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Zehntes Kapitel

Cloe. Warst du je bei Hofe, Schäfer?
Coria. Nein, gewiß nicht.
Cloe. Dann bist du verdammt.
Coria. Das will ich nicht hoffen –
Cloe. Ja. wahrhaftig, du bist verdammt, wie ein schlecht geröstetes Ei, das nur auf der einen Seite gar ist.
Coria. Dafür, daß ich nicht bei Hofe war? Ist dies ein Grund?
Cloe. Ja; denn wenn du nie bei Hofe warst, hast du nie gute Manieren gesehen. Wenn du nie gute Manieren sahst, so müssen die deinigen schlecht sein; Schlechtigkeit aber ist Sünde und Sünde Verdammniß. Du bist in einer gefährlichen Lage Schäfer.

Shakespeare.

Wie ich bereits früher meinem sehr guten Freunde, dem Leser, mitgetheilt habe, so ist der Mann, der diese Züge aus dem Leben des alten Commodore beschreibt, ein alter – ein sehr alter Seemann, dazu auch ein Bischen geschwätzig, weßhalb er seine eigene Weise haben muß, wenn er eine Geschichte erzählen will, da er sonst kaum im Stande sein würde, sie überhaupt zu berichten. In Betreff der Daten herrscht stets eine traurige Verwirrung in meinem Kopfe, was vermuthlich seinen Grund darin hat, daß ich so ruhig auf den Sims gestellt wurde. Die Erschlaffung einer so sicheren und ruhigen Lage erstreckt sich natürlich auch auf den Geist, und Jahre entgleiten mir jetzt, ohne daß sie meinem Gedächtniß so viel böten, als vordem bei Wochen der Fall war. Nun kann ich um's Leben nicht genau sagen, in welchem Jahre Sir Octavius mit seinen Postpferden nach London kam, und ich erinnere mich nur noch, daß es vielleicht in demselben Jahre, vielleicht aber auch zwölf bis achtzehn Monate nach der Zeit war, als ich selbst mit einem der königlichen Bogen Bekanntschaft machte. Ich meinte damals, als Lieutenant lange genug gedient zu haben, und hegte deshalb den sehr natürlichen, vielleicht auch löblichen aber doch ungebührlichen Wunsch, Commandeur zu werden. Ich hatte eben einen gewissen Theil aus der Geschichte des Gil-Blas von Santillana etlich und zehnmal überlesen, und da ich gerade keine Beschäftigung hatte, so kam ich nach London, um mein Glück, wenn auch nicht am Hofe, so doch wenigstens durch denselben zu machen.

Ehe ich mich auf diesen zarten Gegenstand einlasse, ist es nöthig, zu bekennen, daß Loyalität das Licht meines Pfades und der Trost meines Herzens war, seit ich den ersteren unterscheiden und das letztere für edle Gefühle schlagen konnte, obschon eine einzige kleine Ausnahme, eine kleine Pause in diesem hehren Strome meiner Empfindungen statt hatte. Dieses Sündchen habe ich mir jedoch vergeben, weßhalb sich alle Welt zufrieden geben muß.

Statt übrigens, ehe ich mich auf eine leichte Berührung des persönlichen Charakters Georgs III. einlasse, meine loyalen Gesinnungen zu wiederholen, will ich eine demüthige Ueberzeugung von seinen großen häuslichen Tugenden und seinem noch größeren, obgleich vielfach bestrittenen öffentlichen Werth aussprechen. Nicht einmal der Neid, obgleich durch die gehässigste Parteiwuth gespornt, konnte in Abrede ziehen, daß dieser Monarch nicht alle Eigenschaften, welche ein Individuum zieren und erheben können, in hohem Grade besaß. Freilich ist es ebenso wahr als beklagenswerth, daß einige Ereignisse seiner langen und väterlichen Regierung unglücklich waren – daß der Schatz verschwendet, viel Blut vergossen, das Reich durch den Verlust der amerikanischen Kolonien verkürzt und eine furchtbare Schuldenmasse auf die Nachwelt gewälzt wurde. Aber alles dies war die Wirkung nicht zu beseitigender Umstände, in denen der König weiter keine Hand hatte, als daß er bemüht war, den bitteren Druck derselben auf die Nation zu mildern und ihre Einwirkungen auf das Menschengeschlecht zu verbessern. Georg III. war ein Monarch, wie ihn der Zeitgeist, so fern Englands künftige Wohlfahrt in Frage kam, verlangte. Wäre er nachgiebiger gewesen gegen das Geschrei einer wahnsinnigen Demokratie, deren böser Genius Europa verheerte, so wäre die Konstitution der um sich fressenden Fäulniß des Aufstandes erlegen, die sie sich auf tausend Wegen Eingang zu verschaffen suchte und im Stillen kräftig thätig war, obschon dies nur selten öffentlich zum Ausbruch kam.

