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Neunzehntes Kapitel

»Liebe herrscht am Hof, zur See, im Hain,
Erd' und Himmel sich der Liebe freu'n;
Denn die Lieb' ist Himmel, Himmel Liebe.«

Wir müssen Kapitän Oliphant und Peter, von denen der Eine sich mit dem Pächter Drag unterhält, der Andere aber über den Wortspielen brütet, die möglicherweise in einem Kalbskopfe stecken, noch immer in der Heckengasse lassen und den Leser genauer über den Stand der Angelegenheiten zu Jaspar-Hall unterrichten.

Mrs. Dregely schrieb einen flammenden Bericht von Kapitän Oliphants Abenteuer an Mr. Rubasore, und erhielt dafür einen tüchtigen Verweis mit dem entschiedenen Befehl, Niemand in dem Hause Zutritt zu gestatten. Dies wurde, dem Willen des ältlichen Gentlemans zufolge, Miß Belmont als achtungsvoller Wunsch mitgetheilt, und die Wirkung davon war, daß sich ihre Abneigung gegen Gertenzöpfe noch mehr steigerte. Ungefähr vierzehn Tage später wußte es Kapitän Oliphant einzuleiten, daß er abermals eine kurze Zusammenkunft mit Rosa halten konnte, von welcher jedoch Mrs. Dregely auf irgend eine Weise Kunde erhielt. Eine dritte wird demnächst stattfinden. Wir wollen daher zu dem Kapitän und dem Pächter Drag zurückkehren.

Der Kapitän war eben im Begriff, den Pächter namentlich über den Punkt auszuholen, ob außer ihm vielleicht irgend ein anderer Gentleman Miß Belmont seine Aufmerksamkeit weihe – ein Verhör, von welchem Rosa und ihrem Mädchen kein Wort entging. Wir wollen die Worte, in welchen der lebhafte Seemann seine Nachforschungen anstellte, hier anführen.

»He, Pächter, Ihr könnt uns mittheilen, ob die Küste um die Halle klar ist. Hat sich kein Feind – kein langer Küstenlubber in Sicht gehoben

Dieß war zuviel für Peter.

»Hem! hem!! hem!!!«

»Hem, hem, hem!« schallte es von dem Fußwege auf der andern Seite der Hecke herüber.

Kapitän Oliphant wurde ärgerlich über die Sache.

»Hole der Teufel Euer Hem!«

Aber Peter ließ sich nicht einschüchtern.

»Ach, Sir,« sagte er, »ich sehe schon, Ihr könnt's nicht ertragen, wenn man Euer Gespräch hemmt und es in leidliche Schranken der Gebühr bringen will.«

Diese Erwiederung war etwas gefährlich. Sein Gebieter brach auf's Neue los.

Der Teufel hole den Schurken,« rief er. »Der Spitzbube ruht nicht, bis er mich durch seine Wortspiele um die Geduld und sich selbst um einen guten Platz gebracht hat.«

Diese Drohung übte eine sehr niederschlagende Wirkung auf den Wortmörder. Er langte ehrerbietig an seinen Hut, zog sich zurück und murmelte vor sich hin:

»Wenn dieß vom Kapitän Scherz ist, so ist's schlimm – ist's aber Ernst, so ist's noch schlimmer.«

Der Kapitän setzte sodann sein Gespräch mit Drag fort und erfuhr von demselben, das Gerücht sei im Umlaufe, daß sich Mr. Rubasore allerdings ein bischen zu zärtlich gegen seine Mündel benehme, und daß Mrs. Dregely nichts Anderes sei, als eine Spionin, welche er in's Haus gesetzt habe, um alle ihre Bewegungen zu bewachen.

»Potz Kartätschen und Musketenkugeln! Wie sitzt der Wind in dieser Richtung? Mein Tiefseeloth –«

»Hem, hem, hem!« ließ sich Peter mit sehr gedämpfter Stimme vernehmen.

»Hem, hem, hem!« platzten Rosa und ihr Mädchen unter unmäßigem Gelächter heraus.

