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2.

Eine Morgensonne des nämlichen April, nur eine Woche später, beleuchtete, wenngleich gedämpft durch Musselinvorhänge, das Zimmer eines schlafenden jungen Mädchens. Von außen ertönte das Zwitschern der eben erst angekommenen Schwalben, dazwischen vernahm man die dumpfen Töne eines nach orientalischem Rhythmus geschlagenen Tamburins. Von Zeit zu Zeit wurde die Luft von fernher durch ein heftiges Geheul erfüllt, ähnlich dem Gebrüll wilder Tiere: in Wirklichkeit das Getöse der Sirenensignale auf den ankommenden oder ausfahrenden Dampfbooten, ein Beweis von der Nähe eines großen Hafens. Da jene Signale jedoch aus der Tiefe heraufstöhnten, so war ersichtlich, daß dieses Haus sich in einer ruhigen Lage befand, auf einem der Hügel oberhalb des Meeres.

Das Schlafzimmer des jungen Mädchens war höchst elegant und ganz weiß in modernster Manier ausmöbliert. In dem Bett, dessen Gestell aus weißlackiertem Holz bestand, lag die Schläferin unbeweglich; aus einem Gewirr reichen blonden Haares blickte ein ganz kleines Gesicht von reizendem Oval hervor, so rein, daß es aus Wachs gebildet schien. Ein zartgeflügeltes kleines Näschen mit einem Schimmer von Falkenkrümmung; große Madonnenaugen mit langen Wimpern und dunklen Brauen. Die Kissen des Bettes waren überreich mit Spitzen besetzt, und die auf der seidenen Bettdecke ruhenden zarten Händchen der Schläferin steckten voll glänzender Ringe. Zu großer Reichtum für ein Mädchen in solcher Jugend! würde man bei uns sagen; indessen stand dies alles im Einklang mit dem im Orient herrschenden Luxus.

Allerdings befanden sich vor den Fenstern eiserne Stäbe und die unvermeidlichen Holzgitter, die fest geschlossen sind und nie geöffnet werden dürfen: Einrichtungen, die auf all den Glanz einen trüben Schein werfen und den Eindruck eines Gefängnisses machen.

Ungeachtet des Sonnenscheins und des von außen herauftönenden Lärmens schlief das junge Mädchen immer weiter, aber ihr Schlaf, in den sie wohl erst nach halbdurchwachter Nacht gegen Morgen verfallen sein mochte, schien von schweren Träumen erfüllt zu sein.

Auf einem weißlackierten Schreibtisch stand ein Leuchter mit einem fast ganz heruntergebrannten Wachslicht, das man vergessen hatte auszulöschen. Daneben lagen zwischen verschiedenen handschriftlichen Blättern einige fertige, bereits in adressierten Umschlägen steckende, mit vergoldeten Monogrammen versehene Briefe. Unter einigen Nippessachen befanden sich dort auch einige Bücher und Broschüren: das letzte Werk der Gräfin de Roailles nebst Poesien von Baudelaire und Verlaine sowie philosophische Werke von Kant und Nietzsche. Ohne Zweifel befand sich in diesem Hause keine Mutter um die Lektüre der Tochter zu überwachen und die Ueberhitzung des jungen Gehirns zu mäßigen.

Sehr auffallend war es, in diesem nach modernstem Pariser Geschmack eingerichteten Zimmer über dem Bett eine Inschrift in arabischen Schriftzügen zu erblicken: ein mit Goldfäden kunstvoll auf dunkelgrünem Samt gestickter Spruch aus dem heiligen Buche Mahomets.

Ein überlaut gewordenes Gezwitscher zweier Schwalben, die sich frech auf den Rand des Fensters niederließen, veranlaßte endlich die kleine Schläferin, ihre Augen zu öffnen, deren große grün-braune Pupillen anfänglich unbestimmt umherschauten, als bäten sie um die Gnade, die Wirklichkeit möge schleunigst den bösen Traum, den sie gehabt, verjagen.

Aber die Wirklichkeit schien leider mit dem bösen Traum übereinzustimmen, denn der Blick des jungen Mädchens verdüsterte sich immer mehr in dem Maße, wie ihre Gedanken und ihre Erinnerung zurückkehrten, und er senkte sich gänzlich, als unterwürfe sie sich hoffnungslos dem Unvermeidlichen, nachdem er auf die Gegenstände gefallen, die vermutlich als Beweisstücke gelten konnten, nämlich: auf dem Tisch ein geöffnetes Schmuckkästchen mit einem prächtigen Diadem und auf den Stühlen ausgebreitet: ein weißseidenes Brautkleid, bis zur langen Schleppe hinab mit Orangeblüten besetzt.

