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Siebenundvierzigstes Kapitel.

Wenn die Seelen, die in Allem einig sein
Und nur nach Einem Ziele streben sollten,
Sich trennen und verschiedene Pfade suchen.
So kann aus solchem Zwist nur Unglück folgen.

Rowe.

 

Doch wir müssen uns wieder nach England wenden, sonst verlieren wir die Familie Rainscourt, bei welcher, während der Abwesenheit unseres Helden in Ostindien sich viel Interessantes zutrug, ganz aus dem Gesichte.

Mr. Rainscourt machte hie und da Besuche bei seiner Gattin, in der Hoffnung, sie von ihrem Entschlüsse abzubringen und zu bewegen, noch einmal mit ihm unter demselben Dache zusammen zu leben. Allein seine Bemühungen waren fruchtlos; denn, obwohl Mrs. Rainscourt ihn jederzeit wohlwollend und höflich empfing, so war sie doch von verschiedenen Seiten mit der ausschweifenden Lebensweise, welcher er sich ergeben, zu gut bekannt gemacht worden, als daß sie ihm ihre Gemüthsruhe je wieder hätte anvertrauen mögen. Da er dessenungeachtet seinen Zweck mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit verfolgte, so besuchte er auch jeden Badeort, wohin sich etwa Mrs. Rainscourt aus Liebe zur Veränderung begab; und fast fünf Jahre hindurch, seit er seiner verlassenen Gattin wieder den ersten Besuch abgestattet, legte er in seinen Bewerbungen eine unermüdliche Beharrlichkeit an den Tag. Wirklich hegte er sehnlichst den Wunsch nach einer Wiedervereinigung mit ihr. Dazu bewog ihn besonders noch die allgemeine Bewunderung, welche Emilien gezollt wurde, wenn sie sich öffentlich zeigte. Rainscourt hielt sich für überzeugt, daß sein Haus zahlreiche Besuche empfangen und seine Bekanntschaft mehr gesucht würde, wenn er ein Mädchen, dessen Schönheit und künftiger Reichthum die eigensinnigsten und engherzigsten Ansprüche befriedigte, unter seinem unmittelbaren Schutze hätte.

Zwei Jahre oder etwas mehr nach Seymours Abreise entschlossen sich Mrs. Rainscourt und Emilie, die Herbstmonate in Gesellschaft der M'Elvina's in Cheltenham zu verbringen. Kaum waren sie daselbst angelangt, so erschien auch Mr. Rainscourt, und zwar mit dem festen Entschlusse, seine Absichten jetzt wo möglich durchzusetzen. Schon vor mehreren Monaten hatte er einen Plan ausgesonnen, womit er am besten zum Ziele zu gelangen glaubte. Dieser bestand darin: sein Schloß in Galway repariren und mit neuen Meubles versehen zu lassen, dann aber Mrs. Rainscourt zu überreden, dort einige Wochen mit ihm zuzubringen, weil er sie alsdann mehr in seiner Gewalt zu haben und seinen Wünschen geneigter machen zu können hoffte.

Schon seit einiger Zeit hatten Arbeitsleute den Austrag, das Aeußere des alten Gebäudes wieder herzustellen. Das Innere war unter Leitung eines geschmackvollen Architekten und mit dem größten Aufwande verschönert worden. Von London hatte man herrliche Meubles kommen lassen und Mr. Raincourt's Geschäftsführer benachrichtigte ihn nun, daß er das Schloß in wenigen Wochen beziehen könne.

Nach seiner Ankunft zu Cheltenham setzte Mr. Rainscourt durch seine glänzende Equipage Jedermann in Erstaunen. Seine Wagen, seine Pferde und seine ganze Einrichtung waren einzig. Auf der andern Seite erregten Mrs. Rainscourt und ihre Tochter ebenfalls die allgemeine Aufmerksamkeit, was nothwendig der Fall sein mußte an einem Platze wie Cheltenham, wo die Leute nichts anderes zu thun haben, als sich über die Angelegenheiten des Nächsten zu unterhalten, und als Strafe dafür Salzwasser zu trinken.

