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Dreizehntes Kapitel.

Durch die Nebel dringt ein Feuerstrahl.
»Hoh!« schrie Wirt Watch, »die Zollwächter kommen;
Macht euch fertig, Bursche! jede Wahl,
Außer Sieg und Tod, ist uns genommen.«

Matrosenlied.

 

»Nun, Willy, was denkst du von der schönen Susanne?« sagte M'Elvina, als sie auf dem Hafendamme in der Nähe des Fahrzeuges standen, welches quer vor ihnen lag. M'Elvina legte freilich auf Willy's Urtheil keinen großen Werth, allein vermöge der Zärtlichkeit, welche jeder Seemann für sein Schiff empfindet, machte ihm selbst die Bewunderung von Seite eines Kindes Vergnügen. Der Lugger war ohne Zweifel ein so schönes Schiff, als je eines vom Stapel gelaufen.

In der Entfernung von einer Meile konnte man nur zuweilen seinen langen schwarzen Rumpf wahrnehmen, so tief ging er im Wasser und so vortrefflich waren seine Brüstungen gebaut, und doch war seine Breite so groß und sein Tonnengehalt beträchtlich, was man schon daraus schließen kann, daß er sechszehn lange eherne Neunpfünder führte und mit hundert und dreißig Leuten bemannt war. Doch jetzt, da er in ruhigem Wasser vor Anker sich befand, hatte man Gelegenheit, mit der größten Genauigkeit das Fahrzeug zu prüfen, wie es anmuthig, gleich einem Taucher dalag und wie dieser Wasservogel jeden Augenblick bereit schien, in das Wasser zu stürzen und in den, durch seinen scharfen Kiel gespaltenen, sich unter seinem Buge kräuselnden Wogen zu verschwinden.

»Wann werden wir absegeln?« fragte Willy, nachdem er dem Fahrzeuge weit verständigere Lobsprüche ertheilt hatte, als man erwarten konnte.

»Morgen Nachts, wenn der Südwind anhält. Wir haben diesen Morgen unser Pulver eingenommen. Wo warst du am Bord des – stationirt?«

»Nirgends, ich wurde erst ein paar Tage vor meinem Abgange in's Schiffsbuch eingetragen.«

»Dann mußt du bei mir Pulverteufel sein; du kannst das Pulver riechen, wenn du auch sonst nichts kannst.«

»Ich kann noch mehr,« erwiederte Willy stolz, »ich kann Bomben über Bord rollen.«

»Ja, ja, das kannst du; ich hätte es fast vergessen. Ich denke, ich muß dich auf's Quarterdeck versetzen und einen Offizier aus dir machen, wie Kapitän M. beabsichtigte.«

»Ich denke, ich werde in Gefechten Ihnen zur Seite stehen,« sagte Willy, M'Elvina's Hand ergreifend.

»Ich danke dir; das möchte kein so großes Glück für mich sein. Ich bin ein wenig abergläubisch, und so viel ich mich recht erinnere, hat dein alter Freund Adams dieselbe Ehre gehabt, als er getödtet wurde.«

Bei dem Namen Adams ward Willy still und wehmüthig. M'Elvina bemerkte dies; das Gespräch wurde abgebrochen und sie kehrten nach Hause zurück.

Einige Tage nachher segelte die schöne Susanna unter dem Jubelruf und den Vivats der auf dem Hafendamme versammelten Volksmenge und unter tausend Wünschen eines glücklichen Erfolges ab. Der Schiffsbauherr klatschte in die Hände und geberdete sich mit all den affenmäßigen Luftsprüngen eines Franzosen, als er die reichlichen Lobsprüche auf sein Schiff vernahm, welches mit der regelmäßigen Raschheit eines Barracouda die Wellen durchschnitt. Doch die frohlockende Menge, der Bauherr und der Damm, worauf derselbe seine Capriolen gemacht, waren bald den Blicken entschwunden und unser Held befand sich abermals in den Armen des pfadlosen und verrätherischen Oceans.

