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Viertes Kapitel

»Wer möcht' die Streich' der Bootsmannskatze dulden,
Des Drängers Unrecht und des Stolzen Schmach,
... des Dienstes Unverschämtheit,
Das Spornen ruhigen Verdienstes durch
Den Unwerth, wenn man Ruhe sich kann schaffen
Durch Springen über Bord

Hamlet zur See.

Ich komme nun rasch leewärts auf und bringe meine Ereignisse in eine gute Segelordnung. Bald wird es rüstig voran gehen; nur müssen wir auf's Neue von dem Lande abfahren, das wir in unserem ersten Kapitel angethan haben, und dem nun ein großer Vorsprung abgewonnen ist. Wir ersuchen den Leser, sämmtliche bisher gelesenen Kapitel mit Ausnahme des ersten als Rückblicke zu betrachten, welche nothwendig sind, um den Gang unserer Erzählung zu verstehen, obgleich sie nicht selbst die Handlung darstellen. Wenn wir alle unsere Schiffe im nächsten aufbringen, werden wir stolz der Katastrophe zusegeln. Laßt uns unsere Neffe ausschütteln, die Schooten einziehen und weiter steuern.

In unserer Hast, diese Einleitungen zu beseitigen, haben wir keine Zeit gehabt, Mr. Underdown die gebührende Ehre zu Theil werden zu lassen. Auf allen Reisen mit seinem Gönner zu Wasser oder zu Land pflegte er sich seine Unabhängigkeit zu wahren, indem er sich auf der See nie zum Gegenstand was immer für einer Beförderung machen ließ und ebensowenig auf festem Grunde Gehalt für seine Dienste annahm. So behauptete er ein vollständiges Uebergewicht über den Commodore, wenigstens soweit sich über einen solchen Mann eine moralische Gewalt geltend machen ließ. Obgleich die Sache nie zwischen den betreffenden Partieen zur Sprache kam, so wußte er doch wohl, woher seine bescheidene Unabhängigkeit stammte. Er besaß mehr als hinreichende Mittel, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, und vollkommen genug für seinen Ehrgeiz. Treu und eifrig hielt er den stillschweigenden Vertrag mit ihr, die vordem auf seine Liebesworte gehört und sie so sanft zurückgewiesen hatte, indem sie ihrem Vorwurf den Stachel dadurch zu benehmen suchte, daß sie ihm die Aufsicht über die wilden Leidenschaften ihres Bruders vertraute. Und die Vorsehung schien seine wandellose Treue gegen die Schwester, seine unablässige Hingebung an den Bruder mit beifälligen Augen zu betrachten, denn er hatte in fast jedem Treffen, welches der Letztere ausfocht, in der Nähe des Commodore gestanden, ohne eine Wunde zu erhalten, während sogar geübte Krieger selten unbeschädigt davon kamen. Mehr als einmal war er mit dem Befehlshaber und den Enterern auf die Decken des Feindes gesprungen und hatte unfreiwillig seine Klinge das Lebensblut Derer trinken lassen, die sich ihm entgegensetzten. Er schauderte vor solchem Handwerk und wollte durchaus keinen Dank dafür annehmen, noch weniger aber sich in die Schiffsbücher eintragen lassen, damit seiner Nützlichkeit nicht gedacht werde. Den Lohn trug er in seiner eigenen Brust – in der Reinheit und Erhabenheit seiner unerwiederten, aber vollkommen gewürdigten Liebe. Die Leidenschaft für Lady Astell war längst entschwunden und hatte einem heiligeren Gefühle Platz gemacht – einem Gemisch von Verehrung und Liebe.

Während dieser langen Jagd wäre Mr. Underdown, trotz seiner mäßigen Lebensweise, beinahe das Opfer eines tropischen Fiebers geworden. So lange sein Leben in Gefahr war, benahm sich der Commodore musterhaft, und entfaltete an dem Krankenlager seines edlen, uneigennützigen Freundes alle die Wachsamkeit, wie auch viel von der Zärtlichkeit eines Weibes. Sein Leid kam eine Zeitlang der Mannschaft und den Schiffen unter seinem Kommando sehr zu Statten, denn sein rauhes Wesen war viel milder geworden. Das Fieber hatte zwar lange vor der Ankunft zu Rio Janeiro den Kranken verlassen; aber er befand sich jetzt in einem so geschwächten Zustande, daß ihm eine baldige Auflösung drohte, wenn nicht die nährendste Diät und die reinste Luft die Kur unterstützte. Demgemäß wurde er zu Rio an's Land gebracht, um sich daselbst zu erholen.

So verstimmt auch der Commodore vor Rio Janeiro anlangte brach sich doch bei der Trennung von dem Freunde ein ehrenhaftes, natürliches Gefühl durch seinen finsteren Ernst Bahn. Er drückte dem Kranken, als dieser mit seiner Hängematte in die Barke gelüpft wurde, die Hand und bat ihn dringend, ihm so schnell wie möglich nach England zu folgen. Als er bekümmert dem nach der Küste hinrudernden Boote nachsah, rief er aus: »Gott helfe mir und meiner Umgebung!« ließ aber dann als eine kleine Erleichterung für seine Gefühle die Mannschaft zur Bestrafung antreten und befahl freigebig, etliche 20 Dutzend Peitschenhiebe unter die Matrosen zu vertheilen.

Wir wollen uns weder über den Schmerz verbreiten, den sowohl Augustus über die Trennung von seinem Führer und Freunde empfand, noch über die allgemeine und ungekünstelte Trauer der Mannschaft, welche gleichfalls einen Freund in ihm verehrte. Sie fühlten es und sprachen sich unverholen aus, daß mit ihm all' ihr Glück gewichen sei. Der Geist der Schonung umschwebte nicht länger das unheimliche Schiff. Sir Octavius Bacuissart wurde ein starrer Mannszüchtler, sein Offizierscorps eine mißvergnügte Faktion und seine Mannschaft nichts viel Besseres, als eine Rotte Meuterer.

Während dieser hastigen, stürmischen Jagd gegen Europa empörte sich die Seele des jungen Astell gegen seinen Befehlshaber, und er sagte sich im Geiste von allem Gehorsam sowohl gegen seinen militärischen Oberen, als gegen seinen Verwandten los. Sie hatten sich eine Weile gegenseitig sehr kalt behandelt und fingen nun an, sich zu hassen, oder doch Gefühle an den Tag zu legen, welche fast ebenso bitter waren, als die des Hasses. Augustus grollte über die Tyrannei und die Grausamkeit seines Onkels, während letzterer sich herb gekränkt fühlte durch die Anmaßung eines Menschen, den er so sehr geliebt hatte und den er noch immer bewundern mußte, obgleich er sich zum Richter seiner Handlungen aufwarf und ihm durch die unwandelbare Gelegenheit seines Benehmens Trotz bot. Der Commodore würde kein Opfer gescheut haben, wenn er den jungen Midshipman auf irgend einer auffallenden Pflichtversäumniß hätte ertappen können – nur um sich in die Lage zu versetzen, seinen Neffen in die Kajüte zu rufen, ihm zu vergeben und ohne einen Anschein der Demüthigung von seiner Seite ihm die Hand zu drücken. Aber der junge Astell ließ sich nie schlafend finden. Wenn er sich eben erst nach der Mittelwache durchnäßt und müde niedergelegt hatte, und die Matrosen Morgens um zwei Uhr aufgeboten wurden, während seine steifen Glieder kaum zu ruhen angefangen hatten und der Schlaf kaum das schmerzliche Gefühl der Erschöpfung zu tilgen begann, war er doch der Erste, der aus seiner Hängematte sprang, und der letzte, der seinen Posten auf dem Deck oder in den Marsen verließ.

