Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiundfünfzigstes Kapitel


Die Nordwestgrenze. – Äußere Erscheinung und Gewohnheiten der nordamerikanischen Indianer. – Jüdische Gebräuche und Ähnlichkeiten mit den Juden. – Wahrscheinlicher Ursprung der Indianer. – Sprachen. – Regierungsart. – Grausame Strafen. – Fragen der Indianer über die Gebräuche der weißen Männer. – Kriegs- und Friedensgebräuche. – Tanz der Friedenspfeife. – Religion. – Bilderschrift. – Die Politik der Versetzung der Indianer. – Der Handel und die Blattern, die Hauptursachen des Aussterbens der Indianerstämme. – Ermordung der Wurzelgräber und der Rikkarier. - Schlußbemerkungen.


Zum Schlusse dieses Werkes will ich noch einige Bemerkungen über die »Grenze« und über das Tun und Treiben der roten und weißen Männer, die dort wohnen, mitteilen.

Die gewöhnlich sogenannte Grenze ist eine unbestimmte Linie, die sich vom Meerbusen von Mexiko bis zum Wäldersee ( Lake of the Woods) erstreckt, eine Länge von mehr als 6000 Meilen hat und auf unbestimmte Art die zivilisierte Bevölkerung von den Indianern trennt – eine bewegliche Schranke, wo die ungezügelten und natürlichen Leidenschaften zweier Völker zusammentreffen, die bestimmt zu sein schienen, sich niemals zu begegnen.

Über die äußere Erscheinung des nordamerikanischen Indianers im allgemeinen ließe sich noch vieles sagen, was neu und belehrend sein dürfte. Es gibt, wie ich bereits erwähnt habe, viele Stämme, welche die gewöhnliche Mannesgröße beträchtlich überschreiten, während andere offenbar darunter zurückbleiben, so daß sie im Durchschnitt die Größe ihrer zivilisierten Brüder haben. Sie sind weniger fleischig und man findet fast nie starkbeleibte Personen unter ihnen. Ihre Knochen sind leichter, ihre Schädel dünner als die ihrer zivilisierten Nachbarn; auch sind ihre Muskeln weniger hart und nur die an den Schenkeln und Füßen machen hiervon eine Ausnahme, indem ihre beständige Anstrengung beim gehen und reiten sie oft eben so stark entwickelt, wie die Muskeln an den Schultern und Armen der Arbeiter unter den Weißen.

Obgleich die Indianer gewöhnlich schmal in den Schultern sind und weniger Kraft in den Armen besitzen, so sind sie doch keineswegs so schwächlich, wie man aus den weichen und runden Formen ihrer Arme zu schließen geneigt sein möchte. Der Kontrast zwischen den Formen eines weißen Arbeiters und eines Indianers ist allerdings groß, aber es gibt dafür verschiedene Ursachen. Der weiße Arbeiter, der den größeren Teil seines Lebens hindurch seine Arme durch das Heben schwerer Lasten stärkt, trägt beständig Kleidungsstücke, wodurch die Haut und das Fleisch, das sie bedecken, eine gewisse Weiche behalten, und daher die Muskeln mehr hervortreten lassen, während bei dem Indianer, der seine Arme größtenteils unbedeckt trägt, sich eine stärkere Lage von Fleisch über den Muskeln bildet und diese daher dem Auge entzieht, so daß derjenige, der sie nur ruhend sieht, sie für schwächer hält, als die, welche er bei Personen seiner Farbe gesehen hat. Von Muskelkraft in den Schenkeln habe ich im Indianerlande die außerordentlichsten Beispiele gesehen, die mir jemals vorgekommen sind. So werden z. B. bei ihren Tänzen die Muskeln so angestrengt, daß ihre Beine zuletzt einem Bündel Stricke ähnlicher sehen als menschlichem Fleisch. Nach allem, was ich gesehen, bin ich geneigt zu glauben, daß aller Unterschied, welcher in obigen Beziehungen zwischen den nordamerikanischen Indianern und ihren zivilisierten Nachbarn besteht, lediglich in der Lebensweise und der Erziehung, keineswegs aber in der allgemeinen Körperbeschaffenheit seinen Grund hat. Überhaupt muß man den Indianer in Bewegung sehen, um über seine Muskelkraft urteilen zu können, und wer ein vollkommenes Modell eines Herkules oder Atlas zu haben wünscht, der nehme den Oberkörper eines weißen Steinhauers und einen Camantschen oder Schwarzfuß-Indianer vom Gürtel abwärts.

In den Gesichtszügen des nordamerikanischen Indianers liegt etwas ungemein Kühnes und Freies, wodurch er sich sogleich von den Eingeborenen aller anderen Teile der Erde unterscheidet. Die Nase ist gewöhnlich vorspringend und adlerförmig, und das ganze Gesicht würde, wenn man die Kupferfarbe entfernen könnte, sich dem europäischen Typus nähern. Viele Reisende haben behauptet, die Augen der Indianer seien kleiner als die der Europäer, und dies hat allerdings etwas für sich, wenn man oberflächlich nach dem ersten Eindruck urteilt, ohne eine nähere Untersuchung anzustellen. Auch mir ist die geringe Ausdehnung und anscheinende Kleinheit der Augen der Indianer aufgefallen, allein dies hat seinen Grund darin, daß sie im Freien beständig ohne allen Schutz den Sonnenstrahlen und in den Wigwams dem Rauche ausgesetzt sind; beide Ursachen bewirken eine Zusammenziehung der Augenlider und verhindern die volle Entwicklung des Auges.

Die Zähne der Indianer sind gewöhnlich regelmäßig und gesund, und erhalten sich wunderbar bis ins hohe Alter. Es ist dies offenbar dem Umstande zuzuschreiben, daß sie sich nicht der Gewürze, namentlich des Zuckers und Salzes, bedienen. Dagegen sind sie nicht weiß, sondern gelblich, aber derselbe Grund, der den Zähnen des Negers das Ansehen von Elfenbein gibt, nämlich der Kontrast der Farbe, läßt auch die Zähne des Indianers weiß erscheinen.

Bärte haben sie gewöhnlich nicht, und wenn sie damit versehen sind, so wenden sie alle möglichen Mittel an, um sie zu vertilgen. Es ist seit den ersten Berichten über diese Völker viel über diesen Gegenstand gestritten worden. Nach dem, was ich unter den 48 von mir besuchten Stämmen erfahren habe, fühle ich mich ermächtigt zu behaupten, daß bei den wilden Stämmen, die sich noch nicht bemüht haben, den Weißen nachzuahmen, von zwanzig Männern wenigstens achtzehn von Natur ohne Bart sind und von den wenigen, welche die Natur damit versehen hat, neunzehn unter zwanzig ihn sorgfältig ausreißen, so oft er hervorkeimt. In der Regel geschieht dies sogleich bei dem Eintritt der Mannbarkeit, wird es aber zu dieser Zeit versäumt, so zupfen sie fast täglich die Barthaare mittelst zweier Muschelschalen oder irgendeiner anderen Vorrichtung aus. Zuweilen, obwohl sehr selten, findet man einen Indianer, der seinen Bart am Kinn einen oder zwei Zoll lang wachsen läßt; in diesem Falle ist der Bart sehr weich, aber auch sehr schwach. Wo eine Vermischung des indianischen Blutes mit europäischem oder afrikanischem vorhanden ist, wie es längs der Grenze häufig vorkommt, da findet sich auch der Bart; in diesem Falle lassen sie den Bart wachsen, oder zupfen ihn mit vieler Mühe und großen Schmerzen aus.

Über die Folgen des Verkehrs der europäischen und afrikanischen Bevölkerung mit der indianischen an der Grenze ist viel geschrieben und gestritten worden, und obgleich ich es nicht unternehmen will, eine so schwierige Frage zu entscheiden, so kann ich doch nicht umhin, meine auf viele Beispiele gestützte Überzeugung auszusprechen, daß diese Mischlinge im allgemeinen entschieden eine Verschlechterung der beiden Rassen sind, aus denen sie entsprangen. Vielleicht hat dies mehr in der Verachtung, womit sie von beiden Seiten behandelt werden, als in körperlicher Beschaffenheit seinen Grund.

