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Einundzwanzigstes Kapitel

»Ein gutes Lied und gut gesungen;
Drum hellauf, ihr fidelen Zungen!
Denn wir sind Leute
Für Scherz und Freude,
Ein lustig Völklein. kling, kling, klang,
Bei Gesang und Becherklang.«

Altes Seelied.

Wie es mit dem Setzen des untern Takelwerks an Bord der kecken Belladonna von Statten ging, brauche ich nicht anzudeuten, denn wenn ich es auch thun wollte, würde die Auskunft doch nicht sehr befriedigend erfunden werden. Am Lande dagegen hatte Alles einen so glücklichen Verlauf, als man nur wünschen konnte.

Wir wollen uns vorderhand aller Etikette entschlagen und nicht die Gesellschaft des Kapitäns, sondern die der Bootsmannschaft begleiten. Letztere besteht zwar nur aus bescheidenen Helden, die aber jedenfalls ehrenhafte und würdige Männer sind – möge es England nie erleben, daß diese edle Rasse erlischt!

Sobald es in dem kleinen Fischerdörfchen ruchbar wurde, daß sich die Matrosen in dem Pflug einquartiert hätten, zeigten sich alle müßigen Bursche der Umgegend gleichfalls in dem Wirthshause – freilich nicht um zu trinken, da nur Wenige davon Geld hatten. Nun sind in der Regel diese müßigen Schlingel fleißige Bursche in Dingen, die ihnen keinen Nutzen abwerfen, und lustige Gesellschafter obendrein. Das Diomedesmahl war kaum verzehrt, als sich die einzige Stube des Bierhauses schon völlig gefüllt hatte. An der Spitze einer langen Tafel saß Peter, während der Beischiffsführer den untern Platz einnahm. An Whiskey fehlte es nicht, eben so wenig an Pfeifen und Tabak, so daß ein lustiges Zechgelage in Aussicht stand.

Die Bänke um den Tisch waren eben hinreichend, um die Matrosen unterzubringen; als sich jedoch der Dorfschulmeister einstellte, rückte Peter ein wenig bei Seite und machte ihm Platz. Dann kam der Schmied, welchem der Beischiffsführer eine gleiche Gunst erwies. Der Barbier fand mit seinem kleinen, schlangenartigen Körper anderswo ein Winkelchen, und Nelly's Liebhaber, ein tölpischer Bursche, der, wie sich nachher herausstellte, ein verzweifelter Wilddieb war, wußte sich in der Mitte noch ein Plätzchen zu verschaffen. Ein alter Soldat, der einen Erlaubnißschein zum Betteln hatte, wurde zunächst mit einem Hurrah bewillkommt, und nun war nicht nur die Tafel, wie Macbeth ausrief, sondern auch das Zimmer voll.

Ehe die Heiterkeit in ihrem vollen Sommerschauer regnete, hatte sich Peter Drivel mit dem Dorfpädagogen in ein sehr gelehrtes Gespräch verstrickt. Der Schulmeister, welcher Rickets hieß, besaß nicht viel Gelehrsamkeit, aber doch jedenfalls mehr, als für seinen Wirkungskreis nöthig war. Diesen Ueberschuß ließ er gerne auf diejenigen niederströmen, welche freundlich genug waren, ihn in sich aufzunehmen – dieselbe Verfahrungsweise, welche Peter mit seinen Wortspielen zu verfolgen beliebte; »denn,« pflegte er weislich zu bemerken, »was nützt es, das Geschütze seines Gehirnes abzubrennen, wenn keine Zielscheibe vorhanden ist!«

Er hatte schon mehremale abgefeuert und bei dem Schulmeister in's Schwarze getroffen. Letzterer verschluckte, was man ihm bot, denn er trank von Peters Grog; aber die Witze gingen hinunter, wie Pulver aus der Apotheke – ein wenig zu groß und hübsch bitter. Endlich blieb einer schönstens aus dem halben Wege stecken. Der Pädagoge machte ein schrecklich schiefes Gesicht, und als Peter ihn wie gewöhnlich fragte, ob er nicht hinunter wolle, bat er unterthänig um Entschuldigung.

