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Europäer- und Eingeborenenhygiene

Kribi, 20. September

Meine eigentliche Aufgabe, für Kribi Pläne und Kostenanschläge zu einer Hospitalanlage für Weiße und Schwarze aufzustellen, ist mit Hilfe eines Architekten gelöst; das Nachtigal-Krankenhaus und das Regierungshospital in Duala konnten mir dabei als bewährte Muster dienen. Wie lange freilich, wieviel Jahre wird es dauern, bis der erste Spatenstich getan wird? Ich erwarte in den nächsten Tagen das Eintreffen meines Nachfolgers und den Befehl zum Abmarsch nach Jaunde. Über Arbeitsmangel habe ich mich trotzdem nicht zu beklagen. Der Gesundheitszustand der Europäer ist kein befriedigender. Außer vielen Malariaerkrankungen habe ich in den kurzen Wochen meines Hierseins unter der geringen Bewohnerzahl drei schwere Schwarzwasserfieberfälle erlebt, von denen einer tödlich endete, der zweite die vorzeitige Heimkehr des Genesenen erforderlich machte. Das Fehlen eines Hospitales oder auch nur einer Krankenbaracke zwingt dazu, die Patienten in ihrer oft mangelhaften Wohnung in ungenügender Pflege und Abwartung zu belassen, wenn nicht zufällig ein nach Duala fahrender Dampfer sie in das dortige Krankenhaus transportieren kann. Eine regelmäßige Malariaprophylaxis durch Chinin hat hier noch wenig Anhänger gefunden, wohl lediglich deshalb, weil Kribi bisher noch nicht dauernd mit einem Arzte verbunden war, der nachdrücklich auf die Notwendigkeit dieses Schutzes und seine Methode hätte hinweisen können. Aber gerade an unserem Orte muß seine allgemeine Einbürgerung angestrebt werden; denn ehe hier durch Assanierungsarbeiten ein merklicher Erfolg erzielt werden kann, ist jahrelange, harte Mühe erforderlich. Weit mehr noch als die Weißen nehmen die Schwarzen meine Zeit in Anspruch. Jeden Morgen umlagern 30–40 Kranke die zu meiner Veranda hinaufführenden Stufen, um einer nach dem andern ihre Klagen vorzubringen. Bis zum Mittag hin habe ich gemeinsam mit meinen beiden schwarzen Hilfskräften reichlich zu tun, um sie alle anzuhören, zu untersuchen, zu verbinden oder mit Arznei zu versehen. Leider bin ich in der chirurgischen Praxis aus Mangel an Instrumenten sehr beschränkt. Meine Vermutung, daß die hiesigen Eingeborenen weit mehr als z. B. die Togoküstenneger von allerhand Krankheiten heimgesucht werden, hat sich mir von Tag zu Tag bestätigt. Besonders stark ist unter ihnen die Framboesie Framboesie ist eine tropische, ansteckende Krankheit, in deren chronischem Verlaufe als besonders charakteristisches Symptom himbeerähnliche Papeln auf der Haut erscheinen. Diese (mit Vorliebe im Gesicht sitzenden) Wucherungen von verschiedener Zahl und Größe können geschwürig zerfallen, Drüsenvereiterungen und andere Komplikationen verursachen, so daß die Krankheit im Kindesalter als eine ernste anzusehen ist. neben parasitären Hauterkrankungen und geschwürigen Prozessen verbreitet. Auch Lepra ist leider unter ihnen zu finden.

Der Gesamteindruck, den ich von ihrem allgemeinen Gesundheitszustand gewonnen habe, ist recht trostlos, und eine weitgehende ärztliche Hilfe tut ihnen bitter not, so daß auch die Schaffung einer einfachen Eingeborenenpoliklinik ein unabweisbares Bedürfnis für Kribi ist, denn die Art und Weise, wie ich augenblicklich mich behelfen muß, kann natürlich nur als Provisorium gelten. Ich glaube, daß außer dem direkten sanitären Nutzen eine von der Regierung gewährleistete ausgiebige ärztliche Hilfe gerade unter dieser sonst noch sehr wenig zugänglichen Bevölkerung wesentlich dazu beitragen kann, sie dem Europäer näherzubringen. Freilich kommt es mir oft wie ein nutzloses Beginnen vor, wenn ich mich täglich an einer verhältnismäßig kleinen Anzahl Schwarzer abmühe, sie gesundheitlich wieder in Ordnung zu bringen, während ich auf der andern Seite sehe, wie gering einfach die sonstige Rücksicht der Europäer auf den Gesundheitszustand der Eingeborenen ist.

Ganz abgesehen von der durch den Alkohol drohenden Degeneration zeigt sich dies besonders häufig gegenüber allen den Schwarzen, die zu Arbeitsleistungen, sei es im Wegebau, sei es als Plantagenarbeiter oder als Expeditionsträger herangezogen werden. Daß dies geschieht, ist selbstverständlich nur zu billigen. Eine schwer ins Gewicht fallende Tatsache ist die, daß viele Leute nicht in ihrer Heimat, sondern in einem entlegenen Teile des Landes zur Arbeit herangezogen werden müssen. Es wird sich nicht umgehen lassen, in dünn bevölkerten Gebieten Kameruns Arbeitskräfte aus anderen Gegenden heranzuziehen.

Aber die schweren Gefahren eines solchen Schrittes müssen durch besondere Vorkehrungen gemildert werden. Darin wird meiner Überzeugung nach etwas gefehlt. Was geschieht bisher in dieser Angelegenheit? Wer kümmert sich darum, welche Ernährungsweise der betreffende Volksstamm nötig hat? Wer kontrolliert, ob der Neger die ihm zugemutete Arbeit wird leisten können? Wer entscheidet im Falle einer Erkrankung, ob er weiterarbeitet oder nicht? Wer gibt ihm Arznei, wer verfügt über seine Entlassung, wer isoliert ansteckende Kranke? Wer bestimmt, ob die Menge der verabfolgten Nahrung ausreichend ist, ob ihre Unterkunft wenigstens den notdürftigsten Erfordernissen entspricht? Dabei ist die Lösung dieser Fragen zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Die Esserschen Pflanzungen mit ihren nach Tausenden zählenden Arbeitern sind z. B. schon längst dahin gekommen, ihren Leuten weitgehende Hilfe in Erkrankungsfällen zu ermöglichen. Außer dem bisher in ihrem Dienste stehenden europäischen Lazarettpersonale werden sie in nächster Zeit auch einen tropenerfahrenen, eigenen Arzt anstellen, und für Unterkunftsräume der Patienten ist gut gesorgt. Auch einzelne Regierungsbeamte achten sorgfältig auf das körperliche Wohlbefinden der unter ihrer Aufsicht arbeitenden Schwarzen.


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