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Beruf und Erholung

Kleinpopo, 30. Oktober

Lieber Bruder!

Für Deinen Brief mit den willkommenen Nachrichten aus der Heimat besten Dank. Leider kann ich Deine Bitte, für Zwecke der Veröffentlichung regelmäßige oder auch nur gelegentliche Abhandlungen aus unserem Kolonialleben zu liefern, nicht erfüllen. »Ich habe hier bloß ein Amt und keine Meinung.« Alle Kolonialbeamten sind verpflichtet, jede geplante Veröffentlichung vorher durchs Gouvernement der Zensur des Auswärtigen Amtes vorzulegen. Die Kolonialabteilung will sich jedenfalls unliebsame und nörgelnde Kritiker vom Leibe halten – an sich gewiß ein berechtigter Wunsch, zumal wenn man bedenkt, daß das Schimpfen auf die Regierung für viele zum täglichen Brot gehört.

Aber dieses Verbot trifft doch nur ganz einseitig die Beamten, alle anderen Kolonisten: Kaufleute, Pflanzer und Missionare können schreiben und reden, was sie wollen. Die letzteren namentlich tun es auch. Erst kürzlich hat der Missionsinspektor Sch. von der norddeutschen Mission, der Togo auf einer Visitationsreise besuchte, die Liebenswürdigkeit gehabt, die Europäer der Sklavenküste, also Lomes und Kleinpopos, in einer Veröffentlichung ungestraft und unwidersprochen mit einer beleidigenden Generalkritik zu bedenken. Ferner wird aber auch vielen Beamten die Möglichkeit und Lust genommen, in größeren Kreisen ein ungeschminktes Bild vom Leben in den Kolonien zu geben und Interesse für unsere Schutzgebiete in der Heimat zu erwecken; und gerade das tut uns doch bitter not! Selbst unter den Gebildeten daheim herrscht ja eine kaum glaubliche Unwissenheit über unsere deutschen überseeischen Besitzungen. Allein eine Zusammenstellung von falschen Briefadressen, die wir hierher bekommen, würde eine traurige Illustration zu dieser Tatsache liefern. Welch Fülle geographischer und sonstiger Unwissenheit birgt z. B. die unlängst hier eingetroffene Aufschrift: An das Bürgermeisteramt zu Kleinpopo in Australien, oder: Togo in Kamerun usw.

Schon mit Rücksicht auf dieses für uns geltende Verbot kann ich also Deine Bitte nicht erfüllen. Zur Anonymität möchte ich nicht gern meine Zuflucht nehmen, sie hat für mich immer einen widerlichen Beigeschmack. Ich bezweifle aber auch, ob gerade meine Aufzeichnungen geeignet sein würden, einen nachhaltigeren Eindruck in weiteren Schichten hervorzurufen. In unseren Tagen ist Sensation um jeden Preis die Grundbedingung für den Erfolg. Gefährliche Reise-, Kriegs- und Jagdabenteuer unter Schwarzen, hübsch leicht und obenhin erzählt und gehörig mit Übertreibungen ausgestattet, würden lieber gelesen werden als die Schilderungen unserer Alltagsarbeit. Meist werden in unserer Kolonialliteratur mit Vorliebe solche Gefahren in den Vordergrund gestellt, die vom Klima, von wilden Völkern, auf Kriegszügen und von wilden Tieren drohen. Von Sensation aber hat mein Wirken hier nur wenig, vom nüchternen Alltagsleben zuviel.

Auch meine photographischen Aufnahmen bitte ich mit Diskretion zu behandeln. Ich halte ohnehin von Bildern, selbst von guten Bildern aus fremden Erdteilen nicht sehr viel. Man photographiert ganz unwillkürlich immer nur das, was einem besonders auffällt: Paradestückchen, Posen, besonders hervorstechende Momente im Leben und Treiben der Leute wie in der Landschaft. So wird das Urteil, das man an Hand der Bilder gewinnt, ohne eine genügende Erklärung derselben zu bekommen, leicht falsch. Es fehlt ihnen die Farbe, das Leben, die Bewegung, die Stimmung, die der zwar hat, der sie aufnimmt, und die er wieder hineinträgt, wenn er sie selber ansieht oder anderen erklärt, die aber dem fernstehenden Betrachter fehlen. Mache die Probe: zeige zum Beispiel einem ein Marktbild von Kleinpopo, und wenn er sich's gehörig betrachtet hat, lege es zur Seite und frage, was er gesehen hat.

Obgleich ich also nicht in der von Dir gewünschten Weise zu der Verbreitung kolonialen Verständnisses daheim beitragen kann, so will ich Euch doch, soweit Neigung und Zeit dazu verbleiben, hin und wieder kleine Skizzen aus dem Treiben der Schwarzen und Weißen geben und Euch vertraut machen mit unserer Arbeit und unseren Zielen. Ich kann Euch zwar nichts Erschöpfendes bieten, aber ich hoffe, daß Ihr allmählich doch einen Überblick gewinnt. Wenn dann ein jeder in seinem Kreise bei gegebener Gelegenheit dazu beiträgt, Interesse für unsere Kolonie zu erwecken oder zu fördern, Vorurteile und falsche Urteile zu beseitigen, so ist der dadurch erzielte Nutzen vielleicht größer, als wenn ab und zu ein flüchtig gelesener Artikel in der Presse erscheint. Kolonialschwärmer gibt es genug daheim, Kolonialfeinde noch mehr, am dünnsten gesät sind die Kenner unserer Schutzgebiete. Schafft uns die letzteren!

