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Sechsundvierzigstes Kapitel


Catlin fährt in einem Rinden-Kanoe den Mississippi hinab. – Sioux-Indianer schießen auf ihn. – Der Pepin-See und der Liebes-Sprung. – Sonderbar geformte Hügel: Pike's Zelt, Cap au l'ail, der Gesimshügel. – Prairie du Chien. – Ballspiel der Frauen. – Bildnisse der Winne-Bagos, Menomonihs. – Dubuque. – Lockwood's Höhle. – Camp des Meines. – Besuch in Kih-o-kuk's Dorfe.


Nachdem meine Frau in Gesellschaft mehrerer anderer Damen am Bord eines Dampfbootes nach Prärie du Chien abgereist war, schiffte ich mich mit dem Korporal Allen von der Garnison des Forts Snelling, der die Erlaubnis, mich zu begleiten, erhalten hatte, in einem leichten Rindenkanoe ein. Wir hatten Vorräte auf zehn Tage und beschlossen, alles Merkwürdige oder Schöne, was uns auf unserem Wege vorkommen möchte, zu betrachten. So erreichten wir nach zehn Tagen Prärie du Chien, ohne daß uns, außer einem Vorfalle am ersten Tage unserer Reise und etwa sechs Meilen unterhalb der Mündung des St. Petersflusse, etwas besonderes begegnet wäre. Wir entdeckten nämlich nachmittags drei Zelte der Sioux am Ufer, deren Bewohner uns zuriefen und mit ihren Decken winkten, um uns einzuladen, ans Land zu kommen. Da wir nichts bei ihnen zu tun hatten, so ruderten wir weiter, als einer dieser Wilden in seine Hütte lief, seine Flinte holte und eine Ladung Rehposten auf uns abschoß. Einer dieser Posten traf in das Boot und ging durch mehrere Falten meines Mantels, der zusammengelegt vor meinen Knien lag, und mehrere schlugen dicht neben unserem Boote ein, daß uns das Wasser ins Gesicht spritzte. Das war kein Scherz; ich ruderte schnell ans Ufer. Als das Kanoe das Land berührte und alle Indianer unter Geschrei und Gelächter herbeigelaufen kamen, stand ich rasch von meinem Sitze auf, schnitt ein so grimmiges Gesicht als nur möglich, steckte meine beiden Pistolen in den Gürtel, nahm ein halbes Dutzend Kugeln in den Mund, ergriff meine Doppelflinte und sprang schnell ans Land. Indem ich mich nun zwischen die Indianer und ihre Wigwams stellte, drohte ich, sie alle in wenigen Minuten zu vernichten. Da aber die Flinte bereits wieder in die Hütte zurückgebracht worden war, so konnte der Mann, der auf uns geschossen hatte, nicht ausfindig gemacht werden, was diesem Schurken das Leben rettete. So standen wir eine Weile einander gegenüber, ohne uns anders als durch Geberden verständlich machen zu können; es ist dies übrigens eine Sprache, die unter allen Völkern der Erde verstanden wird. Ich nahm nun mein Skizzenbuch zur Hand, zeichnete sie und deutete ihnen an, daß ich ihre Bildnisse an »Muzzabucksa« (Eisenzahn, so nennen sie ihren Agenten, den Major Talliafferro) senden würde. Diese Drohung und die Versicherung des im Kanoe gebliebenen Korporals, daß ich ein »großer Kapitän« sei, schienen sie sehr zu beunruhigen. Ich zog mich endlich langsam zurück, behielt aber diese Kerle stets im Auge, die in düsterem Schweigen dastanden und bald mich, bald den Korporal anblickten. Dieser hatte sie dadurch von dem Kanoe entfernt gehalten, daß er seine Patronentasche umhing und die Flinte mit aufgestecktem Bajonett auf sie richtete. Wir nahmen unsere Sitze wieder ein und ruderten ungestört weiter.

