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Einundzwanzigstes Kapitel.
Auf Irrwegen.

Am 12. Januar erwachten wir wieder bei diesem unangenehmen Nebel, der jetzt noch dichter geworden war, so dicht, daß man das Gelände auf 200 Meter Entfernung nicht erkennen konnte; sogar die kleinen Hügel hinter uns waren spurlos in dem Nebelmeer verschwunden. Ich hatte im Innern Persiens um die Winterzeit klare, kalte Luft erwartet und stets gedacht, daß dieses sterile, wüstenartige Land außerordentlich trocken und allen ozeanischen Winden ganz unerreichbar sein müsse. Nun aber zeigte es sich, daß die feuchten Nebel gerade das charakteristische Zeichen dieser Jahreszeit waren.

Es blieb hoffnungslos dunkel und trübe; vergebens sehnte man lauwarme Winde herbei, die den Nebel im Nu verjagen, uns die Sonne wiedersehen und unsere Blicke ungehindert hinschweifen lassen würden über das ebene Land mit seinen sporadisch zerstreuten Inseln kleiner, bruchstückartiger, verwitterter und morscher Gebirge.

Aus dem Nebelgewölbe fiel ein feiner Sprühregen, der alles durchfeuchtete. Alle Gegenstände werden naßkalt und sind unangenehm anzufassen, man hat nasse Kleider und nasse Hände, die Kamele sehen aus, als ob sie im Regenwetter marschierten, der Boden wird feucht, aber nicht so stark, um schlüpfrig zu werden. Das Minimum hatte in der Nacht 2 Grad Kälte betragen, und der Erdboden war infolgedessen noch so abgekühlt, daß sich auf allen dazu geeigneten Gegenständen Reif bildete, z. B. in den Stirnhaaren der Kamele, und wenn es an der Quelle Pflanzen gegeben hatte, wären auch sie, wie gewöhnlich, ganz weiß gewesen. Auf Metallgegenständen, die im Freien liegen, bilden die Sprühtropfen des Nebels eine dünne Eishaut, die sich wie ein Handschuh oder eine Schlangenhaut abziehen läßt.

Diese reichliche Feuchtigkeit, die sich überall einsaugt, macht auch die Lasten bedeutend schwerer; die Zelte sind durch und durch naß, und wenn sie zum Zusammenrollen an der Erde ausgebreitet werden, bleibt der feine, lose Erdstaub an der Leinwand hängen und wird dem Kamel als Ballast mit aufgeladen. Unser wackerer Führer hätte der Vereinbarung nach hier umkehren sollen, aber wir hatten noch so viel Stroh übrig, daß er sich überreden ließ, mir zwei seiner Kamele eine Tagereise weiter zur Verfügung zu stellen.

Langsam und schwer beladen brachen wir endlich auf, nachdem wir acht der Hilfskamele zurückgelassen hatten; aber nun waren auch unsere Wassersäcke leer und der größere Teil des Häcksels verzehrt. Ein Pfad führt uns nach Südsüdwest am Fuße dieser kleinen Berge entlang, die unten von dem fein pulverisierten Sandsteinstaub rot und oben von dem dichten, verwitterten Gestein gelblichweiß sind. Ein wie gewöhnlich recht seichtes, flaches Tal führt uns in südöstlicher Richtung weiter; jedoch hat fließendes Wasser es recht kräftig ausgearbeitet, in seinem Bett liegen in abwechselnden Streifen Sand, Grus und Schlamm. Manchmal erblickt man einen wohl ein paar Kubikfuß mächtigen Quarzitblock; im übrigen besteht der Grus meistens aus kristallinischen Gesteinen, Grünstein und Porphyr. Das Tal wird nach oben hin immer enger und gewundener; alles ist in Trümmern, verwittert und weich, der Boden ist feucht und klebrig, und besonders in dem roten Staube bekommt man zolldicke Extrasohlen, die man sich nachher auf den Grusgürteln wieder abtritt.

Auch dieses Tal führt, wie so viele andere vor ihm, auf eine flache, plateauartige Wölbung hinaus, wo die Grasbüschel ein wenig üppiger stehen; auf ihrer andern Seite geht es wieder ebenso flach und langsam abwärts. Sie ist ringsum von Hügeln umgeben, die aus lauter losem Material bestehen. Hier und dort wächst eine einsame Tamariske, weiter abwärts aber hört jegliche Spur von Vegetation auf. Dort tritt eine kleine Quellader zutage, die in dem Bette Streifen feuchter Salzausblühungen veranlaßt. Hier ging es sich noch mühsamer als bisher; es war, als bekomme man von dieser zähen, feuchten Erde, die an den Schuhen festklebt, Bleisohlen unter die Füße.