Mit herzlichem Gruße an Dich und die Deinen

Dein Bruder L.

Kleinpopo, 12. November

Meine liebe Frau!

Seit vorgestern leben wir hier in einem gesundheitlich idealen Zustande: das Krankenhaus steht leer von weißen Patienten, nachdem es schon während der voraufgegangenen Tage nur noch wenige Rekonvaleszenten beherbergte, darunter Str., der von seinem Leberabszesse glücklich genesen ist. Wie lange wird die Leere freilich anhalten? Durch die kleine Regenzeit, die seit einigen Wochen eingesetzt hat, werden sich die Moskitos, welche wieder zahlreichere Brutstätten finden, vermehren, und bald genug werden durch sie wieder neue Fiebererkrankungen kommen. Trotzdem kamen uns allen die erfrischenden Regengüsse erwünscht. Die ganze Natur ist neu belebt, die Sträucher treiben frisches Grün, die Palmen, die ihre bestäubten Wedel in der langen Trockenzeit müde zur Erde senkten, recken die Köpfe wieder der Sonne zu. In unserem Garten wächst alles noch einmal so üppig wie zuvor.

Was würde man daheim drum geben, wenn ein solcher Tropengarten wie der unsere nach Deutschland verpflanzt werden könnte! Gerade der unsere zeigt jetzt ein buntes Gemisch heimatlicher und afrikanischer Gewächse. Auf der Rückseite blühen unter Kokospalmen die Rosen, die mein Vorgänger pflanzte; auf Beeten, die mit Agaven eingefaßt sind, entfalten Balsaminen, Lilien und andere heimatliche Blumen neben farbenprächtigen afrikanischen Geschwistern ihre Blüten. Auch der Gemüsegarten liefert gute Erträge: Salat, Kohlrabi, Radieschen, Gurken usw., und bringt so für uns und die Patienten wenigstens eine kleine Abwechslung in die Konserven, mit denen wir uns sonst behelfen müssen.

Unser kleiner zoologischer Garten am Hause ist in letzter Zeit auch mehrfach bereichert worden. Erst kürzlich brachte Schwester J. von einem Urlaube, den sie in Lome verlebte, zwei niedliche zahme Antilopen für ihn mit, von denen nun vier frei in ihm herumlaufen und sich alle unter dem Schatten der indischen Mandelbäume sehr wohl zu fühlen scheinen und Gesunden wie Kranken des Hospitals manche Freude bereiten. Auch die Eingeborenen bringen alle möglichen Tiere angeschleppt, teils zum Verkauf, teils als Honorar für ärztliche Hilfe. Soweit es nicht nötig ist, sie zu töten, wie Krokodile und Giftschlangen, werden sie in einem Käfige dem Tiergarten einverleibt. Affen, Wildkatzen, Stachelschweine, Papageien und selbst Raubvögel haben sie schon angebracht. Jedes der Tiere wird gewissenhaft von den Schwestern mit einem besonderen Kosenamen belegt. Besonders drollig sind ein Paar junge, noch ganz kleine, zahme Ginsterkätzchen, die tagsüber frei im Hause umherlaufen. Eigentlich erinnern sie nur in ihrer Farbe an eine graue Katze, sonst im schmiegsamen, zierlichen Körperbau mehr an einen Marder. Überall huschen sie umher, verstecken sich an allen möglichen Plätzen, oft sogar in den Blumensträußen, die wir im Zimmer stehen haben, und blicken neugierig mit ihren spitzen Köpfchen aus ihnen hervor. Verschiedene Schildkröten kriechen träge zwischen den lustig umherspringenden Antilopen im Tiergarten herum. Außer diesen kleineren Landschildkröten fingen die Schwarzen in letzter Zeit mehrere riesige Wasserschildkröten, die zur jetzigen Jahreszeit aus dem Meere an den Strand kommen, um dort ihre, Eier abzulegen. Der Panzer eines solchen Tieres (Chelonia midas) mißt ¾ Meter im Durchmesser. Ihre Eier, rund, mit weißer, pergamentartiger Schale, von denen ein einziges Tier mehr als hundert hat, sind für den Neger eine Delikatesse. Auch für den Geschmack des Europäers sind sie ganz genießbar, wennschon ich mir die Schildkrötensuppe als Tribut dieser Tiere vorziehe.

Meine ganze Tätigkeit hier wächst mir von Woche zu Woche mehr ans Herz. Ich kann mit ungleich größerer Ruhe und Gründlichkeit meine Krankheitsfälle verfolgen als auf der täglichen Hetzjagd der heimischen Praxis und habe weit bessere Gelegenheit zu zahlreichen, interessanten Beobachtungen. So gut es geht, bemühe ich mich, unserem Nachtigal-Krankenhause in seiner inneren Einrichtung, seinem ganzen Betriebe und auch seiner äußeren Umgebung möglichst das Hospitalartige zu nehmen, um den Kranken wenigstens etwas vom Gefühl heimatlichen Behagens zu verschaffen. Die Schwestern helfen mit großem Fleiße bei der täglichen Arbeit, und auch über die schwarzen Angestellten habe ich mich nicht zu beklagen. Die mancherlei Entbehrungen europäischer Bequemlichkeit empfinde ich kaum noch. Auch das ursprünglich Fremde in der Umgebung, der Lebensweise, im Klima usw. ist mir bereits vertraut geworden.

