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In strömendem Regen und pechschwarzer Dunkelheit landeten wir mitten in der Nacht in Poti. Hier gab es wenigstens Droschken. Meine Reisegefährten fuhren in die Stadt, ich aber mußte erst mein großes, 350 Kilo schweres Gepäck in einem Speicher unter Dach bringen, ehe ich ihnen folgen konnte. Die beiden Rionbrücken passierten wir mit heiler Haut; doch als wir in die erste Straße einfuhren, wurde mein Wagen von Kosaken angehalten, denen ich verdächtig erschien und die mich nicht eher weiterfahren ließen, als bis sie meine Personalien einer sorgfältigen, vorschriftsmäßigen Feststellung unterzogen hatten. Alle Hotels waren überfüllt mit Reisenden, die auf Fahrgelegenheit nach Tiflis warteten, und erst gegen Morgen konnte ich im »Jewropeiskija Nomera«, einem Hotel vierter Klasse, ein erbärmliches Stübchen erhalten. Das im Besitz abenteuerlich aussehender Grusinier befindliche Hotel ist auf allen Seiten von Wasser umgeben und durch eine schmale Brücke mit der Straße verbunden.
Ununterbrochen regnet es weiter; die Seen und Sümpfe zwischen den Häusern schwellen an und machen selbst den kürzesten Spaziergang unmöglich. Die ganze Stadt Poti ist dumm und unpraktisch angelegt. Sie liegt viel zu weit von der Landungsbrücke, was für Reisende, die um 1 Uhr nachts ankommen, höchst unbequem und für die, welche von hier abreisen wollen, noch schlimmer ist.
In diesem Höllenneste verweilten wir vier Tage in Gesellschaft von Ratten, die so groß waren wie Kaninchen. Wir ließen uns nicht entmutigen und waren brillanter Laune, ja, ausgelassen wie Studenten. Bald gelang es dem Oberst, bald dem Konsul, eine Büchse Sardinen, eine Wurst oder eine Flasche Rotwein aufzutreiben, und wir lebten ungefähr wie Kriegskorrespondenten während eines Feldzugs, in welchem man mit dem vorlieb nehmen muß, was man in aller Eile erhalten kann. Ich hatte immerhin noch den Vorteil, eine gründliche Lektion im Russischen zu erhalten, die beiden andern aber lernten in der ganzen Zeit auch nicht ein einziges Wort Schwedisch.
Am Abend des 5. November besuchten wir eine Dilettantenvorstellung im Klub mit nachfolgendem Tanz zum Besten der städtischen Schule, die übrigens nur ein paar hundert Rubel Staatszuschuß erhält. Sie amüsierten sich so gut sie konnten, diese armen, bedauernswerten Leute, die nach Poti verbannt sind; aber ihr Tanz war reizend anzuschauen, und mit ihm verglichen sind die europäischen Tänze keine Kunstwerke plastischer Grazie. Ein solcher echt russischer Gesellschaftsabend kennzeichnet sich durch das laute Geschrei am Büfett, das Anstoßen mit bis an den Rand gefüllten Wein- oder Wodkagläsern, die verdorbene, überhitzte Luft und die hermetisch geschlossenen Fenster, die uns so engherzig von dem Herbste draußen trennen.
Am 6. November wurden wir durch einen fürchterlichen Sturzregen mit Donner und Blitz aus dem Schlafe geweckt. Ein Donnerschlag war so heftig, daß der Oberst mit dem Ausruf »eine Bombe!« auffuhr! Wir begaben uns nach dem Hafen hinunter und sahen die Wellen über die Mole schlagen. Hier lagen fünf russische Schiffe mit voller Ladung, aber verlassen und menschenleer, weil niemand da ist, der löschen will, und die Waren nicht weiterbefördert werden können. Ganze Berge Kisten, Säcke und Ballen, zusammen wohl 500 Güterwagen füllend, sind am Hafen aufgestapelt.
