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Zweiundzwanzigstes Kapitel

»Der treuen Liebe Lauf ging niemals glatt.«

Shakespeare.

Für eine Novelle ist ein Bischen Mattheit das Nämliche, was ein Mißklang in einem gutausgeführten Musikstücke, der Schatten auf einem schönen Gemälde und ein kurzes, sehr kurzes Schmollen in dem Antlitze eines lieblichen Mädchens.

Ein Bischen Ruhe ist nöthig – einige Flauheit unerläßlich, nur findet man es schwer, sie in einer passenden Form aufzutragen. Die modernen Schriftsteller geben gemeiniglich einen mehr als gebührlichen Theil dieser löblichen Eigenschaft in der Form langer, unverständlicher Liebesergüsse, während Andere sich in trägen metaphysischen Betrachtungen ergehen und wieder Andere eigentlich maßlos moralisch werden.

Es ist wohl recht, sich über das Sündhafte der Sünde vernehmen zu lassen, obschon man es stets langweilig findet. Das Kummervolle des Kummers, oder um mich noch stärker auszudrücken, das Schmerzliche des Schmerzes dürfte vielleicht sachdienlicher sein; aber trotz meines Alters bin ich doch eine zu lustige Haut, und ich kann mich nicht entschließen, zu dem einen oder andern dieser köstlichen Stoffe meine Zuflucht zu nehmen. In der That gewinne ich Allem einen tröstlichen Gesichtspunkt ab und glaube, daß die Welt bereits am schlechtesten gewesen ist. Der Strom der Verbesserung geht so breit und gewaltig vorwärts, daß er nothwendig die Menschheit in das stille und gesegnete Glücksmeer führen muß, welches das Christenthum vor fast zweitausend Jahren für das arme und verfolgte Menschengeschlecht zubereitet hat.

Was sind nun die Hindernisse, die sich der Strömung in den Weg legen? Einige alte verknöcherte Vorurtheile, in welchen der Despotismus noch starke Festungen findet, und einige Grundsätze von Ausgleichungszerstörung, welche die Bollwerke gedachter Festen untergraben – Bollwerke, welche die Weisheit von Jahrhunderten aufgeworfen hat, um den Lauf der menschlichen Ereignisse in ihrem einzig sicheren Bette zu erhalten. Dies ist meines Wissens das Einzige, was der großen Vollendung im Wege liegt, und ich werde sie wohl nimmer schauen, obschon ein solches Glück denen vorbehalten sein mag, welche unmittelbar nach mir kommen. Wir haben dann die Zeit, in welcher der Mensch von dem göttlichen Geiste des Christenthums erfüllt den gegenseitigen Haß und Formenstreit vergißt; die ganze Menschheit deckt sich so zu sagen mit dem Mantel der Gerechtigkeit, freut sich, in jedem Gesichte die Spuren des Glückes zu sehen, und trifft auf jeder Stirne den Willkomm brüderlicher Liebe.

Dies ist meine Prophezeihung – ich bin fertig. Mein Anfall von Flauheit ist vorüber – wenigstens jener Novellenflauheit, die nicht mit meiner gewöhnlichen zu verwechseln ist.

Nach dieser Ruhe nehmen wir unsere Erzählung wieder auf.

Als die Barke am Bord der Belladonna anlangte, war eben das Kommando ertheilt worden, abzufallen und die Topsegel einzuziehen. Das Boot befand sich bald an seiner Stelle, und dann wurden alle Segel gesetzt, um sich dem Geschwader anzuschließen, dessen Rümpfe sich schon fast zur Hälfte unter den Horizont gesenkt hatten.

Kapitän Oliphant, welcher nicht hoffen durfte, seinen vorgesetzten Offizier (dessen Person er nicht gut errathen konnte) noch am nämlichen Abende einzuholen, ließ guten Lugaus halten und verfügte sich in einem sehr ungewöhnlichen Gemüthszustande – dem eines ernstlich nachdenkenden Mannes – nach seiner Kajüte. Zum Erstenmal entdeckte er seine groben Mängel, und diese Betrachtung flößte ihm eine ungeheuchelte, heilsame Demuth ein. Wir wollen ihn immerhin sowohl über die körperlichen als geistigen Vorzüge Rosa Belmonts brüten lassen, denn er ist eben in einer Stimmung, in welcher er mit sich zu Rathe geht, ob er sich nicht Urlaub erbitten und für drei oder vier Jahre nach Oxford oder Cambridge gehen solle – ein Plan, der Rosa vermuthlich nicht sehr angestanden haben würde.