Man muß zugeben, daß der Commodore, wenn er auch seine Mannschaft nicht schonte, ebenso rücksichtslos gegen sich selbst verfuhr; denn so oft Manöver ausgeführt werden mußten, war er zu allen Stunden der Nacht auf dem Decke, bei welchen Gelegenheiten er auszurufen pflegte: »Wo ist Mr. Astell?« der sich jedoch stets auf seinem Posten betreffen ließ. War der Dienst vollstreckt und die Mannschaft wieder hinuntergepfiffen, so ging er langsam und mit traurigem Kopfschütteln nach seiner Kajüte, unterwegs vor sich hinmurmelnd: »Das arme Kind, der starrköpfige Thor, warum läßt er sich nicht auf die Krankenliste setzen? Er kann ja nicht mehr stehen, und was soll ich zu seiner armen Mutter sagen?«

Dann konnte er in Wuth ausbrechen und rufen:

»Steward! Auf, du schläfriger, knochenpolirender, tellerscheuernder Sohn einer –! Ha, du liegst gemächlich in deiner Hängematte, während mein Neffe schaudert wie der Verklicker in einem Nordost? Auf, du Faulpelz! sage ich, und mache über der Weingeistlampe von meinem besten Oporto eine Pinte Glühwein – spare kein Gewürz und bring' ihn nach Mr. Astells Hängematte. Sage ihm, der Doktor schicke ihm den Trank, denn, hörst du, wenn er je erfährt, daß er von mir kömmt, so zerbreche ich dir alle Knochen im Leibe.«

Dann fuhr er fort mit sich selber zu sprechen:

»Wenn er nicht geradezu meinem Commando Trotz böte, so könnte ich mich wohl mit dem Jungen vertragen, denn ich muß gestehen, er hat einen wackeren Geist. Und soll er nicht der Vater meiner Enkel werden? Ich will ihn morgen zum Frühstück bitten. Aber wenn's der junge Hund nicht annimmt – jedenfalls ist's wahrscheinlich genug. Nein, wir wollen noch eine Weile warten.«

Er wartete und richtete dadurch seinen Neffen wie auch sein eigenes Glück fast für immer zu Grunde.

»Ich kann meinen Lesern, den besten Freunden, die ich auf der Welt habe, die Versicherung geben, daß der alte Commodore ein seltenes und höchst inniges Gemisch von Gut und Böse war. Wenn ich gewollt, so hätte ich aus meinem alten Commodore den Commodore der Popularität machen können, einen fechtenden, trinkenden, edelmüthigen, gutherzigen und gemeinen Degen. Ich zog es jedoch vor, nach dem Leben zu zeichnen; denn da ich den eigentlichen Charakter noch frisch in meinem Gedächtniß trage, weil der alte Knabe mich selbst oft nach dem Stengenkopfe geschickt hatte, ferner fast Alles, was ich berichte, sich wirklich zutrug und ich von Natur etwas phlegmatisch bin, so habe ich mich dessen bedient, was sich mir unverholen an die Hand gab, ohne daß ich mich mit einem wahrscheinlichen Phantasiebilde bemühte. Ein besserer Seemann und ein gediegenerer Flottentaktiker wäre nicht leicht aufzufinden gewesen, und wenn es auch unendlich viele bessere Menschen geben mochte, so wurden diese zu seiner Zeit und aus seinem Posten kaum ihren Platz so gut ausgefüllt haben.

Obgleich er in jener Periode noch nicht fünfzig zählte, so galt er doch durch die ganze Flotte als der »fechtende alte Commodore« und als ein Mann von der verzweifeltsten Entschlossenheit. Während das Geschwader auf dieser langen, denkwürdigen und verdrießlichen Jagd dahinsegelte, wucherten üppig die Keime der Meuterei, welche bald nachher so reichlich gedieh und so bittere Früchte hervorbrachte. Die übrigen Schiffe unter dem Kommando des Sir Octavius würden schon früher in offene Empörung ausgebrochen sein, wenn ihre Bemannung nicht gewußt hätte, daß der Terrific bei den ersten Symptomen des Ungehorsams an ihrer Seite sein würde; denn sie fühlten sich überzeugt, daß wenigstens der Commodore seine Matrosen in Unterwürfigkeit erhalten könne, und hatten hierin auch ganz richtig geurtheilt. Im Grunde war der Commodore eben nichts Außerordentliches, sondern, wie die meisten von uns, das Geschöpf der Umstände – der üppige, trotzende Sohn willkürlicher Gewalt, gezeugt mit jener nur allzu willfährigen Metze Unverantwortlichkeit. Außerdem verdankte er alle seine Fortschritte im Leben seiner Wagehalsigkeit und seinem Ungestüme, die ihn bisher in den Stand gesetzt hatten, die Schiffe des Feindes zu nehmen. Nach denselben Grundsätzen, nur ein wenig durch die Umstände modifizirt, glaubte er nun auch, seine Fregatte kommandiren zu können, und es gelang ihm, obschon heutigen Tages, Dank sei es der Philanthropie der englischen Nation und dem rechtlichen Sinne der Flottenoffiziere, dergleichen Prinzipien nicht mehr genügen.

Kehren wir aber zu unserem Geschwader zurück. Der gegenwärtige Dienst desselben war im höchsten Grade verdrießlich, denn es hatte nur zu St. John, Neufundland und wieder zu Rio Janeiro einige Stunden vor einem einzelnen Anker gelegen, außerdem aber fast vierzehn Monate unablässig das Meer durchkreuzt, während welcher langen Frist die keineswegs sehr nährenden Rationen der Mannschaft um ein Drittel verkürzt und die Wasserportionen oft nur auf ein Quart täglich für den Mann vermindert werden mußten. In jener Zeit waren die Schiffe, was die Qualität betraf, in der Regel schändlich verproviantirt, und schon vor der Meuterei wurde allgemein anerkannt, daß sogar der volle Flottenmundvorrath durchaus nicht zureiche, um einen kräftigen, tüchtigen Mann gesund zu erhalten.

Der Scorbut hatte auf den Schiffen reißend um sich gegriffen, und frisches Ochsenfleisch oder Gemüse waren jetzt Dinge, an die man nur mit schmerzlichen Hoffnungen denken durfte. Ein Gericht Rüben, Möhren, Kartoffeln und Kohl hatten die Matrosen zwar ohne Unterlaß vor den Augen, aber leider manche ermüdende Stunde fern von dem Munde. Allerdings ließ der Commodore seine Leute brummen, so viel sie wollten, fügte aber doch die Klausel daran, wenn irgend ein Ausdruck der Unzufriedenheit durch Wort oder Geberde an ihnen wahrgenommen würde, sollten die Uebelthäter gepeitscht werden. Er sagte ihnen, er habe noch nicht geklagt und es ergehe ihm auch nicht besser als ihnen – was beinahe richtig war – und es sei ebenso edel, für das Vaterland zu hungern, als zu fechten. Einmal als zwölf große, sehnigte, besonders hungrige Jacks, die einen lebendigen Esel vom Kopfe bis zum Schwanz hätten verschlucken und verdauen können, mit drei Ochsenrippen auf einem hölzernen Teller nach dem Hinterschiffe kamen und den Commodore achtungsvoll fragten, ob diese drei kahlen Rippen mit ungefähr zwei Unzen röthlichem, gesalzenem Mahagoni, welche die äußersten Enden der Knochen bekleideten, die acht Pfund Ochsenfleisch vorstellen sollten, an welchen sich zwölf Menschen für diesen und den nächsten Tag satt zu essen hätten, prüfte der alte Gentleman das Stückchen mit seinem Auge so emsig, als hätte er ein entomologisches Exemplar irgend einer seltenen Art vor sich. Nachdem er Augenschein genommen, steckte er den eisernen Spieker, den er immer am Ende seines Arms trug (wenn nicht zufälliger Weise eine Gabel oder eine Zange zum Halten der Whistkarte eingeschraubt war) in das Bischen entdeckbare Fleisch, hielt seinen Arm wie eine Schnellwage auf und begann es zu balanciren, als ob er die ungeheure Leichtigkeit des Gewichts prüfen wollte. Er that dies obendrein mit einem Gesichte voll Bedauern und war eben im Begriffe, nach dem Zahlmeister zu schicken, als sein scharfes einziges Auge längs des Hauptdeckes eine endlose Reihe hungriger Männer entdeckte, die gleichfalls erbärmlich gefüllte Teller in der Hand hielten und ängstlich dem Ergebniß der kühnen Vorstellung entgegensahen, um sodann mit ihren Beschwerden hereinstürzen zu können.