Vor uns erscheint auf der rechten Seite ein relativ hoher Berg, der rot und schwarz aussieht und ziemlich steile Abhänge hat. Sein Gipfel kann jedoch das umliegende Land kaum um mehr als 100 Meter überragen. Er zwingt unser Tal zu einem Bogen nach links, wo ein kleinerer ähnlicher Berg steht. Beide haben einst zusammengehört und einen Landrücken gebildet, sind aber von dem Tale durchbrochen worden, dessen Schlund sich gähnend nach einem offenern, zirkusförmigen Sammeltal hin öffnet. Nach diesem hin konvergieren mehrere andere ebenso flache Talrinnen, die von allen Seiten her kommen, nur nicht aus S 25° W, wo die vereinigte Talfurche nach noch flacherem, tiefer liegendem Lande Abfluß hat (Panorama I, Abb. 1). Alle Gebirgsbruchstücke der Gegend befinden sich in einem Zustand sehr vorgeschrittenen Zerfalls; sie sind abgerundet, nivelliert und ausgeglichen und bestehen zum allergrößten Teil aus weichem Material, gelegentlich aber auch aus anstehendem Gestein, das sofort ein lebhafteres, ausgesprocheneres Relief erzeugt. Sie sind die Ruinen ehemaliger Gebirge, die hier in einer Gegend, wo keine Vegetation sie vor fortgesetztem Zerfall schützt, nackt und bloß daliegen und Wind und Wetter, Frost und Niederschlägen und dem sehr großen Temperaturunterschied zwischen Winter und Sommer preisgegeben sind. Die Denudation verfolgt hier, wie überall auf Erden, den Zweck, diese Höhen auszugleichen und alle Senken auszufüllen. Aber neben diesen Ruinen müssen wir auch die Unebenheiten beachten, die direkt durch Denudation und Erosion entstanden sind und die bestehen bleiben, wenn anderes loseres Material ringsumher durch Wind und Wetter zernagt sein wird.

Am Fuße dieses Gebirges liegt ein offenes Quellbecken, das ein wenig Gras umgibt, eine ebenso ungewöhnliche wie ansprechende Erscheinung, eine Oase im kleinen. Am Eingang einer kleinen, steilen Schlucht, wo die Quelle von Mulkabad entspringt, schlugen wir unsere Zelte auf dem Gipfel eines flachen Sandhügels auf, wo man von dem klebrigen, feuchten Staube verschont blieb (Abb. 60). Hier stand eine kleine, dachlose Steinhütte, die wahrscheinlich Hirten erbaut hatten; sie gewährt nur geringen Schutz vor Sturm und Schneegestöber. Steine, die der Wind abgeschliffen hatte, lagen überall auf dem Hügel verstreut und erzählten uns von den Winden, die im Laufe der Zeiten über die Wüste hingefahren sind. Sie bestanden aus dichtem gelbem Kalkstein mit Foraminiferen.

siehe Bildunterschrift

60. Lager bei Mulkabad. (S. 223.)

Bei Mulkabad kommen im übrigen folgende Gesteine vor: Reibungsbreccie, kalkhaltiger Schiefer, rötlichgrauer und rotbrauner Plagioklasporphyrit, dunkler sandiger kristallinischer Kalkstein und grauer dichter Kalkstein mit undeutlichen Versteinerungen.

Um ½1 Uhr begann es fein und dicht zu schneien, und der Nebel lag bleischwer über dem Lager Nr. 7. Die Temperatur war ein wenig über dem Gefrierpunkt, und der Schnee schmolz bei der Berührung mit dem Erdboden. Nebel, Schneefall und dichte Wolken machen den Tag ungemütlich und düster, und vergeblich späht man nach der kleinsten hellerwerdenden Stelle am Himmel aus, die ein Durchdringen der Sonne ankündigen könnte – es bedürfte ja nur ein paar Stunden Sonnenschein, damit unsere Zelte und unsere Sachen wieder trocknen könnten. Nichts Lebendes zeigt sich in dieser gottverlassenen Gegend, wo wir jetzt die alleinigen Herren sind.

Der Ketchodah Hassan hatte alle seine Verpflichtungen bis ins kleinste erfüllt und wollte sich jetzt wieder nach Kerim Chan zurückbegeben. Er erhielt seinen Lohn, ein reichlich bemessenes Trinkgeld und ein Zeugnis, daß er mich vorzüglich und gewissenhaft bedient habe. Bevor er abzog, mußte er uns noch sagen, in welcher Richtung wir den nächsten Tag zu marschieren hätten; er zeigte nach Ostnordosten, wo wir den Kuh-i-nakschir finden würden. Weiter nach Osten kannte er das Land nicht; wir waren also auf uns selbst und auf die russischen und englischen Karten angewiesen, die mir meine Freunde in Teheran mitgegeben hatten. Die Hauptsache war, möglichst viel von der großen Salzwüste, der Kewir, sehen zu können, aber noch war ich mir nicht klar darüber, ob ich auf der Nordseite oder auf der Südseite um ihre westliche Senke herumziehen sollte. Umging ich sie auf der Nordseite, so würde ich, um nach Tebbes zu gelangen, gezwungen sein, sie in einer Linie zu durchziehen; ging ich aber südlich um ihren Gürtel herum, so würde ich freilich eine wertvolle Kartenaufnahme ihrer südlichen Grenze erhalten, dafür aber auch keine Gelegenheit haben, mich in das eigentliche Wüstenmeer hineinzuwagen, wenn ich mich nicht dem Risiko aussetzen wollte, sie auf zwei Linien zu kreuzen.

