Jakob Christoph Heer
Laubgewind
Jakob Christoph Heer

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25

Dombaly, der Schönheitsmensch!

Ein so glänzendes Fest, wie er es am Altjahrabend gab, kannte Hilde kaum vom Hörensagen. Die Räume der weitläufigen Junggesellenwohnung, die über dem Atelier lag, erstrahlten in einer Fülle blendenden Lichtes, in einem duftigen Frühling von Blumen.

Hilde, die ihr geschmackvolles Königin-Luise-Kleid trug, bedurfte erst einiger Zeit, um sich in dem wunderbaren Künstlerheim, unter den auserlesenen Menschen des Dombalyschen Freundeskreises zurechtzufinden. Jugend! Junge Maler und Bildhauer, junge Schriftsteller, Dichter und Komponieren, das war die Gesellschaft. Die Namen zwar, die da von Mund zu Mund gingen, klangen Hilde meistens noch fremd, gehörten noch nicht der Öffentlichkeit an. Alle aber trugen auf ihren Stirnen einen Anflug Dombalyscher Genialität, und das Gemeinsamste unter ihnen war der Jugendstolz: »Wir sind die Kommenden! Heute noch unbekannt, sind wir morgen die Könige im Reich der schönen Geister und dürfen daraufhin heute schon die Welt verachten!«

Gewiß, eine Fülle von Geist, dachte Hilde, aber auch der müde Zug der großen Stadt, der durchschwärmten Nächte, Überreizung in Rede und Gebärde. In ihrer Seele erwachte das Gefühl ihrer Bürgerlichkeit, die Ablehnung gegen die genialische Gesellschaft. Die künftigen Säeleute der Kultur kommen doch nicht aus den Nachtcafés, die kommen aus stillen, heimlichen Stuben ringender Arbeit. Wie fühlte sie sich in diesem jungen und doch schon von einem Wurm angefressenen Menschenkreis mit ihrer eigenen Jugend so fremd!

Lachende Mädchen- und Frauenschönheit spielte sich durch die künstlerisch elegante und künstlerisch nachlässige Männerwelt dahin. Wovon war die Rede unter den Damen? »Man sah sonst größere Namen hier! Diesmal sind sie weggeblieben. Das spricht! Es ist wohl das letzte Fest, das in diesem Hause gefeiert wird!«

Hilde erglühte. Welche Gemeinheit, dem, dessen Gastfreundschaft man genoß, den Untergang vorauszusagen! Aber erzählte nicht auch Steiger, daß man den Ruin Dombalys mit Sicherheit erwarte? Die leichtsinnige Gesellschaft schwelgte auf einem sinkenden Schiff. Und wenn der ökonomische Zusammenbruch kam – stürzte da nicht auch der Künstler?

Ein Flüstern in der Gesellschaft. Bewegung – »die Indierin!« –

Dombaly, der diesen Abend in seiner hohen männlichen Schönheit wie ein Gott strahlte, führte sie heran – eine berückende, reife Schönheit, Hilde mußte sich's gestehen, ein Wunder von Weib, wie geschaffen, einen Maler zu berauschen und zu verzücken. Hätte sie es nicht gewußt, daß es eine Indierin sei, sie hätte Sakuntala, wie die Fremde nach dem Beispiel Dombalys hier genannt wurde, für eine Zigeunerin gehalten, für die Tochter eines Zigeunerfürsten. Die schlanke, unendlich biegsame Gestalt trug um die Stirn eine goldene Spange, die ihr das reich fließende, blauschwarze Haar zusammenhielt, und ein Kleid von orientalischem Stoff, das nur auf der einen Schulter von einer kostbaren Hafte gehalten wurde, die herrlich aufleuchtende andere aber und die Hälfte der wunderbar geformten Büste freigab.

Die gesamte Gesellschaft war von der Erscheinung Sakuntalas überrascht, eigenartig überrascht; Hilde so sehr, daß sie bei der Vorstellung das passende Wort nicht fand.

