Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XXXIII

Am nächsten Tage zog Uilenspiegel längs der Lys, dem klaren Wasser, auf Courtrai. Lamme stapfte trübselig nebenher. Uilenspiegel sagte zu ihm: »Du wimmerst schon wieder, du Schlaffherz, um deine Frau, die dir die Hörnerkrone der Hahnreischaft aufgesetzt hat.«

»Mein Sohn,« sagte Lamme, »sie war mir immer treu und hat mich sehr geliebt, so wie ich sie zu sehr geliebt habe, mein süßer Jesus. Eines Tages war sie in Brügge und ist verändert zurückgekommen. Von da an hat sie mir, wann ich sie um Liebe gebeten habe, geantwortet: ›Ich darf mit dir nur leben wie eine Freundin, anders nicht.‹

Dann habe ich traurigen Herzens zu ihr gesagt: ›Geliebter Engel, wir sind verheiratet vor Gott. Habe ich nicht alles für dich getan, was du wolltest? Habe ich nicht oft schon ein schwarzes Leinenwams und einen Barchentmantel getragen, um dich, trotz den königlichen Verordnungen, in Seide und Brokat zu sehn? Mein Engel, wirst du mich nicht mehr lieben?‹

›Ich liebe dich,‹ hat sie dann gesagt, ›wie Gott es will und seine Gesetze, wie es die heilige Lehre verlangt und die heilige Buße. Dabei will ich dir aber eine tugendhafte Gefährtin bleiben.‹

›Ich kümmere mich nicht um deine Tugend,‹ habe ich geantwortet; ›dich will ich, dich, meine Frau.‹

Aber sie hat den Kopf geschüttelt: ›Ich weiß, daß du gut bist: du hast bis heute den Koch gemacht, um mir die Arbeit am Herde zu ersparen, du hast unsere Laken, Krausen und Hemden geplättet, weil das Eisen zu schwer ist für mich, du hast unser Weißzeug gewaschen und hast das Haus und die Straße gefegt, um mich mit jeder Mühe zu verschonen. Von nun an will ich an deiner Statt arbeiten, aber sonst nichts, Mann.‹

›Das ist mir alles eins,‹ habe ich geantwortet, ›ich bleibe, so wie bisher, auch fortan deine Kammermagd, deine Plätterin, deine Köchin, deine Wäscherin, dein unterwürfiger Sklave; aber, Weib, trenne nicht die beiden Herzen und Leiber, die eins waren, und zerreiß nicht das süße Liebesband, das uns so zärtlich umschlungen hat.‹

›Es muß sein,‹ hat sie geantwortet.

›Ach,‹ habe ich gesagt, ›war es zu Brügge, daß du diesen harten Entschluß gefaßt hast?‹

Sie hat geantwortet: ›Ich habe vor Gott und den Heiligen geschworen.‹

›Wer hat dich denn‹, habe ich geschrien, ›zu dem Schwur gezwungen, daß du deine Pflichten als Gattin nicht mehr erfüllen wirst?‹

›Der,‹ hat sie gesagt, ›der den Geist Gottes hat und mich einreiht in die Zahl seiner Büßerinnen.‹

Von diesem Augenblicke an weigerte sie sich, mein zu sein, als ob sie die treue Gattin eines andern gewesen wäre. Ich flehte sie an, ich quälte sie, ich drohte ihr, ich weinte, und ich bat sie. Alles eitel. Als ich eines Abends von Blankenberge, wo ich gewesen bin, um den Zins eines Pachtgutes einzunehmen, zurückgekehrt bin, habe ich das Haus leer gefunden. Sicherlich ist meine Frau geflohen, weil sie meiner Bitten müde und über meinen Kummer ärgerlich und betrübt war. Wo ist sie jetzt?«

Und Lamme setzte sich an das Ufer der Lys und starrte mit gesenktem Kopfe ins Wasser. »Ach,« sagte er, »meine Liebste, wie feist, zart und lieblich warst du! Werde ich jemals ein Hühnchen finden wie dich? Du Fleischtopf der Liebe, soll ich dich nicht mehr verkosten? Wo sind deine Küsse, duftend wie der Thymian, dein reizender Mund, wo ich die Wonnen einheimste wie die Biene den Honig auf der Rose, deine weißen Arme, die mich kosend umschlangen? Wo ist dein klopfendes Herz, wo dein runder Busen und wo das schmachtende Zittern deines liebeatmenden Feenkörpers? Aber wo sind deine alten Wellen, frischer Fluß, der du die neuen so fröhlich im Sonnenlichte dahinrollst?«


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