Der Commodore hatte im Augenblicke seinen Entschluß gefaßt. Er sah mit einemmal, daß das Uebel zu groß sei, um sich vergüten zu lassen, und so wandte er sich mit den strengen Worten an die Beschwerdeführer:

»Ihr thut besser, wenn ihr euer Fleisch spart und eure Knochen selbst abnagt. Es ist gefährlich, mit dem Teufel Suppe zu essen, oder mit eurem Kapitän an einem Beine zu zerren. Diesmal will ich euch euren Fehler nachsehen, weil ihr hungrig seid und es sich wohl zufällig so treffen mag, daß dies nur bei euch zwölfen der Fall ist; sobald sich aber noch Mehrere dessen unterfangen, so ist es offene Meuterei.«

Die Beschwerdeführer zogen mit ihren Knochen ab, warfen ihnen ganz verzweifelte Blicke zu und wünschten nur die Zähne und Magen der Hyänen zu besitzen. Aber auch die lange Reihe der Exspektanten auf dem Hauptdeck schlich mit ihren hölzernen Tellern wieder hinunter und gratulirte sich, wegen meuterischer Hungerkundgebungen der Katze entronnen zu sein.

Dem philanthropischen Leser erscheint dies ohne Zweifel nicht nur als sehr grausam, sondern auch als sehr tyrannisch und ungerecht von Seiten unseres ehrenwerthen Commodores, des Hohnes gar nicht zu gedenken. Auch bin ich überzeugt, daß alle meine schönen Leserinnen mit einem Seufzer in Parenthesi ausrufen werden, wenn der Commodore den Hunger seiner Leute nicht zu beschwichtigen vermochte, so hätte er doch sein Leidwesen äußern und zeigen sollen, daß er mit ihrer Noth, der er nicht abhelfen konnte, sympathisire (ich glaube wenigstens, daß dies das rechte Wort ist). Nun, man hat gesehen, daß dies nicht geschah, und unter den damals obwaltenden Umständen handelte der Commodore vollkommen recht, weil hier ein Kräfteversuch – ein Kampf zwischen Unzufriedenheit und Ansehen in Frage kam. Würde sich Sir Octavius nicht eisenfest benommen haben, so hätten die Matrosen wohl (um uns seines eigenen Ausdrucks zu bedienen) um andere Knochen mit dem Commodore zerren wollen, falls er sich schwach genug zeigte, bei dem ersten mitzuhalten, der ihm angeboten wurde. Sie brauchten nur eine anerkannte Beschwerde als Triebpferd, um die Meuterei vom Kopfe bis zu den Zehen bewaffnet darauf setzen zu können. Bei meinem kleinen Antheile an dem Ruhm meines Vaterlandes schwöre ich – ein sehr unbedeutender und verzeihlicher Schwur – daß meine Grundsätze des moralischen Rechts schnell mit meiner Dinte dahinströmen, und daß ich der Apostel entschiedener Maßregeln geworden bin. Es thut mir leid, aber wann können wir Alle gleiche Gerechtigkeit haben – sagt mir, oh ihr Pfarrer und Moralprediger, wann? Falls ihr dies könnt, so will ich euch genau den Augenblick namhaft machen, in welchem eine derartige Entschiedenheit aufhören muß, sich auf Erden geltend zu machen.

's ist übrigens etwas Schlimmes, mißverstanden zu werden und deßhalb will ich mich klarer ausdrücken: Gewaltsame Maaßregeln, um Privatinteressen zu fördern, sind eine Schuftigkeit – im Interesse des öffentlichen Wohls werden sie aber oft Weisheit und bisweilen Tugend. Dies ist keine Spitzfindigkeit, sondern das Resultat gesunden Nachdenkens. Setzen wir den Fall, daß ein Pestkranker in ein Gemach voll gesunder Personen treten will; nehmen wir ferner an, die Höhe des Fiebers habe den Eindringling wahnsinnig gemacht, so daß keine Vorstellungen verfangen, und doch steht zu gewärtigen, daß eine Berührung des Menschen den Tod zur Folge habe. Wer wollte behaupten, daß es nicht ein Akt der Gerechtigkeit wäre, einen solchen Kranken auf der Schwelle zu erschießen, obgleich es ein höchst gewaltsamer Akt ist? Allerdings lag es im Bereiche der Möglichkeit, daß er wieder genas und diejenigen, welche er belästigte, nicht ansteckte – aber immerhin ist man unter solchen Verhältnissen der Vielheit mehr zur Gerechtigkeit verpflichtet, als dem einzelnen Opfer.

In dem Gewühl und Streite des öffentlichen Lebens kommen Modifikationen derartiger Fälle ohne Unterlaß vor, und ähnliche Rücksichten mögen vielen Handlungen des Commodore das Wort reden, denn ich muß bekennen, daß er keine andere Vertheidigung hat. Doch während ich mich seiner Sache annehme, habe ich seine Person vergessen – richtig, ich verließ ihn aus dem Halbdecke, als er die zwölf Bursche entließ, welche mit ersticktem Murren und vor Leere brummenden Magen abzogen.

Als jedoch Richard Stubbs, der Kapitän des Tisches und zugleich der Mann, welcher die Knochen trug, sammt Knochen und Allem fast unter der Jakobsleiter verschwunden waren, trat eine Veränderung in dem Gesichte des Commodore ein, denn er verzog seine rothen, knotigen Züge zu einem Grinsen, nahm dann wieder seine finstere Miene an und ging zuletzt in ein leises Pfeifen über, welches übrigens denen auf dem Decke vernehmlich genug war, daß sie darin die Weise: »oh das Roastbeef von Alt-England!« erkennen konnten.

Richard Stubbs hörte es gleichfalls, lächelte aber nicht über das possierliche Zusammentreffen, wie die Offiziere in der Nähe des Sir Octavius – denn sie durften aus dem Halbdecke lächeln, obgleich es Niemand als dem Commodore und dem Winde gestattet war, an diesem geheiligten Orte zu pfeifen – sondern schüttelte wehmüthig seinen Kopf über den fleischlosen Ochsenknochen, während sein hinausstehender Zopf feierliche Kreise in der Lust beschrieb.

