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Silvester

Kleinpopo, 8. Januar

Meine liebe Frau!

Zum Postschlusse für den am 10. fälligen Dampfer werde ich voraussichtlich nicht hier sein, so daß ich Dir schon heute ein Lebenszeichen geben will. Ich will morgen mit G. und dem Zollverwalter St. eine kleine Reise auf der Lagune unternehmen bis zum Orte Agbanakawe, einem Zollposten an der französischen Grenze. Dort wollen wir einen Platz für ein neu zu errichtendes Zollhaus suchen. Dieses Agbanakawe, das an der Einmündungsstelle des Mono in die Lagune in einem ausgesprochenen Sumpfgebiet liegt, ist ein besonders ungesundes Nest. Von fünf Europäern, die früher dort versuchsweise stationiert waren, haben vier nach kurzem Aufenthalte den Ort schwerkrank verlassen müssen, einer ist an den Folgen seines dort erworbenen Schwarzwasserfiebers gestorben. Am besten wäre es, man überließe den ganzen Posten einer schwarzen Hilfskraft, aber er scheint zu wichtig dazu zu sein. Nach der Rückkehr von dieser Reise steht mir die höchst langweilige Erledigung der verschiedenen Quartalsabschlüsse und Berichte bevor.

Meinen letzten Brief aus dem alten Jahre hast Du wohl inzwischen erhalten? Mit einer kleinen Silvesterfeier sind wir ins neue Jahr eingetreten. Ein verspätet aus Deutschland eingetroffener wirklicher Tannenbaum – ein Woermann-Dampfer hatte ihn in einem Kübel eingepflanzt mitgebracht – war für den Abend im Kasino geschmückt worden. Der Raum selbst war mit Flaggen und Palmzweigen, unseren wohlfeilen aber hübschen tropischen Dekorationsmitteln, ausgeschlagen. Mit vieler Mühe war auch unser Krankenhausklavier von Schwarzen ins Kasino transportiert worden. Obwohl wir von allem geräuschvollen Ulk Abstand genommen hatten, war die Stimmung doch schließlich recht fidel und afrikanisch hoch gestimmt. Punkt 12 Uhr knallten drinnen die Champagnerpfropfen und draußen einige Salutschüsse der alten Zollkanone. Ein auf der Reede ankernder Dampfer beleuchtete den Aufgang des neuen Jahres mit Buntfeuer und Raketen. Mit besonderer Begeisterung sangen wir dann das alte »Afrikanerlied«, das tatsächlich die vorherrschende Stimmung eines deutsch-afrikanischen Gemütes am besten wiedergibt, das Baumbachsche »Was die Welt morgen bringt«.

Leider erkrankte Schwester Fr. vor einigen Tagen recht schwer an ihrer Erstlingsmalaria, wahrscheinlich in ursächlichem Zusammenhange mit der Pflege unseres unlängst verstorbenen Schwerkranken. Seit gestern ist sie in der Besserung. Leider hat sie sich einen Teil der Schuld an ihrer Erkrankung selbst zuzuschreiben, denn mit großer Hartnäckigkeit hat sie bisher kein Chinin genommen, um zu sehen, wie lange sie ohne dasselbe fieberfrei bleiben würde. Angeblich vertrug sie es auch nicht und hatte deshalb einen unüberwindlichen Abscheu vor ihm. Selbst als die Malaria endlich da war, konnte ich sie nicht zum Nehmen des Chinins bewegen. Nur durch einen frommen Betrug habe ich es ihr doch schließlich einverleibt. Als Komplikation ihrer Malaria stellten sich nämlich äußerst schmerzhafte Kolikanfälle ein, die so heftig waren, daß ich sie ihr durch eine Morphiuminjektion erträglich machen mußte. Vorgestern früh und gestern habe ich ihr nun als angebliche Morphiuminjektion eine Chininlösung eingespritzt, die ihr ganz vorzüglich bekommen ist, denn sie schlief nicht nur ausgezeichnet nach dem Pseudo-Morphium, sondern auch ihre Kolikanfälle und ihre hohe Temperatur sind seitdem weggeblieben.

Der neue Gouverneur H. wird im nächsten Monat eine längere Orientierungsreise durchs ganze Togoland antreten, Gr. wird in dieser Zeit für ihn die Geschäfte des Gouvernements führen und deshalb nach Lome übersiedeln müssen. Ich werde ihn sehr vermissen. An seiner Stelle übernimmt wahrscheinlich ein Assessor, Freiherr v. R., der bisher Bezirksrichter in Lome war, neben seinen richterlichen Geschäften das Bezirksamt in Sebe.


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