»Da sind wir, Kapitän Oliphant,« fuhr Rosa fort. »Ihr kennt das alte Lied von dem wunderbar weisen Manne, der sich die Augen auskratzte, weil er durch eine grüne Hecke sprang?«

»Mein Herz, mein Leben! mein Kompaß, mein – diese Hecke ist allerdings ganz besonders dornig, meine theuerste Rosa –«

»Hem!« sagte Peter, »da ist am Ende doch vox et pretty nell

»Ich will Euch zu Eurem Troste den Schlußvers vorsingen, Kapitän.

›Und als die Augen hingen 'raus,
Das macht' ihm schwere Pein;
D'rum sprang er durch die Heck' zurück
Und kratzt sie wieder 'nein.‹«

Der Kapitän kam jedoch durch die Hecke, ohne etwas Anderes, als seinen Hut und sein Herz zu verlieren.

»He, Peter,« sagte der Kapitän, »gib mir meinen Hut herüber und brich dir selbst Bahn.«

»In der That, ich kann nicht, Sir; es sind zu spitzige Gegengründe vorhanden.«

»Geh' nach dem Pförtchen, Nelly, und hole den jungen Mann zu dem Kapitän herüber.«

Arm in Arm gingen Rosa und Oliphant nach der Halle hinauf, stets den Fußpfad unter den Ulmen an der Hecke beibehaltend.

»Hierher, junger Mann,« rief Nelly, sich auf der anderen Seite zeigend. »Kommt nach diesem Pförtchen.«

»Ah, ein prächtiges Frauenzimmer! nur ein bischen ländlich!« meinte Peter. »Ich bin überzeugt, Ihr müßt die hübsche Nell sein, obgleich vox nicht abwesend ist, wenn Ihr zugegen seid.«

»Mein Name ist zufällig Nelly, und was das Hübschsein betrifft, so danke ich Euch für das Kompliment,« versetzte das Mädchen mit einem Knixe.

»Habt Ihr ein Liebchen, Nelly?« fuhr Peter mit einer Gönnermiene fort.

»Danke schönstens, ja; 's ist kein Geheimniß, denn das ganze Land weiß darum.«

»Ihr seid sehr glücklich, daß Ihr so viel Vertraute habt. Wie heißt wohl der glückliche Jüngling?«

»Oh, man nennt ihn hier herum nur Jack, den Wilddieb – natürlich nur aus Bosheit.«

»Nell, hübsche Nell, da Ihr einen Wilddieb liebt, so könnt Ihr nichts dagegen einzuwenden haben, wenn ich auch ein wenig auf Jacks Gut wilddiebe?«

»Was meint Ihr damit, Meister Unverschämt?« entgegnete das Dämchen aufbrausend.

»Ich will Euch nur ein Pröbchen von meinen Manieren geben.«

Damit schickte er sich an, ihr einen Kuß zu rauben, eine Demonstration, welche von Nelly's Seite durch eine tüchtige Maulschelle, die Peters Augen doppelt sehen ließ, zurückgewiesen wurde. Er machte anfangs ein ziemlich saures Gesicht über dieses Pröbchen von Nelly's Manieren, rieb aber dann seine Wangen, benützte ein neues Wortspiel als Salbe und war wieder wohl.

»Das war scharf gemeint, Nelly.« Dann betrachtete er sie mit possierlichem Heroismus, schlug mit der rechten Hand an sein Herz und rief: »es war das Grabgeläut aller meiner Hoffnungen.«

»Ihr müßt wissen, daß ich Euch nur zu Eurem Herrn holen wollte,« rief die entrüstete Nell. »Lauft jetzt auf dem Fußpfade nur Eurer häßlichen Nase nach und laßt ein ehrliches Mädchen gehen.«

»Das ist eine wilde Katze; was sie für eine Pfote hat!«

Sie marschirten nun gleichfalls, aber wie es in der militärischen Taktik heißt, in offener Ordnung dem Hause zu.

