Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII

In der Nacht des nächsten Tages wurde Uilenspiegel, als der Morgen graute, durch Lamme geweckt, der schrie: »Uilenspiegel! Uilenspiegel! Komm her! Laß sie nicht fort! Schneidet die Stricke durch! Schneidet die Stricke durch!«

Uilenspiegel stieg aufs Deck und sagte: »Warum schreist du? ich sehe nichts.«

»Sie ists,« antwortete Lamme, »sie, meine Frau, dort, in der Schaluppe, die um das Vlieboot dreht; ja um das Vlieboot, wo der Gesang und die Geigenklänge herkamen.«

Nele war auch auf dem Deck erschienen. »Schneide die Stricke durch, meine Freundin,« sagte Lamme. »Siehst du nicht, daß meine Wunde geheilt ist? ihre süße Hand hat sie verbunden; sie, ja, sie. Siehst du sie dort in der Schaluppe stehn? Hörst du sie? sie singt noch. Komm, mein Lieb, komm, flieh nicht mehr deinen armen Lamme, der so einsam war auf der Welt ohne dich.«

Nele nahm seine Hand und befühlte sein Gesicht. »Er hat noch Fieber,« sagte sie.

»Schneidet die Stricke durch,« sagte Lamme, »gebt mir eine Schaluppe! Ich bin lebendig, ich bin glücklich, ich bin gesund.«

Uilenspiegel zerschnitt die Stricke: Lamme sprang aus dem Bett und machte sich, in seinen weißleinenen Hosen, ohne Wams, selbst daran, die Schaluppe herunterzulassen. »Schau,« sagte Nele zu Uilenspiegel, »seine Hände zittern bei der Arbeit vor Ungeduld.«

Die Schaluppe war bereit; Uilenspiegel, Nele und Lamme stiegen mit einem Ruderer hinein und hielten auf das Vlieboot zu, das fern im Hafen ankerte. »Sieh das hübsche Vlieboot,« sagte Lamme, der dem Ruderer half.

Auf dem frischen Morgenhimmel, wie ein goldener Kristall gefärbt durch die Strahlen der jungen Sonne, zeichneten sich der Bug und die schlanken Masten des Vlieboots ab.

Während Lamme ruderte, fragte ihn Uilenspiegel: »Sage uns jetzt, wie du sie wiedergefunden hast.«

Lamme sagte in abgerissenen Worten: »Ich schlief, mir war schon besser. Plötzlich ein dumpfes Geräusch. Holz, das ans Schiff stößt. Eine Schaluppe. Ein Matrose läuft hin auf den Lärm: ›Wer da?‹ Eine süße Stimme, die ihrige, mein Sohn, die ihrige, ihre liebliche Stimme: ›Gut Freund.‹ Darauf eine gröbere Stimme: ›Heil den Geusen! Der Kapitän des Vlieboots Johanna will mit Lamme Goedzak sprechen.‹ Der Matrose wirft die Leiter aus. Der Mond scheint. Ich sehe die Gestalt eines Mannes an Bord klimmen: starke Hüften, runde Knie, ein breites Becken; ich sage mir: das ist kein richtiger Mann. Ich fühle, wie sich eine Rose öffnet und meine Wange berührt: ihr Mund, mein Sohn; und ich höre, wie sie zu mir spricht, sie, verstehst du? sie selbst, indem sie mich mit Küssen und Tränen bedeckt: es war ein balsamisches, flüssiges Feuer, das auf meinen Leib fiel. Und sie sagt: ›Ich weiß, daß ich etwas Schlechtes tue, aber ich liebe dich, mein Gatte! Ich habe bei Gott geschworen; ich breche meinen Eid, mein Gatte, mein armer Gatte! Ich bin oft gekommen, ohne daß ich es gewagt hätte, mich dir zu nähern; endlich hat mirs der Matrose erlaubt. Ich verband deine Wunde, du erkanntest mich nicht; aber ich habe dich geheilt: erbose dich nicht, mein Gatte! Ich bin dir gefolgt, aber ich habe Angst, er ist auf dem Schiffe; laß mich gehn: wenn er mich sähe, würde er mich vermaledeien, und ich müßte im ewigen Feuer brennen!‹ Wieder hat sie mich geküßt, weinend und glücklich, und ist geschieden trotz meinen Bitten, trotz meinen Tränen; du hast mir Arme und Beine gebunden gehabt, mein Sohn, aber jetzt . . .«

Und mit diesen Worten legte er sich mit aller Wucht in die Riemen; das Boot schoß dahin wie ein von der Sehne geschnellter Pfeil.

