. Ich konnte es auch nicht vor Staunen und Schrecken; denn nie hätte ich geglaubt, daß es auf der ganzen Welt so viele Thiere gäbe.«

»Ich weiß gewiß,« bemerkte Macallan, »daß ich ein bis jetzt noch unbeschriebenes Thier sah; ich legte darauf an, aber eine Antilope sprang vorüber, gerade als ich losdrückte, und wurde getroffen. – Nie in meinem Leben habe ich mich so über Etwas geärgert; haben Sie es nicht bemerkt?«

»Ich sah eine Menge ganz sonderbare Thiere,« bemerkte Courtenay; »aber lassen Sie uns absteigen und einen Gang über das Schlachtfeld machen.«

Die Gesellschaft stieg ab und unterhielt sich eine Zeit lang mit Besichtigung verschiedener erschlagener Thiere. Das Rothwild und die Antilopen waren am zahlreichsten, doch als man nachzählte, kamen neun Panther und Leoparden und fünfzehn wilde Eber auf die Liste. Prose und Seymour gingen neben einander, als sie einen auf der Erde sitzenden Affen bemerkten, der ein höchst jämmerliches Gesicht schnitt; er gehörte zu einer kleinen langschwänzigen Gattung. Bei ihrer Annäherung machte er keinen Versuch, zu entfliehen, sondern schien im Gegentheil ihre Aufmerksamkeit erregen zu wollen, indem er sie mit trauriger Miene ansah, und wie vor Schmerz ein lautes Geschrei ausstieß.

»Armer, kleiner Kerl,« sagte Seymour, indem er sich zu dem Thiere wandte; »er gleicht ja ganz einem vernünftigen Geschöpfe. Wo bist du verwundet!«

Der Affe blickte, wie wenn er Vernunft hätte, auf eines seiner Hinterbeine, legte seine Pfote auf die Wunde, gerade wo die Kugel eingedrungen war.

»Nun, ich muß sagen,« rief Prose aus, »das arme Thier versteht Sie.«

Seymour untersuchte nun die Wunde, ohne daß der Affe sich im mindesten widersetzt hätte; im Gegentheil, er blickte bald auf sein Bein, bald ihnen in das Gesicht, als wollte er sagen, warum thatet ihr das?

»Macallan, kommen Sie hieher,« rief Seymour, »und sehen Sie, ob diesem armen Thiere nicht mehr zu helfen ist.«

Macallan kam herbei, untersuchte die Wunde und sagte: »Ich zweifle nicht an seiner Wiederherstellung; das Bein ist nicht gebrochen; kein edlerer Theil ist verletzt; ich will ihn deswegen verbinden und nach Hause nehmen.«

»Wie er doch einem Menschen so ähnlich sieht,« bemerkte Courtenay; »es scheint ihm blos noch die Sprache zu fehlen; das ist doch verdammt ärgerlich.«

»Und gewiß etwas niederschlagend für unsern Stolz,« erwiederte Macallan.

»Das ist's eben, was ich meine.«

Seymour gab sein Taschentuch zu Bandagen her, und der Affe wurde der Sorge eines Eingebornen anvertraut. Beiläufig will ich noch hinzufügen, daß er wieder hergestellt wurde, und daß ihm, wegen seiner besonderen Schicksale und auf Seymour's Fürsprache, Kapitän M. an Bord der Aspasia zu bleiben erlaubte, wo ihn die Mannschaft bald sehr lieb gewann. Hochkaste hingegen verschwand schon nach einigen Tagen, da ihn einige Matrosen, die er gebissen, über Bord warfen, weßwegen Kapitän M. gerade keine Untersuchung anstellte. Soviel von den beiden Affen.

Unterdessen hatten die Eingebornen das Wild gesammelt und trugen es nun in Prozession vor den Offizieren her. Die Leoparden und Panther, denen sie das Fell abzogen und in unglaublich kurzer Zeit mit Gras ausstopften, kamen zuerst. Ihnen folgten die wilden Eber, das Rothwild und die Antilopen, so daß immer zwei Mann ein Thier auf Bambusröhren auf ihren Schultern trugen. Als der Zug vor den Offizieren Revue passirt hatte, bewegte er sich nach der Stadt fort, begleitet von einer großen Volksmenge, die sich gleichfalls den Jägern angeschlossen hatte.