Mr. Rubasore, von den schlimmsten Leidenschaften erfüllt, die unsere gemeine Natur herabwürdigen können, hatte sich kaum in London eingefunden, als er sich schon unverweilt zu seinem Attorney begab. Dieser Mann seines Vertrauens war, natürlich gegen gebührende Belohnung, ganz bereit, allen Schleichwegen des Rechts aufzubieten, um seinem Klienten in Vollstreckung was immer für eines Vornehmens – gleichviel, wie schändlich es war – Beistand zu leisten.

Bei dem Kanzleigerichtshofe gegen Kapitän Oliphant eine Klage einzubringen und dessen Anwalt mit einer Aufforderung zu versehen, die eine Antwort nöthig machte, um dem Kapitän das Verbrechen einer Verachtung des Gerichtshofs aufheften zu können, schien der einzige thunliche Plan zu sein. Mr. Sharpus wollte die Sache ohne Zögerung besorgen; aber Rubasore nahm sich vor, ehe er die Rolle des Processirers ergriff, zuvor noch die des Liebhabers zu versuchen und eine großartige Anstrengung zu machen, um seinen verlorenen Boden wieder zu gewinnen. Zu diesem Ende wollte er einen Liebesbrief schreiben – ja, der achtundvierzigjährige Mr. Rubasore setzte sich in dem dunstigen Kaffeezimmer eines Gasthauses nieder, um einen Liebesbrief zu schreiben.

Ich beklage ihn. Als ich selbst noch jung war, und an meine Seraphine, Adeline oder Adelgunds (denn so hießen Die Theuren meiner jüngeren Tage) schreiben mußte, schwammen die Gluthgedanken millionenweise vor meinen geistigen Augen, wie die Schnacken, die in den Strahlen der aufgehenden Sonne tanzen. Die langsame, träge Feder holperte ihnen dann nach, wie ein Krüppel auf Stelzen. Für einen geschriebenen Satz wurden ein halbes Tausend im Selbstgespräche an die stummen Wände verschwendet. Dies waren die glorreichen Zeiten für Liebesergüsse. Leider aber hatte sich meine Seraphine, welche Gouvernante in einer adeligen Familie war, mit dem dritten Sohn derselben und mit der Armuth vermählt; dann heirathete Adeline, welche ein schönes Vermögen besaß, ihren nur zu schönen Verwalter, und als ich in meinem Zweiundvierzigsten einen Gratulationsbrief an Adelgunde schrieb, die sich mit einem deutschen Baron zu verbinden im Begriffe war, empfand ich ganz, wie schrecklich es ist, in einem solchen Alter niederzusitzen und von Liebe zu schreiben. Ich überwand mich jedoch und mischte unter meine Glückwünsche meinen letzten Aufruf um Gnade für mein brechendes Herz. Aber ich sollte nicht getröstet werden, denn die Baronesse mußte fort, um das Schloß ihres Gatten in Spanien einzusehen.

Nach solchen eigenen Erfahrungen kann ich trotz seiner Schlechtigkeit nur Mitleid mit dem Manne haben, welcher sich endlich genöthigt sah, durch die Beredtsamkeit seiner Feder ein Herz wieder zu gewinnen, das er thörichterweise für sein sicheres Eigenthum gehalten hatte. Der Leser mag sich selbst überzeugen, wie er sich seiner Aufgabe entledigte, denn ich bin im Besitze einer Abschrift seines Briefs.

» Rosa!

»Es däucht mich, als stehe ich auf Flugsand. Während der Sturm über meinem Haupte heult, während rechts und links die Wellen wie Ungeheuer der Tiefe heranrauschen, um mich zu verzehren, scheint sogar mein Fuß auf der Erde auszugleiten, um mich meinem unvermeidlichen, grausamen und unverdienten Ende entgegenzuführen.

»Und ich leide dies, weil ich all' mein Erdenglück auf die Sandbank Eurer Grundsätze gebaut habe. O Rosa, Ihr könnt und dürft mich nicht also vernichten! Glaubt nicht, daß ich alt bin – es wäre eine Täuschung. Die Sitte der Welt und sogar die Stimme der Natur gebietet, daß einige Jahre größerer Erfahrung auf der Seite des Gatten stehen sollen. Die Jugend ist sprichwörtlich blind, und wenn der Blinde den Blinden leitet, ist da nicht gegenseitiges Verderben vorauszusehen?