Die schönsten und kräftigsten Mischlinge, die ich gesehen habe, waren aus der Vermischung von Neger- und Indianerblut entsprossen. Beispiele dieser Art sind allerdings selten, kommen aber doch zuweilen unter den Seminolen und Tschirokihs und selbst unter den Camantschen und Caddos vor. Es läßt sich dies vielleicht auf folgende Art erklären. Um von den Staaten, die Sklaven halten, in das Gebiet der wilden Indianer zu gelangen, muß man mehrere hundert englische Meilen durch weite und fast unzugängliche Wildnisse und Sümpfe wandern, wozu ein kräftiger Körper und viel Mut und Ausdauer gehört. Ein Neger, der seinem Herrn entflieht, um unter einem wilden und feindseligen Indianerstamm frei zu leben, wird von den Wilden mit Bewunderung aufgenommen und die Fertigkeiten und Künste, die er sich in dem Umgange mit zivilisierten Menschen erworben, verschaffen ihm bald ein gewisses Ansehen, er verheiratet sich gewöhnlich mit der Tochter eines Häuptlings und aus dieser Vermischung mit dem edelsten Blute der Nation entspringen jene schönen und kräftigen Mischlinge, von denen ich oben gesprochen habe.

Obgleich diejenigen Indianer Nordamerikas, unter denen Ausschweifungen und Krankheiten noch nicht einheimisch geworden, unstreitig länger leben, gesunder sind und größere Entbehrungen und Anstrengungen ertragen können als zivilisierte Völker, so glaube ich doch nicht, daß diese Verschiedenheit in der Körperbeschaffenheit, sondern lediglich in der verschiedenen Erziehung begründet ist. Einen Beweis für diese Behauptung liefern die Hunderte von Männern, mit denen ich zusammen gereist bin, die im Dienste der Pelz-Compagnien seit Jahren im Felsengebirge lebten, ganz die Lebensweise der Indianer angenommen hatten und, gleich diesen, stets der freien Luft und allem Ungemach des Wetters und allen Entbehrungen und Anstrengungen, die mit einem solchen Leben verbunden sind, ausgesetzt waren, und ich muß bekennen, daß ich niemals einen abgehärteteren und gesunderen Menschenschlag gesehen habe; doch gilt dies nur, so lange sie in diesem Lande diese Lebensweise fortführen; kehren sie in ihre Heimat zurück, so werden sie bald siech, wozu freilich der Umstand wesentlich beiträgt, daß sie sich dann gewöhnlich Ausschweifungen ergeben.

Die indianischen Frauen, die ein mühevolles, beschwerliches Leben führen, sind ungemein kräftig und gesund und gebären sehr leicht; auch die Kinder sind sehr kräftig und Krankheiten oder gar Todesfälle kommen selten unter ihnen vor. Wäre das Verhältnis der Todesfälle unter den Kindern der Indianer dem in den zivilisierten Teilen der Welt gleich, so würde das Indianerland, wegen des entschiedenen Mißverhältnisses der Geburten, längst entvölkert sein. Denn eine Indianerin gebärt in der Regel nur zwei oder drei Kinder; vier oder fünf kommen sehr selten vor. Auch habe ich nie von Zwillings- oder gar Drillingsgeburten gehört. Für diese auffallende Ungleichheit zwischen den beiden Völkern weiß ich nur den einen Grund anzuführen, daß die indianischen Frauen ihre Kinder zwei, drei und selbst vier Jahre lang säugen.

Was frühere Reisende über das erstaunlich leichte und glückliche Gebären der indianischen Frauen berichten, habe ich vollkommen bestätigt gefunden. Man hat gemeint, die Natur habe das weislich so eingerichtet, damit bei dem Mangel an geschickten Ärzten und Geburtshelfern das Volk nicht aussterbe. Ich kann nicht glauben, daß die Natur den indianischen Frauen zu Gefallen von ihren Gesetzen abweichen sollte, ich bin vielmehr geneigt zu glauben, daß erst die Verweichlichungen des zivilisierten Lebens das Gebären so schwierig und gefahrvoll gemacht haben, und daß unsere Frauen, wenn sie von Jugend auf wie die Indianerinnen auf langen Reisen und über hohe Berge schwere Lasten getragen, breite Flüsse durchschwommen und gleich den Männern zu Pferde gesessen hätten, eben so leicht gebären würden, wie jene, die oft, auf der Reise von den Wehen befallen, ihr Pferd an einen Baum binden, auf der Erde gebären und nach einer halbstündigen Ruhe das Pferd wieder besteigen, um mit dem Kinde im Arm ihren Gefährten zu folgen.

Über die wahrscheinliche Abstammung der nordamerikanischen Indianer – eine Frage, die sich zuerst dem forschenden Geiste aufdrängt, die aber wohl zuletzt entschieden werden wird – habe ich hier nur wenig zu sagen, da ein so dunkler und aller positiven Beweise so sehr ermangelnder Gegenstand dem Plane dieses Werkes zu fern liegt.

Viele betrachten die Wilden dieses weiten Landes als eine Anomalie in der Natur und verlangen, daß man zugleich über ihre Abstammung und ihre Wohnsitze Rechenschaft gebe. Ich bin der Meinung, daß jener Ausdruck der »Anomalie« mit weit größerem Rechte auf diejenigen angewendet werden kann, die sich am meisten von der einfachen Natur entfernt haben. Es scheint natürlich, zu fragen, woher dies Volk gekommen ist; allein diese Frage ist nur natürlich, weil wir außer der Natur stehen. Dem Indianer würde eine solche Frage albern erscheinen, er würde gewiß sehr erstaunt sein, wenn ein Fremder, ein »bleiches Gesicht«, von jenseits des großen Wassers ihn auf seinem eigenen Grund und Boden, in seinen Wäldern, »wo der Große Geist ihn erschaffen«, fragte, wie und von wo er hierhergekommen sei! Der Indianer würde vielleicht seinerseits fragen: »Weißer Mann, woher kommst Du?« – »Von England, über das große Wasser.« – Und wie ist der weiße Mann nach England gekommen? Wie ist sein Gesicht weiß geworden? –

Ich habe mich nie überzeugen können, daß es notwendig sei, darzutun, wie dieses Volk in seine jetzigen Wohnsitze gekommen, oder daß es überhaupt von irgendwo hergekommen ist. Und dennoch möchte ich noch eher diese Notwendigkeit zugeben, als das, was notwendig daraus folgen muß, z. B. wie es den Wilden möglich gewesen ist, von Amerika oder Asien aus in ihren Kanoes bis zu den Inseln des Großen Ozeans zu rudern. Ich meinerseits begnüge mich vollkommen mit der feststehenden Tatsache, daß Amerika und die meisten Inseln des Großen Ozeans bei der Entdeckung von Wilden bewohnt gefunden wurden, und ich überlasse es gern den Theoretikern, der Welt zu beweisen, wie die rohen Wilden in ihren Rindenkanoes imstande waren, ohne Kompaß so weite Strecken zurückzulegen.

Ich glaube gleich vielen anderen, daß die nordamerikanischen Indianer ein gemischtes Volk sind – daß sie jüdisches Blut in ihren Adern haben; obwohl ich damit keineswegs denen beipflichten will, die zu beweisen gesucht haben, daß sie »Juden« oder »die verschwundenen zehn Stämme Israels« sind. Die Form ihres Schädels zwingt mich, sie als eine Mischrasse, aber immer noch als Wilde zu betrachten. Diese Kopfform, sowie viele ihrer Gebräuche haben mir die Überzeugung aufgedrungen, daß einige jener alten Stämme, die auf vielfache Weise und zu verschiedenen Zeiten von den Christen vertrieben wurden, nach Amerika gekommen sind, wo sie unter den Indianern lebten und sich mit ihnen verheirateten, bis sie endlich unter der größeren Zahl verschwanden und nichts von ihnen übrig blieb, als der bestimmte Charakter, den sie der indianischen Rasse aufgeprägt, und diejenigen Gebräuche, die die Wilden von ihnen annahmen und bis auf die Gegenwart beibehalten haben.

Ich gewann diese Überzeugung durch die Beobachtung sehr vieler Gebräuche, die entschieden jüdischen Ursprungs und zum Teil so eigentümlich sind, daß es fast unmöglich und jedenfalls höchst unwahrscheinlich ist, daß zwei von einander getrennte und im Naturzustande lebende Völker dieselben Gebräuche annehmen und sie genau auf die nämliche Art ausüben sollten. Man wird nicht von mir erwarten, daß ich es hier unternehmen werde, eine so interessante und schwierige Frage zu entscheiden; ich gebe hier nur meine einfache Meinung und unterwerfe mich gern dem Urteile derer, die andere Ansichten über einen Gegenstand hegen, der bereits von geschickteren Händen behandelt worden ist, der aber wohl, gleich allem, was sich auf den Ursprung und die Geschichte dieser Völker ohne Geschichte bezieht, niemals aufgeklärt werden wird.