Das einzige, womit ich mich noch nicht recht anfreunden kann, ist die für meine Begriffe recht umfangreiche bürokratische Schreibarbeit, die es zu bewältigen gibt. Irgendeine Hilfskraft habe ich dafür nicht, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als alle bei einer Krankenhausverwaltung nötigen Bücher selbst zu führen und die laufenden Eingänge, Verfügungen, Erlasse, Anfragen vom Gouvernement und deren Beantwortung zu erledigen. Dazu kommen vierteljährliche, ausführliche Medizinalberichte, für die ein ganz bestimmtes Schema vorgeschrieben ist, vierteljährliche Kassenabrechnung, natürlich ebenfalls nach einem ganz bestimmten Schema, Bestellungen von Medikamenten, Verbandmitteln, Vorräten, Getränken, Büromaterialien, ferner die Buchung der Einnahme- und Ausgabejournale und vieles andere mehr. Manche dieser Schreibereien sind ja sicher unvermeidlich, aber andere wieder ließen sich gewiß vereinfachen. Ich glaube, es wäre ganz zweckmäßig, wenn in ein neues Lehrbuch der Tropenhygiene auch einmal ein Kapitel über die Hygiene der Feder aufgenommen würde.

Vor kurzem ist der wesleyanische Missionar R. wieder in Kleinpopo eingetroffen und hat seine junge Frau mitgebracht. Hoffentlich wird es ihnen in jeder Beziehung gut hier gehen, damit recht bald andere sich ermutigt fühlen, es ihnen nachzutun. Ich zweifle nicht daran, daß es auch einer Frau möglich ist, das hiesige Klima zu ertragen.

Von allen Europäern hier komme ich am meisten in Berührung mit dem Bezirksamtmann Dr. Gr., der öfter nach beendeter Tagesarbeit sich im Krankenhause einfindet, wo wir den Abend auf der Veranda verplaudern. Ich halte ihn für einen sehr befähigten Menschen, der hoffentlich recht lange an der Spitze unseres Bezirkes bleibt.

Die bequeme und schöne Gelegenheit zum Jagen in den Büschen und an den Ufern der Lagune habe ich auch in letzter Zeit wieder mehrmals wahrgenommen. Lehrer G. ist dabei öfters mein Jagdgenosse. Für Sammelzwecke will ich versuchen, die hiesigen Vertreter der Vogelfauna möglichst vollständig zu bekommen. Was ich sonst noch gelegentlich auftreibe; Gehörne, Felle, Ethnologika usw. nehme ich natürlich auch. Mit dem nächsten Dampfer geht wieder eine stattliche Anzahl von Bälgen an S. in H. ab, der sie nach ihrer Fertigstellung Dir zuschicken wird. Es steckt eine ganze Menge Arbeit darin, denn wenn ich in der Dunkelheit oft recht müde mit meiner Beute heimkehre, so muß ich die zum Ausstopfen bestimmten Exemplare noch an demselben Abend abbalgen und präparieren, da sie gewöhnlich am nächsten Morgen bereits verdorben sind. So habe ich schon manchmal bis spät in die Nacht hinein bei der Arbeit gesessen, wenn es galt, ein besonders wertvolles Objekt nicht verlorengehen zu lassen. Ich habe in letzter Zeit angefangen, August mir als Gehilfen heranzubilden, und er hat im Abbalgen größerer Tiere schon eine recht gute Fertigkeit erlangt.

Leider fehlt allen noch so gut und naturgetreu ausgestopften Tieren eine wertvolle Beigabe: ihre Lebensäußerungen inmitten der für sie charakteristischen afrikanischen Umgebung. Ein Krokodil, lang ausgestreckt, mit weit geöffnetem Rachen im Schilfe liegend, den neben seinem Neste auf der Palme sitzenden, singenden und flatternden Webervogel mit dem im tropischen Sonnenschein leuchtenden, schwarzgoldenen Gefieder, die scheu äugende und in den Busch davoneilende Antilope kann ich Euch nicht schicken.

Mit gleicher Post wie diese Zeilen sende ich Dir ein kleines Paket mit einigen einheimischen Negerarbeiten, aus denen Du den Grad ihrer Kunstfertigkeit ersehen kannst. Die originellen Silber- und Goldarbeiten fertigt der schwarze Goldschmied nur mit äußerst primitiven Werkzeugen aus Geldstücken an, die man ihm gibt. Die bunt gemusterten Decken sind ebenfalls im Lande gewebt, und die geschnitzten und bemalten Kalabassen werden zu Tausenden in allen Größen und Formen von den Schwarzen aus der Schale einer kürbisartigen Feldfrucht hergestellt. Alle ihre Produkte: Mais, Palmkerne, Fische, Brot, Apfelsinen usw. bringen sie darin zu Markte. Aber nicht nur unseren Marktkorb stellt die Kalabasse dar, sondern sie wird ebenso als Eßgeschirr, als Wasserflasche, als Wasch- und Schutteimer und zu vielerlei anderen Zwecken des täglichen Lebens verwertet. Für Dich lege ich der Sendung einige weiße Reiherstutze bei, die Trophäen einer mühsamen Wasserjagd der letzten Tage, und für die Kleine ein Kästchen mit Muscheln, die ich am Strande sammelte. ...

Lebt wohl, haltet Euch tapfer und bleibt gesund.

Dein L.

