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Neuntes Kapitel

»Teufelgleich, das Herz von Stein
Peitscht er seiner Leute Reih'n,
Kürzt den Grog in See und Hafen;
Doch die Admiralität
Doch den Spaß nicht ganz versteht.
Thät ihn mit Entlassung strafen.«

An Bord von Seiner Majestät Schiff, dem Terrific, der mit aller Eile zu Spithead ausgebessert wurde, ging es, so weit der alte Commodore betheiligt war, nicht viel besser her, als zu Trestletree-Hall. Nachdem der kranke und von seinem Gewissen beunruhigte Commodore Allem aufgeboten hatte, um den entlaufenen Midshipman Daniel Danvers fahen zu lassen, mußte er am zehnten Tage zu seinem höchsten Erstaunen und bitteren Verdrusse einen Admiralitätsbefehl erhalten, welcher ihm auftrug, nicht nur dem desertirten Midshipman Danvers, sondern auch dem Matrosen Thomas Sunninghill, vormals Hängemattenmann des Grafen von Osmondale eine ehrenhafte Entlassung sammt Anweisungen auf allen rückständigen Sold und Prisenantheil auszufertigen.

Dies verkündete Unheil – und das Unheil zögerte nicht, sich einzustellen. Nach zwei weiteren Tagen wurde der Commodore seines Kommando's entlassen, ohne daß dafür ein Grund angegeben oder auch nur eine amtliche Höflichkeit beobachtet worden wäre. Einige Stunden konnte der alte Gentleman gar nicht daran glauben.

»Ich entlassen!« brüllte er schäumend vor Leidenschaft; »und noch obendrein in diesem kritischen Zeitpunkte. Ist das Ministerium toll? Ich! – der fechtende alte Commodore! Ich – o nein, mich haben sie nicht entlassen können. Aber doch sieht dieses Schreiben verdammt danach aus. Blut und Donner! ich will der Sache auf den Grund sehen. Bemannt die Barke!«

Die Barke wurde hinausgehißt, und nun erwartete ihn eine neue Kränkung. Die Kunde war bereits in Umlauf gekommen, und auf jedem Gesichte der Bootsmannschaft ließ sich der grinsende Ausdruck nicht verkennen.

»Dies ist zu schlimm,« sagte Sir Octavius. »Da haben wir der Welt Dank. Nun ich diese Kerle mit allem Eifer zu dreizehn der besten Matrosen in der Flotte herangepeitscht habe, verhöhnen diese pflichtvergessenen Schurken den alten Commodore. Doch geduldet Euch nur, ihr sauberen Hechte; wir wollen noch unsere Raaen mit einander in's Kreuz brassen, wenn wir wieder an Bord kommen. Fahrt ab!«

Es bedurfte dieses Befehles nicht, denn nie zuvor hatten sie mit größerem Eifer gerudert. Sie glaubten, daß sie ihn zum letztenmale von dem Terrific an's Land ruderten, und hatten Recht. Dennoch hatte sich ihr rauhes und edelmüthiges Wesen sosehr mit dem Befehlshaber verwoben, daß mit dem Eintritte des neuen Commodore kein Mann an Bord war, welcher nicht den alten wieder zurückgewünscht hätte; als sie ihn aber zu Sallyport bei Portsmouth an's Land setzten, waren sie noch zu sehr über sein Benehmen gegen seinen Neffen entrüstet, denn viele von den Matrosen lebten des Glaubens, er habe denselben in seiner Wuth mit eigener Hand über Bord gestoßen.

In dem Augenblicke, als dem Commodore an's Land geholfen wurde, denn er war noch immer sehr krank, nahm der Beischiffsführer mit einem Grinsen seinen Hut ab und meinte, sie würden wohl nicht auf Seine Gnaden warten müssen.

Für diese boshafte Hindeutung stieß ihn der Commodore mit seinem eisernen Haken von dem Tritte in's Wasser hinunter und erklärte der Mannschaft, sie hätten zu warten, wo sie wären, bis ihnen der Teufel abböte. Dann humpelte er zwischen ein paar Midshipmen, die er als zwei lebendige Krücken in der Barke mitgenommen hatte, weiter, um sich nach der Kanzlei des Admirals zu begeben. Seine Aufnahme war ungemein kalt. Der Admiral hatte keine Beschwerde gegen den Commodore vorzubringen, wollte übrigens bereitwillig ein Untersuchungsgericht über jeden Punkt, in welchem sich der Commodore verletzt fühlen sollte, anordnen; dies war für Sir Octavius wie Wermuth und bittere Aloe. Er lehnte stolz das Erbieten seines Vorgesetzten ab und begab sich mit herbem Ingrimme nach dem ersten Gasthofe.

»Ja, ich – sogar ich bin entlassen. Wäre es da nicht das Beste, ich ginge hin, um mich selbst zu hängen? Ich entlassen! ist's möglich?«

Er hatte kaum diese Worte ausgesprochen, als er, von physischen und geistigen Schmerzen überwältigt, auf das Sopha sank. Dann trat der Sekretär des Admirals mit einem schneidend höflichen Schreiben ein, in welchem dem Commodore angedeutet wurde, weil es in Anbetracht der Umstände seinen Gefühlen unangenehm sein dürfte, wieder an Bord des Terrific zu gehen, um so mehr, da sein Nachfolger bereits eingetreten sei, so habe es der Admiral auf sich genommen, alle Effekten des Commodore sorgfältig an's Land und nach seinem Hotel zu schaffen.

Ueber diese Kränkung wollte der alte Commodore zuerst eine Ausforderung an den Admiral ergehen lassen. Nach kurzer Ueberlegung kam er jedoch zu dem richtigen Entschlüsse, daß derselbe nur seinen Weisungen Folge leiste, weshalb er vor den Augen des Boten bedächtig den Brief in kleine Stücke zerriß, in's Feuer warf und gelassen erwiederte, »der Sekretär könne hingehen, woher er gekommen, da er dem Admirale keine Antwort zu geben habe.« Dann entließ er seine Midshipmen und trug ihnen auf, den kommandirenden Offizier zu ersuchen, daß er ihm seine Diener an's Land schicke, den Steward ausgenommen, welcher die Ausschiffung seiner Effekten überwachen solle. Dann überließ er sich der Einsamkeit, welche ihm ein Gasthaus bieten konnte, um mit mehr Muße als Neigung über seinen Neffen, seine Tochter und Schwester nachdenken zu können, zugleich aber auch sich klar zu machen, wie viel Elend er über sich und Andere gebracht habe, als er sich so ganz dem Einflüsse seiner üblen Leidenschaften hingegeben hatte.

Der Commodore war kein Mann, der lange unthätig bleiben konnte. Er sagte, er wolle den heutigen Tag und die folgende Nacht der Ruhe weihen, und hielt es auch so, aber seine Ruhe war für ihn die verzehrendste von allen Folterqualen. Gegen den Rath eines Arztes, den er zu sich beschied, und seines eigenen Schiffsdoktors, bestellte er für den nächsten Morgen einen vierspännigen Reisewagen und verfügte sich nach London, um zu entdecken, welchem Einfluß er seine schnöde Entlassung zu danken hatte, denn er wußte wohl, daß jeder Versuch, dieselbe rückgängig zu machen, vergeblich war.


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