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1904

Der Alkohol in den Tropen

Kleinpopo, 14. Januar

Sehr geehrter Herr Doktor!

Für ihre freundlichen Zeilen besten Dank. Sie kennen meinen Standpunkt in der Alkoholfrage und regen mich deshalb an, diese in ihrer Bedeutung für die Tropen für weitere Kreise zu erörtern, da die Literatur in diesem Punkte eine Lücke aufweise. Ganz unerörtert ist dieses Thema indessen auch für die Tropen nicht geblieben. Ich könnte Sie auf gelegentliche Äußerungen vieler Afrikaforscher verweisen, wie Livingston, Götzen, Stanley, Peters u. a. Ausführlicher hat ein deutscher Tropenarzt in holländischen Diensten, Major Dr. Fiebig, über den Einfluß des Alkohols auf den Europäer in den Tropen geschrieben. Ferner finden Sie das Thema »Alkohol und Akklimatisation in den Tropen« von Dr. H. Blocher behandelt, und in Volkmanns klinischen Vorträgen (1900 Nr. 297) »Die Akklimatisation der europäischen und insbesondere der germanischen Rasse in den Tropen und ihre hauptsächlichen Hindernisse«. Indessen ist es wohl der Mühe wert, erneut diesen Feind aller kolonialen Entwicklung anzugreifen, zumal er längst noch nicht besiegt ist.

Ich will meine Aufgabe etwas verallgemeinern und schlechthin die Hauptpunkte der »Hygiene des Trinkens in den Tropen« überhaupt einer kurzen Erörterung unterziehen. Dabei will ich im ersten Teile das, was wir nicht trinken sollen, also die Alkoholfrage, besprechen, während ich in der zweiten, positiven Hälfte einige praktisch wichtige Fingerzeige für die Wahl der Getränke und die Art und Weise des Trinkens in den Tropen geben will. Die Arbeit wird Ihnen in einigen Wochen von Deutschland aus zugehen. Ich muß sie vorher, wie alle beabsichtigten Publikationen, auch wenn sie rein fachwissenschaftlicher Natur sind, der Zensur des Auswärtigen Amtes unterwerfen. Indessen zweifle ich nicht, die Genehmigung zur Veröffentlichung zu erhalten.

Wenn wir vielleicht auch aus der schlimmsten Saufperiode unserer Kolonien bereits heraus sind – was Europäer anbelangt – so bleibt doch unendlich viel zu tun übrig, um der Erkenntnis von der Größe der Gefahr des Alkohols Bahn zu brechen. Wie mancher begabte Mensch, der nach den offiziellen Berichten ein »bedauerliches Opfer des heimtückischen Klimas« war, ist selbstverschuldet an den Folgen des Alkohols in den afrikanischen Sand gesunken, wie mancher hat die vorzeitige Aufgabe seiner kolonialen Tätigkeit oder frühe Invalidität ihm zu verdanken; wie manche Herzschwäche, Dysenterie, Nierenerkrankung, Tropenkoller, nervöse Reizbarkeit usw. sind nicht aufs Konto des Tropenklimas, sondern des Alkohols zu setzen! Für mich steht es außer jedem Zweifel, daß die Alkoholwirkung in den Tropen auf den Organismus noch eine weit schwerere ist als daheim. Es ist dies auch gar nicht wunderbar, da ja gerade die Kreislaufs-, die Verdauungsorgane und das Nervensystem in den Tropen unter erhöhten Anforderungen arbeiten müssen und gerade sie vom Alkohol besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich werde deshalb auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, warum der sogenannte »mäßige« Genuß gerade in den Tropen nicht zu billigen ist, sondern volle Enthaltsamkeit empfohlen werden muß.

Damit die Abhandlung überall gelesen wird, will ich sie möglichst kurz fassen. Ferner werde ich mich bemühen, eine größere Anzahl von Separatabdrücken in allen unseren Kolonien zur Verteilung gelangen zu lassen. Wenn es damit gelingt, auch nur wenige zum Nachdenken zu veranlassen, so ist der Gewinn schon sehr groß, und die kleine Mühe ist nicht umsonst gewesen. Sie wissen ja selbst zur Genüge, wie schwer es schon daheim ist, auf diesem Gebiete etwas zu erreichen. Doppelt schwer ist es in den Tropen, denn gerade hier sind die Verlockungen zum Alkoholgenusse in doppelter Zahl und Stärke vorhanden. Das an Tagesereignissen gewöhnlich arme Kolonialleben, das Gefühl der Verlassenheit auf einer entfernten Hinterlandsstation, der Mangel an Anregung oder Zerstreuung im Kreise Gleichgesinnter, mangelndes Familienleben, psychisch deprimierende Einflüsse und die ohnehin sich in den Tropen einstellende Neigung, bei fehlender Kontrolle soviel Fesseln wie möglich von sich zu werfen, alles das sind Lücken, die der Europäer nur allzugern durch Alkoholgenuß auszufüllen geneigt ist. In Wirklichkeit füllt er sie natürlich nicht aus, sondern täuscht sich nur über ihr Vorhandensein hinweg. Ist die kurze Alkoholwirkung verflogen, so sind sie erneut und noch schwerer fühlbar, und es wird weiter getrunken.

Sobald ich das Manuskript von Berlin zurückhabe, schicke ich es Ihnen zu. Entschuldigen Sie die unvermeidliche Verzögerung.

Mit bestem Gruße bin ich

Ihr ergebener
Dr. K.


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