»Aber wenn Ihr mich täuscht, Rosa – dann – o dann bin ich in der That alt! Dann habe ich nichts mehr in dieser Welt zu thun, als mich für das Grab vorzubereiten. Als Ihr vor vier Jahren an meinem Herzen lagt, ein süßes Gemenge von Liebe und Unschuld – als Ihr die silberne Lampe der Nacht und das zahllose Heer der flimmernden Sterne zu Zeugen aufrieft, daß ich – nur ich Euer Herz und im Laufe der Zeit Eure theure Hand theilen solle – damals wart Ihr aufrichtig, gerecht und edel. Aber jene Gelübde, welche unverbrüchlich das süßeste Geheimniß heilig halten sollten, bis wir als Ehepaar vor die Welt träten – jene Gelübde, die Ihr mit all' der Aufrichtigkeit einer Heiligen und der Gluth einer Geweihten ablegtet – wurden sie nur dazu ausgesprochen, um schmählichst neben meinem vertrauenden Herzen gebrochen zu werden? Aber ich will glauben – glaube es zuversichtlich, daß Ihr durch die Hinterlist eines Mannes verstrickt wurdet, der – ich nehme keinen Anstand, es zu sagen – tief eingeweiht ist in die Künste der Verführung. In diesem Glauben vergebe ich Euch; unser friedlicher Liebesbund bindet uns übrigens noch immer, obschon er kein Geheimniß mehr ist. Ich werde nie und nimmermehr zurücktreten.

»Als Euer Herz noch makellos und Eure Seele so rein war, wie das durchscheinende Blau über uns, zu dem Eure Augen so gern aufblickten – damals gestandet Ihr mir, daß Ihr mich liebtet, daß ich Eure Hoffnung, Eure Zuversicht und Euer Glück sei? Was habe ich seitdem gethan, um diese beglückende Auszeichnung zu verwirken? Bin ich ein harter, unfreundlicher Vormund gewesen? Fragt Euer Gedächtniß, ruft Euch Eure früheste Kindheit in die Erinnerung und gebt Euch Antwort darauf, ob je eine Eurer Beschwerden unbeseitigt blieb, ob ich Euch je eine Freude versagte, und ob ich mich nicht beeilte, jeden Eurer Wünsche zu erfüllen.

»Hätte ein Vormund – ein Bruder – oder sogar ein Vater liebevoller und zärtlicher sein können? Warum dieser Wechsel? Etwa deßhalb, weil mein Haar ein wenig grauer geworden, oder weil die Zeit die Geschichte von drei oder vier weiteren Jahren auf mein Gesicht geschrieben hat? Eitle Ausflucht! Welcher Mann – sogar der schönste unter unsern englischen Jünglingen, die doch unter die schönsten in der ganzen weiten Welt gehören – welcher unter ihnen würde sagen, er wünsche blos um seiner Außenseite willen geliebt zu werden?«

»Wißt Ihr nicht, Rosa, daß es in meiner vormundschaftlichen Gewalt steht, Euch, sobald es mir gutdünkt, viele hundert Meilen von dem Gegenstande Eurer kindischen und hoffentlich vorübergehenden Bethörung zu entfernen? Aber könnte ich dies thun – könnte ich gegen meine Rosa überhaupt was immer für einen Schritt einschlagen, der ihr hart erscheinen möchte? Nie!

»Ihr habt Euch nicht verändert; Ihr seid edel und könnt deßhalb nicht wankelmüthig sein. Ihr seid für das Glück geschaffen, und ohne Zweifel steht Euch auch ein großes Glück bevor. Wo immer Ihr erscheint und austretet, trägt das Dasein einen Frühlingshauch, vor dem Kummer und Weh weichen müssen. Aber trotz aller dieser Eurer hohen Eigenschaften könnt Ihr eben so wenig als Jemand anders ein wahres Glück finden, wenn Ihr es nicht in dem Lichte der Grundsätze sucht.

»Wenn Ihr diese vom Himmel flammende Leuchte in Eurem Busen erstickt und dennoch Glück zu finden hofft, so sage ich Euch, ungeachtet Eurer Jugend, Eurer Schönheit und Eures Reichthums, wird es Euch nicht gelingen. Ihr könnt es nimmermehr finden, weder in dem Lenze mit seinen süßen Blüthen, noch in dem Sommer mit seiner heiteren Sonne – weder in dem Herbste mit seinem herrlichen Ueberflusse, noch in dem Winter mit seiner Ernte froher Herzen.