Aus gewissen sehr dringenden Gründen umwandelten der Kapitän und Miß Belmont das Gebüsch, ohne sich dem Gesichtskreise des Hauses zu nähern. Ihre Unterhaltung war eigenthümlich. Bisher hatte Oliphant die junge Dame etwas ernst in ihrer Haltung, pathetisch in der Ausdrucksweise und etwas stelzengängerisch in ihren Gefühlen gefunden; in der dritten Zusammenkunft aber benahm sie sich neckisch scherzhaft, indem sie anfing, ihn mit Ammenstubenliedchen anzureden. Er äußerte sich über diesen Wechsel in ihren Manieren und sagte ihr, wie gut diese Heiterkeit ihr lasse. Hierüber erröthete sie sehr, und ihre fröhliche Stimmung war mit einemmale dahin. Der junge Offizier bedauerte dies herzlich und wußte nicht, was er sagen sollte. Bis jetzt hatte er sich zwar wohl darauf verstanden, sein Geschütz zu kommandiren, aber es war etwas ganz Anderes, eine überbildete, fehlerhaft erzogene junge Dame im Gespräch auf Gegenstände zu leiten, die ihr schwer auf dem Herz lagen; denn trotz seiner geringen Kenntniß des schönen Geschlechts hatte der Kapitän doch bald entdeckt, daß Rosa von irgend einem Geheimniß bedrückt wurde.

Kapitän Oliphant wußte, daß Miß Belmont im Auge der Welt sehr ungebührlich handelte; das arme verblendete Mädchen hatte jedoch keine Ahnung davon. Das ganze Abenteuer trug einen ausgesucht romantischen Charakter, und sie beschwichtigte ihr Gewissen damit, daß nichts in ihrem Benehmen lag, was ihr zu wirklichem Vorwurf gereichen konnte. Sie hatte sich einen eigenen Kodex von Recht und Unrecht gebildet, oder sich vielmehr durch Mr. Rubasore, der seine eigenen selbstsüchtigen Zwecke dabei verfolgte, einprägen lassen; ihr Inneres machte ihr daher keinen Vorwurf, daß sie einem sehr schönen jungen Offizier, der ihr fast ein Fremder war, gewissermaßen geheime Zusammenkünfte gestattete.

Als jedoch der gedachte junge Offizier sich bemühte, das Geheimniß ihrer Beziehung zu Rubasore aufzuspüren, das sie mit allen Ehren hätte veröffentlichen können, bebte sie vor dem Ansinnen mit einer Scheu zurück, als halte sie es für ein Verbrechen, dasselbe nur anzuhören.

Wenn das arme Mädchen von dem himmlischen Blau, von dem hehren Sternenzelte, von der edlen Beruhigung eines sich selbst opfernden Glückes, dessen Qual Entzücken sei, und von der unergründlichen Tiefe der Empfänglichkeit eines unaussprechlichen und nicht enthüllbaren Gefühls sprach, glaubte Kapitän Oliphant, daß er sie im Ganzen so ziemlich verstehe; schlug er ihr aber vor, mit ihr nach ihrem eigenen Hause zu gehen, und mußte er dann hören, daß sie ihm freimüthig erklärte: ›es gefalle ihr besser in der Laube, in welcher sie säßen, denn sie vermuthe sehr, Mrs. Dregely sei ihre hinterlistige Feindin, die sich wie die Schlange in dem Busen der vertrauenden Unschuld zum Leben erwärmt habe‹, so wußte er durchaus nicht, wie er alles dies zu nehmen hatte. Da der Seekapitän nur wenig gelesen hatte, so wußte er nicht, daß heimliche Zusammenkünfte und ein rücksichtsloses Stürzen in Versuchungen für Romanleserinnen nichts Regelwidriges hatten, und ebenso wenig war ihm bekannt, daß derartige Personen nur mit Entsetzen an die Enthüllung eines ihnen auch noch so schuftig angehefteten Geheimnisses denken können.

»Aber warum, meine schöne Rose, glaubt Ihr, daß diese Dame Eure Feindin ist?«

»Ich glaube, sie steht in geheimer Korrespondenz mit Mr. Rubasore.«

»Rubasore, Rubasore – wer ist Mr. Rubasore?«

»Mein Vormund;« und dann fügte sie mit einem außerordentlich ehrlichen Seufzer (denn nicht alle Seufzer sind ehrlich) bei – »und vielleicht in Zukunft –«

»Was sollte er in Zukunft sein?«

»Ach das schlimme Geheimniß! – es sucht mir zu entwischen, wie ein fressender Geier, der in diesem Herzen, welches er zerfleischt, eingeschlossen ist.«