Ich sehe mich genötigt, anzunehmen, daß Amerika, wie jeder andere Kontinent, seine Urbewohner gehabt hat, die an Farbe und Charakter verschieden waren, aber in Zeiten, von denen die Geschichte nichts meldet, durch Kolonien, die von außerhalb kamen und sich mit ihnen vermischten, mehrfache Veränderungen erlitten. Aus derselben Ursache sind auch die nordamerikanischen Indianer, selbst da, wo wir sie noch in ihrem wildesten Zustande finden, schon weit von ihrem ursprünglichen Charakter entfernt und eines der hauptsächlichsten fremden Elemente, die sie in sich aufgenommen haben, ist ein Teil jenes zerstreuten Volkes, das sein Blut und seine Gebräuche mit den ihrigen vermischt hat und selbst in dieser neuen Gestalt noch der Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt ist.

Der erste und auffallendste Umstand, der bei den nordamerikanischen Indianern an die Juden erinnert, ist, daß sie den Großen Geist, wie die Hebräer Jehovah, anbeten und nicht wie die Heiden mehrere Götter; sie sind nirgends Götzenanbeter und wissen von keinem Vermittler, weder von einem symbolischen, noch von einem persönlichen.

Alle Indianerstämme sind in Horden geteilt, mit Häuptlingen, Symbolen, Abzeichen usw. und viele ihrer gottesdienstlichen Gebräuche gleichen denen, die das mosaische Gesetz vorschreibt. Die Juden hatten ihr Allerheiligstes und bei den Indianern vertritt die Versammlungs- oder Medizinhütte, die stets heilig gehalten wird, diese Stelle. Auch sie haben, gleich den Juden, ihre Hohepriester und Propheten. Bei den Indianern, wie bei den alten Hebräern, ist es den Frauen nicht gestattet, gemeinschaftlich mit den Männern dem Gottesdienste beizuwohnen, auch aßen sie abgesondert. Die Indianer glauben gleich den Juden, daß sie das Lieblingsvolk des Großen Geistes sind, und gleich jenem alten Volke werden sie verfolgt und jedermanns Hand scheint wider sie erhoben, – wie die Juden scheinen sie von dem Allmächtigen verflucht und von den Menschen verachtet zu sein.

Die Indianer kaufen ihre Frauen durch Geschenke, wie es bei den alten Juden üblich war und bei manchen Stämmen sind die anderen Heiratsgebräuche den jüdischen sehr ähnlich.

Dieselbe Ähnlichkeit findet sich bei den Vorbereitungen zum Kriege, bei Friedensschlüssen, bei der Behandlung der Kranken, bei der Beerdigung der Toten und bei der Trauer um diese, sowie bei den Bädern und Abwaschungen, die zu allen Jahreszeiten, und zwar von Männern und Frauen getrennt, vorgenommen werden und einen Teil ihrer religiösen Vorschriften bilden. Ein anderer Gebrauch, der genau mit den Mosaischen Gesetzen übereinstimmt, ist die Absonderung der Frauen während der monatlichen Reinigung, diesen Brauch, er mag nun jüdischen Ursprungs sein oder nicht, habe ich bei allen Stämmen gefunden, die noch im Urzustande lebten. Es befindet sich zu diesem Zwecke in der Nähe einer jeden größeren Hütte eine kleinere, die groß genug ist, um eine Person aufzunehmen, und in dieser Hütte wohnt die Frau oder Tochter, so lange die Periode dauert. Während dieser Zeit darf sie nichts berühren, was dem Familienhaupte gehört, weder seine Hütte, noch seine Flinte, noch irgend ein Hausgerät; geschieht dies dennoch, so wird sie mit dem Tode bestraft. Bei einigen Stämmen ist diejenige Frau, die sich diesem Brauch entzieht, für jedes Unglück verantwortlich, das während der Zeit den Einzelnen oder den ganzen Stamm trifft. Ist die Periode vorüber, so muß sie sich, wie bei den Juden, einer Reinigung in fließendem Wasser unterwerfen. Diese Gebräuche finden sich jedoch nur noch bei den im Urzustande lebenden Stämmen, während diejenigen, die an der Grenze wohnen, sie längst aufgegeben haben.

Ihre Feste, Fasten und Opfer haben ebenfalls außerordentlich viel Ähnlichkeit mit denen des Volkes Gottes. Mehrere Stämme haben ein Fest, das genau dem jüdischen Passahfeste, ein anderes, das dem Laubhüttenfeste der Israeliten gleicht, wobei sie die ersten Früchte und das Beste von allen Dingen opfern, wie es bei dem Sünd- und Versöhnungsopfer der Juden geschah. Über die vier Tage dauernde religiöse Zeremonie der Mandaner, über den Gebrauch der Weidenzweige und das Opfern der Finger vergl. Kapitel 22, und über das Tragen von Hörnern auf dem Kopfputze berühmter Krieger siehe Kapitel 15.

Diese Übereinstimmung mit dem jüdischen Ceremonialgesetze beweist wohl unwiderleglich, daß eine Vermischung des indianischen Blutes mit jüdischem stattgefunden hat, denn die Gebräuche sind zum Teil so eigentümlicher Art, daß es nicht nur höchst unwahrscheinlich, sondern fast unmöglich wäre, daß sie sich zugleich bei zwei Völkern finden sollten, die niemals mit einander in Berührung gekommen. Die Indianer feiern allerdings nicht den Sabbath, haben nicht die Beschneidung und essen bei allen ihren Festen Hundefleisch, das den Juden ein Greuel war; allein dies erklärt sich ganz einfach dadurch, daß die Indianer nur diejenigen Gebräuche annahmen, die ihnen gefielen, während sie ihren früheren, allgemein eingeführten Gewohnheiten treu blieben.

Viele Schriftsteller sind der Meinung, daß alle Urbewohner Amerikas einem gemeinsamen Stamme und ihre Sprache einer gemeinsamen Wurzel entsprungen sind – daß dieser Stamm aus einem anderen Erdteile herübergekommen sei und diese Sprache eingeführt habe. Als Grund für diese Annahme wird die Ähnlichkeit der verschiedenen Stämme und ihrer Sprachen angeführt.

Dieser Meinung kann ich jedoch nicht beistimmen, denn es ist eine auffallende und unerklärliche Tatsache, daß die nordamerikanischen Indianer gegenwärtig mindestens 150 Sprachen reden, von denen zwei Drittel gänzlich verschieden sind, während die Stämme im Aussehen und in den Gebräuchen einander so sehr gleichen, daß man sie als eine Familie betrachten kann. Ich bin nicht der Ansicht einiger gelehrten Schriftsteller, daß die Sprachen der nordamerikanischen Indianer sich auf eine oder mehrere Wurzeln, oder auf eine Anzahl bestimmter Idiome zurückführen lassen, noch daß es jemals gelingen wird, ihren fremden Ursprung nachzuweisen.

Am Schlusse dieses Werkes habe ich ein Wörterverzeichnis von den Sprachen mehrerer im Nordwesten einander benachbart lebender Stämme mitgeteilt. Ich habe alle diese Wörter selbst so niedergeschrieben, wie die Indianer sie mir vorsprachen, und es wird, wie ich glaube, jedermann sich überzeugen, daß wenig oder gar keine Ähnlichkeit unter diesen Sprachen vorhanden ist. Ich habe Wörter aus der Sprache der Schwarzfuß-Indianer mitgeteilt, doch sind die Sprachen der Cotonnehs und der Grosventres der Prärien, die zu demselben großen Stamme gehören, von jener und unter sich ganz verschieden; dasselbe gilt von den benachbarten Stämmen der Schaienner, Knisteneaux, Schoschonihs, Pahnis und Krähen-Indianer.

Ich habe auf meinen Reisen häufig gefunden, daß Stämme, die lange benachbart gewohnt, gegenseitig Wörter und Redensarten ihrer Sprachen angenommen haben, deren sie sich bedienen, wie wir französische Redensarten in unsere Unterhaltung mit einfließen lassen. Oberflächliche Beobachter haben hieraus häufig auf eine Ähnlichkeit der Sprachen geschlossen, während diese doch bei genauerer Untersuchung sich als gänzlich verschieden ergeben. Von den 48 Stämmen, die ich besuchte, reden 30 ganz verschiedene Sprachen und die übrigen 18 sprechen Dialekte von drei oder vier Sprachen.