In dem Maße, wie sie sich dem Vlieboot näherten, sagte Lamme: »Da seht ihr sie auf dem Deck, die Geige spielend, meine liebliche Frau mit den goldigbraunen Haaren, mit den noch immer frischen Wangen, mit den nackten, runden Armen, mit den weißen Händchen. Drauflos, Schaluppe, wohl in die Flut!«

Als der Kapitän des Vlieboots die Schaluppe herankommen und Lamme wie einen Teufel rudern sah, befahl er, eine Leiter herabzulassen. Kaum war Lamme beim Schiffe, so sprang er von der Schaluppe auf die Leiter trotz der Gefahr, ins Wasser zu fallen, und schnellte die Schaluppe mehr als drei Faden zurück; wie eine Katze klomm er an Bord und lief auf seine Frau zu. Sie umarmte und küßte ihn, verzückt vor Lust: »Lamme, hole mich nicht! Ich habe bei Gott geschworen, aber ich liebe dich. Ach, du teuerer Mann!«

Nele rief: »Das ist Kalleken Huybrechts, das schöne Kalleken.«

»Ich bins,« sagte sie, »aber ach! die Mittagsstunde ist vorbei für meine Schönheit.« Und ihr Gesicht war bekümmert.

»Was hast du getan?« sagte Lamme. »Was bist du geworden? Warum hast du mich verlassen? Warum willst du jetzt weg von mir?«

»Höre,« sagte sie, »rege dich nicht auf; ich will dir alles sagen. Weil ich mir bewußt war, daß alle Mönche Männer Gottes sind, habe ich mich einem von ihnen anvertraut: er nannte sich Broer Cornelis Adriaensen.«

Als das Lamme hörte, sagte er: »Was, dieser schändliche Gleisner mit dem kotigen Maul voll Unflat und Dreck, der von nichts anderm sprach als von der blutigen Verfolgung der Reformierten! Was, dieser Lobhudler der Inquisition und der Plakate! Das war ja dieser sodomitische Schweinehund!«

Kalleken sagte: »Beschimpfe nicht den Mann Gottes.«

»Den Mann Gottes!« sagte Lamme, »ich kenne ihn: er war ein Mann der Unflätigkeit und der Schändlichkeit. Unseliges Geschick! mein schönes Kalleken muß diesem geilen Mönch in die Hände fallen! Komm mir nicht nahe, ich bringe dich um! ich, der ich dich so sehr liebte! Mein armes Herz betrogen, das nur für sie schlug! Was willst du hier? Warum hast du mich gepflegt? Hättest du mich lieber sterben lassen. Weg mit dir, ich will dich nicht mehr sehn, weg mit dir, oder ich werfe dich ins Wasser. Mein Messer! . . .«

Sie umarmte ihn: »Lamme, mein Gatte, weine nicht: ich bin nicht das, was du denkst; ich war nie sein.«

»Du lügst,« sagte Lamme, zugleich weinend und die Zähne knirschend. »Ach, niemals war ich eifersüchtig, und jetzt bin ichs. Traurige Leidenschaft, Zorn und Liebe, ein Trieb zu töten und zu umarmen. Weg mit dir! Nein, bleib. Ich war so gut mit ihr! Der Mord ist Herr in mir. Mein Messer! Oh, das brennt, das frißt, das nagt; du verlachst mich . . .«

Sie umarmte ihn weinend in sanfter Unterwürfigkeit.