In diesem Augenblick erschien wie ein Windstoß durch die Eingangstür, ohne anzuklopfen, eine magere Frauengestalt mit brennenden Augen. Sie trug ein schwarzes Kleid und einen großen schwarzen Hut, beides von gewählter Einfachheit. Ihr Aussehen war ernst, aber nicht ohne einen Schein von Ueberspanntheit. Eine sogenannte alte Jungfer wenn auch noch nicht ganz; eine Erzieherin mit ausgezeichneten Zeugnissen und aus guter, aber armer Familie.

»Ich habe ihn! ... Das heißt: wir haben ihn, ... liebe Kleine,« rief sie in französischer Sprache, mit Triumphmiene einen uneröffneten Brief vorzeigend, den sie im Bureau für poste-restante-Briefe soeben in Empfang genommen. Und die kleine Prinzessin, sich ein wenig vorneigend, antwortete in der nämlichen Sprache, ohne den geringsten fremdartigen Anklang: »Nein, ist's wahr?«

»Freilich ist's wahr! ... Und von wem könnte der Brief sein, wenn nicht von »Ihm«? ... Steht hier nicht auf dem Umschlag »An Zahide Hanum?« ... Sollten Sie etwa noch anderen dieses Passwort gegeben haben? ...«

»Nein! Das wissen Sie doch!«

»Nun also! ...«

Das junge Mädchen richtete sich auf, ihre Augen waren jetzt weit geöffnet, eine leichte Röte bedeckte ihre Wangen. Wie ein Kind, das einen großen Kummer gehabt, dem man aber ein außergewöhnliches Spielzeug gegeben, wodurch alles andere für einen Augenblick vergessen wird. Das Spielzeug war der Brief, den sie hastig ergriff und nun in den Händen umdrehte, begierig, ihn zu öffnen, aber gleichzeitig darüber erschreckend, ob das nicht vielleicht schon ein Verbrechen sei? ... Und dann, bereit, den Umschlag zu öffnen, hielt sie damit ein, um im Schmeichelton zur Gouvernante zu sagen:

»Liebe, gute Demoiselle ..., nehmen Sie es mir nicht übel: ich möchte gern allein sein, um den Brief zu lesen.«

»Wahrhaftig, es gibt kein drolligeres kleines Geschöpf als Sie, meine Teure! ... Aber, nicht wahr, Sie werden mich den Brief hernach lesen lassen? ... Das ist doch wohl das wenigste, was ich verdiene ..., wie mir scheint! ... Wohlan, lesen Sie! Ich werde meinen Hut und meinen Schleier ablegen; alsdann komme ich wieder.«

In der Tat, das junge Mädchen war ein sehr drolliges, kleines Geschöpf, und überdies in religiöser Beziehung außerordentlich gewissenhaft; denn sie sagte sich jetzt, daß ihr die Pflicht gebiete, aufzustehen, sich anzukleiden und das Haar ihres Hauptes zu bedecken, bevor sie, zum erstenmal in ihrem Leben, den Brief eines Mannes öffne. Nachdem sie sich mit einem hellblauen Morgenrock bekleidet hatte, der aus einem der ersten Ateliers der Pariser Rue de la Paix stammte, sodann ihr blondes Haar und den ganzen Kopf mit einem Gazeschleier, der einst von einer Zirkassierin gestickt worden war, verhüllt hatte, erbrach sie, zitternd vor Erregung, den Brief.

Das Schreiben war nur sehr kurz, und es enthielt eine Wendung, über die sie lächeln mußte, trotz des Mißbehagens, das ihr das Fehlen jedes vertraulichen oder empfindsamen Inhaltes verursachte. Das Ganze war nichts als eine höfliche, freundliche Antwort nebst einer Danksagung für gütiges Gedenken in der Ferne. – Doch gleichviel! Der Brief kam von »Ihm«, er trug die deutliche Unterschrift: »André Lhéry«. Dieser, von seiner eigenen Hand geschriebene Name verursachte dem jungen Mädchen eine schwindelartige Aufregung. Und ebenso wie André Lhéry nach dem Empfange des Briefes aus Stambul das Gefühl hatte, daß in seinem Leben etwas begönne, was nicht ohne Folgen bleiben werde, so empfand auch hier das junge Mädchen eine bedeutungsvolle Ahnung am Tage vor dem größten Ereignis ihres Lebens. Jener Dichter, dessen Werke seit längerer Zeit alle ihre Träume beherrschten, dieser Mann, der so entfernt von ihr lebte, daß sie kaum hoffen durfte, ihn jemals von Angesicht kennen zu lernen, nahm wirklich einen Platz in ihrem Leben ein, ... infolge der wenigen von ihm geschriebenen und an sie gerichteten Zeilen! –

Noch niemals aber hatte sie so schmerzlich wie jetzt die Schmach ihrer Gefangenschaft empfunden, noch nie sich so glühend nach Freiheit, Unabhängigkeit und Weltkenntnis gesehnt.

