Jeremias Gotthelf
Uli der Pächter
Jeremias Gotthelf

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Siebentes Kapitel

Eine Überraschung, aber keine angenehme

Am folgenden Morgen wollte Vreneli eben die Base rufen, dieweil es im Hinterstübchen noch einige Schinkenschnittchen und eine Flasche Wein zweggestellt hatte, um den Nachdurst zu löschen und den blöden Magen zu verbessern, wie es sagte, als ein schlecht Fuhrwerk um das Haus gefahren kam, aber noch viel blöder, als irgend ein Magen nach einem Kindtauftag sein kann.

Vreneli hatte gute Augen. «Herr Jeses, Herr Jeses!» sagte es. «Was ist, was ist?» frug die Base, «es wird doch nicht etwa eine Bettelfuhre sein?» «Nein, Base, nein,» sagte Vreneli, sich fassend, «ich weiß nicht, wo ich meine Augen gehabt; es ist ja ds Elisi, es wird zu Besuch kommen wollen.» «So ungesinnet, du mein Gott, was hat es wohl gegeben?» jammerte die Base.

Unterdessen war das Pferd blöde herangeschritten, und drinnen saß wirklich Elisi, so mager und grüngrau wie ein vorjähriger Rosmarinstengel, hatte ein eingewickelt Päcklein auf dem Schoße, und im Päcklein quakte was, man wußte nicht, wars ein Laubfrosch oder sonst eine lebendige Kreatur.

«Da nehmt, und da bin ich,» sagte Elisi und reichte das Paket hinaus, in welchem es gar heiser und jämmerlich quakte. «Jetzt müßt Ihr mich behalten, Ihr mögt wollen oder nicht, ich bin hier daheim.» Vreneli half ausladen, mußte dem Fuhrmann einen Platz für das Roß im Stalle zeigen, da das Mannsvolk im Walde war, hörte also die reichlichen Ausrufungen der Base nicht. Die gute Alte ward inne, daß das quiekende Paket aus einem Kindlein bestand, welches fest eingewickelt war in ein Umschlagetuch, und ließ es aus Schreck fast fallen. «Du bist doch immer das schrecklichste Babeli auf dem ganzen Erdboden,» sagte sie zu Elisi, «ein Kind so einzumachen; ein Wunder ists, daß es nicht dreimal erstickt und siebenmal erfroren ist. Nein aber, das arme Tröpflein! Es ist nichts gräßlicher, als wenn ein Mensch keinen Verstand hat und dazu noch eine Mutter vorstellen soll.» «Daß ich eine bin, daran seid gerade Ihr allein schuld,» sagte Elisi, «warum geht Ihr und erzwingts, daß ich den Hudelbub heiraten muß? Ledig wäre es mir noch lange lange wohl gewesen.» «Was?» sagte die Alte, «ich soll an deiner Heirat schuld sein und dir wäre es noch lange wohl gewesen ledig? Jawohl, daß Gott erbarm, und wie! Gerade wie dem armen Würmli da, Gott verzeih mir meine Sünde! Aber was bringt dich Böses? Denn nach dem Guten darf ich dich nicht fragen.» Da begann Elisi ein schreckliches Geheul, wie es ihm jetzt ergehe, weil man es gezwungen habe, den verfluchten Möff zu heiraten. Es habe gedacht, die müßten doch auch was davon haben, welche an all dem schuld seien. Wüst sich sagen lassen den ganzen Tag, Hund sein sollen und nichts fressen, obendrein noch Schläge, diese Lebweise habe es satt, es könne sie seinethalben jemand anderes auch probieren.