»Ja,« sagte er, »ich bin albern in meinem Zorne; ja, du hast meine Ehre gewahrt, diese Ehre, die man närrischerweise an die Röcke einer Frau hängt. Darum hast du also dein süßestes Lächeln hervorgesucht, wann ich dir erlauben sollte, mit deinen Freundinnen zur Predigt zu gehn . . .«

»Laß mich reden,« sagte die Frau, ihn umarmend; »im Augenblicke soll ich tot sein, wenn ich dich täusche.«

»Stirb also,« sagte Lamme; »denn du willst lügen.«

»Hör mich,« sagte sie.

»Sprich oder sprich nicht,« sagte er, »mir ist es einerlei.«

»Bruder Adriaensen«, sagte sie, »galt als ein guter Prediger; ich ging ihn anhören. Er stellte den geistlichen und ehelosen Stand hoch über alle andern, weil er mehr geeignet sei, den Gläubigen das Paradies zu gewinnen; seine Beredsamkeit war groß und ungestüm: vielen ehrbaren Frauen, unter ihnen auch mir, und besonders einer großen Zahl Witwen und Mädchen hat er damit den Sinn verwirrt. Wegen der Vollkommenheit des Standes der Ehelosigkeit empfahl er uns, fürder darin zu leben; wir haben geschworen, uns nicht mehr berühren zu lassen . . .«

»Außer von ihm, ohne Zweifel,« sagte Lamme weinend.

»Schweig,« sagte sie gekränkt.

»Vorwärts,« sagte er, »vollende; du hast mir einen rauhen Streich versetzt: davon werde ich nimmer heil.«

»O ja, mein Gatte,« sagte sie, »wann ich immer bei dir sein werde.«

Sie wollte ihn umarmen und küssen, aber er stieß sie zurück. »Die Witwen«, sagte sie, »schworen in seine Hände, sich nie wieder zu vermählen.«

Und Lamme hörte ihr zu, verloren in sein eifersüchtiges Träumen.

Kalleken fuhr schamvoll in ihrer Rede fort: »Er wollte keine Büßerinnen sonst,« sagte sie, »als junge und hübsche Frauen oder Mädchen; die andern verwies er an ihre Pfarrer. Er errichtete eine fromme Schwesterschaft, indem er uns schwören ließ, keinen andern Beichtvater zu haben als ihn; und ich habe es geschworen. Meine Gesellinnen, mehr unterrichtet als ich, fragten mich, ob ich mich in der Heiligen Lehre und der Heiligen Buße unterrichten lassen wolle; ich wollte es. Es war in Brügge an dem Kai der Steinschneider neben dem Minoritenkloster ein Haus, wo eine Frau, Kalle de Najage, wohnte, die den Mädchen für einen Goldkarolus monatlich den Unterricht und die Nahrung gab; Broer Cornelis konnte zu Kalle de Najage kommen, ohne daß man ihn hätte sein Kloster verlassen sehn. In dieses Haus ging ich, in ein kleines Zimmer, wo er allein war, und dort befahl er mir, ihm alle meine natürlichen und fleischlichen Neigungen zu sagen; zuerst getraute ich michs nicht, endlich aber gab ich nach, weinte und sagte alles.«

»Ach,« weinte Lamme, »dieses Schwein von einem Mönch hat also deine süße Beichte empfangen.«

»Er sagte mir immer, und es ist wahr, mein Mann, daß es über der irdischen Scham eine himmlische Scham gibt, durch die wir Gott das Opfer unserer weltlichen Blödigkeit bringen, und daß wir, indem wir unserm Beichtvater jedes geheime Begehren geständen, würdig würden, die Heilige Lehre und die Heilige Buße zu empfangen.

Endlich verhielt er mich, mich nackt vor ihn hinzustellen, um auf meinem sündigen Körper die allzu leichte Strafe meiner Fehler zu empfangen. Eines Tages zwang er mich, mich zu entkleiden: ich fiel in Ohnmacht, als ich mein Linnen fallen ließ; mit Salzen und Fläschchen brachte er mich wieder zur Besinnung. ›Es ist genug für diesmal, meine Tochter,‹ sagte er; ›komm in zwei Tagen wieder und bring eine Rute mit . . .‹ Das dauerte lange Zeit, ohne daß ich jemals . . . ich schwöre es bei Gott und allen Heiligen . . . mein Gatte . . . so versteh mich doch . . . sieh mich an . . . schau, ob ich lüge; ich bin dir treu geblieben . . . ich liebte dich.«