Der mit einer liebenswürdigen Schwedin verheiratete Stationsvorstand in Poti, Herr Lopatin, war der einzige Eisenbahnbeamte, der auf seinem Posten geblieben war, als alle anderen gestreikt hatten. Aber er lebte dafür auch beständig im Belagerungszustand, und sein Leben war bedroht; die Besorgnis seiner Gattin um seine Sicherheit war ebenso rührend wie begründet, da zwischen Poti und Tiflis vier Stationsvorsteher ermordet worden waren. Lopatin riet uns zu warten; er glaubte, daß in einigen Tagen starke Militärzüge von Tiflis kommen würden, und nach Samtredi konnte er uns, wie er sagte, jederzeit befördern; bis dahin war die Strecke in Ordnung.
Am 8. November machte ich um die Mittagszeit meinen gewöhnlichen Besuch bei Lopatin. Ein Soldat wies mich nach einem benachbarten Speicher, in welchem Eisenbahnarbeiter eine Versammlung abhielten, die schon über vier Stunden gedauert hatte. Es war recht erquicklich, ihre hochpolitischen Darlegungen anzuhören. Die absurdesten Vorschläge zur Teilung alles Besitzes und aller Macht wurden vorgebracht, verteidigt und mit Beifall ausgenommen. Mein Freund Lopatin wurde heftig angegriffen, weil er sich nicht an dem allgemeinen Streik beteiligte, und ein unverschämter Kerl schlug vor, ohne weiteres umzubringen. Doch ein anderer Redner nahm Lopatin in Schutz und erinnerte daran, daß er stets eine freundliche Gesinnung gegen die Arbeiter gezeigt habe. In der Versammlung trat auch ein alter Streikbrecher auf, der einen ihm geschickten lakonischen Drohbrief vorlegte – eine Zeichnung, die einen Sarg vorstellte; aber er versicherte, daß er sich durch dergleichen keine Angst einjagen lasse. Zuletzt sprachen noch einige Grusinier in der Sprache ihrer Heimat, wovon ich nichts weiter verstand als das eine und andere übernommene Wort, wie »Revolutsij«, »liberalnij Parti«, »Politika«, »Autonomia«, »Sozialdemokrati« und andere derartige ebenso hübsche wie inhaltsreiche Begriffe. Je mehr die Reden mit solchen Begriffen gespickt waren, desto kräftiger wurden die Hurra- und Bravorufe, die manchmal geradezu ohrenbetäubend erklangen, obgleich die armen Leute, die hier vier Stunden gestanden, eigentlich recht müde hätten sein müssen. Das Publikum war gemischt: wilde kaukasische Typen, heißblütige Russen, Armenier und Tataren. Die Diskussion war, als wir die Versammlung verließen, gelinde ausgedrückt, noch lebhaft, und man konnte sich über keine andere Resolution einigen als darüber, nicht zu arbeiten.
Lopatin hatte uns wenig erfreuliche Nachrichten mitzuteilen. Die revolutionäre Bewegung schien in einen innern Krieg auszuarten. Eine aus 150 Mann bestehende Kosakenabteilung war von einigen Tausend gut bewaffneten Grusiniern bei Osurgeti umzingelt worden. Der Führer der kleinen Schar versuchte, einen Boten mit der Bitte um Hilfe nach Datum zu schicken. Dieser Reiter gelangte nicht ans Ziel. Noch einer wurde abgeschickt und aufgefangen, ebenso ein dritter und vierter. Dem fünften Boten, einem Mohammedaner, gelang es, in der Dämmerung am Boden kriechend, den Belagerungsring zu durchbrechen und Batum unverletzt zu erreichen. Einige hundert Mann aus Poti mit vier Mitrailleusen wurden zum Entsatz abgesandt. Mein Freund, der Oberst, war der Ansicht, daß man ihnen eine aussichtslose Aufgabe gestellt habe, da sie Engpässe und Hohlwege forcieren müßten, wo einzelne, im Walde versteckte Schützen sie von oben herab beschießen könnten und wo sie einzeln aufs Korn genommen werden würden, ohne sich dagegen wehren zu können. Inzwischen wurden die kleinen Pioniertrupps, welche verschiedene Bahnstrecken ausbesserten, unaufhörlich überfallen, und jeder Angriff kostete einigen Soldaten das Leben – ein richtiger Kleinkrieg!