Wäre er ein strenger Herrscher gewesen, und hätte er versucht, die damals herrschenden zwei Ausgleichungs-Prinzipe mit stärkerer Hand, entweder durch verschärfte Gesetze, oder durch militärische Gewalt niederzudrücken, so würde eine Blutkrisis nicht zu vermeiden gewesen sein. Ein Bürgerkrieg hätte das Land verheert, und England hätte denselben entsittlichenden, blutdürstigen Gang genommen, welchen der Republikanismus in dem königsmörderischen Frankreich einschlug.

So weit ich die Sache zu beurtheilen verstehe, konnte uns kein größerer Beweis von dem Walten der Vorsehung in Betreff der Wohlfahrt Englands zu Theil werden, als daß uns der Segen seiner langen und tugendhaften Regierung gegönnt wurde. Hätte die Mehrzahl seiner Unterthanen nur den zehnten Theil seiner edlen und guten Eigenschaften besessen, so bedürfte man jetzt keiner Reform, und das Reich würde durch die Thätigkeit eines langen Wohlstands gewiß nichts von der Größe verloren haben, die ihm sogar durch Leiden und Widerwärtigkeiten nicht verkümmert werden konnte. Da er jedoch schon seine irdische Krone durch den Glanz seiner Tugend so herrlich machte, so konnte ihm, wenn anders in Vernunft und Religion Wahrheit liegt, um so weniger das Erbe der ewigen entstehen, die keine Parteiwuth zu trüben und kein Hülferuf des verlassenen Elendes zu stören vermag.

Alles dies ist meine innerste Ueberzeugung, und man wird mich keiner Unehrerbietigkeit gegen sein Andenken beschuldigen, wenn ich in dem Humor meiner Erzählung, welche seiner Vortrefflichkeit die gebührende Gerechtigkeit widerfahren läßt, auch auf einige seiner Eigenthümlichkeiten anspiele. Sein Charakter ist nun historisch geworden und das Eigenthum eines jeden Schriftstellers, der davon Gebrauch zu machen wünscht – jedenfalls aber ein Eigenthum, das mit Zartheit benützt, mit jener Ehrerbietung behandelt werden sollte, an welche die Großen zwar ein Recht zu haben glauben, die aber nur die Guten sich sichern können.

Zur Sache. Ich kam nach Hof und that diesen Schritt aus dem allerunschuldigsten Beweggrunde. Erstlich gebrach es mir an aller Protektion, die einer langen Dienstzeit und schwerer Wunden ausgenommen, und dann stund es mir nicht länger an, Nachtwachen zu halten, so fern der Schuß, den ich Anno 94 in Howes Schlacht durch die Lungen erhalten hatte, ein Gebreste zurückgelassen hatte, welches mir immer eine Entzündung zuzog, so oft ich mich der feuchten Nachtluft aussetzte. Mein Wunsch, Beförderung zu erhalten, hatte demnach seinen Grund nicht in der eiteln Auszeichnung des Kapitänstitels oder in dem schmutzigen Vortheile, den zwei oder drei Schillinge täglich mehr boten, denn ich hatte dabei bloß im Auge, mich gegen lebensgefährliche Erkältungen zu wahren. Augenscheinlich konnte nichts uneigennütziger sein, und von diesen Rücksichten erfüllt, kam ich nach London. Nach langen Bemühungen war ich endlich so glücklich, bei einem alten Männchen Eingang zu finden, welches wirklicher Page im Dienste Seiner allergnädigsten Majestät war.

Der kleine alte Mann fand Gefallen an mir, und er gefiel mir gleichfalls; ich folgte daher dem Hofe von St. James nach Windsor, von Windsor nach Weymouth, und von Weymouth wieder nach St. James.

