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Lagunenassanierung

21. Februar

Die Lagune bleibt nach wie vor unser hygienisches Schmerzenskind in Anecho. Nicht das freie Wasser der offenen Lagune birgt Gefahren, sondern die Ufer mit ihren sumpfigen Ausläufern, ihren Schilf- und ihren Tümpelbildungen. Der häufige und rasch eintretende Wechsel des Wasserstandes läßt überall am Ufergelände Sumpfgebiete und Plätze mit stagnierendem Wasser entstehen, und diese sind die schönsten Brutstätten für die Malariaüberträger, die Moskitos. Für die das Gelbfieber vermittelnde Art der Stechmücken spielt sie zwar zunächst eine sekundäre Rolle; wenn wir aber die von ihnen bevorzugten Brutplätze in den Negerwohnungen glücklich beseitigt haben, wird die Stegomyia in Ermangelung anderen geeigneten Wassers auch das Lagunengebiet aufsuchen.

Aus diesem doppelten Grunde muß sich auch jetzt wieder die Frage nach Beseitigung der von der Lagune drohenden Gefahr aufdrängen. Wenn es gelänge, ihren Wasserspiegel dauernd auf gleicher Höhe zu erhalten, oder wenigstens einen raschen Wechsel ihres Wasserstandes zu verhindern, so wäre damit eine Sumpf- und Tümpelbildung am Ufergelände verhindert. Es liegen zwei Möglichkeiten vor, dieses Ziel zu erreichen. Erstens können wir an der schmälsten Stelle der Landzunge eine dauernde regulierbare Kommunikation zwischen See und Lagune herstellen, durch die man je nach Bedarf Wasser von der See einströmen oder aus der Lagune abfließen lassen kann. Die Sachverständigen halten diesen Gedanken für durchführbar, aber die Scheu vor der Höhe der Kosten, vor der leider oft auch wichtige gesundheitliche Fragen in unsern Schutzgebieten zu verstummen haben, schließt es aus, daß diesem Projekt überhaupt nähergetreten wird. Eine zweite Möglichkeit wäre die, den Abfluß der Lagune nach Grandpopo zu regulieren. Möglich ist auch die Durchführung dieses Planes, indem an irgendeiner geeigneten schmalen Stelle des nach Grandpopo führenden Armes quer durch die Lagune ein Damm aufgeführt würde mit einem Durchlaß, der je nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden kann. Aber auch ihm stehen die Kosten hindernd im Wege.

So bleibt zunächst nur der Ausweg, sich mit halben Maßnahmen zufriedenzugeben und auf bessere Zeiten zu hoffen. Wir müssen uns begnügen, vorläufig nur den Teil des Lagunenufers in Angriff zu nehmen, der den Ort Anecho direkt begrenzt. Auf diesem flachen und mit mannigfachen kleinen Ausbuchtungen verlaufenden Ufer dringt das Wasser beim Hochstand der Lagune selbst bis in die Grundstücke der Eingeborenen hinein, um beim Sinken ein weites Sumpfgebiet zurückzulassen. Wird dieses Uferland durch Aufführung eines gradlinigen, das Wasser begrenzenden Dammes so weit erhöht, daß selbst beim höchsten beobachteten Stande der Lagune ein Übertreten des Wassers unmöglich ist, so ist schon viel gewonnen. Dieses Werk ist vom Bezirksamtmann bereits in Angriff genommen worden. Das Terrain vomDamm bis zu den Eingeborenenhütten wird gleichzeitig aufgefüllt werden. Es ist eine große Arbeit, die Oberleutnant Seh. damit begonnen hat, aber mehrere hundert Steuerarbeiter, an denen der Bezirk keinen Mangel hat, können sie in einigen Monaten bewältigen. Ist das Werk erst fertig, so zweifle ich nicht, daß sehr bald auch die Eisenbahn, die nach dem bisherigen, hartnäckig festgehaltenen Plan auf der Seeseite des Ortes dicht an den Negerhütten vorbeigeführt werden soll, den weit bequemeren Weg auf der Lagunenseite nehmen wird.

Auch einen anderen alten, naheliegenden Plan zur Assanierung Anechos will ich jetzt wieder hervorholen. Vielleicht wird ihm augenblicklich mehr Beachtung geschenkt werden. Groß ist meine Hoffnung darauf freilich nicht, denn auch er läßt sich ohne einige Unkosten nicht verwirklichen. Aber da in den letzten drei Jahren zusammengenommen für Anecho noch nicht zehntausend Mark für sanitäre Arbeiten, deren es doch so sehr bedürfte, aufgewendet worden sind, so will ich es wagen. Ich meine den Plan, die schmale Landzunge, auf welcher der Ort gelegen ist, von den Negergrundstücken zu säubern und dadurch als Wohnort für die Europäer freizumachen. Wir haben etwa 600 enggedrängte Hütten auf der schmalen Nehrung stehen. Wenn dem Besitzer jeder Hütte ein gleich großes oder selbst doppelt so großes Stück Land an einem entfernteren Platze von der Regierung geschenkt würde, und dazu eine bare Entschädigung von durchschnittlich 50 Mark für jede Hütte, so würde mit 30 000 Mark scheinbaren Unkosten das wünschenswerte Ziel erreicht sein. Ich sage scheinbaren Unkosten; denn von dem freiwerdenden Terrain würden die Missionen und Faktoreien einen großen Teil zur Erweiterung ihrer jetzt unfreiwillig eingeengten Grundstücke zu hohem Preise von der Regierung kaufen. Scheut man sich, diesen radikalen Weg zu betreten, so würde es schon eine große Besserung des jetzigen Zustandes bedeuten, wenn mehrere breite Querstraßen durch die Hüttenkomplexe der Eingeborenen gebrochen würden, durchweiche die kräftige Seebrise hindurchstreichen kann. Würde man dazu noch in Zukunft keine Bauerlaubnis mehr für Neger auf der Landzunge Anechos geben und das Wiederaufbauen jeder baufälligen Negerhütte an der alten Stelle verbieten, außer wenn sich der Eigentümer verpflichtet, nach europäischer Vorschrift zu bauen, so würde wenigstens im Laufe der Jahre etwas Ordentliches erreicht.

 

Anecho, 3. März

In Anecho wird fleißig gearbeitet, die Aufschüttung des Dammes schreitet rüstig vorwärts. Glücklicherweise sind wir auch bisher von neuen Gelbfieberfällen verschont geblieben, so daß wir daran denken können, das schwere Hindernis der Quarantäne in nächster Zeit wieder aufzuheben, was namentlich im Interesse des ungestörten Baues der Küstenbahn sehr erwünscht ist. In den nächsten Tagen schon wird sie bis zur Quarantänegrenze vorgedrungen sein. Nur die privaten Berichte aus Dahome lauten trotz des offiziellen Dementis noch immer beängstigend für mich. Ich will sehen, vom französischen Arzte in Grandpopo wirklich zuverlässige Nachrichten zu erhalten.


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