Sie ging zum Fenster, durch das sie häufig dem Treiben dort draußen zuschaute; heute aber empörten sie die Holzgitter und die Eisenstangen. Eilig wandte sie sich zu einer halbgeöffneten Seitenpforte. Durch die Tür trat sie in ihr gänzlich mit weißem Marmor ausgestattetes Toilettenzimmer, dessen nicht vergitterte weit geöffnete Fenster nach einem mit hundertjährigen Platanen bestandenen Garten hinausführten.

Immer ihren geöffneten Brief in der Hand haltend, lehnte sie sich an eines der Fenster, um den freien Himmel, die Bäume, die Fülle der ersten Rosen zu betrachten und ihre glühenden Wangen abzukühlen.

Der Blick auf den Garten ward jedoch beeinträchtigt durch die ihn umschließenden himmelhohen Mauern. Gegenwärtig waren dort unten fünf unbärtige, kräftige Neger mit den Vorbereitungen zu den morgigen großen Festlichkeiten beschäftigt. Als sie das junge Mädchen oben am Fenster erblickten, grüßten sie respektvoll, aber doch mit einer gewissen freundlichen Familiarität zu ihr hinauf, was jene keineswegs übelnahm; vielmehr erwiderte sie den Gruß lächelnd. Hastig und erschrocken zog sie sich jedoch vom Fenster zurück, als unten ein junger Landmann erschien, der noch weitere Blumenvorräte überbrachte.

Noch immer hielt sie André Lhérys Brief in der Hand, der jetzt für sie die Hauptsache war. In vergangener Woche hatte sie das unerhörte Wagnis unternommen, an ihn zu schreiben; halb verzweifelt durch die Furcht vor der Verheiratung, zu der man sie zwingen wollte, und die nun wirklich morgen stattfinden sollte. Vier Seiten voll vertraulicher Mitteilungen hatte sie ihm geschrieben, und zum Schluß dringend gebeten, ihr sofort zu antworten, poste-restante, unter der Adresse eines angenommenen Namens. Aus Furcht, sie könnte von dem gewagten Unternehmen bei reiflicher Ueberlegung doch noch abstehen, hatte sie den Brief schleunigst abgeschickt, und zwar aufs Geratewohl, da ihr die genaue Adresse André Lhérys nicht bekannt war.

Ihre Mitschuldige und Helferin bei dieser Angelegenheit war ihre ehemalige Lehrerin, jene Demoiselle Bonneau oder vielmehr »Mademoiselle Esther Bonneau de Saint-Miron, Beigeordnete der Pariser Universität, Offizier des öffentlichen Unterrichts ... und so weiter«. Von dieser hatte das junge Mädchen die französische Sprache gelernt und als Zugabe nach Beendigung des Hauptunterrichts sogar einige Brocken der Pariser niederen Umgangssprache, wie man diese in den Schriften der Madame Gyp findet.

Jener Verzweiflungsruf des jungen Mädchens war wirklich in die Hände des Adressaten gelangt, und der berühmte Romandichter hatte darauf geantwortet. Den Brief konnte sie selbst den spottsüchtigsten ihrer Freundinnen mitteilen, die darüber vor Neid vergehen würden. Zunächst sollten ihre beiden Cousinen, die sie wie Schwestern liebte, den Brief lesen; hatten sie doch stets behauptet, daß der Dichter gar nicht antworten werde! ... Das Wohnhaus der beiden Cousinen lag ganz in der Nähe, in dem nämlichen vornehmen, abgesonderten Stadtteil. Dorthin konnte sie im Hauskleide gehen, ohne mit dem Toilettemachen Zeit zu verlieren. Sie rief deshalb hastig und in der befehlenden Weise eines verwöhnten Kindes, das nach einer alten Dienerin, seiner einstigen Amme, ruft: »Dadi!« Gewöhnt, stets sofort bedient zu werden in allen ihren Launen, rief sie ungeduldig zum zweitenmal, aber noch weit stärker: »Dadi!« Und da auch das wirkungslos blieb, so drückte sie kräftig auf den Knopf der elektrischen Leitung, deren langanhaltendes schrilles Läuten durch das ganze Haus erscholl.

Nun endlich erschien die mit dem Kosenamen »Dadi« Gerufene, die aber eigentlich Kondja-Gül (Rosenknospe) hieß, eine äthiopische alte Sklavin mit pechschwarzer Gesichtsfarbe.

Das junge Mädchen empfing die Eintretende mit den in einer asiatischen Sprache gesprochenen Worten:

»Kondja-Gül! Du bist niemals da, wenn man dich braucht!« Diese Worte waren aber in mildem, fast zärtlichem Ton gesprochen, der den darin enthaltenen Vorwurf wesentlich mäßigte. Auch verdiente Kondja-Gül jenen Vorwurf tatsächlich nicht, denn sie war im Gegenteil immer da, vielzuviel, wie ein übermäßig treuer Hund. Das junge Mädchen litt sogar unsäglich unter dem landesüblichen Gebrauch, wonach keine Tür ein Schloß oder einen Riegel haben darf, so daß die Dienerinnen des Hauses zu jeder Zeit ohne weiteres ins Zimmer treten dürfen, wodurch die Bewohnerin nie eines Augenblicks ungestörten Alleinseins sicher ist.