Inzwischen berieten wir miteinander über die Wege, die mir nach Teheran offenstanden oder, richtiger – versperrt waren. Jedes Warten auf die Wiedereröffnung der Linie Poti-Tiflis-Eriwan erschien aussichtslos, besonders seit die Bahnstrecke diesseits der Station Samtredi wieder auf geriffelt worden war. Wie wäre es, wenn ich über Noworoßijsk, Wladikawkas und die grusinische Heerstraße nach Petrowsk oder Baku führe? Nein, aller Wahrscheinlichkeit nach wurde auch dort gestreikt. Der Oberst schlug vor, daß wir von Batum nach Artwin und Kars und dann längs der Grenze nach Eriwan reiten sollten. Aber einige Grusinier rieten uns aufs entschiedenste davon ab, weil wir ganz gewiß von Räuberbanden, die gerade in diesen unruhigen Zeiten tätiger als sonst seien, ausgeraubt werden würden. Lebensgefahr war wohl nicht dabei, aber was sollte ich ohne meine Instrumentenkisten und ohne meine Reisekasse anfangen? Es wäre vielleicht pittoresk und abenteuerlich gewesen, als ausgeplünderter Vagabund nach Batum zurückzukehren, aber zu solchen wagehalsigen Experimenten hatte ich weder Lust noch Zeit.
Ich entschloß mich also, in aller Eile dieser unwirtlichen Küste auf irgendeine Weise den Rücken zu kehren, mich nach Trapezund zu begeben und über Erzerum, Bajaset, Choi und Tabris nach Teheran zu reisen. Auch diese Route war unsicher, aber immer noch besser als der Weg durch Kaukasien; die Reise würde zwar drei Wochen länger dauern als die Fahrt über Eriwan, aber ich würde dabei Gelegenheit haben, das türkische Armenien, die kleinasiatischen Gebirge und den stolzen Ararat kennenzulernen.
Es handelte sich also nur darum, mit für diesen Zweck einigermaßen genügenden Papieren nach Trapezund zu gelangen. In Konstantinopel hatte ich keine Schritte getan, die mir hierzu hätten nützlich sein können; es war ja nicht nötig gewesen, da ich gar nicht daran gedacht hatte, die Asiatische Türkei zu besuchen. Glücklicherweise hatte Baron Ramel, der schwedische Gesandte, mich mit Tewfik Pascha, dem Minister des Auswärtigen, und dem Großwesir Ferid Pascha bekanntgemacht; diese kannten mich also und wußten, daß ich dem Halbmond und der Hohen Pforte nicht gefährlich war.
Ich eilte nach der Dampferagentur in Poti, um mich zu erkundigen, wann der nächste Dampfer nach Batum abgehe. Der Agent wußte es nicht, denn er erhielt keine Telegramme mehr und glaubte, daß der Dampferverkehr des Streiks wegen eingestellt worden sei. Während wir noch miteinander sprachen, meldete ein Diener, daß der Dampfer »Alexei« gerade in den Hafen einlaufe! Wir eilten nach der Landungsbrücke. Der Kapitän, ein jovialer Mann, erzählte uns von den greulichen Zuständen in Odessa und anderen Städten. Er wollte die Nacht über in Poti liegen bleiben, um bei Tag in den Hafen von Batum einzufahren. In der Dämmerung begab ich mich daher an Bord und machte dort gleich die Bekanntschaft der einzigen Passagiere des Dampfers, eines Obersten der donischen Kosaken, eines Herrn von kolossalen Dimensionen, der, wie er selbst sagte, 152 Kilo wog – nahezu die Hälfte meines ganzen Gepäcks –, und eines griechischen Kaufmanns, dem auf dem Wege von Poti nach Tiflis zwölf Güterwagen gänzlich ausgeplündert worden waren. Zugleich erfuhren wir, daß in Batum ein neuer Generalstreik ausgebrochen war und dort schlimmere Zustände herrschten als je zuvor. Der Gouverneur hatte die Festung in Kriegsbereitschaft gesetzt und vollzählig bemannt, nachdem die Aufrührer gedroht hatten, sie zu erstürmen. Täglich kam es zu Zusammenrottungen und Mord auf den Straßen, und niemand war seines Lebens sicher.
