Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XIII

Als Klaas Urlaub nahm von seinem Bruder, bestieg er wieder seinen Esel; Uilenspiegel saß hinter ihm auf der Kruppe. Sie kamen über den großen Platz von Meiborg, und dort sah Klaas eine große Anzahl von Wallfahrern, in Haufen zusammengerottet, die bei ihrem Anblicke plötzlich in Wut kamen und, ihre Stöcke schwingend, allesamt schrien: »Nichtsnutz!«; die Ursache war Uilenspiegel, der, die Hosen offen, das Hemd geschürzt hatte und ihnen sein andres Gesicht zeigte. Klaas sah, daß ihr Drohen seinem Sohne galt, und fragte ihn: »Was hast du getan, daß die so ungehalten sind über dich?«

»Lieber Vater,« antwortete Uilenspiegel, »ich sitze ganz ruhig auf dem Esel, und derweil schelten sie mich einen Nichtsnutz.«

Nun setzte ihn Klaas vor sich. In dieser Stellung reckte Uilenspiegel die Zunge auf die Wallfahrer; die zeigten ihm wütend die Fäuste und wollten mit erhobenen Stöcken auf Klaas und den Esel los. Aber Klaas ferste seinen Esel, um ihrem Grimme zu entrinnen; während sie verfolgt wurden, sagte er, schon halb außer Atem, zu seinem Sohne: »Du bist doch an einem richtigen Unglückstage geboren: du sitzt vor mir, du tust niemand was zuleide, und sie wollen dich erschlagen.«

Uilenspiegel lachte.

Als sie durch Lüttich kamen, erfuhr Klaas, daß die armen Teufel von Rivage Hungersnot litten und daß man sie der Rechtsprechung des Offizials, eines Tribunals von geistlichen Richtern, unterworfen hatte. Sie erhoben sich, um Brot und weltliche Richter zu bekommen. Einige wurden enthauptet oder gehenkt und die andern des Landes verwiesen; so groß war damals die Güte des Herrn von der Mark, des milden Erzbischofs.

Klaas sah auf dem Wege die Verwiesenen, fliehend aus dem süßen Tale von Lüttich, und an den Bäumen nahe der Stadt die Leichname der ihres Hungers wegen gehenkten Menschen. Und er weinte über sie.


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