»Armer, süßer Leib,« sagte Lamme. »O der Schandfleck auf deinem ehelichen Kleide!«

»Lamme,« sagte sie, »er sprach im Namen Gottes und unserer heiligen Mutter, der Kirche; habe ich ihn nicht hören müssen? Ich liebte dich stets, aber ich hatte der heiligen Jungfrau geschworen, mit gräßlichen Eiden, mich dir zu versagen; trotzdem war ich schwach, schwach um dich. Erinnerst du dich des Gasthofs in Brügge? Ich war bei Kalle de Najage, und du kamst vorbei auf deinem Esel mit Uilenspiegel. Ich folgte dir. Ich hatte ein hübsches Sümmchen Geld. Für mich gab ich nichts aus, dich sah ich Hunger leiden; mein Herz zog mich zu dir, ich hatte Mitleid und Liebe.«

»Wo ist er jetzt?« fragte Uilenspiegel.

Kalleken antwortete: »Nach einer Untersuchung, die der Magistrat angeordnet hatte, und einer Ausforschung der schlechten Leute mußte Broer Adriaensen Brügge verlassen und flüchtete nach Antwerpen. Auf dem Vlieboot habe ich erfahren, daß ihn mein Mann gefangen genommen hat.«

»Was?« sagte Lamme, »dieser Mönch, den ich fett mache, das ist . . .«

»Er,« antwortete Kalleken, sich das Gesicht verhüllend.

»Eine Axt, eine Axt,« sagte Lamme, »daß ich ihn umbringe, daß ich das Fett dieses geilen Bockes versteigere an den, der es will! Rasch, zurück aufs Schiff. Die Schaluppe! Wo ist die Schaluppe?«

Nele sagte zu ihm: »Es ist eine schändliche Grausamkeit, einen Gefangenen zu töten oder zu verwunden.«

»Du siehst mich mit einem bösen Blicke an,« sagte er; »würdest du mich daran hindern?«

»Ja,« sagte sie.

»Gut also,« sagte Lamme, »ich tu ihm nichts zuleide; laß mich ihn nur aus seinem Käfig nehmen. Die Schaluppe! Wo ist die Schaluppe?«

Sie stiegen hinein; Lamme legte sich in die Riemen und weinte dabei bitterlich. »Du bist traurig, mein Gatte?« sagt Kalleken zu ihm. »Nein,« sagte er, »ich bin froh; du wirst mich nie mehr verlassen?«

»Niemals!« sagte sie.

»Du warst rein und treu, sagst du; aber, süßes Herz, geliebtes Kalleken, ich lebte nur, um dich wiederzufinden, und jetzt wird, dank diesem Mönch, ein Gift sein in all unserm Glücke, das Gift der Eifersucht . . . sooft ich traurig sein werde oder auch nur verdrossen, werde ich dich nackt vor mir sehn, wie du deinen schönen Leib dieser schändlichen Geißelung unterwirfst. Der Frühling unserer Liebe war mein, aber der Sommer sein; der Herbst wird grau sein, und bald wird der Winter kommen, um meine treue Liebe zu begraben.«

»Du weinst?« sagte sie.

»Ja,« sagte er; »was vorbei ist, kommt nimmer wieder.«

Nun sagte Nele: »Wenn Kalleken treu war, so müßte sie dich verlassen, schon um deiner häßlichen Worte willen.«

»Er weiß nicht, wie sehr ich ihn liebte,« sagte Kalleken.

»Sagst du die Wahrheit?« schrie Lamme. »Komm, Lieb, komm, mein Weib; nichts mehr von dem grauen Herbst und dem Totengräber Winter.« Und er sah wieder lustig drein, und sie kamen aufs Schiff.

