Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XVII

Im März kam Uilenspiegel nach Namur. Dort sah er Lamme, der, weil er von einer großen Liebe zu den Maasfischen, sonderlich zu den Forellen, erfaßt worden war, einen Kahn gemietet hatte und mit Erlaubnis der Gemeinde im Flusse fischte. Aber er hatte der Fischhändlergilde fünfzig Gulden bezahlt. Er verkaufte und aß seinen Fang und hatte bei dem Geschäfte einen hübschern Wanst und einen kleinen Sack von Karlsgulden gewonnen.

Als er seinen Freund am Ufer der Maas der Stadt zuwandern sah, wurde er froh; er trieb seinen Kahn ans Land, erkletterte, nicht ohne zu schnaufen, die Böschung und war bei Uilenspiegel. Vor Freude stammelnd, sagte er: »Da bist du also, mein Sohn, mein Sohn in Gott; denn die Arche meines Bauches könnte zwei solche tragen, wie du bist. Wohin gehst du? Was willst du? Du bist also nicht tot? Hast du meine Frau gesehn? Du wirst Maasfische zu essen bekommen, die besten, die es gibt auf dieser schlechten Welt; hier machen sie Tunken, daß man seine Finger bis an die Schulter essen möchte. Du bist trotzig und stolz: auf deinen Wangen liegt die Glut der Schlachten. Da ist er also, mein Sohn, mein Freund Uilenspiegel, der lustige Landstreicher!«

Dann sprach er leise: »Wieviel Spanier hast du getötet? Hast du nicht in ihren Karren voll Dirnchen meine Frau gesehn? Und den Maaswein, der so erquicklich ist für die Verstopften, du sollst ihn trinken. Bist du verwundet, mein Sohn? Jetzt bleibst du also da, frisch, gesund und munter wie ein junger Adler. Und die Aale! Du wirst sie verkosten. Kein Sumpfgeschmack. Küsse mich, mein Fettwanst. Gott sei Dank, wie glücklich bin ich!« Und Lamme tanzte, sprang und keuchte, und Uilenspiegel mußte mit ihm tanzen.

Dann gingen sie nach Namur hinein. Am Stadttore zeigte Uilenspiegel seinen vom Herzoge unterschriebenen Paß. Und Lamme führte ihn in sein Haus. Während er das Mahl bereitete, ließ er sich Uilenspiegels Abenteuer berichten und erzählte ihm die seinigen. Er hatte, wie er sagte, das Heer verlassen, um einem Mädchen zu folgen, das er für seine Frau hielt; und bei dieser Verfolgung war er bis nach Namur gekommen. Und er fragte ohne Unterlaß: »Hast du sie nicht gesehn?«

»Ich habe andere sehr hübsche gesehn,« antwortete Uilenspiegel, »besonders in dieser Stadt, wo sie alle verliebt sind.«

»Das stimmt,« sagte Lamme; »man hätte mich hundertmal haben wollen, aber ich bleibe treu, weil mein bekümmertes Herz schwer ist von der einen Erinnerung.«

»Wie dein Bauch von ungezählten Schüsseln,« antwortete Uilenspiegel.

Lamme antwortete: »Wenn ich traurig bin, muß ich essen.«

»Dein Kummer ist grenzenlos?« fragte Uilenspiegel. »Ach ja,« sagte Lamme. Und er nahm eine Forelle aus einem Zuber: »Sieh, wie hübsch und fest sie ist; ihr Fleisch ist rosig wie das meiner Frau. Morgen wollen wir Namur verlassen; ich habe einen Beutel voll Gulden, wir kaufen uns jeder einen Esel und reiten so ins Land nach Flandern.«

»Du verlierst aber dabei ziemlich viel,« sagte Uilenspiegel.

»Mein Herz zieht mich nach Damme, denn das ist der Ort, wo sie mich geliebt hat; vielleicht ist sie dorthin zurückgekehrt.«

»Wir reisen also morgen,« sagte Uilenspiegel, »da du es so willst.«

Und tatsachlich stiegen sie am nächsten Tage auf ihre Esel und ritten selbander weg.


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