Aus dem, was in den vorhergehenden Kapiteln gesagt worden ist, ergibt sich, daß die nordamerikanischen Indianer sich unter drei Abteilungen bringen lassen, nämlich: die ausgestorbenen Indianer, die, welche im Aussterben begriffen sind und die, welche noch im Naturzustande leben. Von den Ausgestorbenen habe ich für jetzt wenig zu sagen, auch kann ich ihnen nichts mehr nützen; von den Lebenden wäre dagegen noch viel zu sagen und ich bedaure, daß der Raum es mir nicht gestattet, alles mitzuteilen, was ich über ihren Zustand sagen möchte.

Die Vergleichung des früheren Zustandes dieses einst zahlreichen Volkes mit dem, was es gegenwärtig ist und in kurzem sein wird, ist wohl geeignet, die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl der gebildeten Welt zu erregen. Die Geschichte dieses Landes bietet hinreichende Beweise dar, daß die Urbewohner, die zur Zeit der ersten Ansiedlung der Anglo-Amerikaner in den verschiedenen Teilen Nordamerikas lebten, sich auf 14 Millionen Seelen beliefen, die seitdem, offenbar infolge jener Ansiedlung, auf weniger als zwei Millionen zusammengeschmolzen sind! Siehe Anmerkung 40.

 


Anmerkungen 40.

Eine wirkliche allmähliche Abnahme der Urbewohner der neuen Welt findet nur da statt, wo sie als Jägervölker mit den bleichen Gesichtern zusammentreffen, während bei den ackerbauenden und gewerbetreibenden Stämmen sich eine Zunahme zeigt. Herr von Humboldt sagt in dieser Beziehung in einem Briefe an Herrn Professor Zeune: »Ich habe keinen Zweifel, daß die rein indianische Bevölkerung von ganz Amerika bis 1843 auf ein Fünftel zugenommen. Die Abnahme zwischen dem Mississippi und der Südsee ist darum sehr unwichtig, weil sie eine kleine Totalsumme betrifft.«


 

Die schnelle Abnahme dieses Volkes, die früher oder später sein gänzliches Aussterben herbeiführen muß, kann nicht bezweifelt werden, wenn man die Geschichte seiner bisherigen Vertilgung liest und bedenkt, daß es von zwei Dritteln des Kontinents verschwunden ist. Es leben gegenwärtig noch 400+000 – 500+000 Indianer im Urzustande und etwa 1½ Millionen kann man halb zivilisierte nennen; letztere, welche die Gebräuche der weißen Männer nachäffen und vergeblich gegen ihre Ränke sich zu behaupten suchen, bieten nicht das Interesse dar, wie die ersteren, deren persönliche Erscheinung, Kleidung und Lebensweise ich bereits geschildert habe. Diese verdanken ihre Regierungsform, die ihnen allein von der Natur und der Notwendigkeit vorgeschrieben wurde, keiner fremden, einheimischen oder zivilisierten Nation; ihre Religion, die ein reiner Deismus ist, verdanken sie nicht dem Christentum; in ihrer Kriegsführung haben sie nichts von den gebildeten Völkern entlehnt– sie bedienen sich nur der Waffen, die sie selbst verfertigen können.

Wenn wir daher in ihrer Politik und ihrer Jurisprudenz nicht die Kraft und die Gerechtigkeit der Institutionen der zivilisierten Welt, in ihrer Religion nicht das Licht und die Milde des christlichen Glaubens finden – wenn sie in ihren Kriegen weniger ehrenwert sind und diese mehr aus mörderischen Kriegslisten bestehen, so müssen die zivilisierten Völker mit ihrer Unwissenheit Nachsicht haben und zugleich anerkennen, daß sie oft weniger heuchlerisch und weniger mörderisch sind.

Ihre Regierungsform (wenn dieser Ausdruck überhaupt hier angewendet werden kann) ist im allgemeinen überall dieselbe; an der Spitze eines jeden Stammes steht ein Häuptling und zwar meistenteils ein Kriegs- und ein Friedenshäuptling, von denen der erstere oder der letztere den Vorrang führt, je nachdem Krieg oder Frieden ist. Diese Häuptlinge, deren Würde in der Regel erblich ist, bekleiden diese nur so lange, als sie imstande sind, die Führung von Kriegszügen usw. zu übernehmen; ist dies nicht mehr der Fall, so geht die Würde auf den Nachfolger über. Dies ist gewöhnlich der älteste Sohn, jedoch nur in dem Falle, wenn die anderen Häuptlinge erklären, daß er dessen ebenso würdig sei, wie jeder andere junge Mann des Stammes; ist dies nicht der Fall, so wird der Nachfolger aus den Unterhäuptlingen gewählt, so daß also diese Würde nur bedingungsweise erblich ist.

Der Häuptling hat kein Recht über das Leben und die Freiheit seiner Untertanen und besitzt nur denjenigen Einfluß, den ihm seine Tugenden und seine Kriegstaten erwerben, wodurch die Krieger und Tapferen bewogen werden, ihm als ihrem Führer in den Kampf zu folgen oder in den Versammlungen auf seinen Rat zu hören. Er ist in der Tat nichts weiter als ein Führer, dem jeder junge Krieger nach Belieben folgen oder den er auch verlassen kann, wenn er sich der Verachtung aussetzen will, die denjenigen trifft, der seinen Häuptling in der Stunde der Gefahr verläßt.

Es ist schwierig zu entscheiden, ob ihre Regierungsform mehr demokratisch oder mehr aristokratisch ist; in einigen Beziehungen ist sie rein demokratisch, in anderen rein aristokratisch. Der Einfluß von Namen und Familien wird streng aufrecht erhalten und ihre Eigenschaften und Auszeichnungen werden in Familienwappen aufbewahrt. Dagegen gibt es keinen Einfluß des Reichtums, denn eben die Häuptlinge und andere angesehene Personen müssen, um sich beliebt zu machen, sehr freigebig sein und daher sind sie oft die Ärmsten des ganzen Stammes und von allen am schlechtesten gekleidet.

Sie haben weder geschriebene noch andere Gesetze und nur für gewisse Verbrechen gibt es bestimmte Strafen, die entweder durch den Brauch oder durch die Entscheidung der Häuptlinge festgesetzt werden. Die Häuptlinge bilden zugleich eine Art von Gerichtshof und Kongreß, indem sie sowohl die Verbrechen untersuchen, als auch die öffentlichen Angelegenheiten verhandeln. Für die Sitzungen dieser Würdenträger hat jeder Stamm in der Mitte des Dorfes eine Regierungs- oder Versammlungshütte. Hier entscheiden sie über verübte Verbrechen, deren Bestrafung aber dem nächsten Verwandten überlassen wird, auf den aller Augen gerichtet sind und der sich auf keine Weise dieser Verpflichtung entziehen kann, wenn er nicht die Verachtung des ganzen Stammes auf sich laden will. Der Brauch, der das Gesetz dieses Landes bildet, erlaubt ihn zu diesem Zwecke jedes Mittel und es ist ihm selbst gestattet, sich in einen Hinterhalt zu legen und den Verbrecher zu erschießen, so daß dieser also niemals die Hoffnung hat, durch die »glorreiche Unbestimmtheit der Gesetze« Diese Äußerung Catlins bezieht sich darauf, daß in einer Versammlung von Advokaten in London einer derselben den Toast ausbrachte: »Möge die glorreiche Unbestimmtheit der englischen Gesetze ewig währen!« unbestraft zu bleiben.

Die Gefangenen werden bei einigen Stämmen den grausamsten Martern unterworfen und man hat deshalb die Indianer der Grausamkeit und Gefühllosigkeit beschuldigt; allein man möge bedenken, daß die Verwandten der Sieger früher dasselbe Loos getroffen hat, und daß diese eine solche Wiedervergeltung für notwendig halten, um die Schatten ihrer getöteten Freunde zu versöhnen. Auch trifft diese grausame Behandlung immer nur einzelne, während die übrigen dem Stamme einverleibt werden, indem sie die Witwen der im Kampfe Gefallenen heiraten und dadurch völlig gleiche Rechte mit den anderen Mitgliedern des Stammes erlangen. Ein merkwürdiger Umstand, der den Wilden zur höchsten Ehre gereicht, ist, daß sie sich niemals gegen die gefangenen Frauen irgend eine Gewalttat oder Grausamkeit erlauben.

siehe Bildunterschrift

Tafel XXI. Der Schneeschuhtanz.

Mit Ausnahme der Kapitalverbrechen gibt es keinerlei Strafen unter ihnen, weder körperliche noch entehrende, und alle, vom Häuptling bis zu dem Ärmsten des Stammes, besitzen gleiche Rechte, deren sie niemand berauben kann.