Kondja-Gül war auch im Laufe dieses Morgens wohl zwanzigmal auf den Zehenspitzen ins Schlafzimmer ihrer jungen Herrin geschlichen, um auf deren Erwachen zu lauern. Und wie gern hätte sie das Wachslicht ausgeblasen, das fortwährend zwecklos brannte; aber der Leuchter stand auf dem Schreibtisch, und es war ihr nicht erlaubt, diesen jemals zu berühren, der, nach ihrer Meinung, voll gefährlicher Geheimnisse sein mußte, so daß sie durch das Verlöschen des Wachslichtes vielleicht ein großes Unglück anrichten würde. »Kondja-Gül, schnell meinen Tcharchaf! Ich brauche ihn, um zu meinen Cousinen zu gehen!«

Und Kondja-Gül hüllte ihre junge Herrin hastig in die für die Straße bestimmten, »Tcharchaf« genannten, schwarzen Schleier. Schwarz war auch der Rock, den sie ihr über das Morgenkleid warf; schwarz auch der weite Ueberwurf, den sie über die Schultern legte und über den Kopf wie eine Kapuze. Der große, schwarze Schleier, mit der Kapuze durch Nadeln vereinigt, fiel bis über das Gesicht hinab, dieses wie hinter einer Maske verbergend.

Während Kondja-Gül das junge Mädchen in solche Weise verunstaltete, sprach und sang sie vor sich hin in asiatischer Sprache, als nähme sie die Trauer der kleinen Braut keineswegs für Ernst:

»Blond ist er, ... und schön, der junge Bei, der morgen kommen wird, meine gute Herrin abzuholen. In seinen schönen Palast wird er uns beide führen. O! wie glücklich werden wir dort sein!«

»Schweig', Dadi!« rief das junge Mädchen. »Zehnmal verbot ich dir schon, mir von ihm zu sprechen!« Gleich nachher aber sagte sie zu ihr: »Dadi, du warst ja dabei, du konntest ja seine Stimme vernehmen an dem Tage, als er herkam, um mit meinem Vater zu reden. Sage mir, wie klingt die Stimme des Beis? Ist sie rauh oder sanft?«

»Sanft wie der Ton deines Pianos, wenn du deine Hände darauf hingleiten lässest! Ebenso sanft ist er auch der blonde, schöne junge Bei!«

»Desto besser!« unterbrach das junge Mädchen in französischer Sprache, mit einem Anklange an den Pariser Straßenton.

Dann aber fuhr sie in asiatischer Sprache fort: »Weißt du nicht, ob meine Großmutter schon aufgestanden ist?« »Nein, die edle Dame hatte gesagt, sie wolle sich heute recht lange ruhen, damit sie morgen um so schöner sei!«

»Dann soll man ihr bei ihrem Erwachen sagen, ich sei bei meinen Cousinen. Benachrichtige auch den alten Ismaël, daß er mich begleiten soll. Ihn und dich, euch beide nehme ich mit mir!« –

Inzwischen befand sich Mademoiselle Esther Bonneau de Saint-Miron oben in dem Zimmer, das früher, als sie hier noch beständig wohnte, das ihrige gewesen, und das man ihr auch jetzt überlassen hatte für die Zeil ihrer Teilnahme an der morgigen Feierlichkeit. – Mademoiselle Esther Bonneau fühlte sich in ihrem Gewissen einigermaßen beunruhigt. Sie war es allerdings nicht gewesen, die auf den weißlackierten Schreibtisch des jungen Mädchens, ihres früheren Zöglings, die Werke Kants und Nietzsches, noch selbst diejenigen Baudelaires, gelegt hatte; denn seit 18 Monaten, da die Erziehung dieses Mädchens vollendet war, wohnte sie bereits im Hause eines anderen Paschas, dessen zwei kleine Töchter sie unterrichtete.

Seitdem erst war ihre erste Schülerin an die Lektüre jener philosophischen Werke gegangen, da sie niemand mehr in ihrer Nähe hatte, der ihre Auswahl überwachte. Doch gleichviel, sie, die Lehrerin und Erzieherin, fühlte sich verantwortlich für den ungeregelten Aufschwung, den der junge Geist genommen. Und dann, jener Briefwechsel mit André Lhéry, den sie begünstigt hatte, wohin sollte das führen? .. Zwei Wesen, die einander freilich niemals sehen würden, dessen konnte man mindestens sicher sein; – die herrschenden Gebräuche und die vergitterten Fenster bürgten dafür! ... Dennoch, wer weiß?

Als Mademoiselle Bonneau endlich aus ihrem Zimmer herniederstieg, sah sie sich einer kleinen, zu einem schwarzen Gespenst hergerichteten Person gegenüber, die sehr erregt war und Eile hatte, auszugehen.

