Timm Kröger
Des Lebens Wegzölle
Timm Kröger

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2

Jetzt ist es lange her, aber als die Alten vom Rat zusammentraten, waren es erst wenige Tage. Es war um die Roggenerntezeit, nachmittags nach Kaffeetrinken, da ging Hans Rohwer zu Peter Holling, um ihm zu sagen, daß er, Holling, den Knick an der Meinerskoppel morgen früh ›dichten‹ (dicht machen, in wehrhaften Stand setzen) müsse, da er, Rohwer, seine Kühe übermorgen auf die Stoppelweide treibe. Die Knicke der Koppel waren zur Unterhaltung in Strecken abgeteilt, Peter Hollings Anteil hatte, wie Hans Rohwer gesehen, eine schlechte Stelle.

Hans Rohwer war ein Bauer, kaum vierzig, kräftig und breitschulterig, frisch und gesund. Er trug einen Naturhülsenstock und ging behäbig, breit und sicher dahin. Der Steinhöfer Bauer war im Dorf wohl gelitten und stand in hohem Ansehen. Vielleicht der reichste, war er nicht hochmütig, gönnte seinen Nachbarn Gutes und konnte auf ein Recht verzichten, wenn man ihm nicht ungehörig kam. Freilich, trumpfte man auf, wollte man ihm mit Gewalt was abtrotzen, dann wurde er eigensinnig und setzte sich auf die Hinterbeine.

Sein Verhältnis zum Zollhaus war ein gutes; er war der einzige Sohn der Steinhöferin, der Zollwirt hatte nur eine Tochter, im Alter paßten sie nicht ganz zusammen, aber man erwartete die Verlobung. So sagten einige; andere aber behaupteten, das sei ganz gefehlt, Hans Rohwer wolle überhaupt nicht ›freien.‹

Als Hans zum Zollhaus kam, war Peter gerade dabei, ein Fuhrwerk, das in der Durchfahrt hielt, anzuschirren.

Beim Zollhaus war Gast- und Schenkwirtschaft. Es lag am Kreuzweg, ganz ausgezeichnet. Zwei Einfahrten: die eine, deren mächtige Torflügel jetzt zurückgeschlagen waren, dem Fuhrmannsgast freie Fahrt zu geben, fing die Reisenden der Landstraße ab, die andere die, die den Weg über Aubrücke und über das Moor einschlugen. Im Schenkschrank hinter der Tonbank steckten weiche Tücher, die die Grog- und Bierringe fleißig von rohen Eichentischen wischten. Man sah nicht selten zufriedene Gäule, die Zäume auf den Hals zurückgeschlagen, aus den vorgesetzten Krippen futtern. Peter Holling hatte es gut, denn von den Wagen, die über das Moor fuhren, hob er nicht nur, wenn sie einkehrten, das Zehrgeld, sondern er brandschatzte sie auch noch, die einkehrenden sowohl wie die vorbeifahrenden, mit zwei Schillingen Wegzoll. Kehrte ein Fuhrmann ein, so pflegte er freilich Anwandlungen von Großmut zu bekommen und je nach dem Betrag der Zeche wortlos einen Sechsling (soviel wie ein halber Schilling), einen ganzen Schilling, drei Sechslinge oder gar den ganzen Wegzoll mit runden zwei Schillingen zurückzuschieben, während der Rest mit einem angenehmen Kling-klang in die immer mit Kleingeld gefüllte Hosentasche fiel.

Es gilt für unhöflich, gleich mit einem Anliegen herauszurücken, ganz besonders, wenn es heikler Natur ist. Deshalb kam Hans nicht sofort mit seinem Ansinnen. Als der Gast abgefahren war, begleitete er den Wirt nach der Au, wo Peter den Wasserstand feststellte, ob das Vieh noch zu trinken habe. Der zur Sicherung des Wegzolls angebrachte Sperrbaum lag schon jahrelang neben dem Pfahl, die Vorrichtung, womit Peter früher den Baum vor den Pferdeköpfen aufsässiger Fuhrleute niedergeschnellt hatte, war verschwunden.

»Soll das nicht wieder in Ordnung?« fragte Hans.