»Nun, es geht gut,« sagte Philipps, der dem Blicke seines Kapitäns folgte und jetzt über die Windvierung des Schiffes hinausschaute; »es muß ein rascher Segler sein, der mit uns auf gleichem Gang halten will. Und dazu hübsch voll in's Windes Auge! Bei der Allmacht, der leichteste Druck legt das Schiff schon in einen andern Strich.«

»Die Fockziehtaue angeholt, ihr Jungen!« rief M'Elvina. »Diese wenigen Taue strammen ganz verzweifelt. So, beschlagt Alles dies; nehmt eine scharfe Wendung und kommt ja um keinen Zoll auf.«

Die Brise frischte an und der Lugger flog, den weißen Schaum vor seinem Kiele her in die Luft spritzend, wo er kleine Regenbogen bildete, wenn Ihn die Strahlen der untergehenden Sonne trafen – durch die Wellen hin.

»Wir werden eine schöne Nacht haben und gegen Morgen leichten Wind, denke ich,« sagte der erste Gehülfe sich zu M'Elvina wendend.

»Ich denke auch. Lassen Sie die Leute nach der Liste sich aufstellen. Wir wollen die Kanonen laden, sobald die Lichter aus sind; lassen Sie den Konstabel vierzig Patronen füllen und befehlen Sie dem Zimmermann, die Luggenschirme aufzunageln. Sie sollen aufgerollt und verstopft werden; wir wollen sie so lassen, bis zu unserer Rückkehr nach Havre.«

Der Hochbootsmann pfiff und die Mannschaft des Luggers versammelte sich auf dem Verdecke, wo ihnen Kapitän M'Elvina die unerläßliche Nothwendigkeit vorstellte, bei einem so äußerst gefahrvollen Dienste immer thätig und vorbereitet zu sein. Dann wurden die Geschütze geladen und für die Nacht befestigt.

Die Mannschaft bestand aus ungefähr achtzig bis neunzig Engländern; die übrigen von den hundert und dreißig waren Franzosen und andere Abendteurer vom Continente. Obgleich sie verschiedenen Ländern angehörten, so hatten sie sich doch die Hand darauf gegeben, einander bei Uebertretung der Gesetze behilflich zu sein. Die auf königlichen Schiffen gewöhnliche Ruhe und Subordination durfte man hier nicht suchen. Laute und geräuschvolle Fröhlichkeit, bisweilen ein Streit, wenn der Nationalstolz des Einen oder Andern zufällig oder absichtlich gekränkt wurde. Französisch, Englisch und Irisch, abwechselnd oder durch einander gesprochen, brachten eine Art Verwirrung hervor, welche deutlich zeigte, daß ein Kapitän bei Dingen von geringerer Wichtigkeit die Zügel der Herrschaft nur schlaff in den Händen hält. Aber obwohl im Allgemeinen ein sehr freies Benehmen waltete, so wurde doch seine Autorität anerkannt und seinen Befehlen strenger Gehorsam geleistet. Es war eine Schiffsgesellschaft, die, wie man zu sagen pflegt, nach jeder Richtung zog, wenn gerade keine Einigkeit nöthig war. Zeigten sich aber Schwierigkeiten oder Gefahren, so wurde jeder Zank vergessen oder für eine günstigere Zeit bei Seite gelegt. Alle zogen nach einer Richtung, indem die verschiedenen Nationen immer um die erste Rolle wetteiferten und einander mit gutem Beispiele vorangehen wollten.

So war die Mannschaft des Luggers beschaffen, welchen M'Elvina befehligte; lauter auserlesene Leute von ausgezeichneter Kraft und Thätigkeit.