Da kam Vreneli mit Schinkenschnittchen, Backwerk, Wein, mit allem, was im Hinterstübchen für die Base aufgehoben gewesen. Es habe gedacht, es könne vielleicht was helfen und Elisi werde hungrig und durstig sein, sagte Vreneli in allem guten Meinen und dachte, wie es da was Gescheutes mache. Aber kurios, im Verkehr mit dummen Leuten wird gerade das Gescheuteste zum Verkehrtesten, mit Minus ist halt gerade das umgekehrte Rechnen als mit Plus. Wie Elisi Wein und Schinken sah, fing es ein ganz mörderlich Geschrei an, akkurat als ob Vreneli Elisis eignen Schinken da präsentiere, wohlgeräuchert auf einem Teller. Man begriff lange an dem Geheule nichts, bis man endlich aus einigen artikulierten Tönen entnehmen konnte, daß es Elisi das Herz zerriß, wie man auf der Glungge ein Leben führe, seit es fort sei. Während es Hunger leide, kaum hartes Kuhfleisch habe und schlechte Kartoffeln samt Wasser, wenn es möge, habe man hier schon des Morgens Schinken und Wein wie die vornehmsten Engländer. Aber vor Gott sei es nicht recht und sie würden es einst zu verantworten haben, daß man die eigenen Kinder ins Elend stoße und mit Fremden und Lumpenleuten die Sache verfresse und versaufe! Jetzt sehe es, wie man es mit ihm meine und immer gemeint habe.

Man sagte ihm, gestern sei Taufe gewesen und was da stehe, sei übrig geblieben. Aber mache jemand einem zornigen Weibsbild was begreiflich! Zudem tat das Kindlein erbärmlich, daß es der Großmutter himmelangst wurde und sie und Vreneli ihm ihre Hauptsorge zuwenden mußten. Sie ließen also das Elisi heulen und suchten das Kind zu beschwichtigen. Umsonst heult selbst ein Elisi nicht gerne; sobald es also sah, daß man seiner sich nicht mehr achte, setzte es ab mit Heulen und sich hinter Schinken und Wein und sagte, es wolle zugreifen, wenn es schon niemand heiße, es wolle nehmen, während noch was da sei, es merke wohl, wie das gehen solle, die Leute werden halt nie aussterben, welche Andere um ihre Sache brächten oder eheliche Kinder aus dem Neste stießen. Man ließ es reden und essen, beides brachte es nach und nach zu sich selbst und auf den rechten Grund seines Herkommens.

Gestern spät am Abend war der Mann heimgekommen, fand kein Licht im Hause, nichts Warmes für sich, da tat er wie ein Menschenfresser und prügelte Elisi. Am Morgen wollte er frühstücken, da war weder Holz noch Kaffee da, alles sollte erst zusammengeholt werden, hierher, dorther; da ward das Untier wieder zornig und prügelte Elisi wieder ab, und zwar mit der Elle. «Soll ich für alles sorgen? Soll ich an alles denken? Soll mir alles in den Sinn kommen? Der Unteufel, der er ist! Für was ist er da? Für was hat man eine Magd? Und wenn man nicht wüßte, daß er kein Geld hätte, so würde man uns solche Sachen ins Haus senden, man brauchte nicht lange darnach zu laufen. Wenn meine Mutter einen Batzen wert wäre, hat er gesagt, so würde sie kein solch Lumpenmensch erzogen haben, denn keinen faulen Pfennig sei ich wert, und wenn ich schon einen Taler im Maul hätte; von schlechten, verfluchten Leuten her müßte ich sein, daß ich so nichtsnutz geraten, zu einem Mensch, welches kein Bettler auf dem Mist auflesen würde, und dabei hat er mich nun geschlagen, bis ich aus dem Bette sprang, in die Kleider fuhr und fortlief. Bringt mir nun nicht der Unflat von Magd das Kind nach und sagt, der Herr schicke es! Was jetzt machen? Fahren wollte mich niemand, gehen mochte ich nicht, zurück wollte ich nicht; der könnte mich töten oder gar vergiften, ihm war das Schlimmste zuzutrauen. Endlich erbarmte sich Lugihausi meiner, er war früher auch ein vornehmer Mann und weiß jetzt, wie es jemand ist, dem niemand helfen und glauben will; der spannte endlich an, und jetzt bin ich da und jetzt, Mutter, mußt du Fuhrlohn zahlen.»

