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Eine Seekuh

20. Juli

Heute machte ich hier eine seltene Beute, oder war vielmehr Zeuge, als sie gemacht wurde. Ich fuhr, von Moritz begleitet, im Kanu nach Sebe. Unterwegs traf ich am Strande von Adjido fischende Schwarze. Ich sah ihnen eine Zeitlang zu, wie sie ihre großen Netze ans Land zogen, um einige Lagunenhechte oder sonstige brauchbare Fische fürs Krankenhaus einzukaufen. Da sie bei ihrer Arbeit einen außergewöhnlichen Lärm vollführten, glaubte ich zunächst, es hätte sich ein Krokodil in ihrem Netze verstrickt und rief ihnen zu: »élo élè?« ist es ein Krokodil? »O, nyoe« (eine Seekuh ist es), kam es zurück. Dieses letztere Wort kannte ich nicht.

Nachdem ich einige Minuten hatte neugierig warten müssen, brachten sie das Netz endlich auf den Strand und hatten darin ein großes dunkles Etwas. Gesehen hatte ich das Tier zuvor noch nie, entsann mich auch nicht, es von Abbildungen her wiederzuerkennen. Auf den ersten Blick erinnerte es an einen Seehund, dazu war es aber zu groß. Ähnlichkeit hatte es auch mit einem Wal, doch der deutlich abgesetzte Hals verriet, daß es auch kein Wal sein konnte. Was war es nun? Es trug zwei Vorderflossen und eine Hinterflosse, hatte einen verhältnismäßig kleinen Kopf mit wulstiger Schnauze und kleinen versteckten Augen, grauschwarze Haut, die mit dünnen Borsten bedeckt war. Ich beobachtete das seltsame Tier von allen Seiten und machte schließlich den Fischern den Vorschlag, es zu kaufen. Aber mein Angebot stieß auf unüberwindlichen Widerspruch, weil das Fleisch dieses nyoe sehr gut schmecke. Endlich gelang es mir, wenigstens den Kopf des Tieres zugesprochen zu bekommen. Am Nachmittage auf der Rückfahrt von Sebe wollte ich ihn mir abholen. Als wir zurückkamen, waren die Schwarzen beim Schmause. Trotz des äußerlich appetitlichen Aussehens verbreitete das fetttriefende Fleisch einen widerlichen, tranigen Geruch. Ich handelte den Schädel für zwei Mark ein, dann ging's nach Hause, um an der Hand eines zoologischen Werkes das Tier zu bestimmen.

Diese Bestimmung fiel nicht schwer, weil außer den charakteristischen Eigenschaften des ganzen Tieres der Schädel die sehr auffällige Eigenschaft aufwies, daß er nur Backenzähne hatte, während Schneide- und Eckzähne vollkommen fehlten. Es ergab sich, daß sie einen Manati, eine Seekuh, gefangen hatten, ein für hiesige Gegend sicher seltenes Tier, denn ich habe von seinem Vorhandensein in den Gewässern Togos bisher weder gehört noch gelesen. Mit einer Kuh hat es freilich wenig gemeinsam, höchstens das, daß es die auf dem Fluß oder Lagunengrunde wachsenden Wassergräser abweidet. Den Schädel habe ich in Bearbeitung genommen. Da die Tiere in kleineren Gruppen leben sollen, will ich Anweisung geben, daß ich benachrichtigt werde, falls sie ein zweites fangen, damit es mir dann möglich ist, ein ganzes Skelett zusammenzustellen.


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