»Die Erde wird's Euch nicht geben und der Himmel wird's Euch versagen, denn wie, Rosa, könntet Ihr um Gnade flehen, an dem Fuße des Gnadenthrones, wenn Ihr treulos und mit Vorbedacht durch den Bruch Eures Versprechens und durch eine Gewissenlosigkeit, die bei Jedermann erschütternd, bei einem so vollkommenen und engelgleichen Mädchen aber, wie Ihr seid, wahrhaft empörend sein würde – Euren besten, Euern einzigen wahren Freund zu vernichten sucht? Schreibt mir, um mir zu sagen, daß der Nebel von Euren Augen gefallen ist, und daß Ihr wieder seht, was sich mit Eurer Ehre und unserem beiderseitigen Glücke verträgt. Dann wird der jetzt gekränkte und trostlose Vormund zu Euren Füßen fliegen und sich als Euren glücklichen Verehrer bekennen, der in Zukunft der ergebenste und nachsichtigste Gatte sein wird.

»Bis ich Eure Antwort erhalte, zähle ich die Stunden nach den Pulsschlägen meines Herzens, welche gegenwärtig nur dem Elende klopfen.

Euer
glühender Verehrer
Ruben Rubasore.

»Sarazenenkopf, London.«

Nun, ich denke, dies war leidlich gut für einen Gentleman nahe an Fünfzig. Was den leidenschaftlichen Wahnsinn betrifft, so hätte ich ihn höchstens in meinem Zwanzigsten, zuverlässig aber nicht mehr in meinem Fünfundzwanzigsten ausstreichen können. Wie dem übrigens sein mag, er schämte sich nicht, das Schreiben mit gebührender Würde zu siegeln, und schickte es noch mit derselben Abendpost nach Jasper-Hall.

Obgleich ich im Berichten von Liebesgeschichten nicht sehr glücklich bin, so habe ich mich doch schon zu weit in die Sache eingelassen, und da ich durch Mr. Rubasores Brief Miß Belmont gewissermaßen auf die Probe gesetzt habe, so ist es nur billig, daß ich auch ihre Antwort mittheile. Sie lautete also:

Das Wort »Theurer Ruben,« welches oben gestanden hatte, war mit der Feder ausgestrichen, und ein gleiches Geschick hatte auch die Anrede: »Mein theurer Sir,« erfahren.

» Geehrter Vormund

»Die Untheilbarkeit des Gedankens hat von den frühesten Zeiten an den Forschergeist aller Methaphysiker in Verlegenheit gebracht, und auch seine Unzerstörlichkeit veranlaßte viele Zweifel unter den Gelehrten; ob jedoch die Leidenschaft eine Ausgeburt des Gedankens ist, ob sie nur unter demselben besteht, oder ob sie durchaus nichts mit demselben zu schaffen hat, – eine Aussicht, zu welcher ich mich sehr hinneige – dies sind Fragen, über die ich erst noch mit mir einig werden muß. In jenem gelehrten Werke über die Geheimnisse der Rosenkreuzer, welches Ihr mir so angelegentlich empfohlen habt, finde ich ausdrücklich als Grundsatz niedergelegt, daß der Mensch seiner Natur nach in vier Alter zerfällt, deren jedem eine andere Individualität zugewiesen ist. Eine Bestätigung dafür finden wir bei Jean Jacques Rousseau, und was Diderot und Voltaire über den Gegenstand sagten, werden wir gelegentlich berühren.

»Nach diesen und andern vortrefflichen Autoritäten ist es augenfällig, daß der Jüngling nicht verantwortlich ist für die Handlungen seiner Kindheit, das Alter der Reise nicht für die Handlungen der Jugend, und das Greisenthum nicht für die Handlungen des männlichen Alters, da in diesen verschiedenen Stadien die Identität des Individuums gewechselt hat.