Die Anwesenheit einer schönen und reichen Erbin vermehrte noch um so mehr die Galle der jungen Damen und ihrer Mütter, welche die Töchter nicht blos zur Brunnenkur nach Cheltenham brachten. Auch die Herren waren höchst unzufrieden über Mr. Rainscourt, der Alles, was vor seiner Ankunft für fashionabel gelten konnte, so gänzlich verdunkelte. Die Damen sprachen von nichts, als von Mr. Rainscourt und seiner Equipage – auch war er ein so schöner Mann. Im Ganzen jedoch waren die Frauenzimmer höchst verdrießlich, da ein Stillstand in dem Markte einzutreten drohte, bis die reiche Erbin an den Mann gebracht sein würde. Herren, welche länger als eine Woche sich aufmerksam bewiesen hatten, zweimal zu Tische geladen worden waren und, wie man glaubte, lange genug mit der Angel gespielt hatten, um endlich in den Köder zu beißen, machten sich plötzlich los und wandten sich der reichen Erbin zu. Junge Ladies, welche anerkannter Maßen sich der meisten pekuniären oder persönlichen Vorzüge rühmen durften und beim Brunnen-Trinken zwanzig junge Stutzer zierlich angelächelt hatten, mußten jetzt, sobald Mrs. Rainscourt und ihre Tochter sich auf der Promenade zeigten, ihr laues Getränke in verdrießlicher Einsamkeit hinunter schlürfen. Es kamen nun wirklich Fälle von Gallsucht sehr häufig vor, und das schöne Geschlecht in seiner Verzweiflung – obwohl es nicht in ein Kloster ging – wozu das Benehmen der Herren augenscheinlich aufforderte, sah sich genöthigt, zu Bewahrung des Teints die Heilquelle zu Hülfe zu nehmen.

»Glauben Sie nicht auch, daß Miß Rainscourts Nase etwas zu gerade ist?« fragte eine junge Lady, deren eigene einer Mopsnase gar nicht unähnlich war.

»Ich glaube nicht,« erwiederte ein munteres irisches Mädchen, »obgleich sie uns eine gedreht hat, wie man sagt. Ich wünschte mir nur ihr Gesicht oder ihr Vermögen – entweder das Eine oder das Andere – dann käme ich nicht nach Cheltenham, sondern die Männer würden sich schon nach Irland hinüber bemühen.«

»Wie sonderbar ist es doch, daß Mr. und Mrs. Rainscourt nicht zusammen leben – sie scheinen ja im besten Vernehmen mit einander zu stehen.«

»O, ich weiß den Grund wohl; gestern habe ich ihn von Lady Wagtail erfahren. Es hatte eine Entführung stattgefunden und sie standen in unerlaubtem Verwandtschafts-Grade. Beide sind katholisch, der Papst erfuhr es und ließ sie unter Androhung des Kirchenbannes wieder trennen.«

»Wirklich?«

»Ja, und Mr. Rainscourt wartet auf Erlaubniß vom Conclave – Dispensation nennen sie es. Es heißt, sie soll mit der nächsten Post aus Rom anlangen und dann können sie sich sogleich wieder vereinigen.«

»Was für schöne Pferde Mr. Rainscourt hat!«

»Ja, sein Wagen mit den Grauschimmeln und den Vorreitern ist ganz prachtvoll. Er fährt immer durch den Schlagbaum, wie ich bemerke.«

»Ja, das thut er. Man sagt, er habe jährlich vierzigtausend Pfund Einkünfte.«

»Und Alles fällt einmal seiner Tochter zu?«

»Bei Heller und Pfennig.«

»Und wer sind denn diese M'Elvina's? – Welch' ein kurioser Name!« –

»O, über das kann ich Ihnen Auskunft geben. Mrs. Fitzpatrick sagt, daß er aus einer uralten irischen Familie abstamme: sie sind sehr reich. Mr. M'Elvina machte sein Glück in Indien durch eine Opium-Spekulation, und seine Frau war die einzige Tochter eines Aktienhändlers in London, der ihr wenigstens hunderttausend Pfund hinterließ.«

»Nro. 4 – etwas warm, wenn ich bitten darf, Mrs. Bishop.«

»Ja, Miß.»

Etwa vierzehn Tage nach seiner Ankunft wurde Rainscourt von seinem Agenten benachrichtigt, daß das Schloß jetzt vollkommen in Stand gesetzt sei. Er beschloß nun, nach Irland zu reisen und es selbst zu besichtigen, ehe er seine Gattin mit seiner egoistischen Galanterie bekannt machen wollte. Er bat M'Elvina, mit dem er in einem höchst freundschaftlichen Verkehr stand, ihn dahin zu begleiten. M'Elvina verstand sich um so leichter dazu, da ihm Mr. Rainscourt eröffnet hatte, es sei ein bedeutendes Gut, welches an das seinige stoße und seit undenklichen Zeiten einer Familie M'Elvina angehört habe, dem Verkaufe ausgesetzt, weil der letzte Eigentümer sein ganzes Vermögen im Spiel verloren.