»Wohin gehen Sie, liebe Freundin?«

»Zu meinen Cousinen, um ihnen ›das‹ zu zeigen (›Das‹ war der Brief.) Sie kommen natürlich auch mit Wir lesen den Inhalt dort gemeinschaftlich. Vorwärts. Setzen wir uns in Trab!« fügte sie burschikos hinzu.

»Sei es! Ich will nur meinen Schleier umnehmen und meinen Hut aufsetzen.«

»Ihren Hut? Nein, nein! Das dauert wenigstens eine Stunde. Also, ›Scht!‹«

»Aber liebes Kind ...!«

»Was, aber?! ... Sagen Sie nicht auch ›Scht!‹, wenn es Ihnen paßt? ... Also, ›Scht!‹ für den Hut und für den Schleier! ... ›Scht!‹ für den jugendlichen Bei! ... ›Scht!‹ für die Zukunft! ... ›Scht!‹ für das Leben wie für den Tod! ... für alles ›Scht!‹«

Mademoiselle Bonneau sah voraus, daß bei dem überreizten jungen Mädchen eine Tränenkrisis nahe war, und um eine Wendung herbeizuführen, faltete sie die Hände und senkte den Kopf in der auf der Bühne üblichen Stellung für tragische Gewissensbisse in Uebertreibung.

»Mein Himmel!« rief sie mit tiefer Stimme, »wenn ich bedenke, daß Ihre unglückliche Großmutter mir sieben Jahre hindurch ein enormes Gehalt bezahlte und mir eine fürstliche Verpflegung gewährte ... für ein derartiges Erziehungsresultat ...!«

Das kleine schwarze Gespenst brach hinter ihrem Schleier in helles Gelächter aus, bekleidete durch eine geschickte Handbewegung das Haar der Demoiselle Bonneau mit einem kostbaren Spitzenschleier, umfaßte sodann ihre Taille und sagte, sie hinausführend: »Daß ich mich so verpuppen lassen muß, kann ich nicht ändern, es ist nun einmal unser Gesetz; Sie sind dazu doch aber nicht genötigt!! ... Es sind ja auch nur wenige Schritte, und in einer Gegend, wo man niemals einer Katze begegnet.«

Sie liefen beide rasch die Treppe hinunter, an deren Fuß der alte äthiopische Eunuch Ismaël und Kondja-Gül, sie erwarteten, um ihnen das Geleit zu geben. Kondja-Gül, vom Kopf bis zu den Füßen in silberbesetzten, grünen Seidenstoff eingepackt; der Eunuch, fest eingeknöpft in einen schwarzen Gehrock europäischen Schnitts, der ihm, wenn er nicht den Fes auf dem Kopf gehabt hätte, das Aussehen eines Gerichtsdieners gegeben haben würde.

Das plumpe Haustor öffnete sich knarrend vor den Vieren, und sie befanden sich draußen auf einem Hügel, der von der klaren Sonne beschienen war. Dicht daneben lag ein mit Zypressen bepflanztes Begräbnisgehölz voller Gräber, die mit Denksteinen geschmückt gewesen, deren Vergoldung aber schon längst verblichen war.

Dieses Gehölz senkte sich in sanfter Neigung bis zu einem tiefgelegenen Golf mit vielen Schiffen hinab.

Jenseits dieses Golfs, auf dem anderen Ufer des Meeresarmes, zeichnete sich hoch oben am klaren Himmel der Schattenriß jener Stadt ab, nach deren Wiedersehen André Lhéry sich seit zwanzig Jahren unaufhörlich sehnte: Stambul! Aber nicht in unbestimmten Formen, sondern in leuchtendem Glanz thronte Stambul dort oben. Noch immer das alte, vielhundertjährige Stambul, wie es die alten Khalifen gesehen, und wie der große Soliman es einst in den Hauptlinien durch Erbauung immer prächtigerer Moscheen begründete. Das gesamte Bild dieser Wunderstadt spiegelte sich in voller Deutlichkeit im klaren Wasser des Golfes wider. Die beiden weiblichen Gestalten liefen eilig, gefolgt von ihren schwarzen Begleitern; sie alle blickten kaum zu den wundervollen Bilde auf, das sie ja alltäglich vor Augen hatten. Sie verfolgten auf dem Hügel einen mangelhaft gepflasterten Fahrweg, der sich zwischen alten aristokratischen Wohnhäusern mit ihren vergitterten Fenstern und dem Friedhofe von Khassim-Pascha hinzog. Es begegnete ihnen wirklich niemand als ein orientalischer Wasserträger, der seinen Schlauch an einem sehr alten, am Wege stehenden, mit schönen Arabesken verzierten Marmorbrunnen neu füllte.

