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Beurlaubte Beamte

Kleinpopo, 9. Juli

Meine liebe Frau!

In aller Eile für diesen Dampfer einige Zeilen. Ich habe ausnahmsweise wirklich einmal alle Hände voll zu tun. Durch den Besuch des Kriegsschiffes sind manche dienstlichen Schreibereien, die der Quartalsschluß ja immer mit sich bringt, liegengeblieben und müssen jetzt aufgearbeitet werden. Außerdem habe ich seit gestern einen fast hoffnungslos Schwerkranken im Hospitale, der eigentlich meine unausgesetzte Gegenwart erfordert. Ferner ist erst vor wenigen Tagen eine neue Pflegeschwester G. H., eine Schweizerin, für Schwester J., die im Juni ihre zweijährige Dienstzeit beendet hatte, eingetroffen und muß sich natürlich erst einleben, ehe sie dasselbe leistet wie ihre Vorgängerin. Ich hoffe aber, daß es keine Not damit hat, denn sie ist keine Anfängerin in ihrem Berufe.

Abgesehen von der Anwesenheit des »Habicht« an der Togoküste ist auch sonst so manches seit meinem letzten Briefe in unserm Ländchen passiert. Seit einer Woche ist der Gouverneur wieder in Lome eingetroffen, nachdem er auf einer vier Monate langen Reise die ganze Kolonie bereist und allen, wichtigeren Plätzen einen Besuch abgestattet hat – nur nicht unserm Kleinpopo, dem an Europäerzahl zweitgrößten, an Export ersten Handelsplatze seines Schutzgebietes. Wir kennen die Gründe dieser Unterlassung nicht; aber die Europäer, besonders die hiesigen Kaufleute sind mit Recht mißgestimmt darüber, denn mancherlei Wünsche hätten auch sie zu äußern gehabt.

G. geht mit diesem Schiffe endlich auf Heimatsurlaub, den er eigentlich schon vor mehreren Monaten hätte haben müssen. Ich glaube, er tut ihm wirklich not, er machte mir, als ich ihn kürzlich zum letzten Male sah, einen recht angegriffenen Eindruck, wenn er sich auch wie immer gut zu beherrschen wußte. Auch eine tiefe Verstimmung konnte ich unschwer bei ihm herausfühlen, die nur zu erklärlich ist bei der übergroßen Arbeit, die auf ihm, noch dazu wegen recht unerquicklicher Dinge, hier gelastet hat. Obwohl wir es alle natürlich lebhaft wünschten, glaube ich nicht, daß er wieder nach Togo kommt, denn er gehört zu den Leuten, welche die erste Bürgerpflicht des Kolonialbeamten: Ruhe zu halten, nicht anerkennen mögen, wenn sie dabei gegen ihre Überzeugung handeln sollen. v. R., der nur vier Monate lang das Bezirksamt verwaltete, eine Zeit, von der noch ein großer Teil auf Abwesenheit im Atakpamebezirke entfiel, ist ganz plötzlich abberufen worden und geht ebenfalls morgen nach Hause. Auch er hat ganz gröblich gegen das erste und oberste deutsche Kolonialgebot verstoßen. Namentlich hat er sich erkühnt, in dem Konflikte, der zwischen der in Atakpame tätigen Mission und dem dortigen Bezirksleiter ausgebrochen ist, energisch zu sein. Diese Angelegenheit, von deren näheren Einzelheiten ich Dir ja schon schrieb, scheint allmählich immer größere Dimensionen annehmen zu wollen, und sie beschäftigt die Gemüter der Europäer in hohem Maße. Eine Entscheidung oder Schlichtung ist durch die Abberufung v. R.s natürlich wieder hinausgeschoben, da nun erst das Eintreffen eines neuen Richters, der sich von neuem einzuarbeiten hat, abgewartet werden muß; denn Togo hat außer dem Gouverneur nach dem Weggange G.s und v. R.s keinen Juristen mehr im Lande. An Stelle v. R.s übernimmt Oberleutnant Pr. aus Lome das Bezirksamt in Sebe. Da er aber seine anderthalbjährige Dienstzeit bereits überschritten hat, wird seine Tätigkeit leider auch nur eine kurze sein können. Schade um den Bezirk, der unter dem dauernden Wechsel ja nie in glatte Entwicklung eintreten kann.

Als dritter geht morgen der Postmeister H. nach dreijährigem ununterbrochenen Tropendienste in die Heimat. Zu guter Letzt hat er mir noch die wenig angenehme Überraschung gemacht, an einem Schwarzwasserfieber zu erkranken. Er ist der erste von den in Kleinpopo wohnenden Weißen, der seit meinem Hiersein daran erkrankt ist. An Malariaanfällen litt er freilich häufig, denn er war einer von denen, die das Chinin nicht regelmäßig, sondern »nach Bedarf« nehmen, das heißt, wenn die Malaria bereits da ist. Glücklicherweise war der Anfall leicht, so daß er sich schnell erholt hat und ich ihm vom Antritt der Reise nicht abzuraten brauche. Sein Nachfolger, der neue Postmeister B., tat mir aufrichtig leid. Als er in Lome landete, wehten dort gerade die Flaggen für einen verstorbenen Europäer halbmast, und als er tags darauf hierher nach seinem neuen Wirkungskreise kam, fand er seinen Amtsvorgänger mit Schwarzwasserfieber zu Bett liegend vor; gewiß kein verlockender Beginn für einen Tropenanfänger! –


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