»Er mag gut sein, Meister, aber doch ist nichts Zuverlässiges darin. Macht Euch an die Duodezimalen, sage ich – da werdet Ihr Eure Wunder entdecken, Meister Peter – wie ist Euer anderer Name?

»Drivel.«

»Ich habe nichts dagegen. Nichts für ungut, Meister Drivel. Ich habe die Welt gesehen und glaube nicht, daß es in der ganzen Grafschaft einen Mann gibt, der von sich sagen kann, er habe mehr Ruthen verbraucht. Die Duodezimalen sind mein Fach.«

»Ihr seid also kein Freund von Witzen?«

»Ja, wenn ich sie rund kriegen kann. Nichts für ungut; aber in der That, Meister Peter, da ich die Welt gesehen und eine gehörige Anzahl von Ruthen verbraucht habe, so wird man mir wohl einräumen, daß ich etwas von Witz und Dezimalen verstehe. Nun glaube ich aber, Meister Peter, daß Ihr mehrerer wesentlicher Erfordernisse ermangelt, um einen Witz zu machen.«

»Ihr beunruhigt und erschreckt mich, mein gelehrter Duodezimalen-Freund. Worin könnten diese möglicherweise bestehen?«

»Erstlich habt ihr zuviel Präsumtion.«

»O Freund Duo, Ihr wißt doch, daß der Witz nie bescheiden ist.«

»Weiß wohl; auch unverschämt – nichts für ungut. Ich habe die Welt gesehen und viele kleine Knaben mit der Ruthe traktirt. Aber guter Sir, merkt wohl auf, ich sage nicht, daß Eure Präsumtion die des Witzes ist – es ist nur die einer falschen Calculation, die Euch nie begegnen würde, wenn Ihr mit Duodezimalen arbeitetet, denn wißt, daß es Niemand erschwingen kann, witzig zu sein, wenn er unter tausend Pfund Renten jährlich besitzt, Sir. Ich habe viele Knaben gepeitscht und manche witzige darunter – muß es also wissen. Ich glaube ein Mann mit fünfhundert Pfund jährlich kann allenfalls humoristisch sein, aber dennoch muß er zuviel von seinem Einkommen auf Diners verwenden. Von fünfhundert abwärts gilt man allenfalls für possierlich, vorausgesetzt, daß man keine abhängige Stellung behauptet und vor anständigen Personen an sich hält. Jeder Versuch eines Witzes gilt aber gesetzlich bei Allen, die reicher sind, als der Witzling selbst, für Hauswursterei. Ich selbst habe diese Berechnung gemacht.«

Peter sah das schäbige Schulmeisterlein an.

»Ihr seid mir ein kurioser alter Kunde und macht mich wahrhaftig zittern. Sagt mir nun auch, wer ist die witzigste Person in hiesiger Gegend?«

»Je nun, Mr. Rubasore – dies unterliegt keinem Zweifel. Und wenn er seine Mündel heirathet, wie das Gerede geht, so wird er es wohl sein ganzes Leben über bleiben. Dieser Ort hier und die ganze Umgegend gehört zu den Gütern von Jasper-Hall.«

»Wenn er mich also vor einer Weile den ›Tölpel mit dem Buche‹ nannte, was ich irrtümlicher Weise für einen kindischen Ausdruck nahm, so haltet Ihr dies für witzig und verständig?«

»Kann darüber ein Zweifel obwalten? Hätte er sich vor einer großen Gesellschaft in dieser Weise ausgesprochen, so würde an dem ganzen Tische ein eigentlich brüllendes Gelächter erschollen sein. Ich hätte gute Lust selbst darüber zu lachen, wenn nur mein Gaumen nicht so trocken wäre.«

»Nun so feuchtet ihn an, altes ABCbuch. Ich sehe, Ihr habt einige Begriffe – Ihr mit Euern Duodezimalen.«

»Ich habe die Welt gesehen – habe Knaben gepeischt –«

»Was kümmert das mich – Ihr habt mich gepeitscht und mir die beste Feder aus meiner Mütze gerupft. Sonst meinte ich, Witz und Verstand helfe zu Reichthümern, und nun muß ich finden, daß der Reichthum zum Witze helfen muß.«