»Kommt her da, Mann,« rief der Commodore in seiner grimmigsten Stimme; »kommt augenblicklich nach hinten, Sir, mit Eurem vortrefflichen achtpfündigen Stück Ochsenfleisch. Soll ich den Hochbootsmannsmaten aufrufen, daß er Euch schnellere Beine mache?«

Dick Stubbs kam demgemäß nach dem Hinterdecke und erwartete natürlich wenigstens drei Dutzend zur Strafte, weil er über die Arie des Commodore den Kopf geschüttelt hatte.

»Nun, Sir,« sagte der Commodore, als der reuige Richard seine Stellung aus dem Halbdeck eingenommen hatte und in der einen Hand die unglücklichen Ochsenknochen, in der andern aber eine drahtartige Locke hielt, die über seine rechte Schläfe niederhing.

»Ich bin kein Kenner von Musik, Euer Gnaden; ich dachte nur an das vortreffliche achtpfündige Stück Ochsenfleisch.«

»Gut, mein Mann, und was habt Ihr darüber gedacht?«

Vielleicht schob der Commodore seinen Tabackpflock im Munde hin und her, möglich aber auch, daß ein Lächeln sein Gesicht überflog – wie dem sein mochte, der Ausdruck in den Zügen seines Vorgesetzten ermuthigte Stubbs zu der unerhörten Kühnheit zu antworten:

»Sir Hoctivius, meine Gedanken waren, daß wir uns alle die Sättigung, die daraus zu erholen wäre, denken könnten, weil wir doch nie im Stande sein würden, durch das Essen zu demselben Resultat zu kommen.«

»Wie lange seid Ihr schon zur See?«

»Laßt sehen, Euer Gnaden, damit ich Euer Gnaden keine Lüge sage. Im nächsten Juni bin ich fünf und dreißig – macht also Mann und Knabe, miteinander just vier und zwanzig Jahre.«

»In was für Fahrzeugen vorzugsweise?«

»In allen Arten von Fahrzeugen, Sir Hoctivius, ohne daß ich jedoch dadurch übergescheidt geworden wäre.«

»Das glaube ich gerne; aber in welchem Dienst hauptsächlich?«

»In dem Dienste Seiner Majestät – Gott segne sie!«

Bei dieser Antwort lüpfte der Commodore leicht seinen kleinen dreieckigen Hut, ohne sein Haupt zu entblößen, denn zu jener Periode war er ein Ultra in seiner Loyalität und vollkommen ehrlich in seinem Toryismus. Nach dieser kleinen Ceremonie schnitt er eine furchtbar grimmige Miene, gleichsam als Schadloshaltung für den kleinen Akt der Demuth, den er eben vollzogen hatte.

»Habt Ihr je von den Teufelsklösen gehört, Richard Stubbs?«

»Gott segne Euer Gnaden und Seine Majestät, nein, Sir,« sagte Richard, am ganzen Leibe zitternd.

»Sagt dem Exerziermeister, er solle jeden dritten Mann, der mir heute sein Ochsenfleisch unter die Nase halten wollte – ich meine natürlich jeden dritten Tischkapitän – nach dem Hintertische schicken.«

Und dann schritt der alte Gentleman wieder auf dem Halbdeck hin und her, ohne daß er den Mienen seiner Umgebung eine besondere Aufmerksamkeit zu zollen schien.

Der Exerziermeister und die Schiffskorporale brauchten einige Zeit, bis sie jeden dritten Mann gesammelt hatten, denn die Tischkapitäne schienen nicht von jenem aufopfernden Geiste beseelt zu sein, welcher die acht Bürger von Calais veranlagte, sich dem Zorn des aufgebrachten Eduard, kampflustigen Andenkens, zur Sühne anzubieten.

Sie waren endlich zusammengelesen, und die Mehrzahl machte sich daraus gefaßt, daß, so schlimm auch ihre Lage sei, ihre Rücken doch in Bälde noch weit schlechter fahren dürften, als ihre Magen. Diese Vorahnung erregte jedoch nicht so viel Aufsehen unter ihnen, als man wohl hätte erwarten sollen. In jenen gesegneten Zeiten ertheilte der Kapitän Befehl, und die Matrosen nahmen ein paar Dutzend Hiebe mit demselben kalten Blute hin, mit welchem Verwandte um Weihnachten eben so viele Flaschen Wein mit einander ausstechen.

Nachdem sie sich vor dem Commodore in einer Zeile aufgestellt hatten, trat er vor den mittleren Mann, ließ einen Wehrwolfblick an der ganzen Zeile hingleiten und sagte dann in scharfem Tone:

»Ihr Leute, weiß Einer von Euch, was Teufelsklöse sind?«

Die meisten von den Katechumenen (ich liebe ein hartes Wort, wenn ich es in den Dienst pressen kann) schüttelten die Köpfe oder kraueten sich hinter den Ohren, und alle fühlten ein prickelndes Gefühl über ihre Schulter, als ahneten sie, daß das Recept dieses antiparadiesischen Backwerks mit rother Dinte auf ihre Rücken geschrieben werden dürfte. Als jedoch das gemeinsame Schweigen ihre völlige Unwissenheit kund that, fuhr der Commodore unter einem sehr zahlreichen Auditorium fort, denn fast alle Offiziere des Schiffes hatten sich versammelt, um mit anzuhören, wie groß ihr Befehlshaber in der Gastronomie war. –

»Ihr Leute, ich habe Sr. Majestät schon gedient, ehe die meisten von Euch geboren waren – (bei dem Wort »Majestät« lüpfte er wie gewöhnlich den Hut) – und zwar zu einer Zeit, in welcher die britischen Matrosen in Entbehrungen sich groß fühlten und von ihrem Ruhme lebten, da sie sehr oft nicht viel Anderes zu essen hatten. Ihr, aber – Ihr seid ein gefallenes Geschlecht, eine Rotte schwelgerischer Schurken, die nur daran denken, wie sie sich an Seiner geheiligten Majestät – Gott segne sie! – (Hut höher als gewöhnlich) Schweinefleisch und Erbsen mästen können. Doch was nützt es solchen gierigen Fressern, wie Ihr seid, zu sagen wie die Matrosen als ich während des holländischen Krieges in dem Weasel segelte, bis auf eine tägliche Unze Ochsenhaut je für den Mann verkürzt wurden, die wir von der großen Raa nahmen, und als diese ausging, versuchten wir, welche Art in Sägmehl verwandeltes Holz das beste Mehlsurrogat gebe. Nach mehreren Proben fanden wir, daß das harte Holz, welches wir von dem spanischen Kontinente bekamen, diesem Zwecke am vortheilhaftesten entsprach, und seitdem nennt man es lignum vitae oder Holz des Lebens, just in derselben Weise, wie wir Brod aus Weizen- oder Gerstenmehl mit dem Namen Stab des Lebens bezeichnen. Die kleinen, runden, hölzernen Räder in unseren Blöcken begannen nun den Namen Scheiben zu kriegen, denn sie waren für uns in der That Brodscheiben. Nun, ihr Schlingel, kann ich Euch sagen, daß dieses Brod aus dem Holze des Lebens sehr nahrhaft war, wenn man es einmal im Magen halte, obgleich ich gestehen muß, daß die Zähne es etwas hart fanden, denn ich zerbrach damals die einzigen zwei unvollkommenen Malmer, die ich noch in meinem Kopfe stecken hatte, weßhalb es besser gewesen wäre, ihr Schlingel, ich hätte es ungekaut verschluckt, wie es die Derbyshirer Bauern mit ihren fetten Schinken halten. Oh! ich sehe, ich mache Eure hungrigen Schnauzen wässern bei dem bloßen Gedanken an diese schmierige Delikatesse. Ich hatte Unrecht, muß das Schiff umwenden und auf den andern Gang anholen. Sagt an, ihr Leute, bin ich, seit ich dieses Schiff und dieses Geschwader kommandire, nicht Euch Allen stets ein Vater gewesen?«