Das waren begreiflich keine erfreulichen Nachrichten und Aussichten; gerne hätte Vreneli den doppelten Fuhrlohn bezahlt, wenn Elisi wieder weitergefahren wäre. Der Base war es wahrscheinlich ebenso, sie wußte, was das Fortlaufen für eine mißliche Seite hat, nämlich das Wiederkommen. Daß der Mann die Frau geprügelt, fand sie freilich sehr fatal, besonders für den geschlagenen Teil. Indessen mußte sie gestehen, daß ein Mann ungeduldig werden muß und wirbelsinnig, wenn die Frau für nichts sorgt, nichts denkt, immer nichts da ist, was man eben brauchen sollte, wenn sie ist, als wäre sie ohne Gehirn oder hätte höchstens das Gehirn einer Gänsin; in einem solchen Gehirn steckt gewöhnlich noch die Unart, daß man es nicht einmal mahnen darf; da soll eine Magd probieren und sagen: Frau, dies, Frau, jenes wäre nötig, sollte man holen!, sie würde allemal einen Schnauz kriegen eine Elle länger als der längste Husarenschnauz. Da kriegt denn so eine Magd auch Bosheit in den Leib und denkt: Meinethalb!, wird stumm wie ein Fisch, hat erstlich Freude, wenn man auskömmt mit einer Sache und die Frau merkt es nicht, und zweitens noch eine größere Freude, wenn der Mann darüberkömmt und mit einem Haselstecken am Gedächtnis seiner Frau herumflickt, wenn auch mit schlechtem Erfolg.

Was die gute Großmutter dabei tröstete, war das Erbarmen mit dem armen Kinde; so heillos verwahrloset war ihr die längste Zeit kein Bettelkind vor Augen gekommen, so mager, unsauber, gelb, blau und grau, es war ein Elend. Sie sagte Elisi, sie hätte gute Lust, noch nachzubessern, was ihm der Mann zu wenig gegeben, vor Gott sei es nicht zu verantworten, wie es mit dem Kinde umgehe; sie müßte sich schämen, eine Tochter zu haben, welche nicht halb so viel Verstand gegen ein Kind habe als eine Katze gegen ihr Junges. Wenn sie mehr hätte, sagte Elisi, so sollte sie das Kind nehmen; daß es nicht mehr habe, dafür könne es nichts, sie hätten ihns erzeugt und erzogen; traurig genug sei es für ihns, daß man ihns so verwahrloset, daß es so dumm geblieben. Es trat gar deutlich hervor, daß Elisis ganze Lebenskraft im Maul sich zentralisiert habe.

Es ist sehr oft der Fall, daß die geistige und körperliche Kraft eines Menschen sich in ein Glied oder ein Talent zusammenzieht, da Ausgezeichnetes leistet, im Übrigen aber schwach oder kreuzdumm ist. Man hatte ausgezeichnete Maler, und nebenbei waren sie einfältige Menschen, man hatte Menschen, denen alle Kraft in den Füßen lag, schlaff hingen die Arme am Leibe nieder, Hasenfüße nannte man sie, kommode Leute, besonders bei einer Retirade. Bei Elisi zogen alle geistigen und leiblichen Kräfte sich in einem Gliede zusammen, und zwar in der Zunge. Die Zunge ist ein klein, wunderbar Ding, «ein klein Glied,» wie der Apostel Jakobus sagt, «und erhebet sich doch gewaltiglich. Siehe ein klein Feuer, wie einen so großen Haufen Holz zündet es an! Also ist auch die Zunge ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit; also stehet die Zunge unter unsern Gliedern, welche den ganzen Leib befleckt und zündet das Rad unserer Geburt an und wird angezündet von der Höllen.» Ja, das ist ein Ding, die Zunge, und zwar eines von doppelter Natur, ein geistig und ein leiblich Werkzeug, dem Geiste, dem Leibe unentbehrlich. Es ist aber nichts merkwürdiger als die Wahrnehmung, daß die Zunge, sobald sie zum herrschenden Gliede im Körper wird, sie sich in beiden Richtungen, geistig und körperlich, geltend macht und das große Wort führt. Das Wort «Kaffeeschwestern» ist ein altes, wohlbekanntes, und niemand, der es hört, ist so einfältig, wenn er es hört, zu glauben, es sei da die Rede von Schwestern, welche bloß den Kaffee lieben, er weiß alsbald, daß es zungenfertige Dinger sind, welche nebst Kaffee das Geschwätz lieben über alles. Es ist halt mit der Zunge akkurat wie mit einem Wagenrad, wird dieses viel umgetrieben, so muß es auch viel und gut gesalbet werden. Die Sache ist ganz natürlich; wie Krieger mit dem Degen, fechten die Diplomaten mit der Zunge, sind aber auch allbekannte Gutschmecker, und diplomatische Mahlzeiten sind wohlbekannt von alters her. Wenn nun ein ganzes Volk sich auf die Diplomatie legt und mit Schwadronieren sich befaßt, Herrgott, was da gesalbet und geschmiert werden muß! Man frage einen Waadtländer, der wird auch was erzählen können über diesen Punkt. Es wird also niemand ungläubig den Kopf schütteln ob unserer Äußerung über die Doppelnatur der Zunge, die zwei ist und doch eins, und also niemand sich wundern, wenn sie auch bei Elisi scharf hervortrat. Wir haben im Berndeutsch gar herrliche Worte, die verschiedenen Sorten und Abarten des Geschwätzes zu bezeichnen: dampen, dämperlen, klapperen, stürmen, schwadronieren, poleten, hässelen, giftlen, schnäderen, ausführen, kifeln, rühmseln usw. Hässeln und schnädern möchten die beiden bezeichnendsten Worte für die Richtungen von Elisis Unterhaltungen sein. Am liebsten salbete es seine Zunge mit was Süßem und was Rotem, doch verschmähete es auch Fische, Pasteten, Geflügel nicht, so wenig als weißen Wein vom Jahre 1834 und Muskatwein, welcher bekanntlich gelb ist. Von Arbeiten war gar keine Rede mehr, selbst nicht mehr von Korallenanziehen, zog es doch nicht einmal sein eigen Kind an, hätte es, wenn es niemand anders tat, tagelang liegen lassen.