»Ganz recht. Ein armer Mann mit Witz, Sir, gleicht einem Manne, der seinen Kopf in die eigene Laterne steckt, so daß sie Niemand, als ihn selbst, blenden kann; und dabei läuft er obendrein noch Gefahr, zu stolpern. Ich weiß das, und deshalb sage ich's – nicht umsonst habe ich meine Ruthe –«

»Steckt dies auf! Eure Laterne gefällt mir, alter Kunde; ein Mann, der seinen Kopf darin stecken hat, muß stets in seinem eigenen Lichte stehen. Ich will mit meinen Witzen einziehen, bis ich mir das Nöthige erspart habe.«

Hier wurde die gelehrte Unterhaltung plötzlich durch das fröhliche Getümmel der Gesellschaft unterbrochen, welche sich in der Zwischenzeit sehr vergrößert hatte. Man rief nach weiteren Tischen und Sitzen, und da man zu gedachtem Zweck sich auch mit umgekehrten Schubkarren, Sägeböcken und anderen ländlichen Nothbehelfen begnügte, so fand sich in kurzer Zeit Jedermann ziemlich gemächlich, da Jack für Alle zahlte.

Als endlich männiglich das bedeutungslose Getöse satt hatte, wurde der Ruf nach einem Liede fast einstimmig.

Der Beischiffsführer, der vermöge seiner Würde den Meister des Gelages spielte, wurde aufgefordert, mit einem guten Beispiel voranzugehen. Er entgegnete sehr bescheiden, er wisse nicht, ob er singen könne, wolle es aber probiren und hoffe, daß ihn die Schennelmen im Chor unterstützen werden. Er zweifle, ob er sich Gehör verschaffen könne, weshalb er sich zu der Gesellschaft versehe, sie werde ihm ein wenig helfen, wenn seine Stimme zu leise sei. Da er und seine Schiffsgenossen zu einer Fregatte gehörten, und zwar zu einer, die sich im Dienste schon tüchtig hervorgethan habe, so wolle er, wenn ihm nicht die Stimme gebreche, ein Fregattenlied zum Besten geben.

Die Gesellschaft kam sehr höflich überein, mit allen Mängeln Nachsicht zu haben, worauf der Beischiffsführer die Wangen leerte und sein Tabakröllchen bei Seite legte, um es für einen späteren Kauprozeß aufzubewahren. Nachdem Alles stille war, brüllte er ein so schreckliches »Majestätisch auf den Wogen«, daß Alle, mit Ausnahme seiner Schiffskameraden, auffuhren und ein allgemeines Gelächter über den Mann mit der schwachen Stimme erscholl. Sobald die Ruhe wieder hergestellt war, fuhr er folgendermaßen fort:

»Majestätisch auf den Wogen,
Die an seine Brust hinan
Kräuselnd schlagen, theilt die Pelle
Vor sich her der schöne Schwan.

In nicht minder schönem Zuge
Gleitet unser Schifflein hin.
Und den Schnee des Schwanenbusens
Uebertrifft die Seglerin.

»Nun den Chor, meine Jungen.«

»Drum singt hip, hip, hip, hip, hyoh!
Hip, hip, hip, hip, hyoh, hoh!
Die Fregatt' ist uns're Heimath,
Trägt Gesellen, lustig, froh,
Und wo Ehre zu gewinnen,
Ist sie vorne – hyoh, hoh!«

»Pfeilschnell, wie der Königsadler
Himmelwärts den Fittig schlägt
Und die schwarze Wolk' durchschneidet,
Die des Donners Stimme trägt,
Stürzet vorwärts die Fregatte
Durch der Stürme Nacht und Graus
Durch der Wogen wild' Getümmel,
Tobend um das kleine Haus.