Seltsam gärte es in ihr auf. Aus der Tiefe ihrer Seele spürte sie es – sie haßte dieses Weib, mußte es hassen, ohne sich selber sagen zu können, warum. Neid oder Eifersucht? – Nein, in Dombaly verehrte sie ja nur den Künstler! Und wie Sakuntala vor der Gesellschaft zu erscheinen, hätte sie sich geschämt. Ja, da lag's! Die Indierin war kein Menschenbild, das in ruhiger, künstlerischer Schönheit wirkte, etwas unsäglich Nervenaufreizendes schimmerte, bebte, strömte, zuckte aus dieser Gestalt: brennende Glut, schwelende Leidenschaft, ein Zuviel heißen Blutes, das Hilde wie eine Bloßstellung ihres Geschlechtes vor den Menschen empfand.

Ihr war, als seien durch die Erscheinung Sakuntalas alle übrigen Damen der Gesellschaft zu Schatten herabgesunken. Sie selber mußte mit ihren Blicken die fremde Gestalt immer wieder suchen, das unbegreiflich wechselnde Spiel der geheimnisvollen Augen verfolgen. Jetzt unter den langen, schwarzen Wimpern frommes Träumen. Jetzt grünlich aufblitzendes Leuchten eines Katzenblickes. Der kleine Mund, der wie eine Granatblüte schimmerte, die in klassischer Schönheit mattleuchtende Brust, die mit den Atemzügen rhythmisch erbebte – das Funkeln der mit Steinen besetzten Arm- und Fußspangen und das fließende orientalische Kleid, eigentlich nur ein lose um den Leib geschmiegter Stoff, der die Formen mehr verriet als verhüllte. Und fast das Raffinierteste an der Gestalt waren die durch eine offene Falte des Kleides bis über die Knöchel erschimmernden Füße in edelsteinbesetzten Sandalen.

Höllenzauber, der anzog und abstieß, Hilde je länger, desto quälender abstieß, am meisten, als Dombaly in übermütiger Verliebheit Sakuntala zu küssen versuchte und sie ihm wie in zitternder Kindeskeuschheit ausbog.

Ein durch und durch unwahres und verlogenes Weib! zuckte es in Hildes Seele auf. Die kennt alle Künste, die einen Mann betören können!

Aber darin mußte Hilde dem Künstler recht geben: die Indierin erschien wie die geborene Herrin seines wunderbaren Heimes, in dem sich Orientalisches und Abendländisches zu einem mystischen Stimmungsganzen verwoben. Ein genialer Geschmack, der die widersprechendsten Dinge in eine fast unbegreifliche Einheit versöhnte, ein Geschmack, wie ihn nur ein Satrap der Kunst wagen darf. Und der merkwürdige Blumenschmuck! Wohl gab es auf den Tischen auch andere, namentlich rotleuchtende Blumen, die Wände aber waren mit Papyrus besteckt. Aus steifen, hochansteigenden Stengeln, aus langen, saftiggrünen Blättern wuchsen die weißen, wächsernen Riesenblumen auf, und aus den herrlich geschweiften Rändern die großen goldgelben Griffel.

Im Rahmen der weißen Blumen standen die sonderbarsten Skulpturwerke. Eine Menge fußhoher Elefanten aus schwarzem Stein; wie Dombaly erklärte: weil der Elefant das heilige Tier der weisesten Völker und für ihn der Liebling aller Kreaturen sei. Und auf den Gesimsen die bizarren Fabelwesen des Orients, halb Vogel, halb Teufel. Überall das kühne Spiel seiner Phantasie. Neben Hieroglyphen und Pergamenten Bildwerke altchristlicher Kunst, Niederländisches, Italienisches, auch manches Zufällige aus Münchner Antiquitätenläden, wie die kunstreichen Figuren eines mittelalterlichen Totentanzes, der sich durch eine Uhr in Bewegung setzen ließ. Unvereinbare Dinge scheinbar und doch zusammengehalten durch eine starke, künstlerische Stimmung, durch einen Geistergruß aus alter Zeit – und durch den Gedanken, wie alles Menschliche wird und vergeht.

Dombaly war strahlender Laune, das knabenhaft gütige Lächeln, das ihm so schön stand, spielte um seinen Mund, überall und glänzend entfaltete er die Kunst der Unterhaltung, flocht da und dort ein paar geistreiche Ranken in das Gespräch der anderen ein und wußte die Dinge ebenso geschickt wieder loszulassen.