Der Schneefall verwandelte sich bald in Sprühregen. Erst nachdem auch dieser aufgehört hatte, ging ich nach der Quelle von Mulkabad hinauf. Ein Fußpfad führt nach der kleinen Schlucht, und auf einer Erweiterung hinter einer verdeckenden Bergwand findet man die Kostbarkeit – eine Süßwasserquelle in der Wüste. Das Wasser sickert aus der Erde hervor, und die Hirten haben ihm ein Becken gegraben, dessen Einfassung mit einem aus kleinern Steinblöcken bestehenden Rande verstärkt worden ist. In dem obersten Hauptbecken, das länglich ist und 8 Quadratmeter Flächeninhalt haben dürfte, sprudelt das Wasser hervor und wird noch durch ein kleines Rinnsal aus einem höher oben liegenden Quellauge verstärkt. Das Becken ist ziemlich tief, so daß das Wasser, das sich dort im Stehen klärt, wunderhübsch blaugrün schillert. Unterhalb dieses Beckens liegen zwei andere; von dem untersten führt ein kleines Bächlein nach einer Kluft, die sich nach der großen Talerweiterung hin öffnet. Durch das beständig hervorsickernde Wasser hat sich im anstehenden Gestein eine Schwelle gebildet, über die einige feine Strahlen gemütlich plätschernd herabrinnen. Von dem obern Rande dieses kleinen Wasserfalles hängen jetzt lange Eiszapfen herab. Das in dem Wasser enthaltene Salz setzt sich unten in dünnen weißen Kristallen ab; an den Seiten wächst, wie auch an den Quellen selbst, ein wenig Gras. Neben den Quellen sind zwei niedrige Steinmauern errichtet, hinter denen die Hirten ruhen, wenn sie die Quellen besuchen.

Aber nicht nur Hirten begeben sich nach dieser gesegneten Stelle, wo die kleine Wasserader zutage tritt. Auch die Wildesel kommen hierher; sie sind seit unzähligen Generationen durch erlangte und ererbte Erfahrung mit den Orten vertraut, wo es Wasser gibt – auch wenn diese Stellen noch so tief in den Labyrinthen zwischen den wie aufs Geratewohl umhergestreuten Bergen versteckt liegen. Der Ketchodah hatte uns ermahnt, bei eintretendem Wassermangel nur gut auf die Fährten der Wildesel zu achten, denn wenn diese sich zu Bündeln nach einer bestimmten Richtung hin vereinigten, könne man ziemlich sicher sein, daß sie zu irgendeiner Quelle führten. Ich hatte die Methode schon im Jahre 1901 in der Lopwüste angewandt, wo die Spuren der wilden Kamele bei mehreren Gelegenheiten die Lage der Quellen angegeben hatten.

Felsentauben spielten und girrten in der kahlen Bergwand, unter der ich jetzt saß und, soweit es der noch immer herrschende Nebel erlaubte, über das Wüstenland hinschaute. Durch die beiden Schluchtöffnungen hat man freien Ausblick auf kleine, ringsumher verstreute Felsenhügel oder, richtiger, Denudationsreste, die an die Holme eines wasser- und waldlosen Archipels erinnern; sie schillern in roten und gelben Farben und sind ebenso tot, nackt und unfruchtbar wie die Oberfläche des Mondes.

Während ich in Gedanken vertieft an der Quellader saß, hörte ich die Kamelglocken schriller als gewöhnlich läuten, weil der Klang zwischen den nackten, feuchten Bergwänden ein helltönendes Echo wachrief. Es war, als ob der ganze Berg zittere und klinge und als ob von allen Seiten unsichtbare Kamelkarawanen herannahten. Doch bald tauchten meine eigenen prächtigen Kamele an einer Biegung des Weges auf. Sie schritten auf ihren weichen Fußschwielen langsam und leise einher und zogen mit gemessenen, königlich vornehmen Schritten nach der Quelle hinauf. Sie stürzten sich nicht gierig und zügellos auf den blauen Spiegel des Wassers, sondern beugten sich mit großer Würde und Selbstbeherrschung langsam zu ihm herab, als ob sie sich zuerst über ihre zottigen Spiegelbilder im Wasser gewundert hätten. Noch ein Herabbiegen des Kopfes, und ihre Lippen berühren die lebenspendende Flüssigkeit, die sie in langen, langsamen Zügen einschlürfen. Sie heben den Kopf und sehen sich eine Minute um und dann trinken sie wieder; und nachher schreitet die Herde ebenso ruhig und taktfest wieder hinunter nach ihren Ständen unter freiem Himmel zu ihrem auf der Erde ausgebreiteten Stroh.

Das Wasser des großen Quellbeckens war 17,5 Grad warm, während die Temperatur der Luft um den Gefrierpunkt herum geblieben war.

Am 13. Januar, morgens um ½7 Uhr, war der Nebel dichter und undurchdringlicher als je. Als Mirza mit dem üblichen Kohlenbecken hereinkam und alles zu meiner Toilette vorbereitete, fragte er, ob es wohl angebracht sei, heute aufzubrechen; man sehe gar nicht, wohin man gehe, und könne leicht in Gegenden geraten, wo es kein Wasser gebe. Doch eine halbe Stunde später war die Szenerie total verändert. Als ich wieder ins Freie trat, um die gewöhnlichen meteorologischen Beobachtungen vorzunehmen, war der Nebel verschwunden und hatte sich zu weißen Wölkchen zusammengeballt, die nur noch die eine Hälfte des Himmels bedeckten, während die andere Hälfte im reinsten Blau erstrahlte. Noch war die Sonne hinter Wolken versteckt, aber man wußte doch wenigstens, wo sie war, und freute sich auf sie. Die Ursache dieser unerwarteten, hochwillkommenen szenischen Veränderung war offenbar der ziemlich frische Nordwestwind, der sich eben erhoben und seiner Gewohnheit entsprechend den Nebel vollständig weggefegt hatte. Nach einer weiteren halben Stunde waren auch die Wolken verschwunden, und die vor kurzem noch so düstere Beleuchtung war sommerlich heiter und freundlich geworden und schien das Herannahen des Frühlings anzukündigen.