Nach Mitternacht wurde, wie der erste Gehülfe prophezeit hatte, der Wind leicht und bei Anbruch des Tages glitt der Lugger drei oder vier Meilen in jeder Stunde, von einem dichten Nebel eingehüllt, über das ebene Wasser hin. Die Sonne ging auf und hatte etwa zehn Grad Höhe erreicht, als M'Elvina auf die Posten trommeln ließ, um mit seinen Leuten Geschützübungen vorzunehmen. Die Sonnenstrahlen hatten noch nicht Kraft genug, durch den dicken Nebel zu dringen und die glanzlose Sonne hatte mehr das Aussehen eines vergrößerten Mondes, oder glich, nach Phillips komischer Bemerkung, »einem als Frau verkleideten Manne.«

Die Uebung mit den Kanonen hatte noch nicht lange gedauert, als sich ein frischer Wind erhob und der Nebel theilweise zu verschwinden anfing. Willy, der hinten auf der Hütte saß, bemerkte an der Luvseite eine dunkle, durch den Nebel sichtbar werdende Masse.

»Ist das ein Schiff?« fragte er, indem er dem ersten Gehülfen, der neben M'Elvina stand, dasselbe zeigte.

»In der That, mein Junge,« erwiederte der Gehülfe, »du hast ein scharfes Auge.«

M'Elvina's Fernrohr war ebenfalls auf den Gegenstand gerichtet. »Ein Kutter, der gerade vor dem Winde auf uns zukommt – ich will darauf schwören, ein Regierungsfahrzeug der einen oder andern Art. Gewiß ist's ein Zollkreuzer. – Mit diesen Herren habe ich eine Rechnung in's Reine zu bringen. Aus eure Posten, Jungen; Kugeln geholt! die Pulverkammer geöffnet!«

Die mächtigen Strahlen der Sonne vertrieben jetzt, im Verein mit dem zunehmenden Winde, den Nebel und die Schiffe konnten einander vollkommen gewahr werden. Die Entfernung zwischen ihnen betrug ungefähr zwei Meilen und die blauen Wellen kräuselten sich stark vor dem Winde, der sich erhoben hatte. Der Lugger behielt seine Richtung bei, während der Kutter mit allen Segeln, die er beisetzen konnte, ihm entgegenfuhr. Der Nebel wich immer mehr, bi« man offenen Raum von drei bis vier Meilen im Durchmesser hatte; aber auf jeder Seite häufte er sich in dichten Massen an, so daß rund umher sich eine Mauer bildete, welche den Horizont verhüllte. Es schien, als hätte die Natur freiwillig einen hinlänglichen Theil des Nebels entfernt und so einen kleinen Schauplatz für den bevorstehenden Kampf der beiden Schiffe formirt.

»Seine Flagge ist aufgesteckt, Sir. Accisefarben, bei Gott!« rief Phillips aus.

»Ganz recht,« erwiederte M'Elvina.

Der Kutter hatte sich bis auf eine halbe Meile dem Lugger, der seinen Lauf mit der größten Ruhe fortgesetzt, genähert, als er beiholte. Der Kapitän des Fahrzeuges war, sobald er den Lugger entdeckt hatte, überzeugt, daß es ein Feind sei, der ihm höchst wahrscheinlich zu schaffen machen würde, und hatte deßwegen alle Anstalten zu einem Gefechte getroffen.

»Sollen wir irgend eine Flagge aufhissen, Sir?« sagte der erste Gehülfe zu M'Elvina.

»Nein, wenn wir die englische aufhissen, so würde er den Kampf nicht eher beginnen, als bis er das Privatsignal gegeben und ein langweiliges Parlamentiren angefangen hätte, was durchaus nicht nöthig ist. Er kennt uns wohl.«

»Sollen wir die französische aufhissen, Sir?«

»Nein, ich will unter keinen andern Farben, als denen Altenglands fechten, wenn ich mich gleich gegen seine Regierung auflehne.«

Jetzt wirbelte eine lange Säule weißen Rauches über die Oberfläche des Wassers hin, indem der Kutter, nach vergeblichem Warten auf das Aufhissen einer Flagge, die erste Kanone auf seinen Gegner abfeuerte. Die Kugel pfiff zwischen den Masten des Luggers durch und schlug eine Viertelmeile leewärts in das Wasser.