»Ja,« sagte der stiergesichtige Kaplan, der sich dicht neben dem Ellenbogen des Redners aufgepflanzt hatte, »Ihr habt stets dem göttlichen Beispiele nachgeeifert und diejenigen gezüchtigt, welche Ihr liebtet.«

»Wir wollen nichts aus Eurem Munde hören, bis es Zeit zum Gottesdienste ist,« versetzte sein liebenswürdiger Kommunikant, indem er den geistlichen Berather vermittelst seines eisernen Hakens aus dem Wege schob und dann fortfuhr:

»Ihr seht also Männer, daß ich Euch wie Kinder liebe, und den Umstand abgerechnet, daß ich die Ruthe sparte, habe ich mich als weiser und nachsichtiger Vater gegen Euch erwiesen – ein wenig zu nachsichtig vielleicht, indem ich in meiner Gißung mit Euch ein wenig zu viel für den Leeweg annahm; aber ich hoffe Niemand von Euch wird Vortheil aus meiner Schwäche ziehen. Nun, zum Besten von Seiner Majestät Dienst – Gott segne sie und möge sie nie einen magern Tag sehen! – (Hut gelüpft) – seid Ihr um ein Drittheil eurer Rationen verkürzt worden, und heiß Wetter neben langer Aufbewahrung machen das Schwein- und Pöckelfleisch einem Rechtsgelehrten im Leichentuch ähnlich. Ich weiß Alles dies, deßgleichen daß Ihr nicht wie die Männer seid, welche während des holländischen Krieges mit mir segelten, denn vier von jenen konnten auf einmal einen Ochsen aufzehren, oder auch vierzehn Tage von seinen Klauen leben, wie sich's eben treffen mochte und zum Besten des Dienstes die Ordre lautete. Ach! das waren Riesen in jenen Tagen, und Weise obendrein, welche ihre Riesenkraft durch ihre Weisheit verstärkten. Und eben diese Weisen waren es, welche die Matrosen, als es mit dem Mundvorrath auf die Neige ging, lehrten, wie man die Teufelsklöse macht. Nun, meine Leute, da ich's Euch gönne, wenn Ihr Eure Rationen vergrößern könnt, gleichwohl aber glaube, daß keine Rücksicht mich veranlassen würde, zu erlauben, daß Ihr die Raaenhäute eßt oder die Blöcke zu Mehl mahlt, so thut Ihr wohl, aufmerksam zuzuhören.«

Dann nahm der Commodore einen wohl abgegriffenen Band von Roderich Random, den er stets bei sich führte, aus der Tasche, hielt das Buch in der Rechten, und begann ganz bedächtig mit der eisernen Linken umzublättern, als wollte er die rechte Stelle aussuchen; dann that er, als ob er lese, und fuhr mit einer Miene fort, die sauer genug war, um Kohl ohne Essig einzupöckeln.

»Seite 75 Kapitel 14. Wie die Teufelsklöse zu machen. Der Koch nehme einen Vierundzwanzigpfünder oder eine Kugel von beliebigem Gewicht (je schwerer desto besser) und reinige sie gut mit Speichel und frischem Kalfaterwerg.«

Hier brachen die drei Midshipmen in ein unanständiges Gelächter aus, wurden aber wegen dieser unmanierlichen Unterbrechung einer so feierlichen Scene nach den respektiven drei Stengenköpfen geschickt. Der Commodore sah ihnen nach, bis sie das Takelwerk zur Hälfte erstiegen hatten, und that dann, als ob er zu lesen fortführe:

»Mit Speichel und frischem Kalfaterwerg.«

»Dann nehme er sie heraus und häutle sie,« sagte Stubbs sotto voce zu seinem Nachbar in der Linie; »und was wird der Geschützmeister sagen?«

»Und frischem Kalfaterwerg. Dann nehme er alle Knochen, die er kriegen kann, gleichviel ob vom Ochsen oder Schwein, und zerstampfe sie, bis sie aussehen wie feuchtes Mehl. Dann bringe man die Kugel wieder nach dem Kugelrost, nehme zu jeder Handvoll der zerstoßenen Knochen drei Hände voll Habermehl, mische sie sorgfältig mit kalt Wasser, knete Alles zu einem Teige und binde sie zu Klösen im Gewicht von einem halben Pfunde ein, die dann drei Stunden im Salzwasser gesotten, mit Schießpulver gewürzt und höllenheiß ausgetheilt werden. Dieses Gericht ist das gesündeste und schmackhafteste, das auf einem Schiffstische überhaupt aufgestellt werden kann, wenn nichts Besseres zu haben ist

»Daran zweifle ich keinen Augenblick, Sir Hoctiovas,« sagte ein grimmiger alter Quartiermeister, der sich gleichfalls unter den Zuhörern befand.

»Ich auch nicht, und überhaupt kein vernünftiger Mann,« fuhr der Commodore fort. »Aber am Ende des Rezepts steht noch eine Bemerkung, die ich nicht übergehen darf. ›Wenn der Koch Splitter besagter Knochen unzerstampft gelassen haben sollte, und was immer für ein seefahrender Mann, mag er nun Matrose oder Mariner sein, durch den Wohlgeschmack verlockt, diese Klöse zu gierig verschluckt, so daß ihm besagte Splitter in dem Halse stecken bleiben, so kann man sie entweder mit einem geschmierten Affenschwanz hinunter stoßen, oder dadurch wieder in die Höhe bringen, daß man sich von seinem Kameraden zwischen die Schultern klopfen läßt, hintendrein aber dem Koch eine gebührende Prügelsuppe ad posteriora versetzt.«

Der Commodore hielt inne, sich die Leute, die Handspacken und Hebestangen betrachtend; und obgleich einem aufmerksamen Beobachter der menschlichen Natur oder einem guten Physiognomen nicht hätte entgehen können, daß er der Bitterkeit seiner Stimmung im Scherze Luft machte, so fand doch, trotz dieser lächerlichen Scene, kein Lächeln einen Weg in die Ritzen seines furchigen Gesichtes. Er schien damit anzudeuten, daß die Matrosen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn die ihnen verabreichte Kost nicht auf's Beste zu benützen wüßten, wenn es nicht geradezu auf's Hungersterben los gehe.

Nachdem er die Leute in dieser Weise gemustert, gab er ihnen zu verstehen, daß er durchaus nicht scherze, worauf er das Buch schloß und in seine Tasche steckte. Der vorhin berührte, häßliche alte Quartiermeister, der mit der unbedeutenden Ausnahme des Ranges, der Erziehung und der Verstümmelung ein wahres Gegenstück von dem Commodore war, kratzte mit seinem rechten Fuße aus, nickte mit dem Kopfe und entgegnete im Küstertone:

»Ich danke Euch herzlich für meine Person, Sir Hoctiovas Backysquirt.«

»Und für was dankt Ihr mir, Ihr drahtköpfiger alter Sünder?«

»Für die Wahl der beiden Vergnügungen nach dem Diner, Sir Hoctiovas.«

»Packt Euch von hinnen – ich bin Euch Allen mehr als ein Vater; und hört, meine Leute, wenn Euch in Zukunft der Magen bellt, so macht Teufelsklöse. 's ist besser, ihr füllt euch damit die Bäuche, als daß ihr eure Köpfe mit meuterischen Ideen nährt; und wenn ihr wißt, daß ihr eurem Vaterlande dient und einen fliehenden Feind jagt, so müssen sie euch besser schmecken, als das Manna vom Himmel. Geht hinunter, beendigt euer Mahl und sagt meinem Steward, er solle Jedem von euch eine Viertelpinte Rum geben.«

Die Tischkapitäne begaben sich sofort nach dem Hauptdeck und den untern Decken, betheuernd, daß der fechtende alte Commodore im Grunde doch ein Bursche für sie sei; sie wollten daher mit den Klösen wenigstens einen Versuch machen und bloß die Schießpulverwürze dabei weglassen.