Als der Nebel sich verzog, wurden die Kamele nach der Quelle geführt, damit sie sich nach Herzenslust satt tränken, eine Vorsichtsmaßregel, die um so notwendiger war, als wir jetzt unseren zuverlässigen Führer nicht mehr bei uns hatten. Zum Glück war Habibullah einmal am Kuh-i-nakschir gewesen und glaubte, uns sicher dorthin führen zu können. Während die Männer die Kamele beluden, machte ich mich zu Fuß auf den Weg, nachdem Habibullah mir einen kleinen, schwarzen Felsenhügel gezeigt hatte, den ich auf der linken Seite hinter mir zurücklassen müsse, dann brauchte ich nur dem Fußpfad zu folgen, der hier und dort durch ein »Nischan«, ein kleines Steinmal, bezeichnet sei.

Ich machte große Schritte, entfernte mich schnell von der Quelle und dem Lagerlärm und sah von einem kleinen Passe aus, daß auch nach Osten hin das Land ebenso hügelig war wie hier. Man wird vom schnellen Gehen in solchem Sommerwetter bald warm, und der nordwestliche Wind, den ich im Rücken hatte, war so angenehm und frisch; das klare, freundliche Wetter wirkte belebend, und es war mir ein wirklicher Genuß, in der großen Einöde, deren Schweigen nur der Widerhall meiner eigenen Schritte unterbrach, ganz allein zu sein.

So gehe ich denn mit dem Kompaß in der Hand in der Einsamkeit weiter und peile die Richtungen des Weges und die auf seinen Seiten sichtbaren Gegenstände. Ich kenne die Länge meiner Schritte und kann nach ihnen die Entfernungen ebenso richtig abschätzen als nach den Schritten des Reitkamels. Zu beiden Seiten des Weges ziehen sich trockne, rötliche Lehmhügel hin, welche Sand und Gipsschichten enthalten, die infolge ihrer größeren Widerstandskraft ein wenig hervorstehen. Hin und wieder glitzern und glänzen die Gipskristalle, und wenn sich die Sonne in ihren blanken Seiten spiegelt, funkeln sie mit elektrischem Glanz. Über zwei kleine Wasserscheiden gehen meine Schritte, die mich jenseits der zweiten nach Osten führen.

Verzweifelt öde und tot dehnt sich dieses kahle, leere Land vor mir aus, wohin ich auch blicke; es ist, als ob ein Fluch auf ihm ruhe, als ob es unter dem Banne stehe, nie von Menschen betreten zu werden und nie wieder reifende Saaten zu tragen. Doch daß es ebenfalls seine Geheimnisse hat, kann man schon in seinem Boden lesen, wo die Fährten der Kinder der Wüste, der Wildesel, einander in allen Richtungen kreuzen und sich oft in unglaublicher Menge zeigen. Nicht selten passiere ich Stellen, an denen erst kürzlich leichtfüßige, flüchtige Gazellen gewesen sind. Ich sehne mich im Gehen nach einer Gelegenheit, die Tiere selbst zu sehen, und meine, daß ich nun, da ich allein bin und keine Karawanenglocken die scheuen Bewohner der Wüste in die Flucht jagen, größere Aussicht dazu haben müsse. Doch immer bleiben sie mir fern, und nur die in den Boden eingedrückten Fährten erzählen mir von dem Vorhandensein der Tiere.

Die Gegend ist so gut wie vollständig vegetationslos, und auch Grus und lose Steine kommen nur selten vor. Da, wo man sie findet, hat man kleine Steinpyramiden errichtet, die mir hier ganz überflüssig erscheinen, da der Pfad sich größtenteils in einer deutlichen, wenn auch wenig tiefen Talrinne hinzieht. Das einzige Lebenszeichen, das noch den Frieden störte, war die Spur einer Anzahl Kamele. Ihre Fußabdrücke waren außerordentlich deutlich, auch die geringsten Falten und Ungleichmäßigkeiten der Fußschwielen waren in dem weichen Staubboden stehen geblieben. Zwei Hirten und zwei Hunde hatten die Herde begleitet.

Nun habe ich den dunkeln Gipfel hinter mir zurückgelassen. Hinter ihm taucht im Nordosten ein zweiter auf, der höher ist und ein paar Kilometer entfernt liegt. Das Tallhägebirge verdeckte mir die Aussicht nach dem Elburs hin, und dadurch war mir leider die Gelegenheit zum Anpeilen des Demawend genommen, was sonst gewiß möglich gewesen wäre, da der Himmel völlig klar war.

Noch immer folge ich einem Pfade, den Steinhaufen bezeichnen und der also entschieden zu einer Quelle führt; noch immer trete ich in die Spur der Wildesel. Bisweilen glaube ich ein fernes, kaum hörbares Summen der Glocken zu vernehmen, und denke dann, es seien die meinen, die meiner Spur folgen; aber sie hatten, als ich fortging, noch nicht die Zelte abgebrochen, ich bin ihnen weit voraus und setze meine einsame Wanderung fort.

Bei dem Gestein herrscht überall dasselbe Einfallen und dasselbe Streichen, das dem Relief sein Gepräge aufdrückt: nach Nordwesten die steilen Kanten der Schichtköpfe, nach Südosten ein schwaches Gefälle.

