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Malaria-Schutz durch Chinin

Anfang Februar

Vor einiger Zeit kam ein Oberleutnant Pr. aus Lome, ein Landsmann (sächsischer Pionier), bei mir zu kurzem Besuche an, hauptsächlich um mich wegen der Folgen einer ernsten Verletzung zu konsultieren, die er vor einigen Wochen erlitten hat. Die Bauhütte der Landungsbrücke in Lome war in Flammen aufgegangen. Pr. hatte sich auf dem Brandplatze in seiner Eigenschaft als Bezirksamtmann von Lome zu schaffen gemacht, als das Dach des Schuppens niederging und ihn zum Rückzug zwang. Bei dieser Gelegenheit mußte er eine zur Absperrung lose über zwei Zementblöcke gelegte Eisenbahnschiene überspringen und kam dabei zu Fall. Die schwere Schiene fiel ihm quer übers Gesicht und verursachte eine schwere Verwundung: außer einem gewaltigen Durchzieher über die rechte Backe und dem Verlust einiger Zähne eine Quetschung mehrerer Gesichtsnerven u.a. Die durch letztere hervorgerufenen Störungen werden voraussichtlich die hartnäckigsten sein und nur langsam zur Heilung kommen.

Außer Pr. haben noch einige andere Beamte aus L. in den letzten Tagen das Krankenhaus zu längerem Aufenthalte aufgesucht. Die berufliche Arbeit hat sich augenblicklich im Vergleich zu früher gehäuft, besonders dadurch, daß zwei Schwestern gleichzeitig erkrankt sind und nun, anstatt helfen zu können, selbst der Hilfe bedürfen. Schwester F. liegt mit einem Malariarückfalle und Schwester G., die erst seit reichlich zwei Monaten hier weilt, mit ihrem Erstlingsfieber. Beide büßen ihren trotz energischen Abratens angestellten Versuch, ohne prophylaktisches Chinin auszukommen. Die dritte Schwester ist bereits über 1½ Jahr unter regelmäßigem Chiningebrauch völlig malariafrei geblieben.

In einigen Wochen will ich die Resultate, die sich bisher bei der Beobachtung der verschiedenen Arten des prophylaktischen Chiningebrauches in Kleinpopo ergeben haben, zusammenstellen Veröffentlicht im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene, Bd. VII, Heft 8. Weitete Beiträge: Bd. IX, Heft 6.. Ich schickte zunächst an alle hiesigen Europäer Fragebogen, in denen ich sie um genaue Angaben über Dauer ihrer Tropenzeit, überstandene Fieber, über die Art, sich mit Chinin zu schützen, und alle übrigen dieses Gebiet berührenden Fragen bat. Aus den einlaufenden Antworten war aber deutlich zu ersehen, daß viele dabei recht oberflächlich verfahren waren. Viele sogenannte »kleine Fieber« waren verschwiegen worden, obwohl gerade sie, wenn sie nicht ordentlich ausgeheilt werden, besonders häufig die Ursache des gefürchteten Schwarzwasserfiebers sind; manche Europäer konnten sich überhaupt auf die Zahl, die Zeit und den Verlauf ihrer einzelnen Krankheiten nicht mehr besinnen und gaben so wieder den Beweis für die weitverbreitete Gleichgültigkeit in gesundheitlichen Dingen. Ich habe deshalb möglichst durch gelegentliches, mündliches Befragen die schriftlich erteilten Antworten kontrolliert und ergänzt und war oft erstaunt über die verkehrten Ansichten, auf die ich bei dieser Gelegenheit stieß.

Je besser ich die Gesundheitsverhältnisse unserer Kolonie überblicken lerne, um so mehr festigt sich in mir die Überzeugung, daß von den vielen »Tropenkrankheiten« dem Leichtsinn oder sogar der Selbstverschuldung der Kranken ein großer Teil zuzuschreiben ist. Aber auch die allgemeinen hygienischen Maßnahmen, für welche die Regierung zum Schutze der Gesundheit der Kolonisten zu sorgen verpflichtet wäre, lassen noch viel zu wünschen übrig. Oft fehlen die Mittel, sie in Angriff zu nehmen, oft wird aber auch da gefehlt, wo pekuniäre Opfer nicht in Frage kommen. Es ist z. B. schon längst die allgemeine Erfahrung gemacht worden, daß der Europäer nach ungefähr 1 1/2jährigem Aufenthalte in unserem Klima gesundheitlich gewöhnlich auf dem Punkte angelangt ist, daß er einen Erholungsurlaub nötig hat. Auf Grund dieser Erfahrung ist von der vorgesetzten Behörde die 1 1/2jährige Dienstzeit für Togo und Kamerun eingeführt worden.

