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Der Harmattan

15. Januar

Seit einigen Wochen weht – wie alljährlich um diese Jahreszeit – der Harmattan bei uns, ein eigenartiger Landwind, von dem die einen behaupten, er sei kalt, während ihn andere als heiß bezeichnen.

Jedenfalls sind es äußerst trockene Luftströmungen, die zur Zeit dieses Harmattans übers Land ziehen, und diese außergewöhnliche Trockenheit bewirkt eine für tropische Verhältnisse auffällige Verdunstungskälte. Namentlich in den ersten Morgenstunden ist die Abkühlung so stark, daß man ganz erbärmlich unter seiner leichten Decke friert. Um die Mittagszeit setzt dann aber die große Hitze wieder ein. Diese Trockenheit des Harmattans äußert sich in mannigfacher Weise: das sonst dauernd feuchte Holz der Möbel trocknet ein und kracht in allen Fugen, die Büchereinbände, die Aktendeckel krümmen sich, von den Wänden der Häuser blättert der Kalk und die Farbe ab, selbst Fensterscheiben zerspringen. Die Neger sieht man morgens fröstelnd in ihre Tücher eingewickelt, Erkältungskrankheiten mehren sich bei ihnen, die Lippen springen auf, die Augen röten sich. Auch die Tierwelt scheint zu leiden, und die Dürre des überall rissigen Bodens sowie der Vegetation erreicht zur Zeit des Harmattans ihren Höhepunkt.

Die Schwarzen machen sich diesen Umstand zunutze und brennen alljährlich die großen Grasflächen des Landes ab. Allabendlich haben wir jetzt das schöne Schauspiel, am Horizonte die helle Feuerfläche dieser Grasbrände aufleuchten zu sehen. Oft setzen sich letztere in großer Ausdehnung tagelang fort und springen auch auf Waldbestände über, deren junger Nachwuchs natürlich dabei verlorengeht. Warum der Neger diese Brände anlegt, ist mir noch nicht ganz klar geworden, wahrscheinlich hat er verschiedene Gründe dafür. Er benutzt diese Zeit fleißig zur Jagd, indem er den Antilopen und anderem Wilde, das aus dem Brandmeer zu entfliehen sucht, auflauert und es niederschießt. Vielleicht wird durch das Niederbrennen des verdorrten, alten Grases auch eine Art primitive Aschendüngung erzielt, die dem in der bald folgenden Regenzeit aufschießenden Nachwuchse zugute kommt. Über den prasselnden Brandstätten kreisen zahlreiche größere und kleinere Raubvögel und Insektenfresser, die von Zeit zu Zeit pfeilschnell in die Tiefe des Brandes stoßen, um sich ihre Beute aus ihm herauszuholen: Ratten, Mäuse, Käfer und dergleichen.

Morgens lagert zur Zeit des Harmattans über der ganzen Umgegend ein nebelartiger Dunstschleier, der bis weit hinaus aufs Meer reicht. Aus ihm schlägt sich überall ein feiner, heller Staub nieder, der wohl auch die Ursache dafür ist, daß die Atmungsorgane und Augen des Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dieser Staub wird von den meisten Afrikanern für Sand angesehen, den gerade der Harmattan mit sich führen soll. Eine andere Erklärung scheint mir viel näherliegend zu sein. Die Grasbrände beginnen im Togohinterlande wie im ganzen inneren Afrika bereits im Dezember, weil dort die Trockenheit ihren Höhepunkt eher erreicht als an der Küste; allmählich setzen sie sich bis zum Küstenlande fort, so daß es wohl sehr wahrscheinlich ist, daß der Staub aus nichts anderem besteht als aus feinen Aschenteilchen, die vom Winde mitgeführt werden. Daß Aschepartikelchen wirklich über weite Entfernungen durch Luftströmungen mitgeführt werden können, ist auch sonst wohlbekannt. Man hat dies besonders nach heftigen Eruptionen von Vulkanen beobachtet. Man hat zum Beispiel bei einem Ausbruche des Vesuvs feststellen können, daß Aschenteilchen von ihm bis nach Konstantinopel verweht worden sind. Die ganze Frage nach der Herkunft dieses Harmattanstaubes würde sich wohl dadurch entscheiden lassen, daß man eine größere Menge davon, vielleicht auf einer frei aufgestellten großen Glasplatte, sammelt und mikroskopisch sowie chemisch daraufhin untersucht, ob er vorwiegend pflanzliche oder mineralische Bestandteile enthält. Vielleicht wird auch die ganze charakteristische Luftströmung des Harmattans überhaupt durch nichts anderes ausgelöst als durch die zur Trockenzeit über ganz Afrika verbreiteten Steppenbrände.


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