Chor:

»D'rum singt hip, hip, hip, hip, hyoh!
Hip, hip, hip, hip, hyoh, hoh!
Die Fregatt' ist uns're Heimath,
Trägt Gesellen, lustig, froh.
Und wo Ehre zu gewinnen,
Ist sie vorne – hyoh, hoh!«

»Groß und hehr in wilden Wettern
Schicken tödtliches Geschoß
Rings umher die Zackenblitze,
Wüthend in des Lebens Schooß;
Doch noch hehrer ist der Schrecken,
Den die Belladonna beut,
Wenn sie Doppelkugellagen
In des Feindes Rippen speit.«

Chor:

»D'rum singt hip, hip, hip, hip, hyoh!
Hip, hip, hip, hip, hyoh, hoh!
Die Fregatt' ist uns're Heimath,
Nirgends ist's so frei und froh;
Und wo Ehre zu gewinnen,
Ist sie vorne – hyoh, hoh!«

Das Lied war so ganz nach dem Geschmacke der versammelten Kenner, daß es zweimal wiederholt werden mußte, und sogar die Stimme des Beischiffsführers erschüttert war, als er zum letztenmal den Chor einführte. Die »Doppelkugellagen« waren ein hübscher Mundvoll für Alle, und sie ließen dieselben tüchtig donnern.

In der That gefielen mehreren müssigen Burschen der Gesang und der Grog, welcher denselben begleitete, so wohl, daß sie gute Lust hatten, in den Dienst einzutreten und vielleicht auch den Schritt gethan haben würden, wären nicht eben »diese schnöden Doppelkugellagen« gewesen.

Der Weise in Lumpen, welcher die Geheimnisse der Decimalen und der gepeitschten Knaben so tief ergründet hatte, erging sich eben in einer kritischen Abhandlung über den poetischen Werth des gefundenen Liedes, welche er an Peter richtete, als dieser aufgefordert wurde, gleichfalls nach Kräften zu der Unterhaltung der Gentlemen beizusteuern.

Peter hustete und zeigte eine liebenswürdige Schüchternheit; da er aber ungeachtet der geistigen Augensalbe, mit welcher ihn der Pädagog bedient hatte, der Meinung war, er sei ein guter Kopf – eine Ansicht, welche ihn schon früher bewogen hatte, ein Lied abzufassen – so beschloß er, ein eigenes Machwerk zum Besten zu geben, welches er denn auch mit einem schlauen, abbittenden Blicke auf den Mann in den schwarzen Lumpen, gegen den er bereits eine heilsame Ehrfurcht zu empfinden schien, in einem quiksenden Tone, ähnlich dem eines Kindertrompetchens, anstimmte Im Interesse derer, welche Englisch lesen können und das Original nicht zur Hand haben, setze ich das wegen der gehäuften Wortspiele unübertragbare Lied Peters hierher.
As life, we know, is but a jest,
Yet punning always life will give;
As punning ist of jests the best,
So who puns best, the best must live.
For punning sits upon a throne –
At least he oft enthroned sits –
And if with tyrants seldom known
Yet rules he with the King of wits.

Chorus

Then pun away
Pun, pun all round,
At night with puns be busy:
Pun, pun all round,
Mix sense with sound,
Till sense itself grow dizzy.

I freely state, in this free state,
Punning has state and honour much,
And that both houses gaping wait,
To rouse them at his magic touch.
The bar is found no bar to it;
And counsel seek it like a fee;
It on the bench with try to sit,
And grin with wiggy gravity.

Chorus.

Then pun away
etc. etc. etc.

When in our graves at length we lie,
We there engrave a lie above,
And our very tombstones try
A pun – or worse – for hate put love.
Thus all through life we lose the sense
In seeking sound. When all is done,
Withont a pun, I judge from hence,
Life's either punishment or pun.

Chorus.

Then pun away
etc. etc. etc.
.

Nach dem Schlusse seines Liedes sah sich der arme Peter nach Beifall um, ohne jedoch Spuren desselben entdecken zu können, da im Gegentheil der fadenscheinige Mister Ricketts sehr bedenklich den Kopf schüttelte. Für die Fischer war die Person ein böhmisches Dorf gewesen, und den Theerjacken kam sie kaum welliger unverständlich vor.

»I-ah – ah – ah!« gähnten die Schinkenkauer, was ein ebenso guter Commentar war, als wenn er in einer ganzen Abhandlung ausgedrückt worden wäre.

»Das ist uns zu hoch,« sagten die Matrosen.