» A vous, monsieur!« schrie ein französischer Schiemann am Bord des Luggers, und ahmte die Komplimente, welche einem assaut d'armes vorausgehen, nach. Zugleich nahm er seinen Hut ab und machte dem Kutter seinen Bückling.

»Zu hoch, zu hoch, guter Meister Spürhund,« sagte M'Elvina lachend; »richtet eure Geschütze auf seine Wasserlinie und feuert nicht eher, als bis ich kommandire.«

Der Kutter gab jetzt eine volle Lage auf den Lugger, aber da die Richtung zu hoch genommen war, so fügte dies der Mannschaft des Letztern durchaus keinen Schaden zu. Die Raaen wurden jedoch zerschmettert und einige davon fielen sammt den Segeln donnernd auf das Verdeck herunter.

»Rüstig, Jungen! wir haben lange genug gezögert; hinauf mit den Segeln, wir wollen Ihnen den Willkomm wieder zurückgeben.«

In weniger als Einer Minute waren die Raaen wieder befestigt und das Segel wieder aufgespannt.

»Jetzt, Jungen, gebt Acht, daß kein Schuß fehl geht – feuert, wenn ihr fertig seid.«

Der Lugger gab eine volle Lage, deren Erfolg aber nicht zu erkennen war. Der Giekbaum des Kutters war jedoch in der Mitte zerschmettert; der äußere Theil desselben fiel über die Windvierung und wurde durch das Horn des Segels nach hinten gezogen.

»Es ist schon aus mit ihm,« sagte der erste Gehülfe zu M'Elvina; und als der Kutter vom Winde abkam, ward er von seinem wohlbemannten Gegner mit einer zweiten Lage empfangen. Endlich gelang es dem Kutter, noch einmal seine Batterieseite quer vor den Lugger zu bringen. Das Feuer wurde jetzt mit Lebhaftigkeit, doch sehr zum Nachtheile des Kutters, unterhalten, der nicht bloß schwächer, sondern auch wegen des Verlustes seines Giekbaums völlig kampfunfähig war.

Nachdem die Schiffe noch ein Dutzend Lagen gewechselt, war der Kutter nur noch ein Wrack und außer Stande, das Feuer seines Gegners zu erwiedern. Sein Fockstag und die Raaen waren zertrümmert. Das Focksegel lag auf dem Verdecke und der Klüver befand sich über Bord unter dem Bug.

»Ich denke, wir können es jetzt gut sein lassen,« sagte M'Elvina zu dem ersten Gehülfen. »Wir thun besser, wenn wir uns davon machen, denn unsere Kanonen werden gewiß einige von den Kreuzern herbeilocken, und wenn sich der Kutter auch ergäbe, so könnte ich ihn doch nicht in Besitz nehmen. Wir wollen ihm mit einer vollen Ladung und drei Hurrahs Lebewohl sagen.«

M'Elvina's Befehl wurde ausgeführt; aber der Kutter gab nicht einen Schuß zurück.

»Etwas Steuerbord – so daß wir gerade vor ihn zu stehen kommen, damit er auch weiß, wen er vor sich hatte. Es wäre Schade, wenn er nicht erführe, bei wem er sich zu bedanken hat: er wird die schöne Susanna nicht vergessen.«

Der Lugger hatte sich kaum auf eine Meile entfernt, als der Wind stärker wurde und der Nebel rasch sich zerstreute. Da bemerkte Phillips, der fortwährend am Steuer sich befand, ein großes, gerade auf sie zukommendes Schiff.