Die hauptsächlichen Handelswerte Togos

21. November

Unsere Kolonien werden gewöhnlich in Siedlungs-, Pflanzungs- und Handelskolonien eingeteilt. Für die dauernde Ansiedelung einwandernder Europäer kommt Togo als Tropenland vorläufig nicht in Betracht. Ich bezweifle zwar nicht, daß es endlich – und wenn Jahrhunderte im Kampf um dieses Ziel verfließen müßten – der weißen Rasse doch gelingen wird, sich dauernd auch in den Tropen zu akklimatisieren; aber bisher sind wir den schädlichen Einflüssen des Tropenklimas noch so stark preisgegeben, daß unser Organismus nach verhältnismäßig kurzem Tropenaufenthalte eine Erholung im heimischen Klima dringend nötig hat. Togo beansprucht deshalb zunächst nur als Handels- und als Pflanzungskolonie unser Interesse. Der Handel unseres Ländchens hat sich seit der deutschen Besitzergreifung dauernd gehoben und erreichte in Ein- und Ausfuhr im vorigen Jahre den ansehnlichen Wert von über 8 Millionen Mark.

Wenden wir uns an erster Stelle dem Export Togos zu. Seine Entfaltung kann drei verschiedene Stufen durchlaufen: 1. Wir können die bereits vorhandenen Reichtümer der Kolonie an Exportwerten ausnutzen. 2. Die Produktion seiner ursprünglich vorhandenen Exportwerte kann qualitativ und quantitativ gesteigert und geregelt werden. 3. Wir können völlig neue Werte für die Ausfuhr des Landes schaffen. Sehen wir uns unter diesem dreifachen Gesichtspunkte den Export Togos näher an. Acht Neuntel der gesamten Ausfuhr, die im verflossenen Jahre etwas mehr als 3½ Millionen ausmachte, wurde von den »Ölfrüchten« gestellt, d.h. den Palmkernen und dem Palmöl, die beide von der Ölpalme gewonnen werden.

Aus diesem Zahlenverhältnis geht schon hervor, welche große, vorläufig sogar überwiegende Rolle die Ölpalme für unsere Kolonie spielt. Dicht hinter der Küste beginnen ihre Bestände, die um so üppiger zu gedeihen scheinen, je wasserreicher der Boden ist, den sie finden. Solange die Ölpalme noch klein ist, treibt sie ohne Stammbildung ihre Wedel direkt aus der Erde hervor. Ungefähr vom 5. Jahre an bildet sich ein Stamm, der im Laufe der Zeit oft eine beträchtliche Höhe erreicht. Es soll Ölpalmen bis zu 15 Meter Höhe und darüber geben. Vom 8. Jahre an wird sie ertragsfähig. Ihre Früchte gleichen einer riesigen, dicht besetzten Traube, an deren jeder viele hundert einzelne Ölfrüchte eng zusammengedrängt sitzen. Ein solches Fruchtbündel, von denen jeder Baum etwa sechs trägt, wiegt mehrere Kilogramm, und bei besonders großen Exemplaren habe ich Mühe gehabt, sie mit einer Hand aufzuheben. Die anfänglich grünen Früchte bekommen später eine schöne, gelbrote Farbe, die mit zunehmender Reife immer leuchtender wird. Diese Ölfrucht, die etwa die Durchschnittsgröße eines Taubeneies hat, besteht aus drei verschiedenen Teilen. Zunächst aus einer faserigfleischigen, ölhaltigen Hülle; unter dieser folgt eine harte Schale, und letztere wieder umschließt einen weichen, nußartigen Kern, den »Palmkern«.

Die Frucht der Ölpalme hat für den Haushalt des Negers eine große Bedeutung. Er gewinnt aus ihrer fleischigen Hülle das Palmöl, das von ihm als gewöhnlicher Fettzusatz zu allen Speisen, für Fleisch, Fisch und Backwerk verwertet wird. Aber auch zu Einreibungen der Haut, als Haaröl, Brennmaterial und Arzneimittel wird es gebraucht. Die Art der Ölgewinnung wurde mir aus verschiedenen Teilen Togos verschieden geschildert. In der hiesigen Umgegend werden die Ölfrüchte mit Wasser in einem großen Steintroge oder auch in einem leeren Kanu von den Frauen mit langen Pfählen zerstampft, bis sich das Fleisch von der harten Schale, die dabei unversehrt bleibt, gelöst hat. Der Wasserzusatz hat den Zweck, das öl obenauf schwimmen zu lassen, um es bequem abschöpfen zu können. Die abgestampften Fasern werden außerdem mit den Händen ausgedrückt. Das rohe öl, eine dicke, trübe, gelbrote Flüssigkeit wird in großen Töpfen eine Zeitlang gekocht, wobei sich Unreinigkeiten in dem Schaum der Oberfläche absetzen und entfernt werden. Vielleicht hat das Kochen auch den Zweck, die bei der Herstellung in das Öl hineingekommene Wassermenge zur Verdunstung zu bringen und es vor dem Ranzigwerden zu bewahren. Bei dieser rohen Art der Gewinnung geht natürlich ein hoher Prozentsatz des in den Fruchthüllen enthaltenen Öles verloren.

Nur einen Teil des gewonnenen Palmöles verbraucht der Neger für seinen eigenen Bedarf, den Rest bringt er zum Verkaufe. Die bei der Ölgewinnung zurückbleibenden hartschaligen Samen klopft er auf und gewinnt so die Palmkerne, den anderen von der Ölpalme stammenden Exportartikel. Diese Palmkerne, die ebenfalls einen hohen Gehalt eines wertvollen Öles bergen, werden in Säcken nach Deutschland verladen und erst dort weiter verarbeitet.

