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Der deutsche Kolonialbeamte

Im Mai

Was weiß das deutsche Volk von seinen Kolonialbeamten? Nichts.

Früher, in den kolonialen Anfangsjahren, war man wohl gezwungen, auch nicht ganz einwandfreie Existenzen in die überseeischen Besitzungen hinauszuschicken, aus dem einfachen Grunde, weil man nicht genügend andere hatte. Manche, die daheim etwas gutzumachen hatten, drängten sich damals dazu, sie hatten den Wagemut, in ein unzivilisiertes Land voller Gefahren und Entbehrungen hineinzugehen. Viele von diesen ersten, alten Afrikanern haben ihr Leben gelassen, viele von ihnen aber auch Vorzügliches geleistet. Das aber erkennt niemand an, sondern nur die vereinzelten, die auch unter der Tropensonne nicht geläutert wurden, werden hervorgesucht. Jetzt verfährt man schon längst bei der Auswahl der Kolonialbeamten mit größter Vorsicht, ohne daß irgendwelche Sicherheit dagegen gegeben ist, daß ein Mensch, der sich in der Heimat in seinem Fach bewährt, in den Kolonien völlig versagt.

Leute, deren Kolonialidiotismus einen besonders hohen Grad erreicht hat, versteigen sich sogar zu der Behauptung, daß der koloniale Beruf den Menschen verrohe, entsittliche, zur Bestie mache. Allerdings, der oberflächliche, wertlose Lack europäischer Halbbildung pflegt unter der Tropensonne leicht zu schmelzen, aber um so deutlicher tritt der Kern, der darunter verborgen liegt, zutage. Es ist wohl möglich, daß ein Kulturgigerl, dem daheim eine glatte Laufbahn beschieden war, in der kolonialen Arbeit kläglich Fiasko macht, während Leute, die zu Hause nur schwer der konventionellen Form genügten, gerade hier mit bestem Erfolge tätig sind. Ein ganzer Mensch wird in den Kolonien nichts von seinem Wesen verlieren, sondern im Gegenteil reiche Gelegenheit zu tausendfachen Erfahrungen haben, die er in der Heimat nirgends schöpfen kann. Das beste ist gerade gut genug für die harte Arbeit auf afrikanischem Boden; aber das »Beste« nicht gemessen mit dem Maße der Herdentiermoral, sondern nach dem Wollen und Können.

Wir brauchen hier ganze Männer. Schicken wir diese hinaus, so werden nicht nur die Kolonien ihren Vorteil davon haben, sondern eine starke Rückwirkung auf unser ganzes Volk wird nicht ausbleiben. Kehren sie nach Jahren in die Heimat zurück, so werden sie nicht nur ein Verständnis dafür haben, an der Ausgestaltung der deutschen Scholle mitzuarbeiten, sondern auch imstande sein, den Blick weiter Kreise dafür zu schärfen, was unserm Vaterlande im Wettbewerbe aller Völker in der weiten Welt nottut. Man wird diesen Nutzen unserer Schutzgebiete zwar nicht nach Maß, Gewicht oder klingender Münze berechnen können, aber er ist darum nicht weniger hoch anzuschlagen als alle die Tonnen Baumwolle oder Palmöl, die wir aus ihnen gewinnen. Es muß doch ein gutes Stück Afrikafreudigkeit in den Kolonialbeamten stecken, wenn so viele von ihnen trotz aller Enttäuschungen, die keinem erspart bleiben, von neuem hinausgehen, ohne daß etwas anderes sie dazu treibt, als die Lust und Liebe am kolonialen Berufe. Ich kenne eine ganze Anzahl von Militär- und Zivilbeamten, die nicht einmal, sondern soundso oft von den schwersten, lebensgefährlichen Tropenkrankheiten befallen wurden und trotzdem immer wieder von neuem auf ihr altes Kampffeld zurückkehren.

Jeder, der zum ersten Male hinauszieht, steht zunächst vor völlig Neuem, jeder muß lernen und in vielen Dingen von vorn anfangen. In Deutschland besteht noch keine Kolonialschule für Beamte. Für Pflanzer, Farmer und Landwirte haben wir in Witzenhausen bei Kassel eine deutsche Kolonialschule, die ihre Zöglinge theoretisch und praktisch für ihren zukünftigen Beruf vorbildet.