Als ich einst am oberen Missouri einen Häuptling der Sioux über ihre Regierungsweise, ihre Strafen und die an den Gefangenen verübten Martern befragte und ihm den Vorwurf der Grausamkeit machte, richtete auch er mehrere Fragen über die Gebräuche der zivilisierten Völker an mich, die ich hier mitteilen will.

»Bei den weißen Männern nimmt keiner Deine Frau, Deine Kinder, Deine Mutter, schneidet die Nase ab – – sticht die Augen aus – verbrennt sie lebendig?« – »Nein.« – Nun, daher schneidet Ihr auch keine Nasen ab – stecht keine Augen aus – verbrennt niemand lebendig – sehr gut!«

»Man hat mir erzählt, die weißen Männer hingen ihre Verbrecher am Halse auf und erwürgten sie gleich Hunden, und zwar von ihrem eigenen Volke.« – »Ja.« – »Die weißen Männer werden ins Gefängnis gesetzt und bleiben darin einen großen Teil ihres Lebens, weil sie nicht bezahlen können!« Dies bezieht sich auf die frühere Sitte der Schuldgefängnisse. – Als ich auch dies bejahte, erregte dies großes Erstaunen und Gelächter selbst unter den Frauen. – »Als ich in Eurem Fort Council Bluffs war, wurden von den vielen dort anwesenden Kriegern drei auf die Prärie hinausgeführt, an einen Pfahl gebunden und fast tot gepeitscht und man hat mir gesagt, dies geschehe, um etwas Geld zu erhalten.« – »Ja.« – »Man hat mir erzählt, daß wenn die weißen Frauen gebären, die weißen Medizinmänner dabei stehen – die Frauen im Lande der Indianer würden dies nimmer gestatten, sie würden sich schämen. Ich habe gesehen, daß die Weißen ihre kleinen Kinder schlagen, das ist sehr grausam. – Die weißen Medizinmänner haben mir erzählt, daß der Große Geist der weißen Männer das Kind einer weißen Frau sei; daß die weißen Männer ihn getötet haben! Der Große Geist der roten Männer hatte keine Mutter – die roten Männer töten ihn nicht, denn er stirbt nie!« – Er richtete sodann noch eine Menge Fragen an mich über die Eingriffe der weißen Männer in das Gebiet der Indianer, über ihre beständigen Versuche, die Moralität der indianischen Frauen zu untergraben, über das Aufwühlen der Gräber, um sich der Gebeine der roten Männer zu bemächtigen. Da ich alle diese Beschuldigungen nicht in Abrede stellen konnte, so war ich froh, endlich diesen ungestümen Frager los zu werden und mich aus der Menge, die sich um uns versammelt hatte, entfernen zu können.

Über die Kriegsführung der Indianer könnte ich viel sagen, muß mich aber hier auf einige Bemerkungen beschränken. Alle Kriege, sowohl Angriffs- als Verteidigungskriege, werden in der Versammlung der Häuptlinge und Medizinmänner beschlossen und es entscheidet stets die Mehrzahl der Stimmen.

Nachdem der Krieg beschlossen worden, sendet der Häuptling durch seine Boten die rot bemalte Pfeife in dem Stamme herum und wer an dem Kampfe teilnehmen will, raucht aus dieser Pfeife; er ist dann, gleich allen anderen Kriegern, ein Freiwilliger, der durch keinen Zwang zurückgehalten wird, außer durch den Stolz und die Furcht vor der Verachtung des Stammes, wenn er den Häuptling verläßt. Hat die Pfeife die Runde durch den ganzen Stamm gemacht, so beginnt der Kriegstanz, wobei jeder Krieger in voller Rüstung und mit den Waffen in der Hand einzeln tanzt, den rot bemalten Pfahl berührt und sich dadurch feierlich verpflichtet, seine Partei nicht zu verlassen.

Der Häuptling legt seinen besten Schmuck an, um sich dem Feinde so sichtbar wie möglich zu machen, während die übrigen Krieger fast ganz nackt sind und sich das Gesicht und den Körper so mit roter Farbe und zuweilen auch noch mit Kohlen und Fett bemalen, daß sie oft von ihren besten Freunden nicht erkannt werden.

Sind die Feindseligkeiten beendigt, so kommen beide Parteien oft mit der Waffenstillstandsflagge zusammen, um Frieden zu schließen, der durch das Rauchen aus der Friedenspfeife (Kalumet) feierlich besiegelt wird. Ist dies geschehen, so tanzen sie; mit der Friedenspfeife in der linken und der Kriegskeule in der rechten Hand, den Friedenstanz.

In ihrem Betragen gegeneinander sind die Indianer stets gütig und ehrenwert und ich habe bei ihnen dieselbe Eltern-, Kindes- und Gattenliebe gefunden, wie bei den zivilisierten Völkern. Sie sind sehr moralisch und religiös und sehr eifrig in der Verehrung des Großen Geistes. Viele ehrenwerte Männer und selbst solche, die das Christentum unter den Indianern predigten, haben behauptet, die roten Männer hätten gar keine Religion, ihre ganze Anbetung des Großen Geistes sei nur törichter Aberglaube, die Verehrung der Sonne und des Mondes, die von einigen als der Wohnsitz des Großen Geistes betrachtet werden, sei nichts als abgeschmackter Götzendienst. Auf dergleichen Äußerungen habe ich niemals eine Antwort gegeben und diejenigen, von denen sie ausgingen, von Herzen bemitleidet.

Ich behaupte dreist und ohne Furcht vor Widerlegung, daß der nordamerikanische Indianer überall im Naturzustande ein höchst moralisches und religiöses Wesen ist, an das Dasein eines Schöpfers der Menschen und der Welt glaubt, sich scheut, ihn zu beleidigen und in einem zukünftigen Leben Belohnung oder Bestrafung erwartet, je nachdem er hier gelebt hat. Ich behaupte, daß der Indianer Moralität und Tugend nicht erst von den zivilisierten Völkern zu lernen braucht und ich berufe mich deshalb auf die interessante Beschreibung der Reise des Herrn Parker unter den Stämmen im Felsengebirge und jenseits desselben, des Kapitän Bonneville, der diese Gegenden bereiste, und auf die Berichte der Geistlichen Spalding und Lee, welche das Gebirge überstiegen und ihre kleine Kolonie unter den Indianern gründeten, sowie endlich auf den Bericht des Herrn Beaver, welcher die Stämme am Kolumbiaflusse und am Großen Ozean besuchte.

Mit gleicher Zuversicht kann ich auch von der außerordentlichen Art und Aufrichtigkeit ihres Gottesdienstes sprechen, und wenn ich sie auch wegen ihrer Unwissenheit bemitleiden muß, so bin ich doch genötigt, zu sagen, daß ich niemals ein anderes Volk von irgendeiner Farbe gesehen habe, das so viel Zeit auf die Verehrung des Großen Geistes verwendete und das man doch so wenig der Heuchelei beschuldigen könnte.

Daß die Bekehrungsversuche bis jetzt so geringen Erfolg gehabt, hat nicht in der Unfähigkeit der Wilden oder dem Mangel an Eifer von seiten der Missionare, sondern lediglich darin seinen Grund, daß die Versuche am unrechten Orte, nämlich an der Grenze angestellt wurden, wo die Indianer, obgleich ebenso der christlichen Lehre und des christlichen Beispiels am meisten bedürftig, doch am wenigsten fähig waren, diese zu empfangen und zu ihrem Vorteil zu benutzen; wo seit zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahren der Branntweingenuß bei ihnen eingeführt worden; wo die geldgierigen weißen Männer sich jede Art von Betrug und Ungerechtigkeit gegen die Wilden erlauben, und eben die, aus dem Gefühl der gegen sie verübten Ungerechtigkeiten entspringenden, unauslöschlichen Vorurteile sind es nach meiner Ansicht allein, die der Einführung des Christentums, des Ackerbaues und anderer Wohltaten der Zivilisation bisher im Wege standen. Die Indianer argwöhnen bei allen Versuchen dieser Art von seiten der weißen Männer irgendeinen neuen Kunstgriff, wobei diese nur ihren eigenen Vorteil, keineswegs aber das Beste der roten Männer im Auge hätten.