Dieser Vorfall, gleich vielen anderen, die unter diesem Teile des Stammes der Sioux sich ereigneten, läßt sich indes einigermaßen entschuldigen; die Weißen, die seit mehreren Jahren den Branntwein unter ihnen eingeführt haben, machen sie betrunken und betrügen sie dann auf alle Art. Im trunkenen Zustande, wie in dem erwähnten Falle, suchen sie dann oft sich für die ihnen zugefügten Beleidigungen zu rächen.

Der übrige Teil unserer Reise ging ruhig vonstatten; wir hatten Hirsche, Enten und Fische zur Nahrung, unser Lager war gewöhnlich auf dem Grase am Fuße eines Hügels, wo in der melancholischen Stille der Nacht die harmonischen Laute des Ziegenmelkers uns einschläferten, während häufig das klägliche Geheul des hungernden Wolfs oder der sonderbare Ruf »Huh! huh!« des beschwingten Herrschers der Finsternis ertönte.

Wenn wir den Morgentau abgeschüttelt, unseren Kaffee getrunken, unser leichtes Fahrzeug wieder flottgemacht und die Frische des Morgens durch angestrengtes Rudern überwunden hatten, während der Korporal seinen Bootsgesang anstimmte, so gaben wir uns ganz der Betrachtung der umgebenden wilden Naturszenen hin. Wir fuhren in jede Bucht hinein, untersuchten jeden Stein, erforschten jede Höhle und bestiegen fast jeden der höchsten Hügel bis zum Gipfel. Den Reiselustigen empfehle ich ganz besonders die Ersteigung des unter dem Namen von Pikes Zelt bekannten Hügels, der etwa 20 Meilen oberhalb Prärie du Chien liegt und der höchste Punkt am Flusse ist; ferner der Hügel »La Montaigne qui tromps à l'eau«, »Bad Axe Mountain« und des höchsten Hügels am Pepinsee, der dem sogenannten »Liebessprung« gegenüberliegt und den besten Überblick über den See gewährt.

An den Ufern dieses schönen Sees verweilten wir mehrere Tage, zogen unser Kanoe häufig auf den Strand und sammelten eine Menge der schönsten Geschiebe, welche die Wellen dort ausgeworfen haben, als Achat, Karneol, Jaspis und Porphyr. Als der reichste Fundort am See galt in dieser Beziehung die Sandspitze ( Point aux Sables); aber seitdem die Dampfboote und andere Fahrzeuge so häufig dort landen, sind die schönsten Exemplare bereits aufgesucht worden, und der Reisende muß sich daher in die kleinen Buchten begeben, die weniger besucht werden.

Der »Liebessprung« ist ein steiler, vorspringender Felsen, der sich auf der Ostseite des Sees 600–700 Fuß hoch erhebt. Von seinem Gipfel soll sich vor etwa fünfzig Jahren ein hübsches indianisches Mädchen, die Tochter eines Häuptlings, in Gegenwart des ganzen Stammes hinabgestürzt haben, weil sie den von ihrem Vater für sie bestimmten Mann nicht heiraten wollte. Nachdem wir die schönen Ufer des Pepinsees verlassen hatten, kamen wir zu dem schönen Hügel, »Pikes Zelt« genannt. Er verdankt seinen Namen dem Umstande, daß er sich wie ein Zelt erhebt und von dem Leutnant Pike zuerst erstiegen wurde. Wir blieben hier einen halben Tag, erstiegen ebenfalls den Gipfel und erfreuten uns der lieblichen Landschaft, die sich an seinem Fuße ausbreitet. Es ist jedem Reisenden, dessen Zeit und Kräfte es gestatten, zu empfehlen, diesen Hügel zu ersteigen, indem ein ähnlicher Punkt sich wohl schwerlich irgendwo finden möchte.