Trotzdem bleibt eine, große Anzahl von Beamten weit über diesen Termin ohne Urlaub in der Kolonie, sei es, daß sie dazu gezwungen sind, weil kein rechtzeitiger Ersatz für sie aus Deutschland eintrifft, sei es, daß sie die Verlängerung ihrer Dienstzeit im Vertrauen auf ihre Widerstandsfähigkeit oder in dem Wunsche, eine ihnen liebgewordene Tätigkeit möglichst lange ausüben zu können, selbst gewünscht haben. Gerade auf diese verlängerte Dienstzeit der Beamten entfällt ein großes Kontingent von schweren Erkrankungen, ja selbst Todesfällen. Die Engländer beurlauben ihre Beamten in der benachbarten Goldküstenkolonie bereits nach einem Jahre, die Franzosen in Dahome allerdings erst nach 21 Monaten; aber ich glaube, daß wir mit unserer 1 1/2jährigen Dienstzeit die richtige Grenze getroffen haben, über die ohne zwingenden Grund nicht hinausgegangen werden sollte.

Augenblicklich bin ich damit beschäftigt, für den nächsten Etat des Schutzgebietes mit Hilfe eines Architekten Pläne und Kostenanschlag für einen einfachen Neubau einer Eingeborenenpoliklinik auszuarbeiten. Unsere jetzige enge Bude wird immer baufälliger, durch den Harmattan ist ein großer Teil des Mauerwerkes gerissen und abgebröckelt, auch der Platz ist unzureichend für die wachsende Zahl der hilfesuchenden Schwarzen, ganz abgesehen von dem wahren Hohn auf alle Regeln der Anti- und Asepsis dieses Lokales. Ich habe zwar Bedenken, ob mein Antrag Gehör finden wird, aber G. hat mir Mut gemacht. Ich habe ihn ans Gouvernement einzureichen, und wenn dieses ihn in den Etat aufnimmt, hängt seine Bewilligung wieder von der Kolonialabteilung ab und in letzter Instanz vom Reichstage. Es ist also ein langer Weg, auf dem drei Klippen zu überwinden sind Der Antrag fand keine Genehmigung. Später erbot sich der Chef der Firma M. Paul in Bremen ein bei Kleinpopo gelegenes, ihm gehöriges Haus kostenlos als Poliklinik zur Verfügung zu stellen, falls die Regierung die Instandhaltung des Gebäudes gewährleiste. Leider konnte das Anerbieten wegen der ungünstigen Lage des Hauses nicht angenommen werden. Auch ein Eingeborener Garber erklärte sich bereit, aus eigenen Mitteln nach meinen Angaben einen Neubau auszuführen, wenn ihm ein angemessener Mietspreis sicher wäre.. Damit der Kostenpunkt nicht hindernd im Wege steht, will ich nur 18 000 M. erbitten, das ist der Betrag, der durch die Einnahme aus verkauften Arzneien und Gebühren für Behandlung in der Poliklinik bei ihrer jetzigen Frequenz verzinst und in einigen Jahren amortisiert werden kann.

 

Kleinpopo, 16. Februar

»Lucie Woermann«, einer der neuesten Woermanndampfer, kam heute nachmittag auf der Rückreise von Kamerun hier durch. Der Reeder A. W. selbst mit Frau kehrte von einer Orientierungsreise auf ihm in die Heimat zurück. Dr. Gr., mehrere andere Europäer und ich fuhren durch die Brandung hinüber. Ersterer lud in seiner Eigenschaft als Bezirksamtmann W. ein, auch unserm Orte, mit dem er ja ausgedehnte Handelsbeziehungen unterhält, einen kurzen Besuch abzustatten. Leider wurde die Einladung abgelehnt, und so manche Wünsche, die von den Vertretern der hiesigen Firmen ihm gern persönlich vorgetragen worden wären, mußten unausgesprochen bleiben. Die Woermannlinie ist bisher die einzige für die deutschen westafrikanischen Länder in Betracht kommende Reederei. Mit demselben Schiffe reisten zwei von den drei Deutschen, die ich im Juli vorigen Jahres zu Tischgenossen während der Ausreise gehabt hatte, zu weiterem Tropendienste unfähig, ins heimische Klima zurück; der eine, um dort von einem schweren Herzleiden, der andere, um von schwächenden Fieberanfällen Genesung zu suchen Der dritte meiner damaligen Reisegenossen, Graf F. v. G., starb einige Monate später durch den vergifteten Pfeil eines Negers im Kamerunhinterland.. Sie hatten also nicht viel über 1/2 Jahr den Tropen getrotzt.


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