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15.

Am nächstfolgenden Tage ging André Lhéry zufällig durch die Große Straße von Pera, in Gesellschaft eines Mitgliedes der französischen Botschaft, des Herrn de Saint-Enogat, und dessen Gemahlin, höchst liebenswürdigen Leuten, mit denen er eng befreundet war. Auf diesem Spaziergange kreuzten sie mit einem eleganten schwarzen Coupé, in welchem André die Form einer Türkin im schwarzen Tcharchaf bemerkte. Madame de Saint-Enogat grüßte jene Dame, die darauf sofort in nervöser Hast das Gitterfenster des Wagens herabließ. André sah bei dieser Gelegenheit einen Aermelaufschlag in zitronenfarbiger Seide mit Stickerei, genau so, wie er gestern einen solchen unter dem Tcharchaf Djenanens hatte hervorleuchten sehen.

»Wie?« sagte er zur Gemahlin seines Kollegen. »Sie grüßen eine türkische Dame auf der Straße?«

»Es ist allerdings ein grober Verstoß, den ich da begangen habe, besonders da ich mich mit Ihnen und mit meinem Gatten zusammen befand.«

»Wer ist die Türkin?«

»Djenane Tewfik-Pascha, eine der elegantesten Blüten der jungen Türkei.«

»Also ... hübsch?«

»Mehr als hübsch: – bezaubernd schön!«

»Und reich, wie es nach der Equipage scheint?«

»Man sagt, sie besitze in Asien ungeheuren Grund und Boden im Wert einer Provinz. Uebrigens eine Ihrer Bewunderinnen. In vergangener Woche hatte man in der Gesandtschaft von ... die ganze männliche Dienerschaft für den Nachmittag beurlaubt, um einen Tee ohne Herren zu geben, wo die Türkinnen erscheinen könnten. Unter anderen kam dazu auch Djenane Tewfik-Pascha. Dort machte sich eine der Damen in schmachvoller Weise über Sie, Herr Lhéry, lustig!«

»Sie, nicht wahr?«

»O nein! Das macht mir keinen Spaß, wenn Sie nicht zugegen sind. Es war die Gräfin A ... Nun wohl! Da trat Madame Tewfik-Pascha für Sie in die Schranken und verteidigte Sie mit einem Feuer, das ich ihr nicht zugetraut hätte. Uebrigens, mein werter Herr, scheint es mir, daß auch Sie sich für diese Ihre Verteidigerin lebhaft interessieren ...?«

»Ich? ... Wie käme ich dazu? ... Eine Türkin? Sie wissen doch, daß diese Damen für uns gar nicht vorhanden sind. – Aber ich bemerkte vorhin jenes Coupé, .. ein sehr elegantes Coupé, dem ich schon oft begegnet bin ..«

»Oft? Dann haben Sie aber ein ganz besonderes Glück, denn die Dame fährt fast nie aus ...!«

»O doch! Und gewöhnlich sind zwei andere Damen von jugendlicher Gestalt bei ihr.«

»So? ... vielleicht ihre Cousinen, die kleinen Mehmed-Bei, die Töchter des ehemaligen Ministers?«

»Wie heißen denn diese kleinen Mehmed-Bei?«

»Die ältere Zeyneb ... die andere Mélek wie ich glaube.«

Madame de Saint-Enogat schien schon etwas gewittert zu haben, aber sie war zu liebenswürdig und zuverlässig, um gefährlich zu sein.


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