Peter Drivel zog daher das Ende seiner Mopsnase in die Höhe und erklärte seine ganze Zuhörerschaft für gemeines Volk. Er berief sich dabei aus die Entscheidung des Schulmeisters, der nun eine treffliche Argumentation vornehmen ließ, und wir bedauern nur, daß sie für die Nachwelt verloren ging. Dann kamen weitere Lieder an. die Reihe – »die Bay von Biscaya«, »die liebliche Nany«, und »Weit, weit hinaus in's Meer« – deren Text so allgemein bekannt ist und von männiglich für den Bruchtheil eines Farthings gekauft werden kann, daß wir sie großmüthig übergehen wollen. Bisher hatten die Matrosen sämmtliche Unkosten des Gesangs sowohl als des Trunkes bestritten; endlich aber rief der Beischiffsführer:

»Halt da!«

»Halt da!« echoeten sämmtliche Matrosen.

»Will keiner von euch Landratten ein Lied anziehen und auftischen? Kann keiner von euch singen?«

Es folgte nun ein scheues Geflüster unter den Ortsangehörigen, bis endlich ein höchst verdächtig aussehender Kerl mit langen, in hirschlederne Kamaschen gehüllten Beinen sich zum Versuche anheischig machte, die Gentlemen zu verbinden.

»Als er gefragt wurde: ›was für ein Schiff?‹ – das heißt: ›wer bist du?‹ – bekannte er aufrichtig, daß man ihn den wilddiebenden Philipp nenne, obschon er kein Wilddieb sei – nein, gewiß nicht – sondern nur ein nächtlicher Pürscher; allerdings sei die Jagd seine Liebhaberei, und darum wolle er ein Jägerlied vortragen – er bitte übrigens die Gentlemen von der See, sie möchten den Chor so kräftig unterstützen, als sie selbst in den Chor der Seelieder eingefallen seien. Dies wurde zugesagt und der wilddiebende Philipp begann folgendes kecke Jägerlied:

»Sir Rory verläßt sein altes Schloß,
Die Jäger am Wirthshause plaudern,
Sir Hickory Grub besteigt sein Roß,
Wozu auch länger noch zaudern?
Nehmt rasch ab den Hunden die Koppeln,
Denn frisch ist die Witt'rung im Thau;
Fort, fort über Felder und Stoppeln,
's gilt rüstig zu fegen durch's Gau.

»Nun, meine Jungen, ihr müßt alle im Chor mitmachen. Gebt Eure Peitsche herüber, Meister Kärner.«

Er knallte mit der Peitsche und fuhr fort:

»Laßt lustig uns traben
Bergab und bergauf;
Nicht Heck' oder Graben
Soll zügeln den Lauf.
Wer sich fürchtet vor Zäunen,
Der bleibe zu Haus,
Kann mit uns sich nicht einen
Im lust'gen Gebraus!«

»Der hochwürd'ge Dumper den Boden küßt.
Ihn hat sein Bicar überritten.
Dazu auch der Squire: doch sein Schädel ist
Hübsch dick und hat schwerlich gelitten.
Drei Sonntagsjägerlein liegen im Grase:
Lord Whiffling schreit Weh und schreit Ach.
Ein Anderer hält sich die blutende Nase,
Und dem Gaul jagt der Doctor nach.«

»Laßt lustig uns traben
Bergab und bergauf;
Nicht Heck' oder Graben
Soll zügeln den Lauf.
Wer sich fürchtet vor Zäunen,
Der bleibe zu Haus,
Kann mit uns sich nicht einen
Im lust'gen Gebraus!«

»Das Wild schießt mit Blitzesschnelle dahin.
Mißt nicht nach Meilen die Gänge.
Man sieht nicht am Zügel der Rosse zieh'n
Und Füchslein ist schwer im Gedränge.
Gleich ächtblüt'gen Helden auf Tod und Leben
Geht's fort auf der lustigen Jacht;
Wir vollenden in männlichem Streben.
Wo die Gecken den Anfang gemacht.«

»Laßt lustig uns traben
Bergab und bergauf;
Nicht Heck' oder Graben
Soll zügeln den Lauf.
Wer sich fürchtet vor Zäunen,
Der bleibe zu Haus,
Kann mit uns sich nicht einen
Im lust'gen Gebraus!«