»Hat keine Eile«, erwiderte Peter. »Die Leute, die hier fahren, wissen alle, daß sie zu zahlen haben, und zahlen auch alle. Ich weiß die Zeit nicht, daß einer durchgebrannt ist. Wenn keiner da ist, halten sie still und knallen mit der Peitsche, bis jemand kommt.«

»Ja, wenn das so ist ... will dir nicht wünschen, daß mal einer auf den Einfall kommt, nicht zu zahlen. Vor Gericht, glaube ich, kannst dus nicht durchsetzen.«

Wie Hans das sagte, erhielt Peter eine verdrießliche Miene. Er verstand überhaupt nicht viel Spaß. Er hatte zu viel Kleingeld eingenommen. Der ewig sickernde Strom hatte ihn geldgierig und rechthaberisch gemacht, es war ihm auf die Seele gefallen und hatte vieles, das einmal weich und frisch und jung gewesen war, zugedeckt.

Ja, die mit ihm jung gewesen, die kannten ihn anders. Er hatte damals freilich auch schon eine unternehmende Nase gehabt, aber doch nicht die Pfrieme, die jetzt in seinem Gesicht saß. So ist sie erst bei dem ewigen Geldschnüffeln geworden. Als er jung war, hielt er sich zu dem nun schon lange verstorbenen Hinrich Beckmann. Ein Durchgänger war er; wenn er getrunken hatte, fing er an zu kreteln und wurde ein Raufbold. Wenn in Schönmoor Jahrmarkt war und die aus Warl ihren Gesang anstimmten, das herausfordernde: »Lustig sind die Warler«, dann zogen sie beide, er und Hinrich Beckmann, die Jacken aus, bereit, jedem aus anderen Bauerlagen, der zu ihrem Gesang auch nur mit einem Auge scheel sah, hinter die Ohren zu schlagen.

Aber das war lange her. »Lustig sind die Warler« sang er nicht mehr. Dafür interessierte er sich nicht mehr. Jetzt hatte er Neigung, wütend zu werden, wenn man an sein Hab und Gut kam. Zum Beispiel jetzt, als Hans Rohwer sagte, bei Gericht könne er den Wegzoll nicht durchsetzen. Und er wurde, als er ›drang‹ dreinsah, mager und spitz wie ein Pfahl.

Er stand in den fünfziger Jahren und war ein dünner Kostgänger am Herrgottstisch. Etwas Greisengraues hatte seine Erscheinung immer gehabt, da machte es nichts aus, daß sein Haar schon Altersfarbe zeigte. Blauleinen und buntes Überhemd, ohne Rock und Mütze, das war seine gewöhnliche Tracht. Seine Hosen hatten starke Taschen, alle Wegzoll- und Vierschillinge fielen aus freiem Handgelenk hinein.

Als der Steinhofer gesagt hatte, bei Gericht könne Peter Holling seinen Wegzoll nicht durchsetzen, warf er giftig hin: »Dir tun wohl die paar Taler leid, die es dir kostet?«

Hans blieb ruhig. Er setzte den Knotenstock weit vom Leib und ließ seine Augen auf dem Zollwirt ruhen. »Nachbar«, sagte er, »von mir ist nicht die Rede. Ich komme darüber hinweg, hab bis jetzt noch gar nicht darangedacht, ob ichs sparen könnte. Ich hab nur im allgemeinen gemeint. Aber wenn dirs unangenehm ist, dann sprechen wir nicht davon. Ich kam, dir was zu sagen. Aber ich treff dich nicht bei Laune, da will ichs lieber schreiben. Mein Junge solls herbringen. Zu lange Zeit hats leider nicht, was ich sagen wollte. Adjüs, Peter.«

Nun kam Peter zur Vernunft. »Bleib, Hans!« rief er. »Nimms nicht gleich krumm, wenn der Ärger mal über mich kommt.« Er ließ nicht nach, Hans mußte mit ins Wirtszimmer und ein Glas Grog trinken.

Peter wollte gut machen, was er schlecht gemacht hatte, er steckte sein bestes Gastwirtsgesicht auf. Er geleitete seinen Besuch in die Schenkstube und war so nett, wie er konnte.

Seine Tochter Anna, die nach dem Tode der Mutter das Hauswesen führte, war im Schenkzimmer hinter der Tonbank. Sie sah es dem Vater trotz seines Lachens an, daß er sich geärgert habe oder doch erregt sei. Der schenkte nicht nur seinem Gast, sondern auch sich ein. Bei solchen Anlässen konnte es vorkommen, daß der Zollhauswirt zu viel trank. Strickend saß Anna und hörte auf das Gespräch der Männer, immer in Angst, daß etwas Unangenehmes passiere.