»Es wäre wohl der Mühe werth,« fuhr er fort, »wenn Sie Lust haben, sich dort häuslich niederzulassen, dieses Gut in Augenschein zu nehmen, da mein Geschäftsträger mir versichert, es werde um eine Bagatelle anzukaufen sein, und sich dort sehr gut rentiren.«

M'Elvina wünschte schon lange, in Irland zu leben, da er aus diesem Lande herstammte. Auch mußte ihm der Gedanke kommen, daß an einem so bedeutenden Badeorte, wie Cheltenham, leicht eine unangenehme Wiedererkennung stattfinden und einige Abschnitte aus seinem frühern Leben auf's Tapet kommen könnten. Jetzt bot sich ihm eine Gelegenheit, die vielleicht nicht zum zweiten Male wiederkehrte, und er willigte mit Freuden ein, Rainscourt auf seinem Ausfluge zu begleiten.

Nach einer dreiwöchentlichen Abwesenheit kehrten sie wieder zurück. Das Schloß war mit vielem Geschmack und verschwenderischer Pracht eingerichtet, und Rainscourt fand nur wenig, was verbessert oder hinzugefügt werden müßte. Das Gut, welches M'Elvina in Augenschein genommen, sagte ihm sowohl der Lage als dem Preise nach zu; und nachdem er seine Gattin, die mit Vergnügen in seine Pläne einstimmte, zu Rathe gezogen hatte, ersuchte er Mr. Rainscourt's Agenten brieflich, den Kauf in's Reine zu bringen.

Rainscourt hatte nun den Entschluß gefaßt, den letzten Versuch zu wagen, um wieder zum Besitze seiner ehelichen Rechte zu gelangen, setzte in dieser Absicht seiner Gattin die mit dem Schlosse vorgenommenen Veränderungen und Verschönerungen weitläufig auseinander und machte ihr bemerklich, daß er keine Kosten gescheut habe, und zwar in der Hoffnung, sie werde das Schloß während des Herbstes bewohnen.

»Wüßten Sie,« sagte er, »welches Vergnügen Sie mir bereiten würden, wenn Sie noch einmal den Ort, den wir früher in Armuth bewohnt haben, von allem Glanze umgeben, besuchten – wüßten Sie, welche Freude Ihre Gegenwart unter unsern getreuen Pächtern verbreiten würde, und wie sehnlich sie Ihre Ankunft erwarten (denn ich muß gestehen, daß ich ihnen das Versprechen gegeben habe, sie sollten durch Ihre Rückkunft erfreut werden) – so würden Sie meine Bitte gewiß nicht unbillig finden.«

Aber Rainscourt hatte sich verrechnet. Wenn irgend ein Ort in dem Gemüthe seiner Gattin schmerzliche Erinnerungen weckte, so war es das Schloß in Galway. Dort hatte sie ihr Gatte mit Härte und Verachtung behandelt – dort hatte er, nachdem er wieder zu Vermögen gekommen war, sie grausam verlassen. Mit den diese Erinnerungen begleitenden schmerzlichen Gefühlen erkannte Mrs. Rainscourt schnell die Beweggründe, welche ihren Gatten geleitet hatten, und die Wagschale stieg mehr als je zu seinem Nachtheile.

»Wenn Sie mir zu Gefallen das Schloß wieder herstellen ließen, Mr. Rainscourt, so sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre rücksichtsvolle Güte; aber ich glaube nicht, daß ich das Schloß mit Freude wieder betreten könnte. Es knüpfen sich weit mehr bittere als freudige Erinnerungen daran, weßhalb ich keine Lust habe, mich nach Irland zu begeben, um so mehr, da ich glaube, das Leben wäre dort für Emilie zu einsam.«

»Doch nicht so einsam, Mrs. Rainscourt,« erwiederte ihr Gatte, indem er auf ein Knie niedersank, »daß ich Sie nicht um Verzeihung meines Unrechts anflehen, und meine aufrichtige Reue gegen Sie an den Tag legen könnte. Ich beschwöre Sie, lassen Sie das Schloß den Schauplatz meiner zurückgekehrten Liebe und Bewunderung sein, so wie es leider der Schauplatz meiner Thorheit und Gleichgültigkeit war.«