»Dann laßt ihn mit einemmale fliegen, und Ihr werdet ihn los sein.«

»Nie und nimmermehr!« rief sie, ihre schönen Hände auf dem schwellenden Busen kreuzend und den vollen, besiegenden Glanz ihrer schwarzen Augen dem armen Kapitän zuwendend, was aus den Letzteren eine solche Wirkung übte, daß er nachher davon sagte, es sei ihm gewesen, als würde er über den ganzen Leib mit Musketenkugeln durchbohrt. »Diese Harpye des Herzens, dieses Geheimniß mit seinen glühenden Krallen soll sein Gefängniß in Stöcke reißen und mit ihm sterben.«

Das Bild war allerdings nicht so gut, als die Sprache kräftig, und der einfache Seemann wußte nicht, was er daraus machen sollte. Sein eigenes ehrliches Herz trat ihm übrigens auf die Zunge, als er dieselben bezaubernden Augen sich mit glänzenden, ununterdrückbaren Thränen füllen sah, während das Mädchen ausrief: »Ach, mein Glück ist für immer dahin; wollte Gott, daß ich bald sterben dürfte!«

Dann brach sie in einen höchst romantischen Strom mädchenhafter Thränen aus, der durchaus nicht den Schmerz einer feingebildeten hysterischen Dame bekundete, sondern eben ein gutes, herzhaftes, ehrliches Schluchzen war.

Wer kann ein weibliches Wesen also weinen sehen, ohne sich geneigt zu fühlen, den einen Arm um ihren Leib zu schlingen und das gesenkte Haupt mit seiner Schulter zu unterstützen? Der junge Kapitän gehorchte unwillkürlich diesem natürlichen Antriebe.

»Und warum, Rosa? – Meine Rosa!«

»Nimmermehr!«

Und die Thränenbäche strömten auf's Neue.

»Und doch, meine Rosa, muß ich dieses Geheimniß, das Euch so unglücklich macht, erfahren.«

»Nie, nie, nie!« rief sie mit sich steigerndem Schluchzen.

»Ist Euer Vormund darin betheiligt?«

»Ja.«

»Er ist doch nicht – Euer Liebhaber?«

»A – ach – frei – lich,« entgegnete das Mädchen mit fast krampfhaftem Schluchzen.

»Er ist ein Schurke –«

»O – ja.«

»Und Ihr haßt ihn?«

»Aus – gan – zer – See – le,« erwiederte die jugendliche Schönheit.

»Wohlan denn, meine Rosa, laßt mich die Diamanten aus Euren Augen küssen, denn mich verlangt, sie wieder zu sehen. Dieser Rubasore also – ich kenne den Schurken – hat von Eurer Unerfahrenheit und Jugend Vortheil gezogen – hat Euch zu einer Zusage verlockt und Euch einen Eid abgenommen, das Geheimniß zu bewahren? Ihr sollt ihn heirathen, wenn Ihr volljährig werdet? Dies ist wohl das Geheimniß, mein holder Engel?«

»Das – ist – das – Ge – heim – niß! Ich werde es nie enthüllen,« murmelte das Mädchen in Zwischenräumen, denn das Schluchzen hatte sich noch immer nicht gelegt.

Man muß gestehen, daß Kapitän Oliphant, obgleich er kein feingebildeter Mann war, doch ein gewisses Talent besaß, um Geheimnisse zu entlocken, die »wie Geier an dem Herzen, in welchem sie eingeschlossen waren, fraßen;« aber er wußte dies selbst nicht, sonst würde er sich wahrscheinlich viel darauf zu Gut gethan haben.

»Natürlich gedenkt Ihr nicht, Rosa,« fuhr er fort, »diese fluchwürdige Zusage zu halten?«

Diese unumwundene Frage vermehrte das Schluchzen ziemlich und führte die süßeste aller nichtssagenden Antworten aus schönem Munde herbei:

»Ich weiß es nicht.«

»Aber ich weiß es – und bin's sogar vollkommen überzeugt. Ihr müßt den alten Affen zum Teufel schicken.«

Oh pfui! Kapitän Oliphant; wer wird auch eine so superfein gebildete junge Dame also anreden. Sein Rath war zuverlässig sehr unmoralisch, übte aber doch keine üble Wirkung, denn er brachte die erste schwache Morgenröthe eines Lächelns auf das Antlitz des Mädchens.