»Wollen Herren hier speisen?« fragte der Dolmetscher. »Bald ein Mittagessen bereit sein; aber kein Zelt da.«

»Daran sind Sie schuld, Doktor; sie vertrauen uns kein zweites mehr an. Ich schlage vor, hier zu speisen; denn ich würde einen Büffel ohne Sardellensauce essen, so hungrig bin ich. He, Mr. Prose! Laßt uns unter jener Akazie das Mahl einnehmen, dort auf dem Hügel; es geht ein frischer Wind und der Baum gewährt uns hinlänglich Schatten.«

Courtenay's Vorschlag fand Beifall und der Dolmetscher ertheilte die nöthigen Befehle. Dann sagte er zu dem Doktor: »wenn Saib den Schlangenmann zu sehen wünsche, so werde er jetzt kommen und sehr schöne Schlangen bringen.

Der Mann erschien, in der Hand ein kleines, irdenes Gefäß tragend, worein er die Schlange gesperrt und dasselbe mit einem leinenen Zeuge bedeckt hatte. Er wechselte einige Worte mit dem Dolmetscher und dieser erklärte nun, der Mann fürchte sich nicht vor Schlangenbiß, und wenn der Herr ihm Rupien gebe, so werde er sich beißen lassen; er esse dann nur ein Kraut, wie die kleinen Thiere, welche auf die Schlangen Jagd machen.«

»O von der Pflanze, zu welcher die Ichneumons ihre Zuflucht nehmen, wenn sie gebissen worden!« rief Macallan aus; »das mag ein schönes Experiment sein und ich will es sehen. Dolmetscher, sagen Sie dem Manne, ich wolle ihm eine schöne Belohnung geben.«

»Wie fängt man die Schlangen?« fragte Seymour.

»Blasen kleine Pfeife, Sar,« sagte der Dolmetscher, indem er auf ein kleines Rohr mit fünf bis sechs Löchern hinzeigte, das der Mann um seinen Hals hängen hatte. »Schlangen lieben Musik.«

Er erklärte alsdann die Art, wie die Schlangen gefangen würden. Dieselbe besteht darin, daß man sich dicht vor das Loch hinlegt, in welchem die Schlange sich aufhält, und auf der Pfeife eine sanfte Melodie spielt. Die Schlange, durch die Töne angelockt, streckt ihren Kopf aus dem Loche hervor; dann packt man sie sogleich am Halse und hält sie so lange daran fest, bis ihr alle Giftzähne ausgezogen sind, zu welchem Zwecke man ihr einen Fetzen Tuch vorhält und sie in dasselbe hineinbeißen läßt.

»Seltsam, daß die Schlangen Musik lieben und noch seltsamer, daß die Menschen dieses entdeckt haben,« bemerkte Courtenay.

»Und doch ist dies schon lange bekannt – vielleicht schon seit undenklichen Zeiten,« antwortete Macallan. »Die Vergleichungen in der heiligen Schrift sind alle der Natur und den Sitten des Ostens entnommen; erinnern Sie sich nicht des Psalmisten, der den Gottlosen einer Natter vergleicht, die auf die Stimme des Zauberers, wenn er noch so gut beschwören könne, nicht höre.«

»Ich erinnere mich jetzt,« antwortete Courtenay, »und schließe daraus, daß die Schlangen, da man sie nicht umsonst fängt, vor dem Könige Salomo tanzen mußten.«

»Es ist möglich – oder doch zu seiner Zeit.«

Der Schlangenmann nahm jetzt vorsichtig das Tuch von dem Topfe, benützte einen günstigen Augenblick und packte die Schlange, die sich sogleich um seinen Arm herumwickelte, am Halse. Während er sie so hielt, kauete er hastig einige Blätter, die er in dem um die Lenden geschlagenen Tuche trug. Nachdem er einen Haufen des gekauten Krautes neben sich hingelegt, verschluckte er eine Menge desselben, und brachte darauf den Kopf der Schlange an sein linkes Ohr, worein das Thier augenblicklich dergestalt biß, daß Blut herunterlief. Sobald ihn das Thier, eine Brillenschlange von der größten Sorte und beinahe sechs Fuß lang, gebissen hatte, legte er es wieder in das Gefäß, verschluckte immerfort Blätter und rieb zu gleicher Zeit mit Kraut von dem gekauten Haufen seine Wunde.

Die Zuschauer beobachteten, während dieses vorging, banges Schweigen; der Mann schien unwohl und schwindlich zu werden, legte sich nieder, erholte sich aber nach und nach wieder, verbeugte sich tief, nahm seinen Lohn in Empfang, übergab Macallan die Schlange in dem Gefäße und entfernte sich.

»Ein höchst sonderbarer Fall – ein äußerst sonderbarer Fall,« bemerkte der Doktor, indem er seine Schreibtafel und vorsichtiger Weise auch eine Handvoll Blätter einsteckte.

»Nun, Herren, Mittagessen jetzt ganz fertig,« bemerkte der Dolmetscher.

