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Reise ins Hinterland

Atakpame, 5./6. Dezember

Meine liebe Frau!

Morgen nachmittag wird ein Bote von hier abgehen, um Post zur Küste zu bringen. Die Zeit bis dahin will ich verwerten, Dir von meinem Aufenthalte in Atakpame zu erzählen. Am 16. November in aller Frühe radelte ich von Sebe los. Anfangs waren die Wege des Kleinpopogebietes gut instandgehalten, je weiter ich von der Küste wegkam, um so mangelhafter wurden sie; aber ich konnte doch während des ganzen ersten Tages das Rad benutzen. Die Nacht verbrachte ich in Tschegbo, wo ich in einer dem Häuptling gehörigen Hütte mein Feldbett aufschlug. Am 2. Tage war nur noch eine kurze Strecke des Weges fürs Rad passierbar (bis Esse), dann mußte ich es tragen lassen und selbst weiter zu Fuße bis zur Grenze des Bezirkes auf einem schmalen Negerpfade wechselweise durch hohes Gras und dichtes Gebüsch laufen.

In dem Dorfe Game, das ich in glühender Mittagshitze erreichte, hielt ich bis zum Einbruch der Dunkelheit Rast. Von dort wird der Weg nach Atakpame wieder fahrbar, und ich wollte die an meiner Tagesleistung noch fehlenden 20 km bis Nuotschä gemächlich in den kühlen Abendstunden zurücklegen. Ich war aber kaum eine halbe Stunde unterwegs, als meine Radlaterne explodierte, so daß ich in tiefster Dunkelheit, das Rad führend, weiter pilgern mußte. Nach langweiligem zweistündigen Marsche in stockfinsterer Nacht verriet mir der charakteristische Geruch, der sich in der nächsten Umgebung von Negeransiedelungen auszubreiten pflegt, die Nähe eines Dorfes. Diesmal begrüßte ich ihn ausnahmsweise mit großer Freude!

Ich ging in die erste beste am Wege liegende Hütte und machte ihrem Bewohner, den ich gerade bei seiner beschaulichen Abendmahlzeit störte, klar, daß er mich zum Häuptling von Nuotschä bringen sollte. Mit einer kümmerlichen Öllampe ausgestattet, begleitete er mich, und schon nach wenigen Minuten stand ich in einem nach Art der Eingeborenen gebauten großen, geräumigen und zu meiner freudigen Überraschung von einem Europäer bewohnten Hause. Seit wenigen Tagen war Nuotschä als Nebenstation des Atakpamegebietes, an dessen südlichem Ende es liegt, mit einem weißen Unterbeamten Sch. besetzt worden. Da meine Träger mit meinem Feldbett ausblieben, so mußte ich die Nacht gestiefelt und gespornt in einem Langstuhle verbringen; ich schlief aber auch in ihm ganz gut.

Der dritte Tag führte mich durch den Atakpamebezirk, den jüngsten, erst vor fünf Jahren von Hauptmann v. D. gegründeten Bezirk Togos. Schon die Reise auf der überall gut instandgehaltenen Straße nach Atakpame ließ mich erkennen, daß hier fleißig gearbeitet wird. Die rechts und links gelegenen Ortschaften, die oft aus mehreren hundert Hütten bestehen, sind an ihrem Eingang mit Namensschildern ausgestattet; selbst Wegweiser und Kilometertafeln sind angebracht. Jedes größere Dorf enthält ein Rasthaus für durchreisende Europäer, dessen Instandhaltung dem Häuptling des Ortes obliegt; alles Bequemlichkeiten, an die im Küstenbezirke, der doch schon viel länger unter Kultur steht, noch kein Mensch gedacht hat. Auch die Eingeborenen machten auf mich einen entgegenkommenderen, freundlicheren und zutraulicheren Eindruck als die scheue Bevölkerung im nördlichen Teil des Kleinpopobezirkes.

Am 18. November nachmittags traf ich in Atakpame ein. Das Landschaftsbild der Küstenebene mit den dichten Palmenwäldern und wasserreichen Niederungen ging allmählich über in eine herrliche afrikanische Gebirgslandschaft. Das große Negerdorf Atakpame selbst, das mehrere tausend Hütten zählt, liegt ganz ausgestreckt in einem engen Tale. Auf halber Höhe des einen, den Ort überragenden Bergzuges ist die malerisch gelegene Stationsanlage errichtet. Ein schöner breiter Fahrweg führt zu ihr hinauf. Auf der gegenüberliegenden Anhöhe hat die katholische Mission ihr Domizil. An einen sanften Abhang gelehnt, bilden die Gebäude der Station ein nach dem Tale zu offenes, großes Viereck, dessen höchsten Punkt das Wohnhaus des Stationsleiters einnimmt. Neben ihm steht noch als Erinnerung an frühere primitive Zustände eine kleine Döckersche Baracke, die während des Aufbaues und der Einrichtung der Station ihrem Gründer, Hauptmann v. D., anfänglich als Unterkunft diente. Während meines Aufenthaltes hier habe ich sie als Quartier zugewiesen bekommen. Die eine der Längsseiten des Stationsvierecks wird eingenommen von dem Palaverhause, in dem gleichzeitig der Büroraum untergebracht ist, einem Assistentenhause, dem Wohnsitze der weißen Hilfskräfte, ferner einer Werkstatt für schwarze Handwerker sowie der Wache. Auf der gegenüberliegenden Seite sind das Gefängnis für Eingeborene, Stallungen, Wohnungen für die schwarzen Angestellten der Station und Wirtschaftsräume errichtet. Die zahlreichen Gebäude selbst sowie der große von ihnen eingeschlossene Stationshof befinden sich in einem musterhaften Zustande, und allein der Anblick der ganzen Anlage würde genügen, um dem Talente und der Arbeitskraft sowohl ihres Gründers v. D. wie des jetzigen Stationsleiters Sch., der seit mehr als zwei Jahren diese Stelle innehat, das glänzendste Zeugnis auszustellen. Einige Tage werde ich voraussichtlich hier oben weilen und dann zur Küste zurückkehren.

Kleinpopo, 12. Dezember

Vorgestern abend Rückkehr ins Krankenhaus. Während meiner Abwesenheit abermals ein neuer Herrscher in Sebe eingezogen, Assessor Hansen, der mit Frau inzwischen aus Deutschland eingetroffen war.


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