»Ihr werdet nun bemerken, geehrter Vormund, wie logisch ich bin; denn obgleich das eine Stadium nicht für die Handlungen des andern einzustehen hat, so bleibt es doch Aufgabe jedes nachfolgenden, die Irrthümer des vorhergehenden zu verbessern. Stellt nicht Hobbes den Grundsatz auf, daß der Mensch ein sich veredelndes Thier sei? Schließen wir weiter. Als ich noch ein Kind war, brachtet Ihr mich auf den Glauben, daß ich in Euch verliebt sei, weil Ihr mir sagtet, daß Ihr das gleiche Gefühl gegen mich unterhieltet. Gut also; und weil Ihr mir sagtet, Leute, die einander liebten, müßten den gegenseitigen Wünschen entsprechen, so habe ich Eurem Ansinnen Folge gegeben und Euch (ich glaube, Ihr habt Recht, wenn Ihr sagt, daß es bei dem Monde war) zugeschworen, ich wolle Euch heirathen, sobald ich volljährig sei, und unsere Verabredung bis zu dieser Zeit als Geheimniß bewahren. Nach unsern Grundsätzen, geehrter Vormund, lag in alle dem nichts Unrechtes, denn ich finde in den Romanen und andern französischen Schriftstellern, die ich Eurem Wunsche gemäß las, viele ähnliche Beispiele; da ich jedoch in der letzten Zeit plötzlich aus der Kindheit in das jungfräuliche Alter übergegangen bin, so erkenne ich nicht länger die Handlungen des kindischen Individuums an. Im Gegentheil muß jetzt die Jungfrau Allem aufbieten, um den höchst thörichten Irrthum wieder gut zu machen, den ich beging, als ich glaubte, daß ich in eine Person verliebt sei, die fast alt genug ist, um mein Großvater zu sein. Aus demselben Grunde halte ich mich auch nicht länger für verpflichtet, auf meiner Zusage zu beharren, zu der mich mein kindisches Ich veranlaßt hat.

»Dieß ist logisch, und ich will Euch dafür Belege aus französischen Schriftstellern anführen. Um jedoch vorderhand in der Hauptsache fortzufahren, muß ich bemerken: das Individuum, welches in meiner kindischen Identität verkörpert war, hatte keine Abneigung gegen lange Gesichter, eisengraue Haare und Gertenzöpfe, denn das kindische Ich liebte es, namentlich an den letzteren zu zerren, Puppen-Bandeliere und anderes Spielzeug daran zu hängen – kurz sich in Belustigungen zu ergehen, die mein jungfräuliches Ich verabscheut. Wenn wir beide lange genug leben, kehrt vielleicht in meinem Greisenalter der Geschmack für derartige Beschäftigungen zurück. Wenn sich's dann treffen sollte, daß wir Beide noch unverheirathet sind, so ist es möglich, daß mein Ich, oder – philosophischer zu sprechen – das Individuum, welches mich zu jener Zeit in meiner Identität verkörpert hat, sich bewegen läßt, das Heirathsversprechen zu erneuen; aber versteht mich vollkommen – erst dann!

»Ihr seht, geehrter Vormund, wie viele Mühe ich mir gab, die Grundsätze auszubilden, die Ihr meinem jungfräulichen Busen durch die französische Lektüre, welche Ihr mir in dem Kloster empfahlt, eingeflößt habt.

»Ich komme nun wieder auf die Untheilbarkeit und Unzerstörlichkeit des Gedankens zu sprechen, sofern sie sich auf meine Beweisführung bezieht, und will, da Ihr vermuthlich den Voltaire nicht zur Hand habt, einige Seiten aus seinem achten Bande hersetzen.«

Was diese Seiten enthalten mochten, kann ich unmöglich sagen, da Vorstehendes der einzige noch vorhandene Theil jener geistvollen Beweisepistel ist; denn als Mr. Rubasore soweit oder vielleicht bis an's Ende gelesen hatte, riß er sie zornig in zwei Stücke und schleuderte sie unter die Asche.

So durch einen jener seltsamen Zufälle, welche sich bisweilen ereignen, aufbewahrt, steht zu hoffen, daß vielleicht dieses nicht zu Grunde gegangene Bruchstück mit der wahrhaftigen Geschichte des alten Commodore als Pröbchen von Miß Rosas logischem Style auf die Nachwelt kommen wird.

Aus dem gedachten Schreiben entnahm Mr. Rubasore, daß die Schleichwege des Bittens völlig fruchtlos sein würden, weßhalb er sich vornahm, statt der Schmeichelei zum Zwange seine Zuflucht zu nehmen. Um dies desto nachdrücklicher und zugleich ganz gesetzlich thun zu können, verfügte er sich unverweilt zu seinem Freunde Mr. Sharpus, und da er unmöglich in schlechtere Gesellschaft hätte gerathen können, so wollen wir gerne die beiden Ehrenmänner verlassen.


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