Vor einem großen Hause, dessen Fenster streng vergittert waren, dem Hause eines Paschas, blieb der kleine Trupp stehen. Ein riesiger Neger mit großem Schnurrbart, in goldbordierter roter Livree, Pistolen am Gürtel, öffnete, ohne ein Wort zu sprechen, das Portal, und die vier Besucher, als alte Bekannte, bestiegen, ebenfalls ohne ein Wort zu sprechen, die Treppe, die zum Harem führte.

Im ersten Stockwerk blieben sie vor einem großen Zimmer stehen, durch dessen offene Tür helles Lachen erscholl und ein lebhaftes Gespräch über Toilettenangelegenheiten, das von jugendlichen Stimmen in französischer Sprache geführt wurde.

Es war das weißlackierte geräumige Zimmer der beiden Cousinen, zweier Schwestern von 16 und 21 Jahren, denen die junge Braut die Erstlingslektüre des von dem berühmten Manne erhaltenen Briefes zugedacht hatte.

Im Zimmer befanden sich für die beiden jungen Mädchen zwei weißlackierte Betten, und über jedem Bette ein arabischer Spruch, in Gold auf grünem Samt gestickt. Auf dem Fußboden befanden sich noch andere Schlafvorrichtungen: Matratzen, Polster und seidene Decken in Hellblau und Rosa; Hilfsschlafstellen für vier, zur morgigen Hochzeitsfeier eingeladene junge Mädchen, deren soeben aus Paris eingetroffene prächtige Toiletten auf verschiedenen Stühlen ausgebreitet lagen.

Das muselmanische Gesetz, das den Frauen jedes Ausgehen nach Sonnenuntergang verbietet, hat unter ihnen den hübschen Gebrauch gezeitigt, sich gegenseitig auf mehrere Tage oder sogar auf Wochen zu besuchen, und dann werden in heiterster Stimmung solche Hilfsschlafstellen hergerichtet.

Orientalische Schleier, Blumengarnituren und Schmuckgegenstände aller Art lagen überall umher, und das Ganze hatte, abgesehen von der Pracht der ausgebreiteten Gegenstände, eine entfernte Aehnlichkeit mit einem Zigeunerlager.

Die vergitterten Fenster verbreiteten eine gewisse Heimlichkeit über alle jene Luxusartikel, die dazu bestimmt sind, besuchende andere Frauen zu blenden oder zu entzücken, deren Besichtigung aber keinem Manne gestattet ist, der einen Schnurrbart trägt.

In einer Ecke des Zimmers hockten zwei Negersklavinnen in asiatischen Kostümen und sangen sich gegenseitig Lieder ihrer Heimat vor, wobei sie sich durch gedämpfte Tamburinschläge begleiteten.

Das Erscheinen der Braut erregte Aufsehen und Verwunderung. Man hatte sie hier an diesem Tage nicht erwartet. In ihrem unheimlichen schwarzen Straßenkostüm stach sie sonderbar von all den hellfarbigen Gegenständen ab, die hier aufgestapelt waren.

Sie erhob ihren schwarzen Schleier, enthüllte ihr zartes Gesichtchen und rief mit erhobener Stimme in französischer Sprache, die offenbar sehr gebräuchlich in den Harems zu Konstantinopel war:

»Ich komme, Euch einen Brief mitzuteilen!«

»Von wem ist der Brief?« »Ratet!«

»Von der Tante in Adrianopel! Ich wette, sie kündigt dir die Ankunft eines Brillantschmuckes an?«

»Nein!«

»Von der Tante in Erivan, die dir zum Hochzeitsgeschenk ein Paar Angorakatzen schickt?«

»Auch nicht! ... Er ist von einer ausländischen Person, von einem Herrn ...!«

»Von einem Herrn?! ... Entsetzlich! ... Du kleine Verbrecherin!«

Und als sie, höchst befriedigt von ihrem Erfolg, den Brief hinreichte, streckten sich sofort drei Köpfe vor, um nach der Unterschrift zu forschen; dann riefen sie durcheinander.

»André Lhéry?! ... Von ihm? ... Also hat er geantwortet?«

»Nicht möglich!«

Alle diese Dämchen wußten von dem an den berühmten Romandichter geschriebenen Brief. Unter den türkischen Frauen der Gegenwart herrscht eine solche Gemeinsamkeit der Empörung gegen die ungeheure Strenge der Haremsbestimmungen, daß sie sich nimmermehr gegenseitig verraten würden. Wäre das Vergehen noch so schwer, während es diesmal doch nur sehr leicht gewesen, die Verschwiegenheit bliebe immer die gleiche.

Alle rückten dicht aneinander, Kopf an Kopf, auch Demoiselle Bonneau, und starrten auf das Papier. Beim dritten Absatz des Schreibens brach ein allgemeines Gelächter los.

»Aha! Siehst du! ... Er behauptet, du wärest keine Türkin!«

»Ein unbezahlbarer Scherz! ... Er ist seiner Sache ganz gewiß!« »Weißt du, meine Teure, das ist ein großer Erfolg, den du errungen,« sagte Zeyneb, die ältere der beiden Cousinen.