Vor mir im Südosten erhebt sich ein neuer, ziemlich naher Kamm; er ist niedriger, aber mehr abgetragen als die vorhergehenden, und man merkt, daß die Dimensionen der kleinen, isolierten Wüstengruppen nach Südosten und Osten hin allmählich abnehmen. Jenseits dieses letzten Kammes sieht man durch eine Lücke etwas, von dem ein unkundiger Fremdling bestimmt behaupten würde, daß es ein offenes Meer sei, eine verblauende, unendliche Fläche mit einem so gleichmäßigen Horizont, als sei er mit einem Lineal gezogen. Das ist die große Salzwüste Kewir, die gefürchtete und gefährliche, in der Geister hausen, in die sich bis jetzt nur zwei Europäer hineingewagt haben und die ich bald in einer Gegend durchziehen werde, wo noch niemand gewesen ist.

Im Norden und Nordosten treten mehrere neue Verzweigungen des Kuh-i-tallhä hervor; eine davon, die jedoch nicht direkt mit der roten Hauptgruppe zusammenhängt, trug eine tafelförmige Deckschicht, die sich, wie gewöhnlich, ein wenig nach S 30° O abdacht.

Noch immer glaube ich den Klang der Glocken zu hören; aber nicht einmal hier unten in dem offenen Gelände sehe ich einen Schimmer von meiner Karawane. Es muß ein aufgespeichertes Echo sein, das mir noch im Trommelfell sitzt. Es wäre wirklich kein Wunder, da man ja immer dieses Läuten in den Ohren hat. Ich ruhe eine Weile in einer Schlucht bei einem ganz kleinen Schneehaufen aus und freue mich, daß ich mich mit diesem kalten, wassergetränkten Schnee erfrischen kann. Es muß aber doch etwas nicht in Ordnung sein, ich kann so nicht weiterwandern. Die Stunden verrinnen, und die Karawane müßte mich eingeholt haben; in jedem Fall müßte der nordwestliche Wind mir den Klang der Glocken zutragen, und ich müßte wenigstens in der Ferne schwarze Kamelrücken über den Hügeln auftauchen sehen.

Natürlich hätte ich umkehren sollen; aber ich habe nun einmal einen ausgesprochenen Widerwillen dagegen, in meiner eigenen Spur zurückzugehen, und ich folgte wie bisher der Kamelfährte. Manchmal bleibe ich mit einem Ruck stehen und glaube bestimmt, den Ton zu hören, auf den ich schon so lange warte; es ist aber nur das Pfeifen des Windes in den Kanten der verwitternden Landrücken oder sein Wehen gegen meinen Mützenschirm, und das nächste Mal ist es nur das Klingen einer Steinplatte, auf die mein Fuß getreten war. Wieder höre ich einen summenden Laut wie von einer auf dem Marsche begriffenen Karawane. Ich kann nicht sagen, woher er kommt, aber ich bleibe wieder stehen und lausche. Totenstill liegt die Gegend da, man hört gar nichts, nicht einmal das Summen einer Fliege, und wo die Wildesel der Wüste auch sein mögen, aus der Nähe des Kuh-i-nakschir sind sie heute geflohen.

Auf meinem Wege erhebt sich ein 50 Meter hoher Hügel, eine sterile Kalksteinplatte, die wie gewöhnlich nach Südosten abfällt. Auf seinem Gipfel ist in alten Zeiten aus losen Gesteinsscherben und Splittern, die dort oben umherliegen, ein Steinmal errichtet worden.

An seinem Fuße führt also wohl ein Weg entlang; allerdings habe ich seit einer Weile die Kamelspur verloren, aber mein Auge beherrscht noch den Punkt, wo dies geschah, und ich kann die Gegend nach allen Seiten hin frei überblicken. In allen Richtungen tauchen diese roten, violetten, braunen, gelben und grauen Lehm- und Kalksteinhügel auf, die, ohne den geringsten Schutz den unwiderstehlichen Kräften der Denudation preisgegeben, wie sie es hier sind, rettungslos ihrer Vernichtung entgegengehen. Innerhalb meines Gesichtskreises fallen sie alle flach und allmählich nach Südosten ab; nach Nordwesten sind sie steil, ja oft jäh abschüssig und sogar senkrecht, da die Kalksteinschicht an dem Rücken jedes Hügels plötzlich abgebrochen erscheint und mit einem scharfen Winkel in das Gefälle des Schuttkegels nach dem Fuße hin übergeht. Auf dem Hügel, auf dem ich mich jetzt befand, wäre es ganz unmöglich gewesen, die Nordwestseite zu erklimmen.

Es weht bei  7 Grad sanft und lind; die Sonne steht am Himmel und läßt mich schon spüren, was dieses Land im Sommer sein wird. Im Nordwesten erheben sich die kahlen Rücken des Kuh-i-tallhä. Ich kann mir die Zeit mit nichts anderm vertreiben als damit, daß ich von ihnen ein Panorama zeichne. Von Osten nach Südosten dehnt das unendliche Wüstenmeer seinen geheimnisvollen Horizont aus; nach seinem Westrand senken sich einige seichte Erosionsrinnen hinab, in denen von Zeit zu Zeit Gewässer dorthin strömen, um im Innern der Kewir zu verdunsten. Ihre Grenze muß sehr scharf gezogen sein; sie muß sich dort hinten auf der andern Seite eines flachen Landrückens im Osten hinziehen.