Die Offiziere, welche sich fast sammt und sonders auf dem Halbdecke gesammelt hatten, um Zeuge dieser Scene zu sein, wußten nicht, was sie daraus machen sollten, und viele davon blickten flehentlich nach dem Gesichte des Commodore auf, als bäten sie um Erlaubniß, zu lachen. Er schien jedoch unerbittlich zu sein, und als sie fanden, daß sie ihrer Heiterkeit nicht Raum geben konnten, so entfernten sie sich, um auf dem untern Decke ihrer Lachlust Raum zu geben. Mochten sie übrigens auch lachen, wie sie wollten, so fanden sie doch die Matrosen weit thätiger und heiterer, und der Schiffsdienst ging rühriger von Statten, als je.

Dieser Dienst war sehr angreifend. Den Tag über stand das Geschwader in einer Linie, jedes Schiff ungefähr zehn Meilen von dem andern entfernt, und so bestrichen sie in ihrem Weitersegeln den Kimm von mehr als anderthalb Längengraden. Bei Nacht schlossen sie sich näher an den in der Mitte befindlichen Terrific an und führten die ganze Zeit über alle Segel, die sie mit Sicherheit an den Masten tragen konnten. Der Feind, nach dem sie späten, entzog sich übrigens noch immer ihrem Blicke. Hatte während dieser schweren Arbeit wohl Jemand Zeit, Teufelsklöse zu machen, oder, was noch wichtiger ist, daran mitzuspeisen? Ja, und sie wurden zuerst aus die Tafel des Commodore gebracht, wo sie auch zuerst gegessen wurden – wenigstens erinnere ich mich, dies von Personen, welche zu gleicher Zeit auf dem Schiffe waren, vernommen zu haben.

Drei Tage nach Mittheilung des vorgedachten Küchenrezeptes saß der Kapitän mit seinem ersten Lieutenant, dem Offizier der Vormittagswache, einem halb verhungerten Reffer, dem Kaplan und dem Zahlmeister bei Tische. Wie gewöhnlich entschuldigte sich der Wirth, daß er seinen Gästen mit nicht mehr als der gewöhnlichen Schiffskost aufwarten könne, die bloß durch die Geschicklichkeit seines Kochs etwas appetitlicher gemacht sei. Das erste Gericht bestand in einer Suppe von Schiffserbsen – graurockigen Gentlemen, die durchaus nicht platzen wollten und, soweit man aus ihrem Starrsinn gegen das Sieden entnehmen konnte, mit einer überraschenden Herzenshartnäckigkeit begabt waren; aber diese Speise war durch ranziges, eingepöckeltes Schweinefleisch, welches in Stücken unter den kieselharten Erbsen umherschwamm, fetter, folglich nahrhafter geworden. An dem andern Ende des Tisches stand eine prächtige Schüssel mit Lümmelklos – ein Gericht, das recht eigentlich für Götter geschaffen und von jener befriedigenden Natur ist, daß ein bloßer Sterblicher an einem Löffel voll für ein ganzes Jahr genug hat, sofern er etwas Anderes zu essen kriegen kann.

In der Mitte befanden sich zwei Platten mit Fisch: Tags zuvor war nämlich ein Hay gefangen worden, und gedachte Platten enthielten Theile desselben – ein paar Schwanzstücke in Florentiner Oel gebacken, die übrigen au naturel gesotten, wie der Franzose sagen würde, beides Gerichte, die Einen anlachten und dem Wolfshunger doch einige Befriedigung boten. Während des sehr kurzen Aufenthalts zu Rio-Janeiro hatte man keine Zeit gehabt, einen Vorrath von Vegetabilien einzuthun, weßhalb der Kapitänskoch weislich unterließ, etwas von diesen wässerigen, unsubstanziellen Nahrungsstoffen heraufzuschicken. Wußte er doch, daß weder sein Gebieter, noch dessen Gäste Pythagoräer waren. Aber obgleich keine sogenannten Gemüse auf dem Tische erschienen, war doch ein vortreffliches Gericht von vegetabilischem Wuchs vorhanden, und noch obendrein so frisch, wie es nur irgend ein Edelmann aus seinem Landhause im lustigen Altengland haben kann – es bestand nämlich aus einem Salat von Senf und Kresse, welch' letztere in dem Garten auf des Commodore's Sternraum gewachsen war. Der Tisch war mit vortrefflichen Weinen versehen, obgleich Sir Octavius sich zur See nie im Trinken übernahm, wie sehr er auch sonst ein Freund des Glases war. In dem zweiten Gange machte die Erbsensuppe einer Platte mit sehr dünnen Schnitten eingesalzten Schweinefleisches mit Zwieback Platz, den man in süßem Wasser eingeweicht und dann nebst dem Fleisch mit Oel gebraten hatte. Dieses Gericht wäre so übel nicht gewesen, hätte nicht der Zwieback von fetten, weißen Würmern und schalichten Wevils gewimmelt, die sich überall eingegraben hatten. Viele Leute finden Geschmack an derartigen lebendigen Leckereien – nun, wir wünschen ihnen Glück, daß sie die Quellen ihrer Vergnügungen so leicht zu erweitern wissen. Was uns betrifft, so haben wir vielleicht Würmer im Kopf, und werden sie, so Gott will, auch behalten; unserem Munde und Magen sollen sie aber so lange wie möglich ferne bleiben. Jedermann hat seine Liebhabereien, wie der Strauß sagte, als er auf einen Scheffel mit Zehnpennynägeln stieß.

An die Stelle des Fisches im Mittelpunkte trat eine gediegene, edel aussehende Nachahmung eines Ochsenlendenstücks in rothem Steinsalz modellirt; es war eine Täuschung, aber eine großartige, denn sie dampfte und hatte einige Fettbrocken an sich herumhängen. Der Zahlmeister versuchte, mit seinem Tranchirmesser ein Stückchen abzukriegen, aber die Schneide seines Instrumentes bog sich, und damit war die Sache abgethan. Ohne Zweifel hatte das Schaugericht vor Zeiten einem lebenden Stiere angehört, der unter den Jos jenes galantesten aller Länder, welches man den Edelstein des Meeres nennt, ein langes Leben von Galanterien verbracht hatte; aber nun war die animalische Faser durch den Salpeter krystallisirt worden, und das Lendenstück präsentirte sich zur Zeit kaum weniger solid, als ein fossiler Ueberrest.

Ueber den vergeblichen Versuch, mit dem Messer etwas zu zerlegen, was vielleicht nur durch eine Steinsäge getrennt werden konnte, schüttelte der Commodore seinen Kopf schalkhaft gegen den Zahlmeister und sagte zu ihm:

»Ihr gleicht dem, der in der Schrift erwähnt ist – wenn wir Euch um Nahrung bitten, gebt Ihr uns Stein.«

»Mit Erlaubniß,« fiel der Kaplan ein, »Ihr hättet statt Nahrung Brod sagen sollen, Sir Octavius.«

Aber Niemand kehrte sich an diese Unterbrechung. Wer hätte auch je unter der Regierung Georgs III., oder eh' Gambier die Religion und den Thee auf der Flotte in Mode brachte, auf den Kaplan gehört, wenn er an Bord eines Schiffes von der Bibel sprach.