»Das beweist, daß deine geistreichen Gedanken und die Eleganz deines Stils ...«

»Ein Erfolg?« fiel ihr Mélek, die kleine rothaarige Cousine, deren kleine Stumpfnase ihr stets einen komischen, spöttischen Ausdruck verlieh, ins Wort. – »Ein Erfolg? Wenn er dich vielleicht für eine Levantinerin aus Pera hält ... für eine ›Pérote‹?!«

In der Art, wie sie dieses Wort aussprach, bekundete sich die ganze Verachtung einer echten Tochter der Osmanlis gegen die Levantiner und Levantinerinnen (Armenier, Griechen oder Juden), als deren Urbild der Pérote gilt.

»Der arme Lhéry,« fügte Kerime, eine der jungen Eingeladenen, hinzu, »er hat sich verspätet. Er denkt sich die Türkinnen noch, wie die in den Romanen von 1830 geschilderten: Nargileh, Konfitüren und Diwan ... den ganzen Tag hindurch ... jahrein, jahraus!«

»Oder ganz einfach,« fiel Mélek, die kleine Stumpfnäsige, ein, – »ganz einfach: wie die Türkinnen seiner eigenen Jugendzeit! Denn dein berühmter Dichter muß auch schon über die Jugendtorheiten längst hinaus sein!«

In der Tat, André Lhéry konnte nicht mehr jung sein. Dieser Gedanke trat jetzt zum erstenmal vor das Bewußtsein der kleinen Schwärmerin, die darüber bisher noch nie nachgedacht hatte. Diese Feststellung war ihr sehr peinlich, sie verwirrte ihren Traum, warf einen trüben Schleier auf ihre dem geliebten Dichter gewidmete Verehrung.

Uebrigens aber, trotz ihrer spöttischen Bemerkungen, liebten doch alle anwesenden jungen Mädchen jenen Dichter, nicht wegen seiner Persönlichkeit, sondern weil er in seinen Werken so liebreich von ihrer Türkei und so achtungsvoll von dem Islam gesprochen hatte. Und ein Brief, den er an eine der ihrigen geschrieben, galt als ein wichtiges Ereignis in ihrem klösterlich abgeschlossenen Leben, in dem bis zu dem großen Gewaltstreich ihrer erzwungenen Verheiratung sich nie etwas Wichtiges ereignete. André Lhérys Brief wurde zu wiederholten Malen laut vorgelesen; eine jede wollte das Papier berühren, auf dem seine Hand beim Schreiben gelegen. Und da sie sich alle mit der Deutung der Schriftzeichen beschäftigten, so unternahmen sie sogleich die Erforschung des Geheimnisses seiner Handschrift.

Ein Zwischenfall störte jedoch dieses Unternehmen: die Mutter der beiden Schwestern trat herein, und rasch verschwand der Brief in einem Versteck, während gleichzeitig die Unterhaltung gewechselt wurde. Nicht, als ob diese Frau mit dem ruhigen, freundlichen Gesicht sonderlich streng gewesen wäre, gescholten hätte sie aber doch über das Verfahren ihrer Kinder, das sie nicht hätte verstehen können. Denn sie gehörte noch einem früheren Zeitalter an, sprach nur sehr wenig Französisch und hatte nur einiges von Alexander Dumas Vater gelesen. Zwischen dieser Frau und ihren Töchtern bestand ein Abgrund von fast zwei Jahrhunderten, denn so stark ist der Fortschritt in der heutigen Türkei. Selbst äußerlich ähnelte sie nicht ihren Töchtern. Aus ihren immer noch schönen Augen leuchtete ein innerer Friede, der sich nicht in den Blicken der Verehrerinnen André Lhérys bekundete. Beschränkte sich doch ihre Lebensaufgabe darauf, eine gute, zärtliche Mutter und eine vorwurfsfreie Gattin zu sein, ohne nach anderem zu streben. Sie verstand es nicht einmal, sich vorteilhaft nach europäischer Weise zu kleiden und trug noch immer viel zu überladene Roben, während ihre Töchter es verstanden, in den einfachsten Stoffen höchst elegant und vornehm zu erscheinen.

Nun trat die französische Lehrerin des Hauses ein; eine Art Esther Bonneau, nur viel jünger und romantischer. Und da hierdurch das Zimmer der beiden Schwestern anfing, überfüllt zu werden, so begaben sich alle in den dicht daneben gelegenen größeren Raum modernen Stils: den Salon des Harems.