Endlich, am 9. November, schlug die Stunde der Befreiung; ich kann das russische Gebiet verlassen und mich in zivilisiertere Verhältnisse begeben – unter Türken, Armenier und Perser! Das Abfahrtssignal weckt mich aus dem Schlafe, die Maschine arbeitet, und Poti verschwindet hinter uns. Zum zweitenmal bin ich auf dem Wege südwärts nach Batum, ohne eine Ahnung zu haben, wie und wann ich dieses Nest werde verlassen können. Der Kapitän macht mir den Vorschlag, irgendein ausländisches Schiff zu chartern, das müßig in Batum liege und es gern übernehmen werde, mich weiter zu befördern. Er glaubt, daß dies 500 Rubel kosten werde, und mir erscheint der Preis nicht übertrieben hoch, handelt es sich ja doch darum, mit heiler Haut aus den russischen Häfen herauszukommen. Es wäre jedenfalls originell, mit einem eigenen Schiff über das Schwarze Meer zu fahren, und ich hatte im Geist schon beschlossen, alle, die mitfahren wollten, einzuladen, Türken und Armenier, die sich heimsehnen, Europäer, die hier nicht bleiben mögen, Faulenzer, Räuber und Gesindel – es sollte eine bunt zusammengesetzte Argonautenfahrt an der Küste von Kolchis werden!
Wir fahren in den Hafen von Batum ein, wo viele Schiffe unbeschäftigt liegen; die vom Sonnenlicht überflutete Stadt sieht ganz friedlich und fröhlich aus. Wie lange werde ich dort bleiben müssen? Unter normalen Verhältnissen kommt am Donnerstag einer der Dampfer des Österreichischen Lloyd an und fährt am Freitag Abend wieder ab, jetzt aber höre ich, daß die meisten ausländischen Schiffe während des Streiks nicht weiter als bis Trapezund fahren und daß ich in Batum elf Tage warten muß, da erst dann ein russischer Dampfer nach Konstantinopel geht! Ein an Bord kommender Agent teilt uns mit, daß die Arbeiterbevölkerung deshalb unversöhnlichen Generalstreik proklamiert habe, weil Militär nach Batum zusammengezogen worden sei. Man fordere die Entfernung der vor den Banken stehenden Wachen und die Räumung der Festung, ja man drohe mit allgemeinem Gemetzel unter den Bürgern Batums, wenn man seinen Willen nicht bekomme. Es heißt allgemein, daß die Bürgerschaft auf einem englischen Dampfer nach der türkischen Küste flüchten wolle.
Alle Hotels sind geschlossen. Schöne Aussichten! Man kann sich doch nicht auf der Straße herumtreiben, und ich zerbreche mir gerade den Kopf darüber, ob ich mich in Nobels Kontor einquartiere oder mich an den Gouverneur wende, als der »Alexei« langsam an dem österreichischen Schiff »Saturno« vorbeifährt, auf dessen Deck der griechische Kaufmann den Agenten des Österreichischen Lloyd erblickt, dem er zuruft:
»Wohin fahren Sie, und wann geht es ab?«
»In zwei Stunden nach Trapezund.«
Diese Worte wirkten auf mich wie ein elektrischer Schlag. Hier galt es, um jeden Preis mitzukommen – und ich hatte keine Papiere zu einer Reise in die Türkei! Ich stürme zu Fuß – Droschken waren natürlich nicht da – nach dem österreichischen Konsulat, nach dem Polizeiamt, wo meinem Passe ein russischer Stempel aufgedrückt wird, nach der russischen Dampferagentur, nach der Agentur des Österreichischen Lloyd und erhalte dort, als kalte Dusche, den Bescheid, daß der »Saturno« nach einer russischen Polizeiverordnung nicht berechtigt sei, Passagiere mitzunehmen. Ich beschwöre den Agenten, einen Herrn, dessen Nationalität unergründbar ist, bei allen Mächten der Unterwelt, mich mitfahren zu lassen. Er läßt sich erweichen und verspricht mir, daß er versuchen wolle, mir bei der Polizei eine besondere Erlaubnis auszuwirken, rät mir aber, mich zu sputen, da der Dampfer in einer halben Stunde abgehe. Sage die Polizei nein, so müsse ich mich in mein Schicksal finden. Ich eile nach der Landungsbrücke und werfe im Vorübergehen einen Abschiedsblick auf mein altes Gefängnis, das Hotel »Frantsia«, dessen Fenster jetzt sämtlich mit Läden verschlossen sind.