Mein alter Freund war mir übrigens von keinem sonderlichen Nutzen. Er sagte mir, die großen Lords und Ladies belagerten die Majestäten stets mit ihren Betteleien, und bettelten dabei so laut und unablässig, daß er sich in der That schäme, selbst um etwas zu bitten; wenn er übrigens eine günstige Gelegenheit finde, wolle er in möglichster Bälde meines Gesuches Erwähnung thun. Endlich fühlte ich mich bis in den dritten Himmel verzückt, denn ich zog die königliche Aufmerksamkeit auf mich. Von allen Tagen in der Woche mußte es gerade ein gesegneter Dienstag sein, und der Green-Park war der glückliche Ort. Als Seine wohlwollende Majestät an mir vorbeikam, entblöste ich mein Haupt und machte eine tiefe, ehrerbietige Verbeugung. Seine Majestät sah mich an – Seine Majestät sprach. Sie wandte sich an einen großen Lord mit einer blauen Schärpe über der Schulter und redete ihn über meine Person an – ja, wahrhaftig, Seine Majestät Georg III. ließ sich über mein bescheidenes Ich in folgenden Worten vernehmen:

»Bös – bös – bös – sehr böser Husten. Ein blasser – ein blasser, schmächtiger junger Mann. Ihn oft gesehen – böser, böser, böser Husten – muß Tropfen nehmen, Tropfen, Tropfen.«

Mittlerweile hatte mich aber Seine Majestät so weit im Sterne gelassen, daß nicht in mein Ohr träufeln konnte, welche besondere Tropfen sie mir eigentlich empfehlen wollte. Wie Schade! denke man nur – Tropfen verschrieben von dem mächtigsten Potentaten der Welt! Ich folgerte übrigens daraus, daß mein Glück gemacht sei, und suchte meinen alten Freund, den Pagen, auf, welchen ich auch bald fand. Wohl eine Viertelstunde schüttelte ich ihm ohne Unterlaß die Hand, und fühlte mich nachher sehr gekränkt, weil er nicht so sanguinisch sein konnte, als ich selbst. Wie dem übrigens sein mochte, die Ehre war mir einmal zu Theil geworden, und dessen könnt mich das Schicksal nicht wieder berauben.

Glaube nicht, lieber Leser, daß ich, ohne Rücksicht auf den Verlauf meiner Geschichte, über meine persönlichen Verhältnisse plauderhaft zu werden anfange, denn du wirst finden, daß meine Abenteuer am Hofe wirklich etwas mit dem alten Commodore zu schaffen haben.

Nach diesem höchst glücklichen Ereignisse stellte ich mich der Majestät wieder und wieder in den Weg. Mochte sie sich zu Windsor, zu Weymouth, zu Kensington, zu Hampton-Court oder zu Kew aufhalten, auch ich war dort und hustete lauter, verbeugte mich tiefer, als je. Endlich kam ein geckenhafter Adelssprößling, der den Dienst um die Person des Königs hatte, und in seinem Leben nie zur See gewesen war – ich habe seither die dienstthuenden Lords nie leiden können – in St. James-Park, nachdem der König mit seinem Gefolge bereits vorbeigezogen war, auf mich zu und erklärte mir, Seine Majestät verlange, daß ich ihren Pfad nicht länger umspuke; wenn ich es nicht unterlasse, solle ich den Konstabeln überantwortet werden.

Dies war in der That ein Schlag. Ich hatte gute Lust, den dienstthuenden Lord fast in der königlichen Gegenwart mit einem Fußtritte zu beehren; er wartete jedoch nicht, bis ich zu einem Entschlusse gekommen war, und ließ mich an meinem Orte stehen. Wohl hätte ich jetzt mit Wolsey ausrufen können – es würde mir wenigstens einige Erleichterung verschafft haben, wenn ich's gethan hätte –:

Leb' wohl – ein lang' Leb' wohl – all' meiner Größe!
So ist die Herrlichkeit des Menschen; heut'
Entfaltet sie der Hoffnung zarte Blätter,
Die Blüth' kömmt morgen, und der Ehren viel
Beladen rosig die erstarkten Zweige.
Der dritte Tag bringt winterlichen Frost –
Er bohrt sich zu des Stammes Wurzel nieder.
Der ruhig schon die Frucht zu reifen wähnt,
Doch jetzo niederstürzt, wie ich.

Ich thats aber nicht, sondern begab mich in grimmigster Aufregung und mit einem schlimmern Husten, als je, nach Hause. Drei Tage beklagte ich meine geknickten Hoffnungen, und begann dann zu denken, daß Wilks und die Opposition doch nicht ganz eingefleischte Teufel wären, wie denn auch in Charles James Fox einige Tugend zu finden sein dürfte. Ueber meinen gebrechlichen Körper raisonnirte ich folgendermaßen:

»Wenn Könige chronische Husten nicht leiden können, so sollten sie nie Kriege anfangen und dadurch Anlaß geben, daß ihre Unterthanen durch die Lungen geschossen werden.«

Dies war die Zeit, in welcher leider meine Loyalität Reißaus nahm.