Dann trat, ohne anzuklopfen, durch die stets offene Tür eine starke deutsche Dame herein, eine Brille auf der Nase, einen Federhut auf dem Kopfe, an der Hand Fahr-el-Nissâ, die jüngste Eingeladene, führend. Und sogleich begann man im Kreise der jungen Mädchen deutsch zu sprechen mit der gleichen Geläufigeit, wie sie vorher französisch sprachen. Die starke Dame war die Musiklehrerin; übrigens unbestreitbar eine höchst talentierte Frau und Lehrerin; mit Fahr-el-Nissâ, die bereits eine Künstlerin im Pianospiel war, probierte sie soeben ein neues Arrangement für zwei Piano's der Bachschen Fugen. Ebenso wie man jetzt deutsch sprach, hätte man auch italienisch oder englisch sprechen können, denn diese kleinen Türkinnen lasen Dante oder Byron oder Shakespeare im Urtext. Gebildeter, als es durchschnittlich die jungen Mädchen gleichen Alters und derselben Gesellschaftsklasse im Abendlande zu sein pflegen, verdanken die jungen Türkinnen ihre höhere Bildung ihrer ewigen Absperrung. In ihren vielen einsamen Stunden verschlingen sie förmlich die Werke der alten Klassiker ebenso wie die der überspannten Modernen. In der Musik begeistern sie sich ebensowohl für Gluck wie für César Franck oder Wagner, ja, sie entziffern sogar die Partituren Vincent d'Indys! ... Der Salon des Harems füllte sich an diesem Morgen fortwährend; auch die beiden Negerinnen mit ihren Tamburinen waren dorthin gefolgt. Nach ihnen trat eine alte Dame ein, vor der sich alle achtungsvoll erhoben: Die Großmutter der beiden jungen Mädchen. Sogleich sprachen alle türkisch, denn sie verstand keine abendländische Sprache; und wie käme diese Greisin dazu, sich um André Lhéry zu kümmern? Ihre silbergestickte Robe war nach ältestem Schnitt, und ein zirkassischer Schleier umhüllte ihr weißes Haar. Zwischen ihr und ihren Enkelinnen bestand ein durchaus unausfüllbarer Abgrund, und bei den Mahlzeiten erregte sie häufig genug den Unwillen der jungen Mädchen dadurch, daß sie die Gewohnheit beibehalten hatte, den Reis mit den Fingern vom Teller zu nehmen, wie dies bei ihren Voreltern üblich gewesen war. – Trotz alledem blieb und war sie eine große Dame bis in die Fingerspitzen und flößte allen die höchste Achtung ein. –

Sodann kam eine große, schlanke Frau in der bewußten gespensterhaften schwarzen Verpackung, denn sie war über die Straße gegangen. Alime Hanum hieß sie und war Professor der Philosophie am Lyzeum für junge Mädchen, das von Seiner kaiserlichen Majestät dem Sultan gegründet war. Gewöhnlich kam sie in jeder Woche dreimal, um Mélek in der arabischen und persischen Literatur zu unterrichten. Selbstverständlich fiel heute die Unterrichtsstunde aus, weil die Schülerin am Tage vor der Hochzeit ihrer Lieblingscousine keinen Sinn für die persische Literatur haben konnte.

Nachdem jedoch Alime Hanum sich entpuppt und ihr hübsches, aber ernstes Gesicht von dem häßlichen schwarzen Schleier befreit hatte, fiel das Gespräch alsbald auf den alten Poeten Irans, und Mélek, die ganz ernst geworden, trug eine Stelle aus Saadis »Land der Rosen« vor. –

Keine Spur von Odalisken, ebensowenig wie von Nargileh oder Konfitüren, in diesem Harem eines Paschas, in dem sich die Großmutter, die Mutter, die Töchter und die Nichten mit ihren Lehrerinnen befanden.

Und diesem Harem ähneln, mit wenigen Ausnahmen, alle Harems in Konstantinopel. Der Harem der Gegenwart ist ganz einfach der weibliche Teil einer ebenso zusammengesetzten Familie des Abendlandes und mit der gleichen Erziehung – ausgenommen: die klösterliche Absperrung, die schwarze Verpuppung für die Straße und die Unmöglichkeit für die Frauen, ein Gespräch mit einem Mann anzuknüpfen, der nicht ihr Vater, ihr Gatte oder ihr Bruder ist. Ausnahmsweise wird ihnen noch zuweilen ein Gespräch mit einem ganz nahen Cousin gestattet, mit dem sie einst als Kind gespielt haben.

Unter den Versammelten hatte man wieder begonnen, französisch zu sprechen und sich über die Toiletten zu unterhalten, als plötzlich eine menschliche Stimme, die so hell und klar klang, als wäre es eine himmlische Stimme, draußen von oben herab schwingend ertönte. Es war der Imam der nächsten Moschee, der von der Höhe des Minaretts die Gläubigen zum mittäglichen Gebet rief.

Sogleich erhob sich die kleine Braut, die sich darauf besann, daß ihre Großmutter gewöhnt sei, pünktlich zur Mittagstunde das Frühstück einzunehmen und ... verschwand wie Aschenbrödel, gefolgt von Demoiselle Bonneau, die noch besorgter war als ihre Schülerin, bei dem Gedanken, daß die alte Dame vielleicht schon gewartet haben könnte.


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