Doch die Ölpalme liefert dem Neger nicht nur das Fett seines Haushaltes, sondern auch sein Tafelgetränk, den Palmwein. Um guten Wein zu gewinnen, muß die Palme gefällt werden. Auch nach dem Fällen besteht die Gewinnung des Weines nicht nur in einem Anbohren des Stammes, dem der Saft entströmt, sondern es gilt, dabei eine ganze Menge Regeln, gepaart mit Fetischgebräuchen, zu beachten, damit er auch die richtige Beschaffenheit erhält. Ganz frisch gewonnen ist er ein harmloses Getränk, aber durch die sehr rasch eintretende Gärung bekommt er einen starken Alkoholgehalt.

Die Zahl der Palmen, die jährlich der Gewinnung von Palmwein zum Opfer fallen, ist sicher sehr groß; trotzdem scheinen die Bestände des Landes sich nicht dadurch zu lichten, so daß man wohl annehmen kann, der Togoneger schlägt nicht mehr Palmen nieder, als durch Nachwuchs gedeckt sind. Vielfach stehen sie so dicht, daß ein Ausfällen sogar im Interesse des besseren Gedeihens der übrigen sehr erwünscht sein muß. Der Nachwuchs der jungen Palmen ist überall sehr stark. Ich glaube zwar nicht, daß der Neger des hiesigen Bezirkes sie selbst pflanzt, aber die Samen, die beim Abernten der Fruchtstände verlorengehen, die von Vögeln oder vom Neger selbst verschleppt werden, sorgen im reichen Maße für neue Aussaat. Von einer regelrechten Kultur der Ölpalme durch den Eingeborenen kann zwar keine Rede sein, aber ein Verständnis für ihren Wert hat er doch; denn hie und da sieht man in der Nähe der Dörfer einzelne Exemplare, an denen die trockenen Blätter abgeschlagen sind oder in deren Umkreis das wuchernde Gebüsch beseitigt ist.

Die Ölpalme ist nicht über das ganze Togoland verbreitet, sondern wächst, dicht hinter der Küste beginnend, in größeren Beständen nur bis zur Entfernung von 140 km landeinwärts. Aber gerade dieser Ölpalmengürtel ist das Gebiet, das bisher die Exportfirmen besonders interessieren muß. Die Produkte der entfernteren Teile des Landes können leider vorläufig noch kaum berücksichtigt werden. Bahnen haben wir noch nicht; das Fehlen der Brücken auf den Straßen hindert einen Verkehr mit Lastwagen, so daß alles, was zur Küste kommen soll, auf dem Kopfe des Negers gebracht werden muß. Dadurch werden schon in geringer Entfernung von der Küste die Transportkosten für die Produkte so hoch, daß der Rentabilität sehr bald eine Grenze gezogen ist. Selbst die entferntere Hälfte des Ölpalmendistriktes von Togo kann aus diesem Grunde noch nicht ausgebeutet werden. Da der Neger ferner überhaupt nur einen kleinen Teil der Bestände aberntet und den Rest unbenutzt dem Verderben anheimfallen läßt, so stellen die aus dem Lande ausgeführten Ölprodukte nur einen geringen Teil der in Togo wirklich vorhandenen Menge dar.

Wenn wir daher unter »Erschließung« einer Kolonie nicht nur ihren politischen Besitz, sondern die wirtschaftliche Herrschaft in ihr verstehen, so ist bisher noch kein Drittel Togos wirklich erschlossen. Allein eine Inlandbahn kann das bisher Versäumte nachholen. Wir haben begründete Hoffnung, daß sie gebaut werden wird. Gerade jetzt ist im Auftrage des Kolonialwirtschaftlichen Komitees eine Expedition in Togo tätig, um die Vorarbeiten und einen Kostenanschlag für eine Bahn von Lome nach Kpalime im Misahöhebezirke auszuarbeiten. Wird sie gebaut, so ist damit die Grenze der Rentabilität für die Ölpalmprodukte bis zur Grenze ihres Vorkommens hinausgerückt; für andere Produkte wird überhaupt erst eine Ausfuhr ermöglicht werden. Weite Strecken des Hinterlandes werden wirtschaftlich an die Küste angeschlossen werden. Durch diese Bahn werden auch die Folgen eines dies ater in unserer Kolonialpolitik, des 1. Juli 1896, für Togo wieder ausgeglichen werden.

Damals wurde (neben dem Verzichte Deutschlands auf Somaliland und Sansibar in Ostafrika) die deutsch-englische Grenze im Westen Togos unbegreiflicherweise so festgelegt, daß wir von der Voltamündung abgeschnitten wurden, und daß das linke Voltaufer bis zur Einmündung des Daka als Grenze bestimmt wurde, eine vielleicht einzig in ihrer Art dastehende Grenzregulierung! Die selbstverständliche Folge davon ist gewesen, daß viele aus dem deutschen Togo stammende Produkte ihren Weg auf dem Volta oder über Land direkt ins englische Gebiet hinein nehmen mußten. Durch die projektierte Bahn wird dieser Ausfall zum großen Teil wieder auf deutsches Gebiet herübergezogen werden können.