Mit seinem Nachbar stieß Peter an. »Nun wollen wir mal die Sache vernünftig bereden.«

»Ja«, antwortete dieser, »das wollen wir, aber erst will ich mein Gewerbe anbringen, ich könnte es sonst ganz vergessen. Und es hat Eile. Du mußt morgen die Meinerskoppel dicht machen, da ist eine schlechte Stelle, übermorgen jage ich hinaus.«

Das paßte unserm Peter nicht. Er mochte nicht gerne dicht machen, darin war er nachlässig. »Hm, hm!« murmelte er. Da knallte draußen ein Fuhrmann, der seinen Doppelschilling los sein wollte. Peter ging hinaus, den Tribut zu empfangen. Als er zurückkam, war er wieder ein guter Peter und sagte zu, er wolle morgen nachsehen lassen: »Ja, das muß ich denn ... ja wohl tun«, kam es immer noch ein bißchen lang und gequetscht.

In dem Augenblick trat Marie Olfers, die bei Peter diente, ein und setzte den Männern zwei heiße Gläser hin.

»Ja«, sagte Hans, »daß du morgen in Meinerskoppel dicht machst, da kann ich mich doch drauf verlassen?«

»Da kannst du dich drauf verlassen«, erwiderte der Zollwirt.

Marie ging in die Küche zurück.

»Aber«, sprach Peter weiter, »nun wollen wir mal ganz vernünftig das andere bereden. Wie meintest du das eigentlich, als du sagtest, vor Gericht könnte ich mein Recht nicht durchsetzen?«

»Ja, Peter, ich meinte das so, wie ich sagte. Ich meine: ein Recht hast du nicht, und deshalb kannst du es nicht durchsetzen.«

Wie ihm das so trocken und dürr ins Gesicht gesagt war, da wurden Peter Hollings gute Vorsätze wieder vom Zorn verzehrt. Eine jähe Röte stieg in sein Gesicht. »Kein Recht?« fuhr er auf. »Dann stehl ich euch wohl die Schillinge?«

»Das sagst du, Peter. Ich hab das nicht gesagt.«

Dem Zollwirt schwollen die Stirnadern. »Wer was nimmt und hat kein Recht, der stiehlt, und wenn ich kein Recht habe, bin ich ein Dieb.«

»Ja, wenn du es wüßtest. Da du es aber nicht weißt und dich im Recht glaubst, nimmst du zwar etwas, wozu du vor dem Gesetz kein Recht hast, bist aber kein Dieb.«

»Was, ich ein Dieb? Das sollst du mir wahr machen!« Peter bog sich mit spitzer Nase zornig zu Hans hinüber und schlug auf den Tisch .»Zum Donner nochmal!« begehrte er auf.

»Vater!« rief Anna. Eigentlich bemerkten die Männer nun erst, daß sie nicht allein waren. »Vater!« rief Anna und legte ihren Strickstrumpf auf die Tonbank, »sei doch ruhig, sei doch vernünftig! So was, wie du sagst, hat Nachbar doch gar nicht gemeint und auch nicht in den Mund genommen.«

»Hast recht, Anna«, sagte Hans, »hast recht, brauchst aber keine Angst zu haben, daß wir in Unfrieden kommen. Dein Vater hat mir zugesagt, wir wollens vernünftig bereden. Und er wird sein Wort halten.«

Peter aber schrie seine Tochter an: »Was hast du hier herumzusitzen, wenn Nachbarn was miteinander auszumachen haben?«

Anna wußte, wenn Vater in solchem Ton redete, dann mußte man ihn gewähren lassen. Sie ging nach der Küche. ›Was soll das werden, wie wird das enden?‹ seufzte sie. ›Da kommt noch ein großes Erzürnen heraus.‹ Sie kannte ihren Vater: wenn man den Zoll in Zweifel zog, dann behielt er seinen Verstand nicht beisammen.

Von der Stube her hörte sie ihren Vater laut und aufgeregt sein Recht darlegen, und dazwischen Hans Rohwer. Aber dessen kräftiges, rollendes Organ blieb ruhig, allmählich schien auch ihr Vater sachter zu werden.

Hans Rohwer machte, so viel hörte sie, den Vorschlag, bei dem Amt um eine Entschädigung einzukommen und den Zoll aufzugeben. Aber das warf Peter Holling weit weg. Er wolle es so lassen, wie es sei, sagte er. So und soviel mal tags zwei Schillinge sei auch Geld.