»Mr. Rainscourt, dieser Augenblick muß entscheiden. Wissen Sie ein für alle Mal, daß eine Wiedervereinigung in Ihrem Sinne weder stattfinden kann, noch wird. Erlassen Sie mir die Unannehmlichkeit, längst Vergangenes wieder in Erinnerung zu bringen. Begnügen Sie sich mit meiner Versicherung, daß ich mich einmal von Ihnen verstoßen nicht nach Ihrem Willen und Ihrer Laune wieder aufnehmen lassen kann oder will. Obwohl Sie mich tief verletzt haben, so vergebe ich Ihnen doch alles Vergangene, und werde Sie sowohl öffentlich als unter vier Augen stets wie einen Freund behandeln. Mehr aber verlangen zu wollen, wird nur für Sie erfolglos sein und Ihnen Verdruß bringen. Erheben Sie sich, Mr. Rainscourt; nehmen Sie meine Hand als die einer Freundin; ich biete sie Ihnen aufrichtig an. Sollten Sie aber auf den Gegenstand dieser Unterredung noch einmal zurückkommen, so müßte ich fernerhin, sobald Sie mir einen Besuch abstatten wollten, mich verleugnen.«

Rainscourt wurde blaß, als er diese Antwort hörte. Er hatte sich umsonst gedemüthigt. Gekränkter Stolz, vereint mit zurückgewiesener Leidenschaft, erzeugten in ihm einen tödtlichen Haß, der sich mit allem Grimme gegen den Gegenstand seiner frühern Neigung wandte. Er beherrschte sich indeß noch in soweit, daß er seinen Kummer auszudrücken suchte und die Sache nicht mehr in Anregung zu bringen versprach. Dann drückte er die dargebotene Hand ehrfurchtsvoll an seine Lippen und entfernte sich, um auf Rache zu sinnen.

Das bedeutende Leibgedinge, welches er seiner Gattin zur Zeit seiner Trennung ausgesetzt hatte, war zu fest gesichert, als daß er ihr dasselbe hätte wieder entziehen können. Seine Tochter von der Mutter zu entfernen, war der nächste Gedanke, auf den er verfiel, aber dieß ging nicht an. Emilie hatte einen festen Charakter und würde ihre Mutter nie verlassen haben; und eine Appellation an das Gericht hätte nur offen herausgestellt, wie wenig geeignet er zu dem Beschützer eines jungen Frauenzimmers sei. Die ganze Nacht brachte er mit unruhigem Nachsinnen zu; aber noch vor Tage hatte er seinen Entschluß gefaßt. Gewalt war nicht anwendbar: er mußte auf eine List denken, und entschloß sich deßwegen, seiner Gattin noch größere Aufmerksamkeit als früher zu erzeigen und der Zeit und Gelegenheit die Befriedigung seiner Rache anheim zu stellen.

Beide blieben zu Cheltenham, und Mr. Rainscourt machte, um bei seinem Plane sicher zu gehen, seiner Gattin das Geständniß, daß er jetzt alle Hoffnung aufgegeben habe und sie nicht weiter belästigen wolle. Er bat nur, sie möchte ihn mit der Freundschaft behandeln, von welcher das Glück seines Lebens bedingt sei. Mrs. Rainscourt hatte – so fest sie auch entschlossen war, ihn zurück zu weisen, wie es bei jeder Frau, welche einmal geliebt hat, der Fall sein muß – große Kämpfe in ihrem Innern zu bestehen, und sie fühlte sich gegen ihren Gatten günstiger gestimmt, als vorher. Seine jahrelang fortgesetzte Aufmerksamkeit, seine Gleichgültigkeit gegen alle Kosten, als daß er das Schloß ihr zu gefallen herstellen ließ – seine Demüthigung, als er vor ihr kniete, eine Stellung, die ihr sogar im Traume vorkam – sein mit Niedergeschlagenheit ausgedrücktes Bedauern – seine Höflichkeit ungeachtet der Zurückweisung, und hauptsächlich ihr befriedigter Stolz – Alles vereinigte sich, ihr Herz milder zu stimmen, und es ist höchst wahrscheinlich, daß sie schon nach wenigen Monaten ihn für hinlänglich bestraft gehalten und seine Wünsche erfüllt haben würde; aber das Schicksal wollte es anders.

Eines Morgens stattete Rainscourt seiner Gattin einen Besuch ab, und als die Pferde an der Thüre standen, schäumend in ihre Stangen bissen und ihren Kopf in die Höhe warfen, während sie von den abgestiegenen Jokeys gehalten wurden, bemerkte Mrs. Rainscourt, die mit ihrem Gatten am Fenster stand, und deren Herz immer mehr Neigung gegen ihn fühlte (denn ist die Fluth einmal zurückgekehrt, so wächst ihr Strom rasch), in scherzendem Tone: »Mr. Rainscourt, Sie lassen Emilie oft mit sich fahren; haben aber noch niemals Lust bezeugt, mich mitzunehmen. Wahrscheinlich denken Sie, ich sei zu alt.«