siehe Bildunterschrift
siehe Bildunterschrift
siehe Bildunterschrift

Panorama II. Die Sandwüste rings um Alem. 1
. Aussicht nach Südosten und Osten.
2. Aussicht nach Süden und Südwesten.
3. Aussicht nach Norden.
Zeichnungen des Verfassers

Die große Wüste zieht mich mit ihrer seltsamen Zauberkraft zu sich hin; ich möchte sofort dort hinunter eilen und dem großen Schweigen lauschen, das wie eine Wolke über ihrer ebenen Fläche schwebt. Doch ich kann nicht ganz allein dorthin gehen, und jetzt habe ich mich entweder verirrt, oder die Karawane ist auf einen falschen Weg geraten! Wir haben einander verloren, das ist klar! Vor vier Stunden habe ich mich auf den Weg gemacht und bin die ganze Zeit über der Kamelspur und den am Wege errichteten Steinmalen gefolgt. Möglicherweise haben sie an einer Stelle, wo ich über ein Geröllbett geschritten bin, meine Spur verloren; sie hätten so lange danach suchen müssen, bis sie wiedergefunden war. Aber die schlaffen, sorglosen Perser sind keine Mongolen, Burjaten oder Tibeter, die wie Spürhunde suchen, bis sie das Gesuchte gefunden haben. Hat Furcht vor der Wüste plötzlich meine Leute ergriffen, und haben sie es nicht gewagt, die kleine Quelle zu verlassen, nachdem ich in meiner ihnen unbegreiflichen Wüstenmission hinter den Hügeln verschwunden war? Oder haben sie ganz einfach unterwegs haltgemacht, um Brennmaterial zum Abendfeuer zu sammeln? Wahrscheinlich ist es aber meine eigene Schuld. Dieser Weg ist nicht der richtige; er führt vermutlich nach irgendeiner Steppenfläche mit Weide, und die Steinmale sind aufgeschichtet, damit die Hirten bei Nebelwetter sich zur Quelle finden. Von der großen Einsamkeit hatte ich jetzt genug. Der Himmel war klar und hell, der Tag aber kurz, und wenn ich mich nicht an einem Kalksteinrücken schlafen legen wollte, wurde es Zeit, daß ich mich nach den Meinen umsah.

Während ich über die Lage nachgrübelte, riß mich ein Flintenschuß aus meinen Gedanken. Er kam von Nordnordwesten aus der Gegend, wo die kahlen, roten Felswände der Tallhäkette seit unzähligen Jahrtausenden zum Wüstenhimmel aufragen. Das Echo des Schusses verhallte schnell, aber ich hatte mich in der Schallrichtung nicht geirrt. Der Schuß wirkte wie ein elektrischer Schlag und gab mir Antwort auf alle Fragen, die ich mir eben gestellt hatte. Meine Leute hatten augenscheinlich einen andern Weg eingeschlagen, und der Kuh-i-nakschir, von dem soviel die Rede gewesen war, mochte nichts anderes sein als ein Teil der Gruppe der Tallhäberge. Aber das Signal war schwach, und die Entfernung mußte groß sein.

Nun eilte ich in der Richtung des Schusses vorwärts, mußte aber einen langen Bogen nach Südosten machen, um von dem Hügel hinabzukommen; dann ging ich mit raschen Schritten weiter. Es war jedoch leichter gesagt als getan, auf diesem abscheulichen Gelände schnell vorwärtszukommen. Auf meinem Wege mußte ich über Hunderte tief eingeschnittener, ausgetrockneter Erosionsrinnen; es war ein ewiges Hinauf und Hinunter. Kaum hatte ich eine hinter mir, so gähnte vor mir schon wieder eine andere; sie waren nicht viele Meter tief, hatten aber steile Seiten, die ich in dem lockern, porösen Lehm hinabrutschte, um gegenüber wieder eine kleine, steile Wand hinaufklettern zu müssen. Dabei verrannen die Stunden, und die Sonne sank. Jetzt erhoben sich vor mir auf dem Wege kleinere Vorberge; ich wußte nicht, sollte ich sie rechts oder links liegen lassen, glaubte aber, daß die erstere Richtung, dem Flintenschusse nach zu urteilen, näher sein werde.

Das Gelände wird immer schlechter; es ist ein Labyrinth von Hügeln mit dazwischenliegenden Schluchten und Erosionsrinnen. Manchmal glaube ich, seltsame Töne zu vernehmen, und bleibe stehen; aber alles ist still. Manchmal täuscht mich an einem Abhang ein Schatten, der einem Kamel ähnelt; aber er bewegt sich nicht, er ist ein Trugbild. Es geht aufwärts in die Berge, und je höher ich hinaufgelange, desto zerrissener und zernagter wird die Gegend, und es ist mühsam, bergauf zu gehen. Ich bin an solchen Eilmarsch noch nicht gewöhnt und fühle mich allmählich ermüdet; den ganzen Tag bin ich südostwärts gewandert, jetzt geht es nach Nordnordwesten. Stück für Stück trage ich die Route in die Karte ein, die keine Lücken haben darf.