Der fromme Missionar hat dort mit Lastern und roher Unwissenheit zu kämpfen, die ihn zuletzt entmutigen; denn häufig geschieht es, daß der Indianer, der die Lehren des Christentums als ein Mysterium aufnimmt, von den Pelzhändlern mittelst der Branntweinflasche verführt, wieder zu seiner früheren lasterhaften Lebensweise zurückkehrt und nun für die Unterweisung der Missionare verloren ist. Aber trotz der Hindernisse kommen doch an der Grenze noch immer Fälle vor, in denen der von diesen frommen Männern ausgestreute Samen auf guten Boden fällt und ich habe in den vorhergehenden Kapiteln selbst einige dieser Fälle angeführt.

Ich bin stets ein Verteidiger der Bemühungen der Missionare gewesen und werde es auch stets sein, aber ich habe niemals großes Vertrauen zu ihren Erfolgen gehabt, wenn nicht jene frommen Männer sich zu den noch im Naturzustand lebenden Stämmen begeben und diese, unter dem Schutze der Regierung, zugleich im Ackerbau und den nützlichen Künsten des zivilisierten Lebens unterrichten; dann, aber auch nur dann, ließe sich der moralische und physische Zustand dieses interessanten und reichbegabten Volkes verbessern. Der Geist des Indianers ist ein schönes weißes Blatt, worauf sich alles schreiben läßt, wenn man nur die richtige Art dabei anwendet.

Hätte man den Indianer von Anfang an mit dem aufgeklärten und tugendhaften Teile der Bevölkerung des Ostens in Verbindung bringen, ihm Verbesserungen und Gewohnheiten, die der Nachahmung würdig sind, vor Augen stellen und die störende Einwirkung der ihn jetzt umgebenden Laster von ihm fernhalten können, so würden die Lehren der Religion auch bei ihm Wurzel gefaßt haben und die Nachwelt würde dann, wenn dereinst die ganze Rasse von der Erde verschwunden ist, nicht behaupten können, daß der Indianer nicht fähig gewesen sei, bekehrt und zivilisiert zu werden.

Aber seit dem ersten Augenblick der Bekanntschaft der Weißen mit den roten Männern haben diese stets an denen, welche zu ihnen kamen, nur so abscheuliche Laster wahrgenommen und sie haben so große Ungerechtigkeiten von ihnen erduldet, daß sie jetzt auch an die redlichen Absichten derjenigen nicht glauben, die es gut mit ihnen meinen.

Die Indianer sind von Natur sittsam, bescheiden und harmlos, und soweit die Geschichte geht, wurden die Weißen bei der ersten Ankunft in ihren Dörfern überall freundlich und gastlich aufgenommen. Ich selbst unterschreibe gern und mit Stolz die Worte, die sich in dem Briefe befinden, den Columbus von dem Punkte, wo er zuerst den Kontinent betrat, an den König und die Königin von Spanien richtete: »Ich schwöre Ew. Majestäten, daß es in der Welt kein besseres Volk gibt als diese, keines, das wohlwollender, freundlicher und sanfter wäre. Sie lieben ihren Nächsten wie sich selbst und sprechen stets lächelnd.« –

Sie sind sinnreich und talentvoll, wie viele ihrer Erzeugnisse beweisen. In den mechanischen Künsten haben sie nur geringe Fortschritte gemacht, wahrscheinlich weil sie ihrer nur wenig bedurften und auch niemand sie darin unterrichtet hat. Ihre Leistungen in den schönen Künsten sind noch roher und unbedeutender; ihre ganze Naturkunst beschränkt sich auf die Büffelhäute, von denen bereits oben die Rede war und über die ich noch einige Worte sagen will.

Von einem System einer Hieroglyphenschrift habe ich nirgends etwas bemerkt, obwohl ihre Bilderschrift auf den Felsen und den Büffelhäuten sich dem einigermaßen nähert. Die erstere habe ich auf meinen Reisen in großer Menge gesehen und mich überzeugt, daß sie nur die Totems oder symbolischen Namen derjenigen enthalten, welche jene Orte besuchten; unter diesen Namen, die von vierfüßigen Tieren, Vögeln oder Reptilien entlehnt sind, ist jede Familie oder jeder einzelne allgemein bekannt. Viele dieser Zeichen hat man den Normannen zugeschrieben und ich war auch dieser Meinung, bis ich in dem Steinbruch des roten Pfeifensteins und an mehreren anderen Orten selbst sah, wie die Indianer ihre Totems in die Felsen eingruben, wodurch ich mich überzeugte, daß hierbei an keine eigentliche, sogenannte Hieroglyphenschrift zu denken ist.

Die Zeichnungen auf den Büffelhäuten sind zuweilen äußerst merkwürdig und stellen gewöhnlich ihre Kriegstaten dar, worauf sie ungemein stolz sind.

Eine dieser Büffelhäute, die ich von einem Pahnih-Indianer kaufte, stellt eine Prozession von Doktoren oder Medizinmännern dar, von denen der Vorderste seinem Lieblingsrosse die Freiheit gibt. Es ist dies ein sehr sonderbarer Brauch, den ich fast bei allen Stämmen gefunden habe. Hat ein Medizinmann diesen Entschluß gefaßt, so zeigt er allen seinen Kollegen an, daß er an einem bestimmten Tage seinem treuen Rosse, das ihm am längsten gedient hat, die Freiheit geben wolle und er hoffe, daß alle dabei zugegen sein würden. Sie erscheinen dann alle zu Pferde, bewaffnet und höchst phantastisch bemalt und aufgeputzt, vorauf reitet der Eigentümer des freizulassenden und ebenfalls bemalten und gebrannten Pferdes, das er an einem langen Lasso führt. Hat man den bestimmten Ort erreicht, so wird das Pferd freigelassen und gesellt sich sogleich zu den wilden Pferden. Wird es später von einem Indianer mit dem Lasso gefangen, so gibt er ihm sofort die Freiheit wieder, denn es gehört nunmehr dem Großen Geiste und niemand darf es sich ungestraft aneignen.

Zuweilen opfern die Medizinmänner dem Großen Geiste oder dem Bösen Geiste ihre Pferde und Hunde auf andere Weise, indem sie diese töten, doch muß hierbei stets das Beste geopfert werden; geschieht dies nicht, so zieht sich der Opfernde nicht nur die Verachtung seines Stammes zu, sondern auch den Zorn des Großen oder Bösen Geistes, für den das Opfer bestimmt war. Diese Opfer werden unmittelbar dem Medizinbeutel des Opfernden oder der Familienmedizin dargebracht, denn außer der jedem einzelnen gehörenden Medizin scheint jeder Haushalt noch eine besondere Medizin zu besitzen Lewis und Clarke erzählen in ihrem Reisebericht, daß ein Häuptling der Mandaner siebenzehn Pferde geopfert habe, um den Großen Geist sich geneigt zu machen..

Was die Übersiedlung der verschiedenen Stämme in das Land westlich vom Mississippi betrifft, so sind die Regierung und diejenigen Geistlichen, die diesen Plan vornämlich beförderten, gewiß überzeugt gewesen, daß sie dadurch den Indianern eine Wohltat erzeigten. Auch ich war anfangs dieser Meinung, als ich aber jene verpflanzten Stämme besuchte, die, nachdem sie in ihren früheren Wohnsitzen den Gebrauch der Pflugschar erlernt und Geschmack an den Bequemlichkeiten des zivilisierten Lebens gewonnen hatten, plötzlich 200-300 Meilen westwärts in die Wildnis versetzt wurden, wo alle ihre Bedürfnisse ihnen von den Kaufleuten um einen acht- bis zehnfachen höheren Preis, als sie früher dafür zahlten, geliefert werden, wo der Verkauf des Branntweins ungehindert stattfindet und wo die Herden der Büffel und anderer wilden Tiere eine beständige Lockung für sie sind, sich dem Vergnügen der Jagd zu ergeben und die Beschäftigung mit dem Ackerbau zu vernachlässigen – seit dieser Zeit habe ich die feste Überzeugung gewonnen, daß jenes System der Übersiedlung nur dazu dient, die Landspekulanten und die Handelsleute zu bereichern – jene, indem sie die von den Indianern verlassenen Ländereien an sich reißen, diese, indem sie die an 120+000 rote Männer gezahlte Jahresrente in ihre Taschen hinüberzuspielen wissen. Das System mag allerdings dazu geeignet sein, den Wohlstand der zivilisierten Grenzbewohner zu vermehren, aber auf der anderen Seite wird es nur dazu dienen, die Verarmung und den Untergang der roten Männer zu beschleunigen, die das Unglück haben, daß ihre Interessen sich nie mit denen ihrer Nachbarn, der bleichen Gesichter, vereinigen lassen.