Uilenspiegel gab Lamme die Schlüssel des Käfigs. Lamme öffnete ihn und wollte den Mönch am Ohr aufs Deck ziehen, aber es ging nicht; und von der Seite ging es auch nicht besser. »Man muß alles zerbrechen,« sagte er; »der Kapaun ist fett.«

Nun kam der Mönch heraus, die dicken Augen blödsinnig rollend und seinen Wanst mit beiden Händen haltend; bei einer großen Woge, die das Schiff hob, fiel er auf sein Sitzfleisch. Und Lamme sagte zu ihm: »Sagst du noch immer ›Dicker Mensch‹? Du bist dicker als ich. Wer ließ dich sieben Mahlzeiten täglich halten? Ich. Woher kommt es, du Schreihals, daß du jetzt ruhiger und milder bist zu den armen Geusen?« Und er fuhr in seiner Rede fort: »Wenn du noch ein Jahr im Käfig bleibst, kannst du nicht mehr heraus. Wenn du dich rührst, zittern deine Wangen wie Schweinssülze. Du schreist nicht mehr; bald wirst du nicht mehr schnaufen können.«

»Schweig, dicker Mensch,« sagte der Mönch.

»Dicker Mensch?« sagte Lamme, der in Wut geriet; »ich bin Lamme Goedzak, und du bist Broer Dikzak, Vetzak, Leugenzak, Slokzak, Wulpzak. Du hast vier Finger Speck unter der Haut, deine Augen sieht man nicht mehr; Uilenspiegel und ich könnten bequem in dem Dome deines Wanstes wohnen! Du nennst mich ›Dicker Mensch‹; willst du einen Spiegel, um deine Bäuchlichkeit zu betrachten? Ich bin es, der dich genährt hat, du Denkmal aus Fleisch und Knochen. Ich habe geschworen, daß du Fett speien wirst, daß du Fett schwitzen wirst und daß du eine Fettspur hinter dir lassen wirst wie ein Talglicht, das an der Sonne schmilzt. Man sagt, daß der Schlagfluß beim siebenten Kinn eintritt; jetzt hast du fünfundeinhalbes.«

Dann sprach er zu den Geusen und sagte: »Seht diesen Wüstling! Das ist Bruder Cornelis Adriaensen Taugenichtsen von Brügge; dort hat er eine neue Scham gepredigt. Sein Fett ist seine Strafe; sein Fett ist mein Werk. Hört nun, alle ihr Matrosen und Soldaten: ich muß euch verlassen, dich verlassen, Uilenspiegel, und auch dich verlassen, kleine Nele, um nach Vlissingen, wo ich einen Besitz habe, zu ziehen und dort mit meiner wiedergefundenen armen Frau zu hausen. Ihr habt mir einst geschworen, mir alles zu gewähren, worum ich euch bitten würde . . .«

»Das ist Geusenwort,« sagten sie.

»Betrachtet also«, sagte Lamme, »diesen Wüstling, diesen Bruder Adriaensen Taugenichtsen von Brügge; ich habe geschworen, ihn im Fett sterben zu lassen wie ein Schwein: baut einen weitern Käfig, zwingt ihn täglich zu zwölf Mahlzeiten statt der sieben, reicht ihm eine fette und gezuckerte Kost; er ist schon wie ein Ochse, macht, daß er wie ein Elefant wird, und ihr werdet ihn seinen Käfig bald ausfüllen sehn.«

»Wir werden ihn fett machen,« sagten sie.

»Und jetzt«, fuhr Lamme fort, indem er zu dem Mönch sprach, »sage ich auch dir Lebewohl, du Taugenichts, den ich mönchlich ernährt habe, statt ihn henken zu lassen; nimm zu an Fett und Schlagflußbeschwerden.«

Dann schloß er sein Weib Kalleken in die Arme: »Sieh dir sie an, grunzend oder muhend, ich nehme sie dir weg; du wirst sie nicht mehr geißeln.«