»Allerdings,« ließ sich der Zahlmeister gleichzeitig mit dem Kaplan vernehmen, nur in etwas lauterem Tone – »allerdings, Sir Octavius, haben wir da eine der vollkommensten Proben passiven Widerstandes, mit der mich je mein gutes Glück zusammenführte. Könnte übrigens der Stoff nicht den pulverisirenden Wirkungen eines Vierundzwanzigpfünders unterworfen und unter dem Namen von Teufelsklösen in eine saftige Kost für junge Succubusse umgewandelt werden, Sir Octavius?«

»Allerdings; Eure Andeutung ist gut. Bringt ihn nach Eurem Vorrathszimmer; Ihr könnt ein Gericht daraus machen, das ganz für Eure Kinder zu Gosport paßt.«

Der Kapitän brach nun in ein schallendes Gelächter aus, welchem sich seine Offiziere in bescheidener Weise anschlossen.

Wir haben unsern Helden am Lande, unter der doppelten Verfinsterung des Grogs und der Gicht, und zuverlässig auch Einiges von seiner närrischen Liebe gegen die Tochter gesehen, waren Zeuge, welchen finstern, mißlaunigen, sarkastischen und doch weit berechnenden Tyrannen er aus seinem Halbdecke spielte, und finden ihn jetzt in seiner Kajüte, oben an der Tafel, als eine etwas verschiedene Person. Leser, wie sehr liebe ich es, dich persönlich anzureden – es ist mir wahrhaftig, als hielte ich dich am dritten Knopfe deiner Weste fest und zöge dich mit jedem Satze noch enger an mein Herz. Ehe wir miteinander fertig sind, mußt du übrigens den Charakter meines Helden vollkommen verstehen, was bis jetzt noch nicht der Fall ist, ob schon du bereits ausgefunden hast, daß er mit jener eigentümlichen Schwäche der Weiber behaftet ist, welche sich am wohlsten fühlen, wenn man sie in ihrer Weise fortmachen läßt. Doch auch dessen wurde er mitunter satt, und dann wollte er die Weisen anderer Leute sehen, was wahrscheinlich weder bei dir, noch bei den Damen je zutrifft.

Sobald Sir Octavius Baccuissart den kurzen Spieker, den er gewöhnlich an seinem künstlichen Arme trug, ausgeschraubt und dafür seine große, dreizinkige Gabel eingesetzt hatte, benahm er sich mit aller Leutseligkeit eines Gentlemans, und schien für eine Weile ganz zu vergessen, daß er der Commodore war, obschon es für seine Gäste nicht gerathen war, dieses gleichfalls zu thun. Wenn man ihn so sah, wie er mit seinen Tischgenossen lächelte und plauderte oder gleich einem kleinen Knaben, der seine Fingert an dem Syruptopfe beschmutzt hat, seine Gabel zum Abwischen hinhielt, während die übrige Gesellschaft die ihrigen wechselte, hätte man ihn für einen recht angenehmen Mann halten können. Wir müssen jedoch in unsern Beschreibung des Diners fortfahren.

Die Lümmelklöse waren von dem untern Ende des Tisches entfernt worden und hatten einem Hachis Platz gemacht, das aus den Eingeweiden desselben freigebigen Hayfisches gemacht war, und mit dem Curry-Pulver nebst andern Reizmitteln ein keineswegs unschmackhaftes Gericht abgab. Da nun außerdem der Wein rasch im Kreise ging und der Wirth noch nicht angefangen hatte, den Commodore zu zeigen, so fühlte sich jeder Gast so glücklich, wie ein Schwein auf einem Rübenacker, dessen Rüffel eben erst von dem Appetit verderbender Ringe emanzipirt wurde. Ich hätte vielleicht hier ein Gleichniß vom Elysium oder vom Klee anbringen können, aber es gibt Leute, die nach mir Novellen schreiben, und warum sollte ich alle die neuen und besten Vergleichungen vor der Nase wegnehmen? Bei meinem Barte, dafür bin ich zu edelmüthig.

Der dritte Gang erschien – unter der Nase des Commodore dampfte ein großer, gebackener Rosinenauflauf. Das mittlere Gericht war eine Täuschung, denn es bestand in nichts Besserem, als gebackenem Schiffszwieback, der weiter keinen Vortheil bot, als daß man die Insektenschwärme, die er enthielt, nicht lebendig zu verzehren brauchte. Vielleicht wären auch noch Salzfisch und Kartoffeln erschienen, aber erstern hatten die Ratten aufgezehrt, und letztere waren von dem Commodore und seinen Freunden längst verspeist worden. Dafür sollte nun ein edles Gericht von Taigjungen schadlos halten, welche lieblich an dem untern Ende des Tisches dampften und von einer reichen Sauce aus Florentineröl, Zimmt und Zucker begleitet waren. Der Commodore schielte mit seinem einen Auge danach hin, der erste Lieutenant beguckte sie mit beiden, der zweite sperrte den Mund auf, der Kaplan segnete sie im Geiste und hatte gute Lust, ihnen zu Ehren das Tischgebet noch einmal zu sprechen, der Zahlmeister verschlang mit den Augen bereits den größten, und der Midshipman hatte schon in glücklicher Vorahnung den Saucelöffel zu Hand.

Die Taigjungen des Commodore waren durch die ganze Flotte berühmt, denn in der Regel sind sie blos eine Schiffskost, aus Mehl, Wasser und gesottenem, ungesäuertem Brode gefertigt, dabei obendrein so zäh und hart, daß man sie statt der Kegelkugeln brauchen oder im Nothfalle mit der Aussicht auf beträchtlichen Erfolg in eine Kanone laden konnte.

Doch die Taigjungen des Commodore waren etwas ganz Anderes. Sein Koch war von Palermo und kannte das Geheimniß, diese kleinen Klöse fast so leicht wie ein vol au vent zu machen, ohne daß der dabei stattfindende Gährungsprozeß den bittern Geschmack der Hefe oder den sauern des gewöhnlichen französischen Sauertaigs zurückließ. Der Commodore hielt sich stets einige Fässer des feinsten, amerikanischen Mehles, welche ausschließlich der Anfertigung dieser Leckerbissen geweiht waren. Da standen sie auf dem Tische, genau sechs an der Zahl (so viel als Gäste) und sahen gar lieblich in der braunen Sauce aus, womit sie bedeckt waren. Der Commodore, der sich zwei für seinen eigenen Antheil ablangen wollte, begann mit einem gewinnenden Lächeln gegen den ersten Lieutenant:

»Soll ich Euch etwas von dem Rosinenauflaufe herauslangen? Er sieht sehr gut aus.«

Aber die List wurde durchschaut.

»Ich danke Euch, Sir Octavius, nein; einen Taigjungen, wenn ich bitten darf.«

Dieselbe heuchlerische Frage stellte er nun der Reihe nach, erhielt aber stets dieselbe Antwort: »Einen Taigjungen, wenn ich bitten darf.«

Endlich ist Jeder so glücklich, einen der ersehnten Klöse auf seinem Teller dampfen und in frischer Sauce schwimmen zu sehen.