Die eilf ägyptischen Plagen sind bekannt, eben angenehm sind sie nicht zu nennen; aber auf einem Bauernhofe, wo alles arbeiten soll, jeder sein angewiesenes Tagewerk hat, eine Person zu haben, welche nichts tut als allenthalben herumstehen, alle versäumen mit Schnädern und Befehlen, mit Gerede von allen Sorten, alle Augenblicke was wollen, welches nicht zu haben und zu machen ist, und dann ein Geschrei und einen Jammer verführen ärger als ein junges Schwein in eines ungeschickten Metzgers Händen, das ist eine Plage, an welche Moses nicht gedacht zu haben scheint. Mach, wie wenn du daheim wärest, so sagt man zu einem Menschen, wenn man wünscht, daß es ihm recht behaglich und heimlich werde. So brauchte man aber zu Elisi nicht zu reden; es tat wirklich, als wäre es daheim, und nahm von dem neuen Verhältnis, nach welchem Uli und Vreneli im Hause Meister waren, keine Notiz. Es lief im Hause herum wie im Stock, es stellte sich bei Mägden und Knechten, nahm sie in Anspruch bald für dieses, bald für jenes, strich besonders Uli nach; wenn es ihn irgendwo merkte, hatte es keine Ruhe, bis es bei ihm war. Bitterlich dagegen haßte es Vrenelis schönes Kind und zeigte das so unverhohlen, daß man es so wenig allein bei ihm lassen durfte, als man eine Katze bei einem Kinde läßt; Elisi wäre imstande gewesen, es zu kneifen und zu kratzen, und da es das nicht durfte, grinste es ihns wenigstens an, so daß dasselbe allemal sich zu fürchten und zu weinen anfing, wenn es Elisi von weitem sah. Nun sollte auch sein eigen Kind auf einmal so hübsch werden, und dazu wußte es kein ander Mittel, als demselben den ganzen Tag zu essen zu geben oder geben zu lassen, es förmlich zu mästen, und zwar mit dem größten Unverstand; gute Milch gab es ihm keine mehr, es mußte dicker Rahm sein, stopfte ihm den ganzen Tag Brei in den Leib, schüttete ihm Wein darüber, stieß Zuckerbrot oder so was nach, daß das Kind erst fast erstickte und dann Bauchweh oder so was kriegte, jämmerlich schrie, bis es himmelblau wurde im Gesicht. Wollte die Mutter wehren, dann schrie Elisi, die Mutter gönne ihm kein schönes Kind, sie halte es mit Vreneli und dessen Balg; wenn es wüßte, wie dem vergeben (vergiften), es täte es noch heute, sparte es nicht bis morgen; sie sollten sich in acht nehmen, wenn es dasselbe einmal in die Hände kriege, wolle es ihm die Hübsche vertreiben für sein Leben lang. Dann kam Joggeli und begehrte auf über das fortwährende Geschrei; es sei eine halbe Stunde in der Runde kein Winkel, wo man einen ruhigen Augenblick haben könne, höre Eines auf, so fange das Andere an. Daß es ihm in seinen alten Tagen noch so gehen könne, daran habe er nie gedacht, aber er wisse wohl, wer an allem schuld sei, man möge es glauben wollen oder nicht.