Endlich besuchte mich mein kleiner alter Page. Er fand mich fast als Rebellen, ohne Strumpfbänder, mit aufgelösten Beinkleidern und schuhlosen Füßen.

»Seine Majestät hat sich nach Euch erkundigt.«

»Und was hat sie gesprochen?« entgegnete ich düster.

»Sie fragte nach dem Namen des blassen Gentlemans, der so viel huste.«

»Nun?« entgegnete ich wieder auflebend.

»Ich gab ihr die entsprechende Antwort und ertheilte Auskunft über Eure Stellung.«

»Habt Ihr nichts über das Anliegen gesagt, das mich nach Hof führte?«

»Die Gelegenheit war hiefür nicht günstig, denn fünf Minuten vorher hat sich Lord Pleadwell die Zusage der nächsten erledigten Kommandeurstelle für seinen jüngern Sohn erbeten.«

»Und sie natürlich erhalten! Der hochwohlgeborene Jüngling ist freilich ein besseres Subjekt als ich – er ist weder durch Wunden in Stücke gehackt, noch hat er eine Kugel in die Lungen erhalten – wird auch nie der Fall sein. Ich glaube, er ist noch nicht zwanzig, und weiß, daß er in seinem ganzen Leben nie eine Kugel im Ernste abfeuern sah. Der König hat Recht, ihm die Beförderung zu geben, denn es steckt mehr Dienst in ihm, als in mir.«

»Der König hat übrigens noch nichts zugesagt.«

»So? Aber was sprach Seine Majestät weiter über ein so verstümmeltes und unbedeutendes Individuum, wie ich bin?«

»Daß Ihr mit Eurem ärgerlichen – Seine Majestät brauchte eine Minute, bis sie das Wort heraus hatte – und hartnäckigen Husten für Euch Sorge tragen solltet.«

»War dies Alles?«

»Ja.«

»Da hab' ich was Schönes davon.«

»Gott verdamme, mein guter Freund,« sagte der alte Page, welcher ein Deutscher war; »meint Ihr, der König könne Jeden wegen seines trockenen Hustens fragen?«

Der Page war kaum fort, als ich mir in dem nächsten Laden ein halb Buch Papier kaufte und mit folgenden Worten einen Aufsatz begann:

»Die Mängel der monarchischen Regierung sind mannichfaltig und augenfällig. Wie die Erde keine zwei Sonnen brauchen kann, so kann auch dieses Königreich keine zwei Majestäten ertragen. Die Majestät des Volkes und die Majestät des Monarchen stehen daher in geradem Widerspruche, und soll die Majestät der Masse der Majestät eines Individuums unterliegen?«

Nachdem ich so weit gekommen war, befiel mich ein so heftiger Anfall von Husten und Gewissensbissen, daß ich meine Feder bei Seite legen mußte, um sie nie wieder als politischer Schriftsteller aufzunehmen.

Am andern Tage besuchte mich mein Freund Sturzner mit dem lächelndsten Gesichte.

»Seine Majestät schickt Euch dieses Schächtelchen mit Brustzucker und dieses höchst eigenhändige Schreiben an den ersten Lord der Admiralität, welches Ihr in Person überliefern sollt.«

Ich begleitete den Deutschen mit einer Ehrerbietung, wie sie eines Kaisers würdig war, zur Thüre hinaus, kroch in meine beste Uniform, begab mich unverzüglich zu dem ersten Lord und war am folgenden Samstage Kommandeur.

Ich glaube, ich bin der erste Flottenoffizier, der sich in eine Bestallung hineingehustet hat.

Am nächsten Audienztage begab ich mich, die linke Schulter mit der größten Bullion-Epaulette geschmückt, das London liefern konnte, nach Hofe, und fand sehr gnädige Aufnahme.

»Kapitän Drib – ib – bibble,« sagte Seine Majestät, »wie, wie, wie geht's mit Eurem Husten? Die Brustzeltchen genommen – he? he? he? Das andere Rezept auch – hat gut gethan? Ah? ich sehe, ich sehe – an jenem ersten Juni durch die Lungen geschossen – schwer verwundet mit Jervis – weiß Alles, weiß Alles – legt bei, legt bei – geht gut, geht gut – Könige gute Doktors – hübsch, recht, recht hübsch, Lady Georgy!«

Da ich den letzteren Satz, wie sehr ich auch meine Eitelkeit spornen mochte, nicht auf mich anwenden konnte, so hustete ich meine Danksagung heraus und ging weiter. Man stellte mich dann auf den Sims, wie ein altes Predigtbuch, aber da man mich zu gleicher Zeit recht hübsch vergoldete, so will ich mich nicht beklagen. Wie übrigens gesagt, man hätte etwas Besseres thun können, um so mehr, da mein Husten sich besserte und ich nun ein rüstiger alter Bursche von Achtzigen und darüber bin.