Der Wilddieb machte besseres Glück, als Peter. Alle Anwesenden erklärten das Lied für gut, und meinten auch, es sei gut gesungen worden – natürlich, da sie selbst mitgemacht hatten. Das schmutzige Schulmeisterlein war während des letztern Vortrags eifrig beschäftigt gewesen, den Takt zu schlagen, weßhalb man ihm gleichfalls musikalisches Gehör zutraute und einen Gesang von ihm verlangte. Das Ansinnen wurde zurückgewiesen, aber man stellte es nun in seine Wahl, ob er den Wünschen der Gesellschaft entsprechen oder Salzwasser trinken wolle. Bei dieser liebevollen Hindeutung brachen drei dickköpfige Jungen diensteifrig mit den Wassereimern der Hausknechte nach den Ufern auf, um von dem englischen Kanal ein gehöriges Maß von der erforderlichen Flüssigkeit zu borgen. Wie nun Mr. Ricketts sah, daß die Dinge ernst zu werden begannen, so schüttelte er seine zerfetzten schwarzen Kleider, legte eine zugäbliche Quantität von Pomp und Gravität in sein Gesicht, zog seinen abgenützten und verschossenen Hut, den das Alter sehr geschmeidig gemacht hatte, vom Kopfe, quetschte ihn in eine dreieckige Form, klappte ihn unter den Arm und begann sehr langsam, aber mit ziemlich melodischer Stimme:

»Da sitz' ich hinter'm Pulte fleißig,
Der große Doctor Birk,
Bin Schulmeister über der Knaben dreißig,
O Doctor Birk!
Zwar trage ich graue Haare;
Doch, denk' ich an frühere Jahre,
So sing' ich vom amas, amare
Des großen Doctor Birk.

»Ihr seht diesen Hut – die drei Ecken –
Des großen Doctor Birk?
Einst that er die Liebe bedecken
Des Doctor Birk.
Nach den Mädels lief ich, ein Thor, 'rum.
Genitiv horam, haram, horum;
Doch jetzt ist ein Muster vom decorum
Der zahme Doctor Birk.«

Dieses kurze Lied wurde von der verständigen Gesellschaft mit einem Da capo beehrt, denn sie fand es ungemein behaglich und annehmbar, obgleich mit Zuversicht darauf gezählt werden konnte, daß es keiner der Anwesenden verstand.

Für das Salzwasser fand sich keine Gelegenheit. Die Scene wurde ganz großartig, und das Gemach hatte sich mittlerweile bis zum Ersticken gefüllt; aber dennoch nahmen Heiterkeit und Gesang ihren fröhlichen Fortgang.

Ich könnte noch viele Lieder aufzählen, die alle in ihrer Weise vortrefflich waren, und die mir, dem alten Seemanne, wahrscheinlich allein bekannt find. Denn wer ist wohl noch von jenen fröhlichen Burschen vorhanden, die sich an gedachtem Juninachmittage im Pfluge gütlich thaten? Wohl Keiner mehr. Der Pflug! – leider geht der Pflug der einen Generation über das Grab einer andern, und die Ernte des Todes ist die einzige, die nie über ein Mißjahr zu klagen hat. Aber ich werde wieder prosaisch, während meine lustigen Bursche singen und jubeln: ich will daher noch eines ihrer Lieder, das letzte und lauteste berichten.

Die Sonne hatte noch eine Stunde bis zu ihrem Untergange, als der Knall einer Kanone von der Fregatte aus an der friedlichen Küste wiederhallte. Keiner dachte damals an seine von den Wellen getragene Heimath. Von der Gaffel flatterte das Signal für die Rückkehr der Barke, und in der hohen See zeigten sich sechs edle Linienschiffe, die majestätisch in gleicher Zeile einhersegelten, während von dem größten Fahrzeuge das breite Wimpel eines Commodore flatterte. Die Brise war aufgesprungen, die Fregatte hatte ihre Nummer gezeigt, und von dem Commodoreschiffe winkte das Signal, sie sollen Anker lichten und sich unverzüglich dem Geschwader anschließen.

Der schnellfüßigste Junge von denen, welche an der Großmuth der Matrosen im Pfluge Theil genommen hatten, wurde nach Jaspar-Hall geschickt, um Kapitän Oliphant die Kunde mitzutheilen. Dies war wohl der klügste Schritt, welcher eingeschlagen werden konnte, denn der junge Befehlshaber befand sich eben damals in einem so glücklichen Zustande von Weltvergessenheit, daß es ihm nicht entfernt einfiel, es könne auch nur so ein Ding, wie eine Achtunddreißig-Kanonen-Fregatte existiren.