»Oh, Rosa!« sagte der Kapitän zärtlich, »Ihr lacht über mich und meine ungeschlachten Manieren. Wohlan, theure Rosa – denn theuer werdet Ihr mir immer sein – hört mich. Ich will offen mit Euch sprechen; erweist mir die Freundschaft, Euch unverhohlen mit mir zu verständigen. Ehe ich noch mehr von Euch weiß – ehe ich auch nur ein Wort von Eurem Vermögen oder Eure Aussichten gehört habe – biete ich Euch die Hand eines freimüthigen Seemanns.«

»Oh, Kapitän Oliphant – das ist – so – gar – Hals über Kopf.«

Das Schluchzen hatte auf's Neue begonnen.

»Nicht im Geringsten, Rosa. Wenn der Wind günstig sitzt, so schifft man unverweilt die Silberbarren ein.«

»Hem! hem!! hem!!!« ließ sich deutlich die Stimme einer unsichtbaren Person vernehmen, was die Wirkung hatte, daß das Liebespärchen plötzlich in eine weniger zurückgelehnte Lage auffuhr. Das Schluchzen der Dame ging in eine Art leichten Kicherns über, und die Galle des tapfern Kapitäns gerieth in eine wunderbare Aufregung.

»Ich will dem schuftigen Witzling alle Knochen im Leibe zerbrechen. Ist je irgend Jemand in einem solchen Augenblicke in dieser Weise gestört worden?«

»Seit durch die wunderbare Sympathie, die zwischen gleichgestimmten Geistern besteht« – sagte Rosa zwischen Lachen und Weinen – »einer Sympathie, deren sämmtliche Glieder von Ewigkeit her in der ätherischen Esse gegossen wurden, in welche unsere schönsten Neigungen, unser liebstes Sehnen und unsere irdischen Hoffnungen sowohl, als unsere himmlischen zusammenschmelzen –«

»Meine theure Rosa, ich verstehe kein Wort von alle dem.«

»Oh, mein theurer Kapitän – 's ist nur eine Art Einschiffen von Spillen und Barren,« versetzte die junge Dame schalkhaft; »aber Ihr habt noch nicht gelernt, die zartesten Schatten einer zitternden Erregung passend auszudrücken und die träumerischen Andeutungen des Herzens in Worte zu fassen, welche Seele athmen. Jetzt wollen wir nach dem Haust hinaufgehen.«

»Von Herzen gerne. Ich liebe ein ebenes Segeln. Rosa, ich habe Euch meine Liebe erklärt, und wenn ein ehrlicher Mann dies dem Mädchen seiner Wahl gegenüber gethan hat, so fühlt er sich nie glücklich, bis alle Welt davon unterrichtet ist. Rosa, nehmt Ihr mich als Euren Liebhaber an?«

»Die Zusage, die ich meinem Vormund gegeben habe –«

»Ist durch Betrug und Schurkerei erschlichen, und kann weder im Auge des Gesetzes, noch vor dem Richterstuhle gewöhnlicher Ehrlichkeit gerechtfertigt werden. Hinweg damit.«

»Würde la nouvelle Heloïse sie gebrochen haben?«

»Ist dies ein neues Schiff, das erst kürzlich vom Stapel gelassen wurde? Brecht sie immerhin.«

»Wenn ich sie halte, bricht mir das Herz, und wenn ich mich derselben entschlage, verliere ich allen Ruhm der Selbstaufopferung, den ich gewinne, wenn ich an dem Fuße des Altares der Grundsätze sterbe.«

»Ich muß sagen, meine geliebte Rosa, daß Ihr den Flottenprediger an hochtönenden Worten überbietet. Wahrhaftig, ich sehe nicht ein, was man für einen Ruhm vom Sterben haben kann, es sei denn, daß man für's Vaterland in den Tod gehe. Unmöglich kann es ein Ruhm, wohl aber eine fluchwürdige Schmach sein, einem Betrüger und Schurken zu helfen, daß er die Vortheile seiner schuftigen Hinterlist in Sicherheit bringe.«