»Hohe Zeit, daß wir uns davon machten, Kapitän; dort ist ein Kreuzer, wenn ich nicht irre. Ein Kanonenschuß ist für solches Volk dasselbe, wie für die Grundhaie zu Antigua, wenn man in das Wasser schlägt; alle kommen herauf, um zu sehen, was es zu erhaschen gibt; wir werden ein Dutzend von ihnen über dem Horizonte sehen, ehe zwei Stunden verflossen sind.«

M'Elvina, der sein Fernrohr nach dem Fahrzeuge gerichtet hatte, erkannte bald, daß es eine Fregatte war, welche, wie Phillips bemerkte, durch das Schießen angelockt, mit vollen Segeln herbeikam. Die Sache war um so ernsthafter, da die Fregatte augenscheinlich mit starkem Winde segelte, während der Lugger, obwohl sehr rasch steuernd, denselben noch nicht gewonnen hatte. Ueberdies hatte sich der Nebel nach allen Richtungen hin zerstreut und der Kreuzer näherte sich ungeheuer schnell.

»Verdammt sei der Kutter!« sagte der erste Gehülfe; wir werden den Spaß mit ihm theuer büßen müssen.

»Es ist ein verwünschter Unfall,« erwiederte M'Elvina, »die Fregatte bringt den Wind mit sich herunter und wird uns keinen Hauch davon zukommen lassen. Doch ein verzagtes Herz gewinnt keine schöne Frau. Haltet noch zwei Strich ab; zieht alle Segel ein, wir wollen sie doch noch luvwärts umsegeln.«

Der vor der Fregatte über dem Wasser herrauschende Wind wurde jetzt von dem Lugger verspürt, an dem wiederum das schäumende Wasser emporspritzte, als er durch die Wogen dahin schoß; allein bei einem Segeln solcher Art ist eine Fregatte stets im Vortheil gegen ein kleines Fahrzeug, und als M'Elvina dem Winde allmälig so viel nachgegeben hatte, daß die drei Masten seines Verfolgers ganz in einem einzigen zu verschwinden schienen, bemerkte er, daß die Fregatte bald mit ihm zusammen gerathen werde.

Die Mannschaft des Luggers, die bei der Beendigung des vorigen Gefechts, wo auch nicht Ein Mann getödtet oder schwer verwundet worden war, einen fröhlichen Jubel angestimmt hatte, ging jetzt mit gemessenen Schritten auf dem Verdecke hin und her, oder schaute mit ernsten und ahnungsvollen Blicken über die Brüstung. Besonders fingen die Ausländer an, ihr Schicksal zu verwünschen und glaubten, daß es mit ihrer Reise und dem gehofften Gewinnste ein Ende hätte. Als M'Elvina ihr Mißvergnügen bemerkte, ließ er sie zusammentreten und redete sie folgendermaßen an:

»Jungen, ich habe mich schon oft in der Klemme befunden und habe sie immer luvwärts umsegelt; und ich weiß auch, daß wir uns aus dieser herausarbeiten werden, wenn ihr meinen Befehlen pünktlich Folge leistet, und diejenige kaltblütige Tapferkeit, welche ich von euch erwarten kann, an den Tag legt. Viel, wo nicht alles hängt davon ab, ob der Kapitän der Fregatte ein Neuling ist oder nicht. Ist es ein alter Kanalspürhund, so wird er uns freilich ein wenig zu schaffen machen; aber gleichviel, wir wollen es mit ihm versuchen und begünstigt uns auch das Glück nicht, so haben wir wenigstens die Genugthuung, daß wir für uns und unsere Auftraggeber das Möglichste thaten.«

M'Elvina setzte hieraus seiner Mannschaft aus einander, welches Manöver er beabsichtige, um der Fregatte den Vortheil des Windes abzugewinnen, indem davon ihre einzige Hoffnung, zu entkommen, abhinge. Die Mannschaft kehrte nun, wo nicht ganz zufrieden gestellt, doch mit erneuertem Vertrauen zu ihrem Kapitän und der festen Hoffnung eines glücklichen Erfolgs, auf ihre Posten zurück.

Als der Tag sich neigte, hatte sich die Fregatte bis auf eine Meile dem Lugger genähert und kam jetzt Hand über Hand gegen ihn heran. Der Wind war stark und das Wasser kräuselte sich nicht mehr, sondern erhob sich unter seinem Einflusse in kurzen Wogen. Die Fregatte gierte ein wenig – ihr Bugstück entsandte eine Rauchwolke; ein Knall erfolgte und die Kugel schlug dicht unter dem Spiegel des Luggers in's Wasser.