Ein anderer schöner Punkt ist das »Knoblauchskap« ( Cap au l'ail), etwa vier Meilen oberhalb Prärie du Chien; ferner die »Gesimsfelsen« ( Cornice Rocks) am westlichen Ufer, wo wir zwei Tage verweilten, bis wir in jeder Bucht, wo wir nur irgend die Angel hinwerfen konnten, Fische gefangen hatten. Wer das Angeln und wohlschmeckende Fische liebt, dem rate ich, einige Tage hier zu verweilen, wo er seine Leidenschaft und seinen Appetit vollkommen befriedigen kann.

In der Mitte der Ausbuchtung des Pepinsees, die durch eine fünf Meilen lange und eine Meile breite Erweiterung des Flusses gebildet wird, landeten wir an der Sandspitze, wo wir einige Tage verweilten, uns an Fischen und wildem Geflügel gütlich taten, unsere Taschen mit Achat und Karneol füllten und endlich unsere Reise nach dem Ausflusse des Sees fortsetzten. Ein frischer Nordwestwind brachte uns schnell vorwärts, indem ich am Steuer saß und der Korporal im Vorderteil des Kanoes einen großen Regenschirm aufgespannt hielt. So fuhren wir rasch vorwärts, bis endlich der Wind immer stärker wurde, die Wellen mit weißem Schaum bedeckt waren und sich mit solcher Heftigkeit am Ufer brachen, daß wir nicht landen konnten, ohne Gefahr zu laufen, unser gebrechliches Fahrzeug zerschmettert zu sehen. Es blieb uns nun nichts anderes übrig, als in der Nähe des Ufers unseren Kurs weiter zu verfolgen und in die erste Bucht einzulaufen oder um die erste Landspitze herumzusteuern, die sich uns darbieten würde. So trieb uns der Wind über drei Meilen weit, ohne daß wir einen zum Landen geeigneten Punkt gefunden hätten, bis wir endlich zu unserer Freude am Ausgange des Sees die Mündung des Tschippewäflusses erreichten, wo wir völlig sicher waren. Es war aber auch die höchste Zeit, denn unser Kanoe war halb voll Wasser und vier oder fünf von den Strebehölzern waren zerbrochen, so daß wir notwendigerweise hätten sinken müssen, wenn die Fahrt noch etwas länger gedauert hätte. Wir blieben für den übrigen Teil des Tages hier, besserten das Kanoe aus und setzten dann die Reise weiter fort.

In Prärie du Chien, das nahe der Mündung des Wisconsinflusses in den Mississippi und 120 Meilen oberhalb St. Louis liegt, traf ich meine Frau, die, nachdem ich einige Tage dort verweilt, am Bord des Dampfbootes nach Dubuque reiste, während ich hier von dem Korporal Abschied nahm und mich allein in meinem Kanoe einschiffte.

Prärie du Chien ist einer der ältesten und wichtigsten Handelsposten der Pelzcompagnie; doch werden gegenwärtig hier nur wenig Geschäfte gemacht, was wohl teils der großen Sterblichkeit unter den Indianern in der Nachbarschaft, teils der Ausrottung des Wildes, das in diesen Gegenden fast ganz verschwunden ist, zugeschrieben werden muß. Die Prärie ist einige englische Meilen breit und wird von einer schönen, mit Gras bewachsenen Hügelkette eingeschlossen. In dem von der Regierung dort errichteten starken Fort befinden sich gewöhnlich drei bis vier Kompagnien Soldaten, um, wie bei dem St. Anthony-Wasserfall, den Frieden unter den feindlichen Stämmen zu erhalten und die Grenzbewohner vor den Angriffen der Wilden zu schützen. Auf der Prärie leben 40–50 Familien, meistens Franzosen und einige Halbindianer, die den größten Teil ihres Lebens als Biberfänger (Trägger), Pelzhändler und Voyageurs Siehe Anmerkung 36. hingebracht haben und daher wissen, wie man mit den Indianern umgehen muß; sobald diese die ihnen von der Regierung bewilligten Jahrgelder in Empfang genommen haben, sind sogleich die Voyageurs bei der Hand, um ihnen für Branntwein und unnützen Tand das Geld aus der Tasche zu locken. Die Indianer, die dorthin kommen, um Handel zu treiben und ihre Jahrgelder in Empfang zu nehmen, sind daher fast beständig betrunken und krank, und das Herz des Reisenden empört sich bei den Szenen der Verworfenheit, die sich seinem Auge darbieten.