Wir sehen schon an dem Beispiel der Ölprodukte, daß ihr Export für Togo bei weitem nicht die Höhe erreicht hat, die er erreichen könnte. Aber die Kolonie bietet noch andere Exportwerte, die sicher einer Steigerung fähig sind, und von denen es mir in meinem Laienverstande wunderbar erscheint, daß man nicht schon längst darangegangen ist, ihre Produktion zu fördern. Wenn man die Umgegend der hiesigen Lagunendörfer durchstreift, so trifft man überall auf große Maisfelder. Wenn das Palmöl die Butter des Schwarzen ist, so ist der Mais sein Brot, wenigstens im hiesigen Bezirke. Mais gedeiht überall im Küstengebiete; dabei ist seine Qualität nach dem übereinstimmenden Gutachten der Firmen der des amerikanischen mindestens ebenbürtig, und doch zeigen die verflossenen Jahre nur einen geringen Wert für Export von Mais. Ganz so bequem wie bei der Ölpalme ist beim Mais allerdings die Ernte für den Eingeborenen nicht; denn er muß das Land, auf dem er wachsen soll, erst notdürftig säubern und ihn aussäen. Aber ich bin der Ansicht, daß es ein leichtes sein würde, den Neger dahin zu bringen, anstatt nur seinen Hausbedarf auch noch für Verkaufszwecke Mais anzubauen. Bei der guten Qualität und den niedrigen Einkaufspreisen (den Zentner Mais bekommt man augenblicklich hier für 1,50 M.) würde einem rentablen Geschäfte im großen nichts im Wege stehen.

Ähnlich liegen die Verhältnisse mit der Erdnuß, einem in Europa wegen seines Gehaltes an vorzüglichem Öle sehr begehrten Handelsartikel. Eine Tonne Erdnüsse steht auf dem heimischen Markte noch weit höher als eine Tonne Palmkerne. Als Muster für die Ausbreitung der Erdnußkultur kann uns die französische Senegalküste dienen, wo sich entlang der Küstenbahn von Saint-Louis nach Rufisque die Eingeborenen sehr schnell dazu bereitgefunden haben, große Flächen mit Erdnüssen zu bebauen, deren jährlicher Export einen Wert von 20 Millionen Fr. erreicht hat. Da die Erdnuß gerade im sandigen Boden besonders gut gedeiht, so würde ihre Kultur in Togo auch da noch möglich sein, wo Ölpalmen und Mais nicht in Frage kommen.

Ein ebenfalls sehr wertvolles Handelsprodukt, das in Togo gewonnen wird, wenn auch bisher in geringem Maße, so doch von vorzüglicher Beschaffenheit, ist der Gummi. Wegen seines hohen Marktwertes verträgt er bereits jetzt die Kosten eines Transportes auch aus entfernteren Teilen des Landes. Bei der Gummigewinnung tritt die Notwendigkeit einer Regelung und Überwachung seiner Produktion durch die Regierung besonders deutlich zutage. Überläßt man die Gummigewinnung dem Gutdünken des Eingeborenen, so schlägt er die Gummibäume einfach um und läßt ihren Saft auslaufen. Die rationelle Methode, die Rinde der Bäume an einzelnen Stellen sachgemäß anzuschneiden und den aus den Schnittwunden herausquellenden Gummi zu sammeln, ist ihm unsympathisch, weil sie zeitraubender ist. Natürlich werden durch das erstere Verfahren der Raubwirtschaft die Gummibestände schwer geschädigt. Es fragt sich deshalb für die Regierung nur, ob sie letztere dem Raubbau schonungslos preisgeben will, um dadurch eine kurze Zeit anhaltenden hohen Export von Gummi aus Togo zu ermöglichen, oder ob sie ihn einschränken bzw. bekämpfen will, um dadurch eine gleichmäßigere, geregelte und dauernde Ausfuhr zu erzielen.

In der Kolonie Lagos hat man sich zu umfassenden Abwehrmaßregeln gegen die Raubwirtschaft entschlossen. Dort begann die Ausfuhr von Kautschuk im Jahre 1894. Nach vier Jahren hatte sie bereits einen Wert von fast 6 Millionen Mark erreicht. Da sich indessen dieser hohe Export auf Raubbau gründete, erließ der Gouverneur Vorschriften, durch die der Wert der Ausfuhr zwar auf kaum eine Million sank, aber eine Stabilität derselben gewährleistet wird. In den bisher erwähnten Produkten, denen der Ölpalme, Mais, Erdnuß und Kautschuk, haben wir die Exportwerte von Bedeutung, die das Land schon jetzt bietet. Meiner Überzeugung nach ist bei ihnen allen eine Steigerung der Ausbeute um ein vielfaches des jetzigen Wertes möglich. Besonders müßte der Mais auch schon jetzt in den für seine Kultur überaus geeigneten, großen, bisher unbebauten Flächen der Lagunenniederung weit mehr kultiviert werden als es geschieht.

Außer dem großen Reichtum an pflanzlichen Produkten müssen noch die großen Rinderherden Togos erwähnt werden, die leider auch für die Ausfuhr bisher noch nicht in Frage kommen. An der Küste haben wir nur die kümmerlichen Anfänge einer Rindviehzucht zu verzeichnen, ohne daß ihrem rationellen Betrieb irgend etwas im Wege stünde. Wirklich stattliche Herden weist aber die nördliche Hälfte Togos auf. Das Herrschen der Nagana, gegen die wir bisher ohnmächtig sind, und das Fehlen einer Hinterlandbahn machen auch diesen Reichtum der Kolonie vorläufig zu einem toten Kapital.