Als man zum Festmahl schritt, kam er mit der Indierin zu Hilde, die sich etwas unsicher nach einem Kavalier umsah. »Da, meinen freien Arm, Rebstein! Ich lasse Sie keinem anderen. Wie vorzüglich Ihnen das Weiß und der bescheidene Ausschnitt stehen!«

Hilde nahm seinen Arm dankbar an, und im Schreiten lachte er zu Sakuntala: »Ja, meine Rebstein ist mir auch lieb! Ein vornehmes und ernsthaftes Mädchen. Wenn ich das geringste Talent zur Ehe hätte, so würde ich keine andere heiraten!«

Er brachte es so fröhlichen Mundes vor, daß es wirklich nur wie ein übermütiger Scherz klang.

Hilde errötete ein wenig – und erschrak. Sie hatte einen Blick verzehrender Eifersucht aus den dunkeln Augen der Indierin aufgefangen.

An der herrlich geschmückten Tafel verfolgte Dombaly den Gedanken, sprach von der Ehe als einer veralteten und langsam absterbenden Lebensform, die für Bauern und Dummköpfe recht sei, aber einer freien Künstlerseele unwürdig.

Hilde unbegreiflich: selbst bei den Damen fanden seine Worte Anklang, am stärksten bei der Indierin, die es mit voller Leidenschaft darauf angelegt hatte, Dombaly in ihr Netz zu ziehen.

»Einem Künstler, Komponisten oder Schriftsteller zwar ist das Weib mehr als anderen«, setzte Dombaly der Gesellschaft auseinander, »selbst der genialste Mann wird ihm die schönen und feinen Anregungen nie geben können, die er aus einem geistvollen und liebenden Verkehr mit Frauen und Mädchen zieht. Jedes ergreifende Kunstwerk ist das Denkmal einer hohen Frau, die in den seelischen Kreis eines Künstlers getreten ist – einer Liebe! Ich zweifle gar nicht, daß sogar die frommen Madonnen ihren Künstlern sehr irdisch zugetan waren. Aber es sind von der Herrscherin Natur Grenzen gezogen. Einmal oder ein paarmal nur kann die Frau die Erregerin eines Kunstgedankens, das Vorbild eines Kunstwerks sein, unfehlbar kommt aber der Zeitpunkt, in dem sie für den Künstler ausgeschöpft ist, die Liebe alltäglich und altbacken wird, in dem wir Schaffenden und Liebenden eines neuen Typs bedürfen, der uns die Seele wieder ins Schwingen bringt.«

»Sie vergessen ja das Essen, Rebstein«, lachte er, »und was schauen Sie so kampflustig her?«

»Und die Ausgeschöpften?« fragte sie. »Sollen edel sein und gehen, gehen mit der großen Erinnerung, einem Künstler das Leben verschönt, ihn zur höchsten Arbeit befähigt zu haben, von ihm geliebt worden zu sein, selig und aus strömendem Herzblut, wie wir Künstler lieben!«

Sakuntala fand den Gedanken ebenso poetisch wie großzügig. »Ich schreibe darüber ein Gedicht«, sagte sie. »Das Gedicht von der Blume, die dankbar stirbt, nachdem sie in Schönheit und Liebe hat blühen dürfen.« Sie sprach ihr Deutsch etwas fremdartig, doch sehr geläufig.

»Sie wissen, Rebstein, daß Sakuntala den Ehrgeiz besitzt, deutsche Dichterin zu werden?« fragte Dombaly.

Nein, das wußte Hilde nicht. Sie hatte nur wieder die starke Empfindung, daß die Indierin, wie sie den Gedankengängen Dombalys schmeichle, ein durch und durch verlogenes Geschöpf sei – überhaupt sie verstand die Damen da an der Tafel nicht, die dem Weibe ohne Widerspruch die unwürdige Rolle eines rechtlosen Spielzeuges zuschieben ließen.

»Na, was schwebt Ihnen auf den Lippen?« fragte Dombaly.