Mittlerweile hatten alle Matrosen der Belladonna ihre Gläser gefüllt und waren aufgestanden, um achtungsvoll die Gesundheit ihres Kapitäns zu trinken. Dann schloßen sie die Festlichkeit des Tages mit Absingen ihres Schiffliedes, das wahrscheinlich sein Dasein der poetischen Ader eines gemeinen Matrosen verdankte, und, wie ich zu glauben geneigt bin, eine Produktion des witzigen Peter war.

»'s ist ein Fregättchen, schmuck und schön,
Wie je nur ein« durchpflügt' die See'n
Und brav im Kampfe thät besteh'n –
Die kecke Belladonna.

Den Matrosen all' auf unser'm Schiff
Ist Gefahr nicht weiter wie ein Pfiff;
Sie haben besonders feinen Schliff
An Bord der Belladonna.

Der Schiffer ist ein Eichenherz,
Brav, gütig und ein Freund vom Scherz!
Sein Regiment – nie besser begehrt's
Das Volk der Belladonna.

Ein lustiger Hund der erst' Leutenant ist.
Der zwar oft den Grog uns sparsam mißt,
Aber doch die Peitsche ganz vergißt
An Bord der Belladonna

Der zweit', dritt', vierte Leutenant
Sind als Leute von Verdienst bekannt;
Drum wünschen wir jedem den besten Stand
An Bord der Belladonna.

Dem Meister mit seiner Tieflothlein',
Den Karten und dem Kompaßschrein,
Wünscht Himmelssegen in die Haut hinein
Die Mannschaft der Belladonna.

Mit den Lichtern, Käs' und Taback
Füllt der Zahlmeister nicht sehr den eigenen Sack;
Drum führen wir keine besondere Klag'
An Bord der Belladonna.

Und dann uns're schelmischen Midshipmen,
Obgleich sie als karge Krakeeler geh'n,
Bei Wein, Weib, Kampf als Männer steh'n
An Bord der Belladonna.

Der Bootsmann, Pipes, das Rothgesicht,
Ist im Ganzen wohl ein ehrlicher Wicht,
Obschon er bisweilen den Seilstumpen flicht
An Bord der Belladonna.

Der Kanonier, der alte Plug,
Ist ein trefflicher Kerl, sowohl beim Krug
Als an dem Kanonenflaschenzug
An Bord der Belladonna.

Schaut an die wack're Mannschaft all'
Bei Sturm, Gefahr, Kanonenknall,
In blauer Jacke Englands Wall
An Bord der Belladonna.«

Der letzte Vers war eben mit großem Lärm vorgetragen worden, als die Nachricht gebracht wurde, der Kapitän begebe sich mit Miß Belmont nach der Barke, in welcher sich zwei Bootshüter befanden, die alle halbe Stunde abgelöst worden waren.

Es erscholl nun ein Hurrah, und Alles eilte nach dem Gestade. Keiner von der Bootsmannschaft war betrunken, obschon zwei oder drei, welche weniger starke Köpfe hatten, ein wenig frisch genannt werden konnten. Der Kapitän trat in das Boot, die Ruder wurden aufgeworfen, und aus das Signal: »stoßt ab, meine Jungen!« flog der Nachen der Fregatte zu. Kapitän Oliphant stand, von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet, in der Sternschoote und warf der am Ufer zurückbleibenden Dame ein Kußhändchen zu, woraus diese nach der für solche Dinge hergebrachten Regel zur Erwiederung mit ihrem weißen Schnupftuche schwenkte – ein recht hübscher Anblick, obgleich durchaus nichts Ungewöhnliches. Etlichundvierzig Landleute hatten die Bootsmannschaft nach dem Gestade begleitet, blickten derselben bewundernd nach und meinten: »die Belladonner seien ein mächtig feines Volk.«

Und das waren sie auch.

Ich habe nun getreulich eine Scene geschildert, welche wir Kriegsschiffleute eine Landlerche nennen.


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