Wir haben neben den bisher angeführten, nächstliegenden Exportwerten und deren Steigerung die Möglichkeit, neue im Lande zu schaffen, sei es durch Plantagenbetrieb, sei es durch Einführung ihrer Kultur als Volkskultur unter den Negern. Als Beispiel für erstere ist die Anpflanzung der Kokospalme zu nennen, aus deren Nüssen die Kopra gewonnen wird. Die Kokospalme gilt vielfach für ein in Afrika beheimatetes Gewächs, sie ist indessen erst dort hingebracht worden, wahrscheinlich durch die Portugiesen. Unsere Küstenneger nennen sie »yevúnèti«, »Nußbaum des weißen Mannes«. Entlang der ganzen afrikanischen Küste hat sie sich ausgebreitet, vielleicht unter Mithilfe der Meeresströmungen, die Früchte von einem Bezirke nach dem anderen schwemmten. Merkwürdigerweise soll sie nur an der Küste wachsen; ja, es wird sogar behauptet, sie habe zu ihrem Gedeihen die Seebrise nötig. Ich kann an diese Behauptung nicht recht glauben, denn ich habe schöne Kokospalmen in Dörfern wachsen sehen, in denen von Seebrise sicher nichts mehr zu spüren ist. Ihr ausschließliches Vorkommen an der Küste wird wohl eher dadurch zu erklären sein, daß ihr bisher wenig Gelegenheit gegeben wurde, sich nach dem Innern zu auszubreiten. Ihre schweren Früchte werden weder vom Winde noch von Tieren verschleppt; auch der Neger befaßt sich nicht mit ihrem Transport. Sollte sie aber im Hinterlande dieselben Bedingungen des Klimas und des Bodens finden wie an der Küste, so würde sie wohl auch ohne Seebrise dort wachsen.

In Kpeme, zwei Stunden von Kleinpopo entfernt, haben wir eine große Kokosnußplantage, deren Anlage etwa vor neun Jahren begonnen wurde. Sie weist jetzt einen Bestand von ca. 100 000 Palmen auf. Sonstige Plantagenunternehmungen in größerem Maßstabe sind in Togo nicht vorhanden. Kleinere Versuche sind mit dem Anbau von Kakao, Kaffee und Tabak gemacht worden, ohne daß bisher ein abschließendes Urteil über den Erfolg gefällt werden kann. Alle solche Versuche müssen darunter leiden, daß die Regierung keine nennenswerten Mittel zu ihrer Unterstützung aufwenden kann, und daß das Privatkapital wegen der Ungewißheit des Erfolges begreiflicherweise sich nur zögernd an sie heranwagt.

Von weit größerer Bedeutsamkeit als die Plantagenwirtschaft versprechen für Togo die Ergebnisse von Versuchen zu werden, die gerade jetzt vom Kolonialwirtschaftlichen Komitee mit dem Anbau von Baumwolle in größerem Maßstabe angestellt worden sind. Es handelt sich darum, mit Hilfe amerikanischer Baumwollfarmer die Baumwollkultur als allgemeine Volkskultur unter den Negern Togos einzubürgern. Bei seinen, auf die wirtschaftliche Hebung unserer Kolonien gerichteten Bestrebungen springt das Kolonialwirtschaftliche Komitee oft da in die Bresche, wo die Mittel der Regierung und das Privatkapital versagen, und es pflegt nicht nur die Aussichten eines Projektes durch genaue Erkundigungen von Sachverständigen festzustellen, sondern setzt auch seine praktische Durchführung energisch ins Werk. Das bisherige Ergebnis der Versuche in Togo hat das Kolonialwirtschaftliche Komitee dazu ermuntert, seine Bestrebungen auf dem Gebiete der Baumwollkultur auch auf andere Kolonien auszudehnen. Gelingt das Projekt, so eröffnet sich dem Mutterlande die Perspektive, wenigstens zu einem Teile den jährlichen Riesenbedarf an Rohbaumwolle in absehbarer Zeit aus den eigenen Schutzgebieten zu decken. Da die Hauptgebiete, die für den Anbau von Baumwolle in Frage kommen, im mittleren und nördlichen Togo gelegen sind, so ist auch für sie der Bau einer Inlandbahn von ausschlaggebender Bedeutung.

Nachdem wir einen Blick auf den Export unserer Kolonie geworfen haben, wollen wir noch ihre Importwerte kurz betrachten. Sie entfallen zum kleineren Teil auf die Bedürfnisse der Europäer, zum weit größeren auf die der Eingeborenen. Dem Werte nach an erster Stelle stehen die Textilwaren: Bekleidungsgegenstände usw., von denen im Betrage von über 1 ½ Millionen eingeführt werden. Aber gleich nach ihnen rangiert, ebenfalls noch eine Million überschreitend, der Branntwein, der in einer Menge von über 1 Million Litern jährlich ins Schutzgebiet kommt. So harmlos der erstere Importartikel ist, so gefährlich ist der letztere. Die Menge von einer Million Litern Schnaps auf eine Million Einwohner des Schutzgebietes kann zunächst niedrig erscheinen. Aber wir müssen bedenken, daß bisher für den Konsum dieser Menge längst nicht das ganze Land gleichmäßig in Betracht kommt, sondern daß er vorwiegend auf die Küstenebene entfällt, weil bei zunehmender Entfernung die Transportkosten und damit der Preis für den Branntwein wachsen. Auch scheint der im Norden vorherrschende Islam ein recht starkes Bollwerk gegen den Alkohol zu sein. Ferner müssen wir in Betracht ziehen, daß der von uns importierte Schnaps nicht das einzige alkoholische Getränk ist, das der Neger hat, sondern daß er neben ihm seinen Palmwein und in anderen Gegenden verschiedene Biere (aus Mais, Hirse oder Honig dargestellt) trinkt und daß die Einfuhr von Branntwein sich vorläufig in stark aufsteigender Richtung bewegt. Ich sehe in ihr eine große Gefahr, die dem Neger vom Europäer droht, eine Gefahr, der man möglichst bald mit größtem Nachdruck entgegentreten muß.