Und darauf Hans: »Wunderschönes Geld, wenn dus nur kriegst. Aber wenn sich einer aufsetzt, kriegst dus von keinem mehr.«

»Donner und Doria«, hat Peter wieder geflucht, »da soll man mir kommen! Ich hab Papiere.«

In der Stube wurde ein Stuhl gerückt. Anna wußte: nun steigt Vater hinauf und kramt die alten Dokumente heraus, die in dem Wandschranke liegen, der über dem Bett eingetäfelt ist. Nun setzt er den Fuß wieder auf die Erde, nun faltet er die Papiere auf dem Tisch auseinander. Ein Reiben, ein Knistern. Hans Rohwer liest. Er liest die altgeheiligten Privilegien des Hauses, das vor Alter gelbe Dokument mit der Frakturschrift der ersten Zeile, mit den Arabesken um den Eingang: ›Wir, Friedrich der Sechste, König von Dänemark, Herzog...‹ und so weiter. Anna kannte die Papiere und hatte sie gelesen, da stand alles verbrieft und beurkundet, der Besitzer vom Zollhaus solle für ewige Zeiten das Recht haben, den Wegschoß von zwei Schillingen zu erheben. Daran ließ sich nicht rütteln, da brauchte Vater keine Angst zu haben, darin hatte Nachbar Rohwer unrecht.

Eine ganze Minute lang hörte die horchende Anna nichts. Hans Rohwer war still, er fing also an, sein Unrecht einzusehen. Über die Privilegien konnte er natürlich nicht hinweg, die mußte er lassen, auch, wenn er dreimal las.

Aber hör, Hans Rohwer spricht wieder.

»Leg die Papiere man wieder weg, Peter. Die kenne ich, das sind dieselben, die auf dem Amt liegen, wo sie jeder lesen kann.«

»So? – Na, nu!«

»Da kannst du nichts mit beweisen.«

»Nichts mit beweisen? Und hier steht ›für ewige Zeiten‹? Ich hab meine Brille nur nicht, aber da muß es stehen.«

»Ja, ja«, erwiderte Hans Stimme, »da stehts, aber hier steht auch was« – Anna sah es ordentlich, jetzt legte Hans seinen Finger auf die Stelle, wo was stehen sollte – »da steht was Lateinisches, und darin liegts.«

»Kannst du denn Latein?«

»Nein«, erwiderte Hans Rohwer. »aber ich kenn einen, der sich darauf versteht.«

»Affkatenstreiche«, brauste Peter auf.

»Vielleicht«, antwortete Hans Rohwer gleichmütig. »Ich weiß nur: seitdem das Amt Weg und Brücke bessert und wir dafür kontribieren, hat der Wegzoll keinen Grund mehr.«

»Affkatensnack!« kam es noch giftiger.

Ihr Vater stieß das heraus, wie er die Türklinke in der Hand hatte. Draußen hatte sich ein Fuhrmann gemeldet, den Wegzoll zu zahlen. Durch das Küchenfenster sah Anna, wie ihr Vater das Geld einkassierte. Er mußte einen Preußen wechseln und gab Kleingeld aus der Hosentasche zurück. Einen ganzen Berg schüttete er in die Linke und sammelte die Münze, die er brauchte, heraus. Und eine Weile blieb er stehen, die Hand an der Wagenleiter, mit dem Fuhrmann plaudernd. Das war seine Gewohnheit, er fühlte die Verpflichtung, für einen Doppelschilling höfliche Worte zu sagen. Wie die Ernte ausgefallen sei und ob man wohl gutes Wetter für den Rest und zum Düngerfahren und für die Saat bekomme. Diesmal blieb er aber länger als gewöhnlich. Wie Anna vermutete, um sich abzukühlen, sich zu besinnen. Er hatte auch Gründe, es mit Hans Rohwer nicht zu verderben. Ohne Rock und Mütze stand er am Wagen, die Sonne schien, aber der Himmel war bunt, Wolken segelten, es blies ein rascher Wind vom Himmel und wühlte dem ältlichen Mann in den Haaren.