»Daß Ihre Ansichten ganz einseitige Herrenmoral sind – ein Protzentum des Genies, das nicht besser ist als das Protzentum des Geldes, für das Sie, Dombaly, nicht Worte der Verachtung genug haben. Eine Frau von Selbstachtung wird nie auf Ihre Ideen eingehen, überhaupt wird sie die Gedanken über die Liebe auf einer anderen Grundlage bauen. Aus der Geliebten will sie die geistig hochstehende Freundin ihres Mannes werden – und die Mutter seiner Kinder! Gattenfreundschaft und Elternpflichten sind aber in ihrer Art eine so inhaltsvolle Welt wie der erste Liebesfrühling. Und das Weib, das den Lauten eines jungen Lebens horcht, das den Sinnen eines Kindes die Schönheitsquellen der Erde erschließt – steht es nicht dem edelsten Künstler ebenbürtig da?«

Hilde war in Eifer gekommen. Da besann sie sich und erkannte mit einer Art von Beschämung, daß sie in diesem Kreis etwas wie eine feierliche Rede gehalten. War da nicht ein allzu ernster Ton in das leichte Tafelgespräch gefallen? – Doch nur Dombaly und die Indierin hatten aufmerksamer zugehört.

Dombaly sah Hilde mit unendlich wohlgefälligem Lächeln an: »Sie sind ein ganzer Kerl, Rebstein – Ihnen bewillige ich ja auch eine Ausnahme in meiner Theorie.«

Wieder der funkelnde Blick der Indierin!

Die Stimmung der Gesellschaft stieg und stieg – die Getränke wurden immer schärfer und berauschender. Sakuntala trug einige ihrer deutschen Gedichte vor, mit ihrem Gemenge von lyrischen Anflügen und allergewöhnlichsten Plattheiten kamen sie Hilde wie Vögel vor, die stiegen wollen und nicht können – unwahr wie das Weib selbst.

Was waren das überhaupt für merkwürdige Gedichte, die hier zum Vortrag kamen? – Da sprach ein junger Poet, der sich in eine Mönchskutte geworfen hatte, eine Ode auf Lieben und Leben, tönende Worte, doch ohne Zusammenhang und mit der sinnlosen Wiederholung: »Rot – Rot – Rot!«

Wie verrückt sich aber diese Darbietungen anhörten, jede fand Beifall, erhöhte die Stimmung. Und die Gläser klangen. Ein Getränk kreiste, eine Bowle, wie sie Hilde noch nie gekostet hatte. Sie trank sich wie ein erfrischendes Bergwasser, sie stürmte wie Feuer durch die Adern, erregte einen scharfen Geschmack auf der Zunge, einen Geschmack wie von spanischem Pfeffer, und einen Durst – einen brennenden Durst! –

»Dombaly, lassen Sie mich heim!« bat Hilde.

»Das Schönste kommt ja erst«, lachte er, »Sakuntala tanzt!«

In einem milden, bläulichen Lichte tanzte die Indierin, tanzte, den Kopf rückwärts gebeugt, mit zuckender Brust wie eine Bacchantin, schlenderte die eine, dann die andere Sandale von sich, löste die Spangen, löste das Kleid – den Leib schimmernd nackt, tanzte das Weib im Höllenzauber seiner ungezügelten Leidenschaft.

Dombaly war schönheitstrunken.

»Sehen Sie, welche Farben – welche Linien – das Weib malen dürfen! Das ist doch begnadetes Künstlertum!« Er kam Hilde in seinem Rausch vor wie ein großes Kind.

Sie selber hatte nur den einen Gedanken: Fort – fort!

Sakuntala war erschöpft auf einen Teppich hingestürzt. »Trinken – trinken!« lallte ste. Unter einem schweren Pelz ruhte sie nun, von Dombaly gebettet, auf einem Diwan. –

Da, welche Wohltat! Ein Diener hatte die Fenster geöffnet, in empfindlich kalten Wellen strömte die Nachtluft in den Saal, erfrischte und beruhigte. Auf ihren Flügeln schwebten die machtvollen Glockentöne der Kirchen Münchens daher, und in die gewaltigen, tiefen Tonwogen aus der Stadt mengte sich das Gebimmel aus den Dörfern der verschneiten Ebene von Schleißheim. Es war der Erde und Himmel erfüllende Glockenabschied an das alte Jahr. Und nah und fern schimmerten die Lichter der Menschen, die das neue Jahr erwarteten. Ob wohl noch irgendwo so viel Ausgelassenheit herrschte wie bei Dombaly?

Hilde stand mit wogender Brust am offenen Fenster und ließ sich die Stirn vom Nachtwind kühlen. Sie wäre am liebsten hinaus in die dunkeln Lande geschritten und hätte auf freiem Feld einsam Neujahr gefeiert. Nein, am liebsten wäre sie bei Siegfried Kulbach gewesen! Ein brennendes Heimweh nach dem Mann ihrer Liebe überfiel sie – ihr war, sie sollte die Hände falten und beten für ihn – für ihre heimlichen Hoffnungen.