»Sitzt unter der Brüstung nieder, sitzt nieder, Jungen, und gebt genau auf Alles Acht,« sagte M'Elvina, »er wird dies bald bleiben lassen; er hat bereits mehr als eine Kabeltaulänge verloren.«

M'Elvina's Vermuthung war richtig. Der Kommandant der Fregatte bemerkte, daß er zu sehr von seinem Laufe abgewichen und dadurch Raum verloren habe. Der Abend kam immer mehr heran, und er stellte deswegen das Feuer ein. Beide Fahrzeuge setzten ihren Lauf fort, indem der Schmuggler hauptsächlich darauf bedacht war, die drei Maste seines Verfolgers in Einer Linie zu haben, um sich vor seinem Geschütze sicher zu stellen oder ihm, im Falle derselbe feuerte, wo möglich einen Vorsprung abzugewinnen.

Nach einer halben Stunde, als der untere Rand der Sonnenscheibe bereits den Horizont berührte, war die Fregatte dem Lugger bis auf Musketen-Schußweite nahe gekommen und die Seesoldaten begannen heftig auf ihn zu feuern, um ihn zum Herunterlassen seiner Segel und zur Uebergabe zu nöthigen. Allein vergebens. Die Leute bargen sich auf Geheiß ihres Kapitäns hinter den Brüstungen und das Fahrzeug setzte mit allen Segeln seinen Lauf fort.

Nach wenigen Minuten war es gerade unter dem Bug der Fregatte, welche sich jetzt anschickte, eine Wendung zu machen und den Lugger für seine Verwegenheit mit einer vollen Lage zu empfangen.

M'Elvina, der ihre Bewegungen genau beobachtete, ertheilte, als die Fregatte sämmtliche Segel beigesetzt hatte, den Befehl zum Einziehen. In einem Augenblicke waren die Segel des Luggers zum Zeichen der Unterwerfung auf dem Verdecke.

»Ganz leewärts das Steuer – laßt das Besansegel ein wenig beigesetzt; sie werden es nicht bemerken.«

»Soldaten stellt das Feuer ein – Matrosen streicht etliche von den Segeln und laßt den ersten Kutter herunter,« lautete der Befehl an Bord der Fregatte, den die Schmuggler deutlich hörten; allein das viele Tuch, welches die Fregatte aufspannen mußte, um an das verfolgte Schiff heran zu kommen, war nicht so leicht wieder abzunehmen, wie dies bei einem kleinen Fahrzeug da Fall ist. Als dieselbe nun mit Leesegeln oben und unten schwankt«, schoß sie an dem Lugger vorbei, der sich jetzt an ihrer Windviering befand.

»Jetzt, Leute, ist es Zeit; die Klüverschote windwärts weggehißt!« – Der Lugger fiel ab, als der Wind seine Segel anschwellte. – »Steht Alles gut. Das Sturmsegel aufgehißt!«

Der Befehl wurde ausgeführt, wie es immer geschieht, wenn es gilt, der Armuth und Gefangenschaft, was Arbeitsleute am meisten fürchten, zu entfliehen; und ehe die Fregatte ihre Segel, deren sie bei dem gegenwärtigen Winde zu viele beigesetzt hatte, wieder eintreffen konnte, war der Lugger an ihrer Windviering vorbeigeschossen und hatte bereits eine Viertelmeile Vorsprung. Die Fregatte eilte ihm nach und feuerte ein Geschütz nach dem andern ab, jedoch ohne Erfolg. Das Glück begünstigte M'Elvina und die Schatten der Nacht entzogen den Lugger bald den Blicken seines erzürnten und getäuschten Verfolgers. Der Schönen Susanna war eine längere Laufbahn bestimmt, sie sollte diesmal noch nicht genommen werden.


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