Die gute Base hatte wirklich böse Tage, Tage, von denen sie sagen mußte, sie gefielen ihr nicht. Sie sah alle Tage eine Sache heller ein, an welche sie früher nicht gedacht hatte; sie war ihr nie so recht vor die Augen gekommen, und die Erfahrung ists, welche Wissenschaft und Weisheit bringt. Sie hatte nämlich nie gesehen, was eine Person von Elisis Schlage für eine Mutter wird. Man kümmert sich manchmal darum, welche Haushälterin ein Mädchen werde, aber was es für eine Mutter werde, daran denkt man nicht oder man meint, der Verstand dazu werde ihm schon kommen, es werde ihns schon lehren. Ja, daß Gott erbarm, lehren! Mutter wird Manche, ungesinnet, aber eine rechte Mutter sein, das ist ein schwer Ding, ist wohl die höchste Aufgabe im Menschenleben. Schon alleine der bloße Anblick der Mutter ist von unnennbarem Einflusse auf das Kind, kann das Kreuz mit der Schlange sein, bei welchem die Juden in der Wüste Heilung und Sicherheit vor den Schlangen fanden. Was gewährt aber nun so ein grinsend, unfreundlich, unsauber Ding wie Elisi einem Kinde für einen Anblick? Welche Eindrücke saugt es ein? Oder was meint man, muß es dem Kinde nicht ganz anders werden im Gemüte, wenn ihm an seiner Wiege des Tages und in der Nacht ein holder, schöner Engel erscheint, der mit süßen Tönen tröstet, mit milden Händen die rechte Labung spendet, als wenn an der Wiege Rand ein häßlicher, grüngrauer, keifender Kobold auftaucht, ein unsauber Ding, von dem man lange nicht weiß, ist es eigentlich ein Mensch oder ein Affe, über die Wiege hereingrännet, häßliche Töne von sich gibt, heftig und krampfhaft reißt und stößt und schaukelt, daß Glied um Glied davonfahren möchten? Was meint man, sollte man nicht solch grinsenden, keifenden, nichtsnutzigen, selbstsüchtigen Dingern, seien es meinethalb Gräfinnen, Bauerntöchter oder Stallmägde, das Heiraten verbieten von Obrigkeits wegen und jede, welche es doch versucht, einsperren lassen hinter Gitter, und zwar enge und eiserne, und bis zum dreiundfünfzigsten Jahre? Die Base wäre sicherlich dieser Meinung gewesen, wenn man ihr den Fall vorgelegt hätte. Es lag ihr unendlich schwer im Gewissen, daß sie daran nicht gedacht oder geglaubt, es werde Elisi der nötige Verstand seinerzeit schon kommen, daß sie nicht mit Händen und Füßen sich jeder Heirat widersetzt. Es beelendete sie unendlich, wenn sie sah, wie Elisi das arme Kind mißhandelte, aus unverständiger Eitelkeit, wie eine Hoffartsnärrin ein beliebig Kleidungsstück, welches sie in die Form zwingen will, die ihr gerade in die Augen geschienen.