Nun schwiegen die Glocken schon eine Weile; dann kam dumpf und schwer von allen Türmen der letzte Stundenschlag, von nahen und fernen Straßen der aufjauchzende Freudenruf: »Prosit Neujahr!« Grüßende Lichter stiegen in die Nacht, und die Tonflut der Glocken wallte wieder mit geheimnisvoller Fracht daher.

Hilde wandte sich, um Dombaly mit einem Neujahrswort zu begrüßen.

Da, ein neues Schauspiel! Er und die Indierin, die wieder frisch geworden war, trugen grüne Kränze auf dem Haupt, aus einem großen Korb schmückte sich die ganze Gesellschaft mit den Gewinden.

Dombaly sah aus wie der Apoll, Sakunlala, die ihm mild und zärtlich am Arme hing wie eine verzauberte Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht. Er kam mit ihr auf Hilde zu und setzte seiner Schülerin selber den Kranz auf die Stirn.

»Was zögern Sie«, sagte er, »wir werden ihn bis zum Frühjahr ehrlich verdienen. – Kommen Sie, wir trinken auf gesegnete Arbeit!« Und mit einer Weihe, als ob er sich Priester fühle, rief er: »Minium novum faustum felicem nobis! Uns und der Kunst ein gesegnetes Jahr!« Und langsam und feierlich:

»Uns aber laßt zechen – und krönen
Mit Laubgewind
Die Stirnen, die noch dem Schönen
Ergeben sind!«

Hell klangen die erhobenen Gläser. Einer der jungen Dichter hielt eine Rede auf Dombaly. Jeder und jede sollte der Kunst einen Trink- und Kernspruch darbringen.

Als die Reihe an Hilde kam, erhob sie sich errötend, wandte das bekränzte Haupt zu Dombaly, ließ den vollen Strahl der großen, warmen Augen in seinen Zügen ruhen und sprach in herzlicher Schlichtheit, doch mit metallen hell und klar erbebender Stimme: »Die Werdende wird immer dankbar sein!« –

Der Spruch seiner Schülerin erregte das innige Wohlgefallen Dombalys. Er kam auf sie zu, nahm ihre Hand, schlang seinen Arm um ihren Nacken und schaute ihr mit seinem kindlichen Lächeln tief in die Augen. »Auf ein herzliches Schmollis, Rebstein!« bat er. »Wir sind doch sehr gute Freunde zusammen, gelt, du mein Sonnenstrahl?«

Hilde wurde verwirrt und verlegen. Durfte sie ihm die Bitte abschlagen, jetzt ihre gute Gesinnung für ihn verleugnen? Und obwohl sie von der Bowle nur sehr vorsichtig getrunken hatte, ging ihr das Denken so schwer. –

»Also gute Freundschaft, Dombaly!« versetzte sie mit einem wirren Lächeln.

Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn, einen Kuß, der eine feine Achtung, aber auch eine verhaltene Zärtlichkeit für sie ausdrückte, und lächelte warm: »Ich danke dir, Rebstein! Ich werde noch viel Schönes schaffen – und du mit mir. Die Zeit kommt, da wird die Kunst in einem Atemzug von uns sprechen! Von Stephan Dombaly und seiner Schülerin Hilde Rebstein. Schon im Frühling!«

Warmes Künstlerblut wallte in seinen Worten.

In der Nähe stand die Indierin. Dunkel spürte es Hilde: dieses fremde Weib brannte in rasender Eifersucht auf sie, auf die vornehme Achtung, mit der ihr Dombaly begegnete, mit der er sie selbst jetzt noch auszeichnete, da er doch in einem Rausch von Wein und Schönheit glühte. Aber was ging sie die Indierin an? Sie, Hilde, hatte nur noch ein Bedürfen: fort aus diesem schwülen, dionysischen Kreis! – die Seele auslüften! – – –

Endlich war Aufbruch. Unruhe und Traurigkeit begleiteten sie auf dem Heimweg. Sie wußte nicht warum.

Ihre Gedanken klammerten sich in weher Sehnsucht an Siegfried. – Nur nie wieder eine so tolle Nacht erleben! –


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