Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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LVI

In dieser Zeit verlegte Lamme Goedzak seinen Aufenthalt wieder nach Damme, weil es im Lüttichischen wegen der Ketzereien nicht ruhig war. Seine Gattin folgte ihm gerne, weil die Lütticher, schalkhaft von Haus aus, die Gutmütigkeit ihres Mannes bespotteten.

Lamme ging oft zu Klaas, der, seit der Erbschaft, Gast im Wirtshause zum Blauen Turm geworden war und dort mit seinen Gesellen einen Tisch besetzte. Am Nebentische saß knausernd bei einer halben Kanne Judocus Grijpstuiver, der habgierige Zunftmeister der Fischhändler, ein knauseriger Geizhals, der von geräucherten Heringen lebte und mehr aufs Geld erpicht war als auf sein Seelenheil. Klaas hatte stets sein Pergament, wo der zehntausendjährige Ablaß geschrieben war, in der Tasche.

Eines Abends saß Klaas mit Lamme Goedzak, Jan van Roosebeke und Mathijs van Assche im Blauen Turm, und auch Judocus Grijpstuiver war dort; Klaas schöppelte wacker, und Jan van Roosebeke sagte zu ihm: »Es ist eine Sünde, so viel zu trinken!« Klaas antwortete: »Man brennt höchstens einen halben Tag für eine Kanne zu viel. Und ich habe zehntausend Jahre Ablaß in der Tasche. Wer will davon hundert, damit er sich getrost den Magen ersäufen kann?«

Alle schrien: »Wie teuer gibst du sie?« »Um eine Kanne,« antwortete Klaas; »aber hundertfünfzig kosten ein Gericht Kaninchen.« Mehrere Zechgenossen zahlten Klaas, der eine einen Schoppen, der andere Schinken, und er schnitt für alle kleine Streifen vom Pergamente ab. Es war aber nicht Klaas, der den Preis der Ablässe fraß und vertrank, sondern Lamme Goedzak, der so viel verschlang, daß er zusehends aufschwoll, während Klaas in seinen Handelsgeschäften in der Gaststube hin und her ging.

Grijpstuiver wandte sein sauertöpfisches Gesicht Klaas zu: »Hast du auch für zehn Tage?« »Nein,« antwortete Klaas, »das wäre zu schwierig abzuschneiden.«

Alles lachte, und Grijpstuiver würgte seinen Zorn hinunter.

Dann ging Klaas nach Hause und hinter ihm Lamme, der einherstapfte, als wären seine Beine aus Wolle gewesen.


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