»Ihr setzt dies in ein furchtbar lebhaftes Licht, Kapitän Oliphant. Aber fahrt fort.«

»Das heiße ich verständig gesprochen. Wohlan, ich biete Euch nochmal meine Hand. Ich will Euch unverhohlen sagen, was Gutes und Schlimmes an mir ist. Ich besitze ein freies unabhängiges Einkommen von tausend Pfunden im Jahr, das sich nach dem Tode meiner Mutter, welche mir Gott noch viele Jahre erhalten möge, verdreifachen wird. Meine Familie steht von mütterlicher Seite mit den besten Häusern in Verwandtschaft, und außerdem bin ich Postkapitän in Seiner Majestät Flotte – eine Ehre, auf die ich mir am meisten zu gut thue, und die mich, wie ich glaube, in die Lage setzt, um eine Herzogstochter zu freien.«

»Von allen Liebeserklärungen, die ich je in meinen Büchern gelesen habe, ist dies die seltsamste,« dachte Miß Belmont. »Wann wird doch der Mann aus seine Kniee fallen? Ich will nach jenem Grasplatze gehen; dort haben wir keine Seele in der Nähe, und der Rasen ist hübsch glatt.«

Dies dachte sie nur, ohne ihre Gedanken laut werden zu lassen; ihre Antwort beschränkte sich bloß auf eine Verbeugung.

»Nun, meine theure Rosa, habe ich das Beste gesagt, was sich überhaupt von mir sagen läßt, und es ist nicht mehr wie billig, daß Ihr auch das Schlechteste hört. Ich möchte um die Welt nicht unter falschen Farben segeln.«

»Was wird zunächst kommen?« dachte die Dame weiter. Sie verbeugte sich abermals und blieb, sobald sie die Mitte des Grasplatzes erreicht hatte, stehen.

»Für's Erste ist meine Erziehung, welche bloß seemännisch ist, nach der gewöhnlichen Betrachtungsweise sehr vernachlässigt. Zweitens bin ich nur der Sohn eines Kaufmanns; und dann gefällt Euch vielleicht auch mein Taufname nicht. Ich heiße eben Oliver, und diejenigen, welche mich lieben, heißen mich der Kürze halber Noll. Rosa Belmont, wollt Ihr mich Noll nennen?«

»Noll!« entgegnete sie lachend – natürlich damit kein Zugeständniß von ihrer Seite beabsichtigend.

»Ich danke Euch aus dem Grunde eines ehrlichen Seemannsherzens,« sagte er, sie an sich ziehend und ihr einen herzlichen Kuß ausdrückend. »Rosa, mein Leben – meine Geliebte.«

Obgleich sie ganz in der Mitte des Grasplatzes standen, hatte doch Rosa – seltsame Fügung – die Ceremonie des Knieens ganz vergessen; denn als sie ihre Hand zärtlich in die seinige legte, sprach sie:

»Wir wollen jetzt nach dem Hause hinausgehen und Mrs. Dregely davon in Kenntniß setzen.«

»Und hat meine Rosa jenen langschwänzigen Pavian je geliebt?«

»Ja, Oliver – Noll wollte ich sagen – ich glaubte es einmal.«

»Gerade die offene Antwort, die ich erwartete,« entgegnete er, sie zärtlich an sich drückend –

So wurde Rosa gefreit und gewonnen!

Unbesonnener Greis, daß ich das Wie beschreiben wollte! Welcher Novellist wagt es heutzutage, eine Liebesscene ihrer ganzen Länge nach zu schildern? Finden wir nicht stets, daß sich die Schriftsteller mit den Worten aus der Schwierigkeit helfen: »was sie sagten, obschon es höchst interessant für sie selbst war, würde doch nicht,« u. s. w. Ich aber, mit dem schwachen Sinne des Alters, habe Alles ausgeführt, was sie sagten, und meinte thörichterweise, weil es für die betreffenden Partieen interessant war, sei auch aller Grund für die Annahme vorhanden, daß sich auch Andere dafür interessirten. Wie weitschweifig ich bin! Leser, vergib mir und lies weiter.


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