Fast gleichzeitig wird ein Stückchen nach jedem Munde geführt, das aber vier von der Gesellschaft augenblicklich wieder heraussprudeln, weil nur der Midshipman und der Geistliche in ihrer epikuräischen Hast den Bissen ungekaut verschlungen haben. Dann folgten Flüche und der Ruf nach Wasser, um sich den abscheulichen Geschmack aus dem Munde zu waschen. Im ersten Anfalle seiner Wuth schickte der Commodore nach dem Steward, nach dem Koche und dem Kochsmaten, fest entschlossen, sie das häßliche Gemisch aufzehren zu lassen, und sodann dadurch für gute Verdauung zu sorgen, daß er Jedem sechs Dutzend dictirte.

Während die erstaunten Angeschuldigten, zitternd und ihre Unschuld betheuernd, dastanden, begann der Zahlmeister, seinen Taigjungen, welcher der größte war, genauer zu untersuchen. Er zerriß ihn mit seinem Bestecke und entdeckte in der Mitte einen Papierstreifen, aus welchem sich in leserlicher Schrift die Worte befanden:

» Ein Teufelsklos,
achtungsvoll präsentirt
dem
Sir Hoctivius Backy-Squirt.

»Notabene, geschmierte Katzenschwänze sind auf Verlangen
bei dem Geschützmeister zu haben.«

Dies veranlaßte ein schallendes Gelächter und der Commodore benahm sich bei dem Schwanke ganz vortrefflich. Indeß schickte er seine Diener unter die Matrosen, um Erkundigungen einzuziehen, wer ihm diesen Possen gespielt und für den eigenen Leckerbissen diese ekelhaften Klöse unterschoben habe. Der Scherz lief durch das ganze Schiff, die Mannschaft war ungemein heiter, und auch in der Kajüte wurde der Abend in anständigem Frohsinn begangen.

Wer übrigens den alten Commodore umloffen wollte, mußte scharf aufbrassen und näher als fünf Punkte an dem Winde liegen; dabei durfte er sich's nicht verdrießen lassen, tüchtig vorwärts zu gehen. Nachdem es den gewöhnlichen Agenten in derartigen Angelegenheiten nicht gelungen war, den kühnen Burschen auszufinden, der dem Commodore die Teufelsklöse aufgetischt hatte, so machte dieser am andern Morgen ein neues Gesicht zur Sache und erschien seit mehreren Wochen zum erstenmal wieder heiter und scherzhaft auf dem Halbdecke, obgleich die Aussicht, das französische Geschwader einzuholen, so fern stand, als nur je. Er sprach auf dem Halbdecke sowohl, als auf der Hütte, offen gegen Jedermann von der Sache, nannte sie einen sinnreichen Scherz, der Belohnung verdiene, und erklärte, wenn er den bescheidenen Mann ausfindig machen könne, welcher ihn so sehr belustigt habe, wolle er ihm sechs Guineen schenken, was noch obendrein wenig genug sei für einen so drolligen Einfall. Da nun Jedermann wußte, wie unverbrüchlich Sir Octavius sein Wort hielt, so thaten diese Aeußerungen die erwünschte Wirkung. Unser Freund Richard Stubbs schlich sich mit einem Schafsgesichte nach dem Hinterschiffe, machte aber oft Halt und zog sich bedenklich wieder zurück, bis er endlich – weil er wußte, daß von der Back aus etlich und zwanzig seiner Schiffsgenossen ihn bewachten – allen seinen Muth zusammennahm, sich seinem Befehlshaber näherte, seinen Hut abnahm und das bestmögliche Gesicht zur Sache machte.

»Nun, Richard Stubbs,« begann der Commodore ihn ermuthigend anblickend, »was kann ich für Euch thun?«

»Ich komme, um Euer Gnaden um Verzeihung zu bitten für die große Freiheit, die ich mir erlaubte, als ich Euer Gnaden einige von den Klösen schickte, die Euer Gnaden so gütig war, uns machen zu heißen; und ich hoffe – ich hoffe« –

»Was hofft Ihr, Stubbs?«

»Daß sie Euer Gnaden geschmeckt haben.«

»Oh, Stubbs! sie schmeckten mir sehr gut; auch gefiel mir die zarte Weist, in der Ihr sie mir vorsetzen ließt, so wohl, daß ich Euch jetzt dafür bezahlen will. Da habt Ihr sechs Guineen, mein wackerer Bursche – mögen sie Euch gut bekommen.«

»Und ich hoffe,« versetzte der überfrohe Stubbs, indem er das Geld in die Enden seines seidenen Halstuches knüpfte, »daß Euer Gnaden keinen Anstoß daran genommen, und daß Ihr mir die Freiheit ganz vergeben habt, die ich mir unterfangen.«

»Ganz, mein wackerer Bursche. Geht jetzt an Euern Dienst, und wenn ich Euch wieder brauche, will ich nach Euch schicken.«

Darauf zog sich der Verfertiger der Teufelsklöse als der glücklichste Mann im ganzen Geschwader unter seine Kameraden zurück.

Augustus Astell, welchen wir schon zu lange vernachlässigt haben, war Zeuge dieses Vorgangs und begann eine bessere Meinung von seinem Onkel zu unterhalten; aber sein Glaube an die Bekehrung sollte kaum eine Stunde währen. Einige unheilverkündende Vorbereitungen waren im Werke, denn der Quartiermeister richtete die Gatter auf und die Hochbootsmannsmaten streichelten liebkosend die Schwänze ihrer Katzen, um sie gut anliegend zu machen. Doch um alles dies kümmerte sich Richard Stubbs nicht. Es war an der Tagesordnung, daß um Mittag Jemand gestraft wurde, und er schickte sich mit großer Gleichgültigkeit an, die Rolle eines Zuschauers zu spielen.

»Es ist zwölf Uhr, Sir Octavius,« sagte der Meister.

»Gut, so laßt die Matrosen zur Bestrafung antreten.«

Diesem Befehle zufolge wurden die Matrosen zusammengerufen. Die Mariner standen unter Gewehr auf der Laufplanke, und nachdem die übrigen Formalitäten beobachtet waren, wurde die schwarze Liste verlesen, worauf die Schuldigen je nach Umständen ihre zwei, drei oder vier Dutzend erhielten. Nachdem dies abgethan war, erwartete Jedermann, daß zum Essen gepfiffen würde; der Commodore hieß aber jetzt Richard Stubbs vortreten und sich entkleiden. Sämmtliche Anwesenden waren erstaunt, und Augustus wandte sich voll Abscheu bei Seite. Von alle dem sah jedoch Octavius nichts und würde sich auch überhaupt wenig darum gekümmert haben. Mit ruhiger Stimme begann er folgendermaßen:

»Richard Stubbs, für Eure Aufmerksamkeit, mir jene Teufelsklöse zu schicken, habe ich euch gedankt und hoffentlich auch genügend belohnt; es bleibt mir übrigens noch eine andere Pflicht zu erfüllen, nämlich Euch dafür zu züchtigen, daß Ihr mir die meinigen gestohlen habt. Ergreift ihn und gebt ihm sechs Dutzend.«

Sobald er seine Tracht erhalten hatte, tönte die Musik des Hochbootsmanns und seiner Maten auf dem Verdecke, um die Leute zum Essen zu pfeifen; der arme Richard Stubbs aber kroch zu dem Wundarzte hinunter, um sich den wunden Rücken verbinden zu lassen, unterwegs vor sich hinmurmelnd, daß es nie ein wahreres Sprüchwort gegeben habe, als das, welches von dem langen Löffel spreche, den man haben müsse, wenn man mit dem Teufel Suppe essen wolle.


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