Dieses Handelssystem und die Blattern sind es gewesen, welche dies arme Volk von der atlantischen Küste bis zu seinem jetzigen Wohnsitze vernichtet haben, und beiden wird wohl nicht Einhalt getan werden, so lange diesseits und jenseits der Rocky-Mountains noch ein einziger Indianer übrig ist. Von den ersten Ansiedlungen an der atlantischen Küste bis zu denen am Fuße des Felsengebirges haben Hunderte und Tausende von weißen Männern sich auf Kosten der arglosen Kinder der Wildnis zu bereichern gesucht und es ist ihnen gewöhnlich gelungen. Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Groß-Britanniens haben stets den Pelzhandel auf jede Weise unterstützt und ihn als eine Quelle des Reichtums für beide Nationen betrachtet; aber es kann ihnen wohl nie in den Sinn gekommen sein, zu glauben, daß ein solcher Verkehr auch vorteilhaft für die Wilden sei.

Außer den Tausenden, welche täglich und stündlich den Indianern in den Vereinigten Staaten, in Kanada, an den Grenzen von Texas und Mexiko Branntwein, Rum und allerlei unnützen Tand verkaufen, gibt es kühne, bewaffnete Abenteurer in den Rocky Mountains und jenseits derselben, von denen tausend im Dienste der Pelz-Compagnien der Vereinigten Staaten, eine gleiche Anzahl im Dienste der britischen Faktoreien, und die doppelte Zahl in den russischen und mexikanischen Besitzungen sich befinden; alle durchziehen das Gebiet der wildesten Stämme mit der Flinte und anderen, dem einfachen Wilden unbekannten Todeswerkzeugen, um ihn zu schrecken und zu vorteilhafteren Handelsbedingungen zu zwingen, und überall maßen sie sich das Recht an (und suchen es nötigenfalls durch die Überlegenheit ihrer Waffen zu beweisen), an den Flüssen in dem Gebiete der Wilden zu jagen.

Diese Pelzhändler bringen nicht nur den Branntwein und die Blattern in jene entfernten Gegenden, sondern bewaffnen auch einen Stamm nach dem andern mit Feuergewehren, wodurch sie ihren Nachbarn im Kampfe überlegen werden, die sich nun ebenfalls auf diese Weise bewaffnen und dann wieder ihre Feinde im Westen überfallen. Auf diese Weise verliert ein Stamm nach dem anderen seine tapfersten Krieger und verschwindet gänzlich, noch ehe die eigentliche Zivilisation ihn erreicht und er eine genaue Kenntnis von ihm erhalten kann.

Ich will hier weder in eine detaillierte Geschichte dieses Systems, noch in eine Untersuchung der Motive der dabei beteiligten Personen eingehen, sondern nur bemerken, daß infolge des weiten Transports der Waren über Berge und reißende Flüsse die armen Indianer diese so teuer bezahlen müssen, daß sie in kurzem verarmen. Dazu kommt noch, daß sie unglücklicherweise Geschmack am Branntwein und Rum finden, deren übermäßiger Genuß den Indianer viel schneller tötet, als den Weißen. Da der Branntwein ihnen von den Weißen geliefert wird, die sie für weiser zu halten gewohnt sind, so betrachten sie den übermäßigen Genuß geistiger Getränke nicht als ein Laster, und trinken, so lange sie noch die Mittel dazu besitzen. Sind diese erschöpft, so betteln sie um Branntwein und wenn dann der ehrenwerte Pionier ihr Nachbar wird, so erhalten sie, und zwar mit Recht, den Namen der »armen, herabgewürdigten, nackten und betrunkenen Indianer«.

Ich kann keinen bessern Kommentar zu diesem System des Handels geben, als einige Stellen aus dem sehr interessanten und beliebten Werke: »Das Felsengebirge, oder Abenteuer im Fernen Westen, von Washington Irving.« Die darin erzählten Vorfälle sind von dem Kapitän Bonneville, offenbar mit großer Aufrichtigkeit, mitgeteilt worden. Dieser ausgezeichnete Offizier hielt sich fünf Jahre in der Gegend des Felsengebirges auf, wo er mit mehreren anderen Personen unter einigen der wildesten Stämme jener Gegend Pelzhandel trieb.

»Der würdige Kapitän (sagt der Verfasser) begab sich in jenes Land mit 110 Mann, deren Ansehen und Ausrüstung, halb zivilisiert und halb wild, – ein sehr buntes Bild darstellte. Sie durchzogen das Land bis zu den Rocky Mountains und der Kapitän sagt von den Nez percés und den Flachköpfen, daß sie freundlich gesinnt und in ihrem Verkehr mit den Weißen im höchsten Grade redlich waren. Auch waren sie so fromme Leute, daß man sie ein Volk von Heiligen nennen könne.«

Von den »Wurzel-Gräbern«, einer Horde der Schlangen-Indianer in der Nähe des Großen Salzsees, sagt er: »Sie sind ein einfaches, schüchternes, harmloses Völkchen, das kaum andere Waffen als zur Jagd besitzt. Eines Morgens bemerkte einer von den Träppern des Kapitäns, ein wilder und roher Mensch, daß seine Fallen während der Nacht entwendet waren; er schwor daher, den ersten Indianer, der ihm begegnen würde, zu töten, er möge schuldig oder unschuldig sein. Als er mit mehreren anderen nach dem Lager zurückkehrte, sah er zwei unglückliche Wurzel-Gräber, die am Flusse mit Fischen beschäftigt waren, er eilte sogleich auf sie zu, schoß den einen nieder und warf den blutigen Leichnam in den Fluß.

»Als einige Zeit darauf die Träpper des Kapitäns über den Ogdenfluß setzen wollten, bemerkten sie auf dem gegenüberliegenden Ufer eine große Anzahl Schoschokis oder Wurzel-Gräber und da sie vermuteten, daß diese feindliche Gesinnungen hegten, so schossen sie auf der Stelle fünfundzwanzig von ihnen nieder. Die übrigen flohen eine kurze Strecke, standen dann still und wandten sich um unter ergreifendem Klagegeschrei. Die Träpper verfolgten die Unglücklichen, die keinen Widerstand leisteten, sondern voll Entsetzen flohen, nach allen Richtungen.«

Nach diesem Vorfalle wanderte die buntscheckige Bande der Träpper nach Monterey an der Küste von Kalifornien und kehrte zu Pferde durch das Land der Wurzel-Gräber zurück. Der Verfasser entwirft von diesem Zuge folgende Schilderung:

»Auf ihrer Reise durch das Land der armen Wurzel-Gräber scheinen sie miteinander gewetteifert zu haben, wer die größten Schandtaten gegen die armen Wilden verüben könne. Die Träpper betrachteten diese noch immer als gefährliche Feinde und die Mexikaner haben sie wahrscheinlich als Pferdediebe geschildert, denn auf andere Weise lassen sich die abscheulichen Grausamkeiten, welche die Träpper nach ihrer eigenen Erzählung dort verübten, nicht erklären – sie jagten die armen Indianer gleich wilden Tieren und töteten sie ohne Gnade – sie warfen ihnen die Schlinge des Lasso um den Hals und schleiften sie so lange auf der Erde hinter sich her, bis sie tot waren.«

Man ist es übrigens dem Kapitän Bonneville schuldig, zu bemerken, daß alle diese Abscheulichkeiten von seinen Leuten verübt wurden, während er sich mehrere hundert englische Meilen von ihnen entfernt an den Ufern des großen Salzsees befand. Sowohl er als der Verfasser sprechen in dem Buche ihre große Entrüstung über diese Vorfälle aus.

Während diese Träpper sich im Lande der Rikkarier befanden, um Biber zu fangen, wurden in der Nacht einige Pferde gestohlen. Am Morgen ergriffen sie zwei dieser Wilden, die in das Lager kamen und wahrscheinlich von dem Diebstahl nichts wußten, banden ihnen Hände und Füße, um sie als Geißeln zurückzuhalten, bis die Pferde zurückgegeben seien; geschehe dies nicht, so würden die beiden Gefangenen lebendig verbrannt werden. Um dieser Drohung mehr Nachdruck zu geben, wurde ein Scheiterhaufen errichtet. Die Rikkarier sandten zwei Pferde zurück, da sie aber sahen, daß nur die Zurückgabe aller Pferde das Leben ihrer Gefährten retten könne, so überließen sie diese ihrem Schicksale und zogen ab. Die beiden Unglücklichen wurden darauf angesichts ihrer fortziehenden Landsleute lebendig verbrannt Es ist dies der oben von mir erwähnte Vorfall, wegen dessen Herr M'Kenzie mir riet, das Dorf der Rikkarier bei Nacht zu passieren. Sie hatten damals einen Pelzhändler ermordet und tanzten um seinen Skalp, als ich in meinem Rindenkanoe bei ihrem Dorfe vorüber ruderte.].