Das Mahl wurde auf dem von Courtenay bezeichneten kleinen Berge angerichtet. Dieser erhob sich mitten aus der Ebene gegen dreißig Fuß, und hatte nach allen Seiten eine vollkommene regelmäßige Gestalt. Sein Gipfel war flach, und in der Mitte desselben wogten die schönen und blühenden Zweige der Akazie im Winde, so daß bald da, bald dort die Sonnenstrahlen zwischen ihren Aesten hindurch brachen und das Gras unter ihr vergoldeten. Die Gesellschaft, bestehend aus den Schiffsoffizieren, dem gravitätischen Abgeordneten und seinem fünfzehn Mann starken Gefolge, deren Appetit durch die vormittägige Uebung und Kraftanstrengung geschärft war, vernahm mit Freude die Aufforderung des Dolmetschers, setzte sich nach Sitte der Mohamedaner mit gekreuzten Beinen in einem Kreise um die unter dem Baume ausgebreiteten Speisen, und begann einen hitzigen Angriff auf den Mundvorrath.

Macallan, um seinen neu erworbenen Schatz in Sicherheit zu bringen, hing das Gefäß an einen langen Dorn der Akazie und setzte sich alsdann neben die Anderen. Nachdem sie den vor ihnen stehenden Speisen tüchtig zugesprochen hatten, begann Fröhlichkeit und gute Laune sich zu verbreiten. Courtenay hatte so eben den gravitätischen alten Abgeordneten bewogen, die Gesetze seiner Religion zu übertreten und von der verbotenen Frucht in Gestalt eines Madera-Glases zu kosten, als das Gefäß mit der Schlange, welches der Doktor an den Baum gehängt hatte, sich durch das beständige Hin- und Herwogen der Aeste losmachte, mitten in den Kreis herunterfiel und in tausend Scherben zerbrach. Die Brillenschlange, welche von allen Seiten sich angestiert sah, richtete sich auf der Spitze ihres Schwanzes empor, blies ihren Hals grimmig auf, zischte schrecklich und schoß ihre gabelförmige Zunge hin und her, unschlüssig auf welchen von der Gesellschaft sie sich losstürzen sollte. Nie zerstob eine Speisegesellschaft so plötzlich; einen und noch einen Augenblick waren sämmtliche Anwesenden wie gelähmt; nicht Einer wagte aufzustehen und davon zu laufen – dann aber, als ob sie zu gleicher Zeit denselben Gedanken hätten, warfen sich Alle auf den Rücken, machten einen Purzelbaum und setzten so ihre sonderbare Flucht fort. Muselmänner und Europäer kugelten nach allen Richtungen des Kompasses den Hügel hinunter, bis sie endlich am Fuße desselben ankamen, während die Brillenschlange, gleichsam erfreut über die ihrer furchtbaren Gewalt gezollte allgemeine Ehrfurcht noch immer ihre drohende Stellung behauptete.

Unten am Hügel kamen alle zu gleicher Zeit wieder auf die Beine. Courtenay und Seymour brachen jetzt, nachdem die Gefahr vorbei war, in ein schallendes Gelächter aus. – Macallan war bestürzt; Prose äußerte mit fast aus dem Kopfe getriebenen Augen sein gewöhnliches »Das muß ich sagen«. – Der Abgeordnete war ernsthaft, wie immer – und die Uebrigen waren zu gutem Glück mehr bestürzt, als beschädigt.

Einer von den Eingebornen machte dem Spektakel dadurch ein Ende, daß er den Hügel wieder hinaufstieg, das Thier mit einem langen Bambusrohre zu Boden schlug und darauf tödtete. Unterdessen hatte sich die Gesellschaft von ihrem Schrecken wieder erholt, und nach wenigen Minuten hatte sie ihre Sitze wieder eingenommen. Der Doktor, verdrießlich über den Verlust seiner Schlange, untersuchte dieselbe jetzt und wurde noch mehr erbost, als er fand, daß der listige Hindu ihn betrogen und der Schlange bereits die Giftzähne ausgezogen hatte.

»Es ist wirklich so,« bemerkte er übellaunig gegen Courtenay; »er hat mich betrogen.«

»Höchst sonderbar,« erwiederte Courtenay, indem er die Achsel zuckte und den Mund verzog; »nun, Macallan, was nützen Ihnen jetzt Ihre Bemerkungen über die Zeit des Beißens, das Aussehen des Kranken u. s. w.? Gestehen Sie nur, daß es Dinge gibt, die verdammt ärgerlich sind.«

Die Gesellschaft erhob sich bald darauf und begab sich nach der Stadt zurück. Am nächsten Morgen gingen die Offiziere wieder an Bord, und nachdem die Königin die Dankadresse ausgefertigt hatte, lichtete die Aspasia die Anker und segelte nach Bombay.


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