Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XIII

Uilenspiegel und Riesenkraft hatten sich Kampfzeugen genommen. Die bestimmten, die beiden Soldaten sollten sich zu Fuß bis auf den Tod schlagen, wenn dies dem Sieger behage; denn das waren die Bedingungen Riesenkrafts. Der Ort des Zweikampfes war eine kleine Heide.

Zeitlich am Morgen warf sich Riesenkraft in seine Bogenschützentracht. Er setzte den visierlosen Helm auf, der mit einer Halsberge versehn war, und zog ein Panzerhemd ohne Ärmel an. Das andere Hemd, das schon in Stücke ging, legte er in den Helm, um es als Verbandzeug bei der Hand zu haben. Er bewaffnete sich mit dem Bogen aus gutem Ardennenholze, mit dreißig Pfeilen in einem Köcher und mit einem langen Dolche, aber nicht mit dem Zweihänder, dem eigentlichen Schwerte der Bogenschützen. Und er kam auf den Kampfplatz, auf seinem Schlachtrosse, das den Kriegssattel und das Stirnblech mit Federn trug und ganz in Eisen gepanzert war.

Uilenspiegel war gewaffnet wie ein Edelmann: sein Schlachtroß war ein Esel, der Sattel bestand aus den Röcken eines tollen Mädchens, das gefiederte Stirnblech war ein Weidenbrettchen, besetzt mit schönen, flatternden Hobelspänen. Der Harnisch seines Renners war aus Speck; denn das Eisen, sagte er, koste zu viel, Stahl sei überhaupt nicht zu erschwingen, und was das Kupfer betreffe, so habe man in der letzten Zeit so viel auf Kanonen verbraucht, daß der Rest nicht mehr reiche, ein Kaninchen zu wappnen. Statt des Hutes trug er eine hübsche Salatstaude, die den Schnecken bis jetzt entgangen war; den Salat krönte eine Schwanenfeder, damit er in der Todesstunde das Singen nicht vergesse.

Sein Degen, hart und leicht, war ein hübscher, langer, dicker Tannenknüttel, der in einen Besen von Tannenreisern auslief. Am Sattel hing zur Linken sein Messer, ebenfalls aus Holz, zur Rechten baumelte seine Keule, die aus einer Rübe auf einem Holunderhefte bestand. Sein Harnisch setzte sich nur aus Blößen zusammen.

Als er in diesem Aufzuge auf dem Kampfplatze erschien, wollten die Zeugen Riesenkrafts vor Lachen bersten; Riesenkraft aber veränderte keinen Zug seines griesgrämigen Gesichts.

Nun verlangten die Zeugen Uilenspiegels von denen Riesenkrafts, daß der Deutsche seine ganze Rüstung von Panzern und Eisen ablege, in Anbetracht daß Uilenspiegel nur mit Lumpen gewappnet sei. Riesenkraft stimmte zu. Die Zeugen Riesenkrafts fragten die Uilenspiegels, wieso er einen Besen als Waffe führe. »Ihr habt mir den Stock bewilligt, aber mir nicht verboten, ihn mit Reisern freundlicher zu machen.«

»Tu, wie du meinst,« sagten die vier Zeugen.

Riesenkraft sagte kein Wort und köpfte mit seinem Degen die magern Heidegräser in kurzen Hieben. Die Zeugen empfahlen ihm, seinen Degen gegen einen Besen zu vertauschen, ebenso wie Uilenspiegel. Er antwortete: »Daß der Landstreicher aus völlig freiem Willen eine so außergewöhnliche Waffe gewählt hat, hat er deswegen getan, weil er damit sein Leben verteidigen zu können glaubt.« Wieder sagte Uilenspiegel, er wolle seinen Besen behalten, und die vier Zeugen kamen überein, daß alles recht sei. Die beiden hielten einander gegenüber, Riesenkraft auf seinem Pferde, gepanzert mit Eisen, und Uilenspiegel auf seinem Esel, gepanzert mit Speck.

Uilenspiegel sprengte in die Mitte des Feldes vor; den Besen in der Hand wie eine Lanze, sagte er: »Mehr stinkend als Pest, Aussatz und Tod finde ich dieses Gezücht von Elenden, die, obschon sie in einem Lager mit guten Gesellen sind, doch keine andere Sorge kennen, als ihre sauere Fratze und ihr zorngeiferndes Maul überall spazieren zu führen. Wo sie hinkommen, getraut sich kein Lachen mehr heraus und die Lieder verstummen. Sie müssen tagtäglich ihren Streit vom Zaune pflücken und führen so vor dem echten Kampfe fürs Vaterland den Zweikampf ein, der das Verderben des Heeres ist und die Freude des Feindes. Riesenkraft, der hier gegenwärtig ist, hat wegen unschuldiger Worte einundzwanzig Männer getötet, hat aber weder in der Schlacht, noch im Scharmützel jemals einen Beweis wirklicher Tapferkeit erbracht oder durch seinen Mut die geringste Belohnung verdient. Heute will ich diesem tückischen Hunde das räudige Fell gegen den Strich striegeln.«

Riesenkraft antwortete: »Der Betrunkene da hat über den Mißbrauch des Zweikampfs hübsche Sachen zusammengeträumt; heute will ich ihm denn den Schädel spalten, damit jedermann sieht, daß er nur Heu drin hat.«

Die Zeugen ließen sie von ihren Tieren steigen. Dabei fiel Uilenspiegel der Salat vom Kopfe; sofort machte sich der Esel darüber. Bei diesem Geschäfte wurde aber das Grauchen durch einen Fußtritt gestört, den ihm ein Zeuge versetzte, um es von dem Kampffelde zu treiben. Ebenso geschah dem Pferde; sie trabten anderswohin, um in Eintracht zu weiden.

Nun gaben die Zeugen, die die Waffen ihrer Partei trugen, das Zeichen zum Beginne, indem sie pfiffen. Und Riesenkraft und Uilenspiegel schlugen sich wütend: Riesenkraft führte mit dem Degen wuchtige Hiebe, Uilenspiegel fing sie mit dem Besen auf; Riesenkraft fluchte bei allen Teufeln, Uilenspiegel floh vor ihm schräg, im Kreise und im Zickzack über die Heide, zeigte ihm die Zunge und schnitt ihm tausend Grimassen. Riesenkraft verlor den Atem und führte mit seinem Degen Lufthiebe wie ein verrückt gewordener Soldat; als Uilenspiegel merkte, daß er ihm nahegekommen war, wandte er sich plötzlich um und führte mit seinem Besen einen mächtigen Schlag unter seine Nase. Mit gespreizten Armen und Beinen fiel Riesenkraft nieder wie ein verendender Frosch.

Uilenspiegel warf sich auf ihn, fegte ihm das Gesicht erbarmungslos nach dem Strich und gegen den Strich und sagte: »Bitte um Gnade, oder du mußt den Besen fressen!« Und er striegelte hin und striegelte her, ohne Unterlaß und zum großen Vergnügen der Umstehenden, und sagte immerzu: »Bitte um Gnade, oder du mußt den Besen fressen!«

Aber Riesenkraft konnte nichts reden, denn er war an der schwarzen Galle verstorben.

»Gott nehme deine Seele, armer Raufbold,« sagte Uilenspiegel.

Und er ging schwermütig weg.


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