Ein Tal führt mich nach der verkehrten Seite; ich muß es verlassen, um über holperige Hügel den Weg in ein anderes Tal hinunter zu suchen, das sich im Zickzack nach allen Richtungen hinschlängelt. Wie leicht kann man sich in solchem Gelände verirren! Ein vollständiges Labyrinth tief eingeschnittener Erosionsrinnen, ein Eingang in Täler, die nach allen Richtungen verlaufen; die kleinern vereinigen sich fächerförmig, um größere zu bilden; gewöhnlich liegen diese kleinen Hohlwege nur 10–20 Meter voneinander. Es ist eine sehr gefährliche Gegend, und ich beschleunige meine Schritte noch mehr, wenn ich daran denke, wie leicht man hier ungesehen aneinander vorbeiziehen kann, wenn man verschiedenen Tälern folgt, und wie aussichtslos es wäre, jemand in diesem tückischen Labyrinth suchen zu wollen.

Vielleicht hatte irgendein Hirt den Schuß abgefeuert; doch nein, diese haben ja keine Waffen; vielleicht war es ein Jäger vom Iliatstamm; aber nein, wahrscheinlich ist es doch einer meiner Kosaken gewesen. Je länger es ist seit dem ersterbenden Echo des Schusses, desto mehr verwischt sich der erste belebende Eindruck. Und jetzt liegt wieder das große Schweigen schwer, unheimlich brütend über diesen öden Tälern. Die Sonne berührt den Rand des Horizonts, bald wird die Dämmerung über alles, was eben noch Licht und Schatten war, ihr nivellierendes Grau streichen. Vom Licht ist schon jetzt nicht mehr viel da, und nachher kommt die Dunkelheit und mit ihr die Nacht. Selbst bei Mondschein wäre es unmöglich, sich aus einer solchen Mausefalle hinauszufinden. Hier und dort stehen einige Tamarisken. Bevor es ganz dunkel wird, muß ich mir eine passende Stelle, irgendeine kleine Höhle oder eine Schlucht in der Nähe jener Sträucher suchen, damit ich mir wenigstens ein Feuer anzünden kann, das einige Stunden vorhält. Aber mit dem Abendessen wird es heute wohl nichts werden, und es wird beim Schlafen im Freien recht kühl sein. Ich bin sehr böse auf diese sieben Männer, von denen keiner so viel Verstand gehabt hat, sich nach meiner Spur umzuschauen, die nur an sich selber gedacht haben und an möglichst schnelles Erreichen der nächsten Quelle, wo der Reispudding und der kochende Tee ihre erste Sorge sein würden.

Es wurde immer dunkler, es wurde immer schwieriger, die Entfernungen und die Tiefe der Täler zu beurteilen. Die Müdigkeit machte sich noch mehr geltend, ich arbeitete mich ein Tal nach dem andern, eine Schlucht nach der andern hinauf; immer langsamer näherte ich mich Schritt für Schritt dem zäh vor mir zurückweichenden Berg. Ich beabsichtigte schon, an der nächsten Stelle, wo es Tamarisken gab, zu bleiben, als ich ganz deutlich in der Ferne einen Ruf hörte, der die Stille durchbrach und in der Ferne erstarb. Ich rief, so laut meine Lungenkraft es erlaubte. Es war entschieden einer meiner Leute; aber sie hatten meine Antwort auf ihr Rufen nicht gehört, denn nach einer Weile dröhnte ein neuer Flintenschuß, aber aus größerer Nähe als der erste.

Nun ging es wieder schneller mit dem Gehen, und ich eilte den Hohlweg, in dem ich mich befand, hinauf. Lotrechte, ja manchmal sogar überhängende Tonschieferwände schlossen ihn auf beiden Seiten ein, aber früher oder später würde er mich wohl nach einer kleinen Paßschwelle führen. Ja, fehlgeschossen! Der Weg hörte auf einmal auf und erwies sich als eine Sackgasse, die in einem kleinen, auf allen Seiten von senkrechten Wänden umgebenen Rundteil endete; nicht einmal eine Katze hätte an diesen steilen Gehängen hinaufklettern können. Mir blieb keine andere Wahl als wieder umzukehren und abwärts zu eilen, um mein Glück in einem andern Tale zu versuchen, das vielleicht ebenso tückisch war wie dieses. Es war wenigstens schön, einmal bergab laufen zu können, wenn ich auch nichts dabei gewann. Als ich aus dem Tale herausgekommen war, ging ich aufs Geratewohl in ein anderes hinein. Keine neuen Rufe, keine neuen Schüsse; vielleicht entfernte ich mich wieder von den Suchenden? Doch diesmal gelang es mir, mich durch vorsichtiges Klettern unter Benutzung steiler Vorsprünge nach dem Gipfel hinaufzuarbeiten, und nun erblickte ich endlich in weiter Ferne zwei Männer, die gerade eine kleine Anhöhe erstiegen, um dort Ausschau zu halten.

Ich rufe ihnen zu; sie antworten und eilen mir entgegen, verschwinden aber bald in einem dieser tiefen Täler. Um dieses ganze verräterische Bündel greulicher Hohlwege zu umgehen, müssen wir auf beiden Seiten gewaltige Umwege machen. Als wir uns endlich auf einem Kamme trafen, war es schon sehr dämmerig, ja so dunkel, daß wir einander gerade noch im richtigen Augenblick zu Gesicht bekommen hatten.