 


Anmerkung 36.

Die Voyageurs bilden eine Art Brüderschaft in Kanada, wie die Arrieros in Spanien und werden gleich diesen zu langen Reisen und Handelsexpeditionen verwendet, nur mit dem Unterschied, daß die Arrieros zu Lande, die Voyageurs zu Wasser, erstere mit Maultieren und Pferden, letztere mit Booten und Kanoes reisen. Die Voyageurs verdanken ihre Entstehung dem Pelzhandel, indem sie von den ersten französischen Handelsleuten bei ihren Handelsexpeditionen durch das Labyrinth der Flüsse und Seen des weiteren Innern gebraucht wurden. Sie sind gleich alt mit den Courreurs des bois oder Rangers of the Wood (Waldläufer – siehe weiter unten) und gleich diesen verbrachten sie die Zeit zwischen ihren langen und beschwerlichen Zügen in Müßiggang und Schwelgerei in der Nähe der Handelsposten, verschwendeten sorglos das, was sie mühsam erworben und wetteiferten mit ihren Nachbarn, den Indianern, in träger Sorglosigkeit, unbekümmert um den folgenden Tag.

Als Kanada unter britische Herrschaft kam und die alten französischen Handelshäuser eingingen, waren die Voyageurs, gleich den Courreurs des bois, ganz entmutigt und konnten sich an die neuen Ankömmlinge, die in Sitten, Gebräuchen und Sprache von ihren früheren Herren so verschieden waren, nur mit Mühe gewöhnen. Allmählich fanden sie sich jedoch auch hierin und endlich betrachteten sie die britischen Pelzhändler, und namentlich die Mitglieder der Nordwest-Compagnien, als die legitimen Herren der Schöpfung.

Sie sind halb als Wilde, halb als Zivilisierte gekleidet; sie tragen einen Überrock von wollenem Zeuge, ein gestreiftes baumwollenes Hemd, Beinkleider von Tuch oder Leder, Mokassins (Schuhe) von Hirschleder und einen bunten wollenen Gürtel, woran das breite Messer, der Tabakbeutel und andere Dinge hängen. Ihre Sprache ist ebenso buntscheckig wie ihre Kleidung, denn sie ist ein Gemisch von französischem Patois und englischen und indianischen Wörtern.

Die Voyageurs sind größtenteils französischer Abkunft und haben viel von dem fröhlichen und leichten Sinn ihrer Vorfahren beibehalten. Sie sind unerschöpflich im Erzählen von Anekdoten, stets zum Tanze bereit und singen gern und viel. Dabei sind sie äußerst höflich und gefällig, selbst gegen ihre Kameraden, und reden sich untereinander stets mit »Vetter« und »Bruder« an, auch wenn gar keine Verwandtschaft vorhanden ist.

Gegen ihre Führer und ihre Herren zeigen sie sich äußerst unterwürfig und niemand ist fähiger, Mühseligkeiten zu ertragen, wobei sie ihre gute Laune niemals verlieren, und nie sind sie glücklicher, als auf den Flüssen und Seen. Sie sind kräftige, gewandte Bootsleute und rudern vom Morgen bis zum Abend ohne Murren. Oft singt der Steuermann ein altes französisches Lied, wobei die Bootsleute nach dem Takte rudern und von Zeit zu Zeit mit einfallen. Läßt einmal ihr Eifer oder ihre Laune etwas nach, so ist es nur nötig, ein Lied dieser Art anzustimmen, und alle sind wieder frisch auf. Diese Gesänge haben sich von den frühesten Zeiten der französischen Ansiedlung unverändert vom Vater auf den Sohn fortgepflanzt.