Es war sehr nöthig, dem geneigten Leser dieses Fragment aus meinem eigenen Leben mitzutheilen, um ihn zu überzeugen, daß mir ein Kanal offen stand, durch den ich Kunde von dem erhielt, was bei Hofe vorging.

Ich hatte kaum nach Empfang meiner Bestallung den Handkuß abgelegt, als Sir Octavius Bacuissart nach der Stadt gerast kam. Seine vier abgehetzten Pferde und seine mit Schmutz bedeckte Chaise, die vor der Thüre des Admiralitätsgebäudes standen, machten kein kleines Aufsehen, sowohl im Westende, als in der City. Für eine halbe Stunde fielen die Consols um anderthalb Procent, da man glaubte, die Oesterreicher hätten eine schwere Niederlage erlitten. Als jedoch auf der Börse bekannt wurde, daß ein Flottenkommandeur in voller Uniform aus dem Wagen gestiegen sei, nahmen die Fonds eine andere Richtung und hoben sich um zwei Procent, da man auf einen großen Seesieg hoffte. Was für ein Wesen wurde nicht in der Stadt gemacht, als der zornige alte Commodore in London erschien, denn Niemand konnte wissen, daß er nur gekommen war, um sich zu erkundigen, warum er abgesetzt worden sei. Der erste Lord und die beiden jüngeren Holzköpfe der Admiralität saßen eben im Kollegium beisammen. Die nachgesuchte Audienz wurde augenblicklich genehmigt, obschon es dem alten Commodore schwer wurde, sie zu benützen, da die beiden Thürsteher kaum den schwerfälligen fechtenden alten Podagristen auf die Steinstufen zu lüpfen vermochten.

Die Begegnung war von Seiten der gnädigen Herren sehr kalt und höflich, von Seiten des Baronets sehr gereizt und unklug. Die einzige Antwort, welche er erhalten konnte, lautete dahin, es liege nicht länger im Interesse von Seiner Majestät Seedienst, daß Sir Octavius im Kommando bleibe. Keine Klage war gegen ihn eingebracht worden, und man wußte ihm überhaupt nichts vorzuwerfen. Es sei wünschenswerth, daß er sich zurückziehe, weiter könne man ihm nicht erwiedern. Ueberhaupt sei es besser, wenn er alle weiteren Mittheilungen durch den gewöhnlichen Kanal, nämlich durch Dienstbriefe mit der Adresse des Sekretärs an das Kollegium gelangen lasse.

»Dann will ich persönlich mit Seiner Majestät sprechen.«

Der erste Lord hielt dies für ziemlich unwahrscheinlich, weil er wisse, daß man höhern Orts abgeneigt sei, den Commodore zu sehen. In der That sei ihm bekannt, daß der Lord Kammerherr Befehl erhalten habe, dem Commodore anzudeuten, wie man mit seiner Aufwartung, sowohl bei den Levers, als bei den Audienzen, verschont sein wolle.

»Wirklich?« brüllte der Commodore. »Ist's also so weit gekommen? Dann, Mylord, will ich von meinem erblichen Privilegium Gebrauch machen, und Ihren Majestäten in einer Weise aufwarten, die Ihnen nicht sehr angenehm sein wird. Bei der Kraft des Schießpulvers, das will ich thun, Mylord!«

»'s ist also wahr!« murmelte einer der jüngeren Lords, der in dieser sogenannten Schule für Staatsmänner Unterricht über die Regierungskunst nahm. Und zwei Minuten später saß er in seinem Wagen, um mit aller Eile dem St. Jamespalast zuzufahren.

Der erste Lord lächelte ungläubig, und der gekränkte alte Commodore kehrte von seiner Audienz in wo möglich noch schlimmerer Stimmung als vorher zurück.

Die Natur dieser Drohung wird sich später erklären. Ob dieselbe von Sir Octavius unklugerweise ein Jahr früher ausgestoßen und von einem achselträgerischen gnädigen Herrn unmittelbar vor Seiner Majestät Ohren gebracht wurde, oder ob das, was ich in dem folgenden Kapitel schildern werde, die Entlassung des Commodore herbeiführte, muß ich dem Leser zur Entscheidung überlassen. Vielleicht wird er sagen, daß diese beiden Vorgänge in gleicher Weise die Hebel zu dem Sturze des alten Helden bildeten.


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