Aber den Mönch packte die Wut, und er sagte zu Kalleken: »Du gehst also, fleischliches Weib, in das Bett der Üppigkeit! Ja, du gehst ohne Mitleid für den armen Märtyrer des Wortes Gottes, der dich in der heiligen, linden und himmlischen Lehre unterwiesen hat. Sei vermaledeit! Kein Priester verzeihe dir, die Erde sei brennend unter deinen Füßen, der Zucker schmecke dir salzig, das Rindfleisch sei dir wie das eines toten Hundes, das Brot werde dir zu Asche, die Sonne sei Eis für dich und der Schnee ein höllisches Feuer, deine Fruchtbarkeit sei vermaledeit, deine Kinder seien abscheulich, sie sollen den Leib eines Affen haben und den Kopf eines Schweines, größer als ihr Bauch, und du sollst leiden, weinen und wimmern in dieser Welt und in der andern, in der Hölle, die dich erwartet, in der Hölle von Schwefel und Pech, die entzündet ist für Frauen deiner Gattung; du hast meine väterliche Liebe zurückgewiesen: sei dreimal vermaledeit bei der heiligen Dreieinigkeit, siebenmal vermaledeit bei den Leuchtern der Bundeslade, die Beichte sei dir Verdammung, die Hostie sei dir ein tödlich Gift, und in der Kirche erhebe sich jeder Stein, um dich zu zermalmen und dir zu sagen: Das ist die Hure, das ist die Vermaledeite, das ist die Verdammte!«

Und Lamme hüpfte vor Lust und jauchzte: »Sie war mir treu; er hat es gesagt, der Mönch. Heil Kalleken!«

Aber sie weinte und zitterte: »Nimm, mein Gatte, nimm diese Vermaledeiung von mir. Ich sehe die Hölle! Nimm die Vermaledeiung weg!«

»Nimm die Vermaledeiung zurück,« sagte Lamme.

»Ich nehme sie nicht zurück, dicker Mensch,« entgegnete der Mönch. Und die Frau war ganz bleich und verstört und flehte den Broer Adriaensen mit gefalteten Händen auf den Knien an. Und Lamme sagte zu dem Mönche: »Nimm die Vermaledeiung zurück, oder du wirst gehenkt; und wenn der Strick reißt unter dem Gewicht, so wirst du wieder gehenkt, bis der Tod eintritt.«

»Gehenkt und wiedergehenkt,« sagten die Geusen.

»So geh denn,« sagte der Mönch, zu Kalleken sprechend, »so geh, du Metze, geh mit diesem dicken Menschen; geh, ich löse die Vermaledeiung, aber Gott und alle Heiligen werden dich im Auge behalten: geh mit diesem dicken Menschen, geh!« Und er schwieg, schwitzend und schnaufend.

Plötzlich schrie Lamme: »Er schwillt an, er schwillt an! Ich sehe das sechste Kinn; das siebente ist der Schlagfluß.« Und er wandte sich zu den Geusen:

»Und nun empfehle ich euch dem Herrgott, dich Uilenspiegel, dem Herrgott euch alle. Freunde, dem Herrgott dich, Nele, und dem Herrgott die heilige Sache der Freiheit; ich kann nichts mehr tun für sie.« Nachdem er dann mit allen Kuß und Umarmung getauscht hatte, sagte er zu seinem Weibe Kalleken: »Komm; es ist die Stunde der rechtmäßigen Liebe.«

Während das Boot, das Lamme mit seiner Geliebten dahinführte, übers Wasser glitt, schwenkten die Matrosen, die Soldaten und die Schiffsjungen die Hüte und riefen allesamt: »Leb wohl, Bruder, leb wohl, Lamme, leb wohl, Bruder, Bruder und Freund.«

Und Nele sagte zu Uilenspiegel, indem sie ihm mit der Spitze ihres lieblichen Fingers eine Träne aus dem Auge nahm: »Du bist traurig, Geliebter?«

»Er war gut,« sagte er.

»Ach,« sagte sie, »wird dieser Krieg nimmer enden, werden wir immerdar leben müssen in Blut und Tränen?«

»Suchen wir die Sieben,« sagte Uilenspiegel; »sie ist nahe, die Stunde der Erlösung.«

 

Den Schwur Lammes erfüllend, mästeten die Geusen den Mönch in seinem Käfig. Als er in Freiheit gesetzt wurde, weil er Ranzion bezahlte, wog er dreihundertsiebenzehn Pfund und fünf Unzen vlämischen Gewichts.

Und er starb als Prior seines Klosters.


 << zurück weiter >>