Für viele werden die Folgen auf Jahre hinaus noch unmerklich sein; ja, vielleicht wird durch den steigenden Alkoholimport zunächst das scheinbare Gegenteil von einer schädlichen Wirkung eintreten, der Export wird sich heben. Denn je mehr Neger sich den Genuß des Branntweins verschaffen wollen, um so mehr Produkte müssen dafür eingesammelt und zum Verkauf gebracht werden. In Wirklichkeit aber wird bald der Rückschlag eintreten. Der Neger ist schonungslos der degenerierenden Wirkung des Alkohols preisgegeben. Momente, die bei unserer Rasse dem Alkoholismus noch einigermaßen entgegenwirken wie gesellschaftliche und sittliche Hemmungen, fallen für ihn natürlich weg. Bei der jetzt lebenden Generation werden die Folgen vielleicht weniger deutlich in die Erscheinung treten, obschon der Alkohol jetzt bereits manche Krankheit unter den Negern verursacht und die Disposition für viele krankhafte Zustände, die ihm bisher fehlten, schafft. Aber die kommenden Geschlechter werden weit stärker unter ihm zu leiden haben. Der Nachwuchs der Negerrasse wird sich an Zahl und Qualität wesentlich verschlechtern. Eine der vornehmsten Aufgaben der Regierung müßte es darum sein, die Eingeborenen vor der Schnapsflasche zu bewahren. Ein Einfuhrverbot ist für Togo unangebracht. Ohne ein gleichzeitiges Mittun der dicht benachbarten Engländer und Franzosen würden nur diese einen Nutzen von ihm haben, da sehr bald ein lebhafter Schmuggel über die östliche und westliche Grenze stattfände. Den meisten Erfolg verspreche ich mir von der Erhöhung des Einfuhrzolles auf Branntwein, die von den drei beteiligten Mächten gleichzeitig und in gleicher Höhe eingeführt werden müßte und jährlich immer weiter anzusteigen hätte, bis sie im Verlaufe von 10 bis 15 Jahren einem Einfuhrverbote gleichkommt. So würde auch für die Firmen Togos, die jetzt einen großen Teil ihres Handels auf Alkohol basiert haben, ein schonender Übergang gegeben sein.

Als weitere wirkliche Massenartikel, die für den Bedarf der Eingeborenen importiert werden, sind noch Pulver, Gewehre, Tabak, Eisenwaren (Messer usw.) und Glasperlen zu erwähnen. Alle diese Waren werden dem Neger auf verschiedene Weise zugänglich gemacht.

Sämtliche Firmen unterhalten in ihren Faktoreien an der Küste umfangreiche Ladengeschäfte, in denen der Eingeborene gegen bare Münze oder im Tausch seine Wünsche befriedigen kann. An der Küste hat sich der Gebrauch deutschen Geldes bereits gut neben dem englischen eingebürgert. Kupfergeld, Zehnpfennig- und Dreimarkstücke sind merkwürdigerweise nicht im Verkehr der Kolonie zugelassen. Weit in das Hinterland hinein ist aber der Geldverkehr noch nicht gedrungen; hier spielen noch die Kaurimuscheln, von denen vierzig Stück etwa den Wert eines Pfennigs darstellen, eine große Rolle. In größeren Ortschaften bis zur Entfernung von einigen Tagereisen landeinwärts, haben die Firmen Zweigniederlassungen, die meist von einem schwarzen Händler (Clark) verwaltet werden, errichtet. Sie dienen als Einkaufsfilialen für die Landesprodukte, unterhalten aber ebenfalls Ladenbetrieb und besonders den Ausschank von Spirituosen.

Für das entferntere Hinterland besorgen die Hausa den Zwischenhandel. An allen größeren Orten verkehrsreicher Handelsstraßen des Landes haben sie eigene Ansiedelungen; auch Kleinpopo hat eine Hausakolonie, die nur wenige Minuten hinter dem Krankenhause gelegen ist und wohl einige hundert Bewohner zählt. Die Hausa unterscheiden sich ganz wesentlich von den Küstennegern Togos. Meist sind sie stattlich gebaute, tiefschwarze Gestalten mit markanten, klugen Gesichtszügen. Schon ihre abweichende Kleidung: ein mantelartiges bis über die Knie herabreichendes und dort lose anschließendes Gewand, weiß oder blau, aus selbst gearbeitetem und gefärbtem Stoffe hergestellt, bei den Wohlhabenden mit kunstvoller Stickerei besetzt, dazu eine phrygische Mütze oder den Turban auf dem Kopfe, läßt sie auf den ersten Blick erkennen. Aber auch in der Bauart ihrer Hütten, in ihren Hausgerätschaften, ihrer Sprache, ihrer Religion – sie sind Mohammedaner –, in ihren Sitten und Gebräuchen, kurz in ihrer ganzen Kultur sind sie scharf vom Eweneger unterschieden. Namentlich sind sie ihm an Arbeitsamkeit, Ausdauer und Geschäftssinn sicher weit überlegen. Der Alkohol hat noch wenig Anklang bei ihnen gefunden; ihr ständig gebrauchtes Anregungsmittel besteht im Kauen der Kolanuß; auch der Schnupftabak ist ihnen nicht fremd. Der nicht auf größeren Handelsreisen befindliche, in der Niederlassung zurückbleibende Teil der Hausa handelt inzwischen in der nächsten Umgebung unter Weißen und Schwarzen mit den Erzeugnissen ihres Gewerbefleißes: mit allerhand Zeugen, Bastgeflechten, Körben, Matten, Tellern, Hüten, Lederwaren, Waffen usw. Selbst eine ganz ansehnliche Herde von Schafen und Ziegen haben sie hier in Kleinpopo in Zucht.


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