Anna saß in der Stube, als Peter zurückkehrte. Sie hatte es für besser gehalten, zugegen zu sein, sie saß mit ihrem Strickstrumpf wieder hinter der Tonbank. Warum Hans den Brückenzoll wohl bestritt? Konnte er die Sache nicht gehen lassen? Vater hatte die zwei Schillinge immer gehoben, und Großvater und dessen Vater auch, vielleicht noch weiter hinauf. Und nun sollte das alles zu Unrecht geschehen sein? Anna erstarb sonst, wie alle jungen Mädchen im Dorf, in Respekt vor Hans Rohwer, denn er war klug und zum Heiraten nicht zu alt und stattlich, aber – nein, darin konnte sie ihm nicht recht geben. Zur Kosakenzeit ist ein betrunkener Soldat in der Dunkelheit von der Brücke in den Fluß geritten und mit seinem Pferd ertrunken, hat die Großmutter erzählt. Da hat die Brücke zum ersten mal ein Geländer erhalten. Früher sollen die vom Zollhaus die Brücke ausgebessert und den Moorweg unterhalten haben; zu Annas Zeiten ist das wohl nur wenig geschehen. Aber das alles ist ganz einerlei. Was weiß ein junges Mädchen von solchen Sachen! Die blonde Anna sah mit ihrem braun verbrannten netten Gesicht, als sie das dachte, mit blauen Augen sah sie sinnend und Antwort heischend aus ihren schon recht lang geratenen Strickstrumpf und auf ihre fleißigen Hände, als ob ihr von da der Wirrsale Lösung werden müsse.

Als Peter wieder hereinkam, hatte er ein verbindliches Wirtsgesicht, seine Tochter schien er nicht zu bemerken.

»Hans«, sagte er, »laß gut sein. Wir wollens lassen, wie es ist, und uns nicht erzürnen. Wenn ich zu viel gesagt hab, entschuldige, es war nicht bös gemeint. Da wird viel rausgeschmissen, was obenauf liegt. Wir wollen uns vertragen.« Er reichte seinem Nachbar die Hand.

»Bißchen grob warst, von Erzürnen weiß ich eigentlich nichts«, erwiderte dieser. Ja, in diesem Ton, wenn man ihm so kam, dann war er immer zu haben.

Peter spendierte zwei Glas. Sie stießen an und tranken das heiße Getränk. »Das nächste Glas zahl ich«, erklärte Hans.

Es waren zwei im allgemeinen nüchterne Leute, die tranken jetzt mehr Rumgrog, als für sie dienlich war. Bekamen rote Köpfe, und die roten heißen Köpfe schienen ihnen recht, denn sie waren des Friedens und der Menschenliebe voll.

Schließlich wollte Peter noch ein Glas auftragen, aber Hans wehrte ab: »Nicht mehr, nun ists genug, ich soll nur die ›Balance‹ halten, wenn ich nach Hause gehe.« Er suchte nach seiner Mütze, Peter wollte Anna sagen, sie möge suchen helfen, aber Anna war nicht mehr da. Man fand das Gesuchte schließlich auch ohne sie.

Im Zimmer war die Luft drückend gewesen, draußen fiel die Abendkühle ins Land. Sie tat den Männern gut, Hans Rohwer bewahrte gute Haltung.

Immer ohne Rock und Mütze, begleitete der Zollwirt seinen Gast, bis zum Hecktor von Jochen Vollstedt. Und redete und spaßte, und Hans redete auch, beide sprachen Lustiges, zwischen ihnen war eitel Frieden. Und sie reichten sich die Hände, als Hans Rohwer schließlich, wie immer in selbstbewußter Gradheit, sicher und breit wegging.

Er war schon eine ganze Strecke gegangen, da drehte er sich um. »Peter!« rief er.

Peter hatte über Jochen Vollstedts Heck gelehnt und bei sich gemißbilligt, daß keine Rüben gesät würden. Nun ließ er Heck und Rüben und schenkte dem Steinhöfer sein Ohr.

»Denk an die Meinerskoppel!« rief Hans. »Morgen muß es sein, übermorgen jage ich hinaus.«

»Wird besorgt«, kam es von Peter zurück.

Hans ging rascher, als es seine Weise war, seines Wesens und seiner Kraft noch getroster als sonst. Und getrost sah er der fliehenden Sonne nach, die weit hinten im Westen, wo das Meer an Büsums grüne Küste branden mochte, unterging. Erst meinte er, sie werde Wasser ziehen, aber die Wolken spalteten sich rechtzeitig, und rund und voll und rot ging der Ball hinab. Man hält das für ein gutes Wetterzeichen. Die Erfahrung hatte den Steinhofbauer sonst vor zu starkem Optimismus behütet, jetzt aber, wo ihm das Blut so kräftig und so warm durch die Adern floß, war er seiner Sache sicher.

»Es wird gut«, murmelte er, »mit dem letzten Roggen kann es glücken.«


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