»Solche Grausamkeiten verüben die weißen Männer, die sich dem Leben in der Wildnis ergeben, und solche Vorfälle sind es, welche die furchtbaren Wiedervergeltungen von seiten der Indianer hervorrufen. Sollte man von Grausamkeiten der Rikkarier gegen weiße Gefangene hören, so möge man sich an den erwähnten Vorfall erinnern. Einzelne Fälle dieser Art leben in der Erinnerung ganzer Stämme und es ist eine Ehren- und Gewissenssache, sie zu rächen.«

Der Verfasser bemerkt ferner, daß die in diesem Werke mitgeteilten Tatsachen dartun würden, wie notwendig es sei, Militärposten zu errichten und eine bewaffnete Macht zur Beschützung der Pelzhändler auf ihren Zügen durch die westliche Wildnis zu halten, um dort einigen Einfluß auszuüben und dem bisherigen System ein Ende zu machen.

Die hier mitgeteilten Grausamkeiten bedürfen keines Kommentars und es gebührt sowohl dem Verfasser, als dem Kapitän der wärmste Dank dafür, daß sie solche freimütig veröffentlicht haben. Würden alle Vorfälle dieser Art in jenen Regionen zur Kenntnis der übrigen Welt gebracht, so würde jeder gefühlvolle Mensch schaudern über die Abscheulichkeiten, die zivilisierte Menschen zu verüben imstande sind. Aber schon aus den oben, sowie in früheren Kapiteln mitgeteilten Tatsachen erklärt sich wohl hinlänglich die Abneigung der Wilden gegen die bleichen Gesichter und die große Zahl der an Weißen verübten Mordtaten, die man allgemein der mutwilligen Grausamkeit und der Raublust der Wilden zuschreibt; wollte man sich indes die Mühe geben, den armen Indianer nach der Ursache zu fragen, so würde es ihm wahrlich an Gründen nicht fehlen. Da es in jenem Lande keine Gesetze gibt, welche die gegen die roten Männer verübten Abscheulichkeiten bestrafen, so übernimmt der Indianer selbst die Rache, und die Tötung eines Weißen ist in den Augen der Wilden kein Mord, sondern eine Hinrichtung nach dem allgemeinen Gesetze seines Landes. Auch darf man nicht vergessen, daß alle diese Grausamkeiten in dem Gebiete der Indianer selbst verübt werden, daß diese niemals in dem Gebiete der Weißen jagen, daß sie diesen kein Land entreißen, daß sie nicht die Gräber aufwühlen, welche die Gebeine ihrer Väter, ihrer Frauen, ihrer Kinder enthalten.

Ich habe oben gesagt, daß der Handel und die Blattern die Hauptursachen der Vernichtung der Indianer sind. Jeder Stamm, mit dem die Weißen in Berührung gekommen sind, ist von jener Krankheit heimgesucht worden und hat durch sie in wenigen Monaten oft mehr als die Hälfte seiner Mitglieder verloren. Es ergibt sich sowohl aus den Erzählungen noch lebender Personen, als aus den Traditionen, daß diese furchtbare Krankheit vor unserer Zeit mehrmals unter den westlichen Stämmen bis über das Felsengebirge hinüber und bis an die Gestade des Großen Ozeans gewütet und ihre Reihen auf eine Weise gelichtet hat, die nur allein dem Allmächtigen bekannt ist Herr Parker sagt in der Beschreibung seiner Reise über die Rocky Mountains, daß in den Jahren 1829–1836 von den Indianern unterhalb der Wasserfälle des Columbia-Flusses mindestens sieben Achtel, oder, wie Dr. Laughlin behauptet, neun Zehntel, durch die Blattern getötet worden sind. »Die Todesfälle waren so zahlreich und so plötzlich, daß die Ufer mit den unbeerdigten Leichen bedeckt waren; ganze Dörfer starben aus und ganze Stämme verschwanden. Diese Sterblichkeit erstreckte sich nicht nur von den Wasserfällen bis an das Meeresufer, sondern auch von der Küste Kaliforniens bis weit nach Norden hinauf.«.

Ich bin weit herumgereist und habe alles sorgfältig geprüft, um den Zustand und die Gebräuche dieses unglücklichen Volkes getreu schildern zu können, und wenn man mich, indem ich von den Lesern Abschied nehme, einer Indiskretion oder eines Irrtums beschuldigen sollte, so werde ich mich damit trösten, daß ich wenigstens niemanden Unrecht getan habe. Sollte ich in meinem Eifer, den Indianern nützlich zu werden, hinter meiner Aufgabe zurückgeblieben sein, so wird man mir wenigstens nicht den Vorwurf machen können, daß ich ungerecht gegen sie gewesen bin. Was die oben erwähnten Ursachen des Unterganges der Indianer betrifft, so habe ich ihren zerstörenden Einfluß längs der ganzen Grenze beobachtet und ich bin der Meinung, daß, so lange das bisherige System des Handels und des Branntwein-Verkaufs unter den Wilden geduldet wird, an eine Verbesserung ihres Zustandes und eine Erhaltung der Rasse nicht zu denken ist. Ich habe den Charakter der Indianer sowohl im Naturzustande, als in seiner sekundären (oft fälschlich zivilisiert genannten) Form längs der Grenze sorgfältig studiert. Ich habe sie in allen Phasen beobachtet und obgleich es ehrenwerte Ausnahmen gibt, mit denen ich zum Teil persönlich bekannt bin, so sind doch die meisten von denen, die an der Grenze leben, wo sie von den Weißen gleich Hunden herumgestoßen und in eine Art von Zivilisation hineingezwängt werden, keineswegs so, wie ich sie gern und mit Stolz zu sehen wünschte, zivilisiert durch das Beispiel guter und moralischer Menschen. Ich habe in dem Anhange C. eine vergleichende Übersicht der verschiedenen Eigenschaften der sogenannten zivilisierten Indianer längs der Grenze und derer, die noch im Urzustande leben, zusammengestellt und hoffe, daß diese Vergleichung des verschiedenen Charakters der Wahrheit so nahe als möglich kommen wird, obgleich natürlich auch hier Ausnahmen stattfinden.

Dies sind die Resultate, die das gegenwärtige Zivilisierungs-System für die wenigen dieses armen unglücklichen Volkes herbeiführt, die das erste Unglück ihres Landes überleben, und in diesem entwürdigten und bemitleidenswerten Zustande endigen die meisten ihr Leben in Armut und Elend, ohne die Kraft sich zu erheben, auf dem Boden, den sie von Kindheit an bewohnt und von ihren Vätern ererbt haben, während sie die »bleichen Gesichter« zugleich fürchten und hassen, weil durch ihren zerstörenden Einfluß der größere Teil der Freunde und Verwandten der roten Männer ins Grab gesunken ist und denen, die noch übrig sind, nur die traurige Aussicht bleibt, einige Jahre länger zu leben und dann ihr Land und ihr schönes Jagdgebiet ihren Feinden überlassen zu müssen, welche die Gräber aufwühlen und ihre Gebeine auf den Feldern umherstreuen oder in den Museen aufstellen.

Für den Christen und den Menschenfreund in jedem Teile der Welt findet sich in dem Charakter, dem Zustande und der Geschichte dieses unglücklichen Volkes wahrlich hinreichender Stoff, um sein Mitgefühl zu erregen – für die Nation bietet die Geschichte der roten Männer ein ungetilgtes Sündenregister dar, welches früher oder später einmal Vergeltung fordern wird – und für die amerikanischen Bürger, die überall stolz auf ihren wachsenden Reichtum und Luxus über den Gebeinen jener Unglücklichen einherschreiten, die ihre Jagdgebiete und ihr Leben ihren Unterdrückern zum Opfer brachten, gibt es, wie ich fürchte (wenigstens für die Denkenden unter ihnen) einen lauernden Schrecken anderer Art, wenn sie erwägen, daß auch ihre Gebeine sich bald mit denen ihrer roten, beleidigten Brüder unter derselben Scholle mischen und daß sie dereinst mit dem Bewußtsein der Schuld zitternd neben den Tausenden anklagender Geister stehen werden, die sich am Tage der Auferstehung aus ihrem eigenen Gebiete erheben!


 << zurück weiter >>