Aber auch ihre Zeit ist vorüber: die Dampfboote sind ebenso unheilvoll für sie geworden, wie für die Bootsleute des Mississippi. Sie sind nicht länger die Herren der Binnenseen und die Schiffer der Wildnis. Sie sind jetzt auf die entfernten und seichten Seen und Flüsse beschränkt, wohin die Dampfboote nicht dringen, und nur zuweilen sieht man sie noch mit ihren zerbrechlichen Fahrzeugen auf den unteren Seen. In wenigen Jahren werden auch sie verschwinden und gleich ihren Gefährten, den Indianern, der Vergangenheit anheimfallen.

Die Courreurs des bois oder Rangers of the Wood (Waldläufer) waren ursprünglich Leute, welche die Indianer auf ihren Jagdzügen begleiteten und dadurch die entfernten Gegenden und Stämme kennen lernten; sie wurden die Hausierer der Wildnis. Sie verließen Montreal in ihren mit Waren, Waffen und Schießbedarf beladenen Kanoes, befuhren das Labyrinth der Flüsse, welche die kanadischen Wälder durchströmen und drangen bis zu den entferntesten Seen vor. Zuweilen lebten sie Monate lang unter den Indianern, gewöhnten sich mit der Leichtigkeit des Franzosen an ihre Sitten und Lebensweise, kleideten sich teilweise wie die Wilden und nahmen Indianerinnen zu Frauen.

Es vergingen oft zehn, zwölf bis fünfzehn Monate, ohne daß man etwas von ihnen hörte, bis sie endlich in ihren mit Biberfellen beladenen Booten zurückkehrten. Manche dieser Courreurs fanden ein solches Wohlgefallen an der Lebensweise der Indianer und der vollkommenen Freiheit der Wildnis, daß sie allen Geschmack an der Zivilisation verloren und sich unter den Wilden niederließen, von denen sie sich nur durch größere Zügellosigkeit unterschieden.


 

Als ich mich in dem Fort aufhielt, kamen die Sioux der Wa-bi-schas-Bande dorthin, um ihre Jahrgelder zu empfangen, die augenblicklich fast ganz in die Taschen der Pelzhändler übergingen, indem diese ihnen stets Waren auf ein Jahr Kredit geben. Dabei wird ihnen so viel Branntwein verabreicht, als sie trinken mögen, um sie desto sicherer zu übervorteilen. Diese Schwelgerei währt zwei bis drei Wochen und endigt gewöhnlich mit dem Verlust einiger Menschenleben.

Nachdem die Sioux sich mehrere Tage im Branntwein gütlich getan hatten, beschlossen sie, auch dem schönen Geschlecht ein Vergnügen zu bereiten; es wurde daher in dem Dorfe bekanntgemacht, daß die Frauen ein Ballspiel aufführen würden. Die Männer wählten von den ihnen auf Kredit gegebenen Gegenständen eine Menge Bänder, Zeuge und andere Dinge aus, die an einer auf zwei Stäben ruhenden Querstange als Preis für die Siegerinnen aufgehangen wurden. Das Ballspiel der Frauen unterscheidet sich dadurch von dem der Männer, daß zwei Bälle durch ein etwa einen halben Fuß langes Band verbunden sind, und jede Frau sucht nun die Bälle mittelst eines Stabes über das Malzeichen ihrer Partei hinauszuwerfen. Die Männer, größtenteils halb betrunken, stehen oder liegen in Gruppen um die Spielenden herum und ergötzen sich an ihren possierlichen Stellungen.

Prärie du Chien ist der Versammlungsort der Winnebagos und Menomonihs, welche die Ufer des Wisconsin- und Foxflusses sowie den größten Teil des Landes östlich vom Mississippi und westlich von der Green-bai bewohnen.