»O nein, Mrs. Rainscourt, wenn ich geglaubt hätte, daß Sie meine Bitte nicht abschlagen würden, so hätte Emilie nicht so oft an meiner Seite gesessen. Wenn es nicht zu spät ist, und Sie mir meine geringe Aufmerksamkeit nachsehen wollten, so würde es mich sehr freuen, wenn Sie jetzt mit mir spazieren fahren wollten.«

»Ich weiß nicht, ob ich es thun soll; aber da die verheiratheten Damen noch jederzeit ihren Töchtern das Feld räumen mußten, so denke ich, wird es wohl das Beste sein, wenn ich über die Kränkung hinwegsehe und Ihr Anerbieten annehme.«

»Ich fühle mich durch Ihre gütige Einwilligung sehr geschmeichelt,« erwiederte Rainscourt; »allein erlauben Sie mir, diese Pferde ausspannen, und andere, welche weit ruhiger sind, bringen zu lassen. Es wird in einigen Minuten geschehen sein.«

Mrs. Rainscourt lächelte und verließ das Zimmer, um sich zur Spazierfahrt anzukleiden, während Rainscourt zu dem Wagen hinunterging.

»William, fahre nach dem Stalle; spanne diese Pferde aus und schirre die beiden andern an.«

»Die andern, Sir,« erwiederte der Bursche; »wie! Smolenko und Poniatowsky?«

»Ja – nur geschwind; bringe sie, so bald du kannst.«

»Aber, Sir, die zwei jungen Thiere waren noch nie zusammen angeschirrt. Wenn Smolensko auch neben einem ruhigen Pferde läuft, so ist er ein störrischer Kerl, und was Poniatowsky betrifft, so macht er noch Sprünge, wie immer.«

»Thut nichts – spanne sie nur an und fahre gleich vor.«

»Es wäre in diesem Falle aber doch räthlich, den Hund an die Kette zu legen, denn sie scheuen ihn beide.«

»Thut nichts – sie müssen ihn schon noch gewohnt werden – laß den Hund nur mitlaufen, wie sonst. Nur schnell!« Hiemit ging Rainscourt wieder in das Haus zurück.

»Sam, ich kann mir um's Leben nicht einbilden, was der Herr heute im Sinn hat,« sagte William, welcher dem andern Jokey sein Pferd gegeben hatte und auf den Bock gestiegen war, um nach dem Stalle zu fahren. »Wenn er jene beiden Teufel neben einander laufen läßt, so ist in England keine Straße breit genug für ihn.«

»Ich weiß es auch nicht,« erwiederte der Andere.

»Kein Mensch bei gesundem Verstande würde das thun – er müßte nur die Absicht haben, seine Frau zu Tod zu fahren.«

»Das ist schwerlich der Fall; denn man sagt, daß er sie wieder zu heirathen gedenkt.«

»Seine Frau wieder heirathen! – Nein, nein, Bill, dazu ist der Herr viel zu gescheit.«

Der Wagen mit den beiden andern Pferden kam an – Rainscourt half seiner Gattin hinein, und die Pferde, von ihm selbst tüchtig gezügelt, rissen an der Deichsel hin und her, zu großer Beunruhigung der Miss Rainscourt, die wieder auszusteigen wünschte.

»Sie nehmen nur einen etwas starken Anlauf, meine Liebe – sie werden gleich wieder ruhig sein.«

»Sehen Sie,« bemerkte einer von den Spaziergängern, »dort fährt Rainscourt seine Gemahlin.«

»O dann ist sicherlich die Bulle angelangt!«

Während sie dieß sagten, sprang der Hund vorn an den Pferden hinauf – sie schlugen hinten und vorn aus und rannten in wilder Eile davon.

Rainscourt würde sie nicht haben anhalten können, wenn er auch gewollt hätte. Aber er war in den Wagen gestiegen, entschlossen, lieber sein eigenes Leben zu opfern, als diesmal seine Rache nicht zu kühlen. Alles, was er jetzt thun konnte, war, die Pferde zu leiten, und dieß gelang ihm so gut, daß der Wagen gegen einen Pfahl fuhr. Die Pferde setzten mit der Deichsel und den zerrissenen Strängen ihren raschen Lauf fort und ließen Rainscourt und seine Gattin unter den Trümmern des Wagens auf der Straße zurück.

Rainscourt's Plan war gelungen. Obwohl durch den Fall sehr gequetscht, war er doch nicht gefährlich beschädigt. Mrs. Rainscourt aber, welche mit großer Heftigkeit über ihn hinweg aus dem Wagen geschleudert worden war, wurde mit zerschmettertem Schädel aufgehoben und gab nach wenigen Minuten ihren Geist auf.


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