Am wohlsten schien bei dem ganzen Handel der Baumwollenhändler zu sein, wenigstens nahm er Elisis Abwesenheit höchst kaltblütig, zeigte sich nicht nur nicht, sondern ließ auch kein Wörtlein von sich hören. Die Unbequemlichkeiten des Fortlaufens dagegen fingen nachgerade an, recht unangenehm sich fühlbar zu machen. Anfangs ärgerte sich Elisi bloß, daß der Unflat ihm nicht nachgelaufen kam, um ihm alles sagen zu können, was es ihm eingebracht hätte. Nach und nach stieg ihm die Eifersucht zu Gemüte, es nahm ihns bitter wunder, was der Unflat jetzt vornehme, da er keine Frau mehr habe? Wenn nun einmal eine Frau auf diesen Punkt gekommen ist, dann kriegt die dickste Phantasie Leben, fängt an sich zu bewegen in den schauerlichsten Bildern und malt der Frau Dinge vor, daß sie das Zittern kriegt in alle Glieder. Noch ungeduldiger ward Joggeli. Der Lumpenhund habe ihn geplündert, kein Spitzbub könne es besser; jetzt schicke er ihm Frau samt Kind über den Hals, um ihn des Todes oder des Teufels zu machen. Aber das wolle er nicht so. Dem Schelm wolle er seine Familie nicht erhalten, in seinen alten Tagen noch Kindbette halten und dazu keinen Augenblick Ruhe, weder Tag noch Nacht.

Endlich ließ Joggeli Bescheid machen dem Tochtermann, er solle seine Frau holen. Dieser ließ sagen: Er hätte sie nicht gehen heißen, er hieße sie auch nicht wiederkommen, sie werde den Weg wohl noch wissen, er werde ihr ihn nicht zu zeigen brauchen. Am liebsten sei ihm, sie bliebe, wo sie sei, sie dünke ihn dort am schönsten. Potz Blitz, wie gab das Feuer! Auf der Stelle sollte Uli mit ihm fahren, meinte Elisi, und dann müsse er ihm den Unflat prügeln in seinem Namen, bis derselbe kein Glied mehr rühren könne, dem wolle es zeigen, dem Hagel, wo es schön sei. Das wollten aber weder Vater noch Mutter tun. Es sehe jetzt, was Fortlaufen sei, ein andermal möge es die Sache besser bedenken und denken auch an seine Fehler. Sei es so lange schon dagewesen, so könne es ein paar Tage auch noch warten. Elisi zeterte gewaltig, und wenn es gewußt hätte, wie zu Fuße gehen, es wäre gelaufen, aber eine halbe Stunde zu Fuße zu gehen, war ihm ein Greuel. Schuhe hatte es auch keine, welche einen solchen greulichen Feldzug ausgehalten hätten. Die Base hatte gewünscht, Joggeli wäre selbst zum Tochtermann gefahren und hätte ihn zum Verstand gebracht, denn sie waren Beide der Meinung, Elisi hätte ihm so viel zugebracht und noch so viel zu erwarten, daß Geduld haben und sich auch in etwas unterziehen ihm wohl anstehen würde. Wenn man den Geldsäckel in der Hand habe, so wüßte man nicht, warum man so mit einem Bürschchen nicht ein ernsthaft Wort sollte reden dürfen? Sie waren Beide akkurat gleicher Meinung, bloß darin wichen sie ab, daß Joggeli dies nicht selbst ausrichten wollte, er war nicht der Mann, jemanden unter den Bart zu stehen. Er wollte den Johannes schicken, der tue es gerne, sagte er, und wenn er den Spitzbuben schon ein wenig in die Finger nehme, so werde es ihm wenig schaden, allweg schlechter werde er dadurch nicht. Gegen das sträubte die Base sich. Es könnte doch zu böse gehen, meinte sie. Sie hätte nichts wider Johannes, aber wenn es sei, um Frieden zu machen, so schickte sie lieber nicht ihn, sondern jemand anders. Elisi müsse doch alles wieder abbüßen, was von ihrer Seite dem Manne angetan werde. Die gute Alte hatte selbst eine Art von Mitleiden mit dem Tochtermann, so sehr er ihr sonst zuwider war. Sie müsse bekennen, sagte sie oft zu sich selbst, sie würde auch ungeduldig, wenn Elisi ihre Frau wäre, und wenn es dazu noch so böse sei wie hier, so könne sie sich nicht einmal verwundern, wenn es ihm zuweilen in die Finger käme, von wegen Mannevolk sei immer Mannevolk, und bekanntlich gehöre das Mannevolk nicht unter die geduldigen und sanftmütigen Kreaturen.


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