Wenn ich auch den Wert allgemeiner Vorkenntnisse bei Eintritt in die koloniale Laufbahn nicht bestreite, so bleibt meiner Überzeugung nach die beste Kolonialhochschule für den Beamten immer die Kolonie selbst. Sie wird es auch auf lange Jahre hinaus noch bleiben müssen, denn der Versuch, etwa in Deutschland eine Kolonialakademie zu gründen, würde höchstwahrscheinlich jetzt noch elend scheitern an der Teilnahmslosigkeit der Heimat. Die zur Vorbereitung für höhere Kolonialbeamte empfohlene Arbeit in einem großen Exporthause ist in der Theorie vielleicht gut gemeint, ist auch in einzelnen Fällen versucht worden, aber praktisch stößt die Durchführung dieses Planes auf die größten Schwierigkeiten. Vor allem fällt es den Firmen gar nicht ein, einem Beamten einen tieferen Einblick in den Geist ihres sorgfältig geheimgehaltenen Geschäftsbetriebes zu gestatten; und ihn nur mit der Buchführung, Korrespondenz oder anderen Äußerlichkeiten vertraut zu machen, scheint mir wenig Nutzen zu versprechen. Eher würde noch die Beschäftigung in einer größeren Handelskammer zu einem Ziele führen können.

Viel wertvoller aber würde es für begabte und wirklich strebsame Beamte sein, wenn sie ein Jahr lang oder länger in eine oder mehrere fremdländische Kolonien gehen könnten, die Verhältnisse aufweisen, die denen der deutschen Kolonien, in der sie Verwendung finden sollen, ähnlich sind, um dort die öffentlichen Arbeiten, die Behandlung der Eingeborenen und alle die Verhältnisse, die einem offenen Auge ohne weiteres zugänglich sind, sich gründlich anzusehen. Auch in unsern eigenen Kolonien haben wir einzelne Beamte, die durch eine langjährige erfolgreiche Tätigkeit ihre Befähigung erwiesen haben. Ihnen könnten Anfänger zum Anlernen und Einarbeiten überwiesen werden. In jedem andern Berufe gibt es Probejahre, so daß man auch den Kolonialbeamten ein solches zumuten kann. Freilich sollte der Beamte auch die Gewißheit haben, daß er nach erfolgreich abgeleisteter Probezeit eine wirklich dauernde Beschäftigung und Anstellung im Kolonialdienste zu erwarten hat.

27. Mai

Heute morgen fuhr ich zusammen mit Oberleutnant Sch. nach der Quarantänestation zu einer mit Dr. Moiton, dem französischen Arzte Grandpopos verabredeten Zusammenkunft. Der vornehmste Grund unserer Begegnung war natürlich der, unsere Ansichten und Beobachtungen über das Gelbfieber, unsere Erfahrungen, die wir am Krankenbett über seinen Verlauf gesammelt hatten, über die Mittel zu seiner Bekämpfung usw. auszutauschen. Aber nach Erledigung dieser Hauptaufgabe blieb uns noch genügend Zeit, auch über die sonstigen ärztlichen und innerpolitischen Verhältnisse der französischen Nachbarkolonie eingehende Erkundigungen einzuziehen.

Was ich darüber hörte, brachte mich zu der Überzeugung, daß wir deutschen Beamten in Togo es im Vergleich zu unsern Nachbarn zum mindesten nicht schlechter haben. Die Gehälter der französischen Beamten sind durchweg niedriger, die Dienstzeit länger und die beruflichen Schwierigkeiten wenigstens ebenso groß wie bei uns; der bürokratische Instanzenweg sogar noch länger als der unsere. Ist z. B. irgendein wichtiger hygienischer Antrag zu stellen, so geht er vom Arzte zunächst an den Chef de Santé der Kolonie, von diesem ans Gouvernement, von dort an den Generalgouverneur, der seinen Sitz in Saint Louis (im Senegal) hat und von diesem ans Kolonialministerium in Frankreich. Die Ausrüstung des Hospitales in Grandpopo – Dahome hat allerdings mehrere Krankenhäuser für Europäer – kann sich in keiner Weise mit der unseres Nachtigal-Krankenhauses messen.

Für ihre Mangelhaftigkeit hatte ich außer durch gelegentliche Erzählungen der dortigen Weißen, die es nur ungern aufsuchen und in Erkrankungsfällen lieber nach Kleinpopo kommen, kürzlich einen drastischen Beweis. Als sich ein französischer Zollbeamter eine schwere Schußverletzung zuzog, mußte Dr. M. telegraphisch von mir das für einen Verband erforderliche Material erbitten, weil in den dortigen Beständen nichts vorhanden war.


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