Die beiden Männer waren Abbas Kuli Bek mit seiner Flinte und der wegkundige Habibullah, die mir jetzt atemlos und erregt erzählten, daß sie in der größten Sorge um mich gewesen seien. Sie waren den einzigen richtigen Weg gegangen, der am Fuße des Gebirges entlang durch ein Tal führt, das von dem Wege, den ich eingeschlagen hatte, nicht zu sehen war. An mich und meine verlorene Spur hatten sie erst gedacht, als sie an der Quelle ankamen und mich dort nicht fanden. Da waren sie ängstlich geworden, hatten sich gesagt, daß dies nicht mit rechten Dingen zugehe, und hatten sich nach verschiedenen Seiten hin begeben, um nach mir auszuspähen. Abbas Kuli Bek hatte sich klar gemacht, daß ich irregegangen sei und daß er mich um jeden Preis finden müsse, ehe es dunkel wurde. Er war mit Habibullah unzählige Täler aus und ein, bergauf und bergab gelaufen, ohne jedoch die geringste Spur zu finden. Mein Rufen hatten sie nicht gehört, und als auch auf den Flintenschuß keine Antwort erfolgt war, hatten sie sich noch mehr geängstigt.

Wir hatten noch eine gute Stunde durch ein Gelände zu gehen, das greulicher war, als die tollste Phantasie sich hätte ausdenken können. Unzählige tiefe Rinnen, die sich zu einem größern Tal sammelten, mußten in der Quere überschritten werden. Immer mehr überwältigte mich die Müdigkeit, immer öfter rasteten wir, um ein wenig feuchten Schnee, der hier oben noch in größerer Menge lag, zu essen. In einer kleinen, geschützten Mulde standen einige dichte, vertrocknete Tamariskensträucher. Habibullah war wie wild auf Brennholz und konnte an keinem Span vorbeigehen, ohne ihn mitzunehmen. Jetzt konnte er diesen natürlichen Besen, die sich allerdings vorzüglich zu Brennholz eigneten, ebenfalls nicht widerstehen und fragte, ob er sie nicht abbrechen und mitnehmen dürfe. Ja, herzlich gern! Unterdessen streckte ich mich der Länge nach auf dem Rücken aus, zündete mir eine Zigarette an und wartete. Nur zu schnell hatte er eine Holzwelle fertig, und wir setzten uns wieder in Bewegung. Jetzt hatte der Führer wenigstens Ballast und lief nicht mehr so schnell voraus wie vorher.

Auf einer flachen Höhe zeigte sich ein viereckiges Gemäuer aus Steinen, die Ruine einer »Sergär«, einer provisorischen Hütte, die Leute von einem Nomadenstamme bei einem Besuch des Kuh-i-nakschir erbaut hatten.

»Wie weit ist es noch?«

»Oh, nur noch einen halben Farsach; das Lager liegt dort oben am Fuße des Berges.«

Wieder geht es hinauf und hinunter bis ins Unendliche, und auch nicht eine Strecke von 10 Metern ist eben und bringt uns dem Berge näher. Im Halbdunkel zeigen sich in der Ferne zwei Kamelreiter; sowie sie uns sehen, kehren sie wieder um. Es war eine neue Rettungsgesellschaft, die gerade aufgebrochen war, uns zu suchen, und die nun zu ihrer Freude sah, daß sie nicht in den dunkeln Höhlen und Korridoren herumzukriechen brauchte.

»Unter dem Berge dort hinten, hinter dem weißen Hang, liegt die Quelle«, erklärt Habibullah, der unter seiner Reisigwelle ganz gebückt geht. Die Entfernung ist noch groß, aber endlich stehen wir am Rande eines Tales, in dessen oberem Teil etwas Schwarzes schimmert: es sind die Kamele, die im Kreise um ihr Häcksel herumliegen. Nach einer letzten Kraftanstrengung sind wir am Lagerfeuer angelangt.

Sie hätten sich schrecklich geängstigt, versicherte Mirza, und alle Mann seien gerade im Begriff gewesen, nach verschiedenen Seiten hin auszuziehen, um die Gegend nach mir abzusuchen; nur ein einziger wäre bei den Kamelen geblieben. Aber nun seien sie so froh, daß sie mich nicht verloren hätten. Es war der 13. Januar, und ich hatte meine Morgenzigarre am verkehrten Ende angezündet – es war klar, daß mir heute irgendetwas Unangenehmes hatte passieren müssen. Doch, Ende gut, alles gut! Ich hatte einen gehörigen Spaziergang gemacht und sah jetzt ein, daß es in Zukunft besser sein würde, sich nicht von der Karawane zu entfernen, wenn man den Weg nicht genau kannte. Wäre ein Witterungsumschlag eingetreten und hätte sich ein solcher Nebel wie an den vorhergehenden Tagen auf das Land herabgesenkt, so wäre es noch viel schwerer gewesen, sich wieder zurechtzufinden.

Während es Nacht wurde, saß ich noch eine Weile am Kohlenbecken in meinem behaglich erwärmten Zelt und freute mich, daß ich nicht draußen in einer Schlucht zu schlafen brauchte. Als Mittagessen erschien das vorletzte Kücken aus Weramin; mit Pilau und geröstetem Brot schmeckte es mir vortrefflich. Das Lager war das angenehmste, das wir seit lange gehabt hatten. In dem Tale wuchs ein wenig Gras, und die Quelle, die einen kleinen Bach bildete, hatte vollkommen süßes Wasser. Ich beschloß infolgedessen, auch den nächsten Tag hier zu bleiben, was ich um so lieber tat, als ich gründlich erschöpft war und auch die Kamele sich von dem abscheulichen Terrain, wo sie Hügel auf und ab marschiert waren, ein wenig ausruhen mußten. Die Seehöhe des Lagers Nr. 8 betrug 1125 Meter.


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