Wie soll ich all mein schweres Gepäck auf das österreichische Schiff bringen, da keine Katze in diesem elenden Hafen arbeitet? Der Kapitän des »Alexei« ist aber ein prächtiger Mensch; er läßt eines seiner Boote auf das Wasser bringen, und nach einigen Minuten sehe ich meine wertvollen Sachen zwischen Himmel und Wasser schweben und in der Jolle untergebracht. Ich selbst nehme zu oberst auf einer Kiste Platz, und starke Arme rudern mich durch die von Norden kommende Dünung gerade in dem Augenblick nach dem Fallreep des »Saturno«, als das Abfahrtssignal ertönt.
»Rudert aus Leibeskräften! Ihr bekommt 10 Rubel Trinkgeld, wenn ihr meine Kisten rechtzeitig an Bord bringt!«
Das Boot hebt und senkt sich in der Dünung; es ist ein Akrobatenkunststück, das schwere Gepäck auf das Deck des »Saturno« zu schaffen. Gerade in diesem Augenblick zeigt sich der Kapitän, ein ungeschliffener, wettergebräunter Seemann, und bittet mich wörtlich, mich zum Teufel zu scheren! Ich frage höflich, wie dies zu verstehen sei.
»Hier werden keine Passagiere mitgenommen, packen Sie sich!« brüllt er mir zu, indem er sich entfernt. Seine Abwesenheit benutzend, lasse ich die Matrosen das Gepäck auf das Deck bringen, gebe ihnen die versprochene Belohnung und bitte sie, möglichst schnell vom Fallreep des »Saturno« fortzurudern, da ich entschlossen war, mich nur mit Hilfe des großen Hebekrans wieder vom Schiffe hinunterbringen zu lassen! Ich war auf ein heißes Scharmützel gefaßt, als der Seebär, anmaßend und selbstherrlich wie ein Diktator, über das Deck gestiefelt kam und mich anbrüllte:
»So, Sie sind hier; ich habe Leute, um Sie wieder ans Land zu setzen!«
»Meine Papiere sind in Ordnung«, erklärte ich.
»Geben Sie sie her!« Er besah meinen Paß und die andern Papiere und rief dann aus: »Nun gut, Sie sind zum Mitfahren berechtigt, Sie haben aber keine Erlaubnis vom türkischen Konsul und werden in Trapezund nicht ans Land gelassen; aber das ist Ihr eigenes Pech!«
»Wenn ich nur nach Trapezund komme, will ich schon allein fertig werden. Die Hauptsache ist, daß ich mit heiler Haut aus Batum herauskomme. Ich habe an den schwedischen Gesandten in Konstantinopel telegraphiert und bin sicher schon in Trapezund angemeldet.«
Ich sah eine ganze Reihe Scherereien mit türkischen Zollschnüfflern vor mir, die es gerade jetzt mit den aus dem gefährlichen Rußland kommenden Schiffen sehr genau nehmen mußten, aber ich machte gute Miene zum bösen Spiel und antwortete ruhig: »Geographische Forschungen«, als der Kapitän sich nach dem Zwecke meiner Reise erkundigte.
»Die sind unnötig,« meinte er, »viel besser ist Briefmarkensammeln; das tue ich.«
»Dann kann ich Ihnen mit einigen persischen Marken dienen, die ich von einem Griechen in Batum gekauft habe; wollen Sie sie sehen?«
»Natürlich!« Er sonderte diejenigen aus, die er noch nicht besaß, und fragte, ob er sie mir abkaufen könne.
»Nein, aber ich schenke sie Ihnen zur Erinnerung an mich!«
In fünf Minuten waren wir Freunde fürs ganze Leben, der Kapitän des »Saturno« und ich; eine Deckkabine erster Klasse wurde mir zur Verfügung gestellt, das Billett kostete 6 Rubel – ich hatte 494 Rubel und zehn Tage gespart! Zwei Türken, deren Pässe nicht in Ordnung waren, wurden dagegen nach dem Lande zurückgejagt, und der Dampfer glitt aus dem Hafen hinaus. Mit dem Gefühl der Erleichterung und des Behagens sah ich Batums Häuserfassaden, Minarets und Kirchen unter den Horizont hinabsinken, und vor mir im Südwesten verschwamm Kleinasiens Küste in unendlicher Ferne.