Die Winnebagos, einst ein mächtiger und kriegerischer Stamm, zählen jetzt etwa noch 4000 Seelen, die in einem Lande, wo es weder Wild noch Menschen zu bekämpfen gibt, in einem höchst elenden und ärmlichen Zustande leben. Die meisten verkaufen selbst ihre Flinten und ihren Schießbedarf für Branntwein und gleich den Sioux und Menomonihs, die diesen Handelsposten besuchen, haben sie viel durch die Blattern gelitten.

Unter den Winnebagos, die ich hier malte, befand sich auch Wah-tschi-hahs-ka (der Mann, der alle zur Tür hinauswirft), gewöhnlich der »Boxer« genannt. Er war der größte Mann seines Stammes und trug, als ich sein Bildnis malte, an jedem Arm die Haut einer Klapperschlange und in der einen Hand die Kriegskeule. Als in dem Sommer nach meiner Anwesenheit die Blattern so fürchterlich in der Prärie wüteten, wurde auch der Boxer von dieser Krankheit ergriffen; in der Fieberhitze sprang er in den Fluß und schwamm nach einer Insel, wo er starb und die Hunde seinen Körper verzehrten und kein Freund ihn bestattete.

Die Menomonihs sind gleich den Winnebagos die Überreste eines weit mächtigeren und unabhängigen Stammes, durch Branntwein und Blattern ebenfalls sehr entnervt und an Zahl vermindert worden, so daß sie gegenwärtig nur etwa noch aus 3000 Seelen bestehen, die hauptsächlich an den Ufern des Foxflusses und der Greenbai wohnen. Sie besuchen Prärie du Chien, um ihre Jahrgelder zu empfangen und ergeben sich dort denselben Ausschweifungen, wie die oben erwähnten Stämme. Da es in dem von ihnen bewohnten Lande keine Büffel gibt, so tragen sie Decken und schmücken sich mit Glasperlen, Wampum und anderen Dingen. Auch von diesem Stamme malte ich mehrere und unter anderen einen mehr als hundert Jahre alten Indianer, der früher ein berühmter Häuptling und jetzt ein Liebling der Offiziere und Ärzte des Forts war.

In Dubuque, wo ich mit meinem Kanoe landete, fand ich meine Frau in dem gastlichen Hause einer befreundeten Familie und verwendete hier einige Wochen auf die Untersuchung der ausgedehnten Bleigruben. Als ich eines Tages mit meiner Frau, einer anderen Dame und einem Manne namens Jeffries die Lockwoodshöhle besuchte, drängte sich dieser durch eine Spalte, die mir den Durchgang nicht verstattete, in eine noch unerforschte Abteilung der Höhle, die Wasser enthielt, das so durchsichtig war wie die Luft. Jeffries ging hinein in das Wasser und wir standen lautlos in stiller Bewunderung der Szene, die sich vor uns entfaltete. Die brennende Fackel in seiner Hand ließ die Ausschmückung dieses prachtvollen Palastes erkennen; die glänzenden Stalagmiten, die sich von dem Boden erhoben, reflektierten ein goldenes Licht durch das Wasser, während die mit Stalaktiten behangenen Wände gleich Diamanten blitzten. Die Gestalt Jeffries erschien riesenhaft und mit der brennenden Fackel in der einen und einem Hammer in der anderen Hand erschien er einem Zyklopen nicht unähnlich. Das Wasser hatte das Aussehen eines Sees von flüssigem Feuer, und als er mit dem Hammer auf die Stalaktiten schlug, rollte es wie Donner durch die Höhle.

Dubuque, eine kleine Stadt von 200 Häusern, die sämtlich in zwei Jahren erbaut worden sind, liegt an einem der schönsten Punkte des Flusses und in einem der reichsten und ergiebigsten Teile des Bergwerksbezirks. Auch hat diese Gegend vor den meisten anderen Bergwerksländern noch den Vorteil voraus, daß unmittelbar über den reichsten Bleigruben das Land Mais und alle anderen Vegetabilien in reichlicher Fülle erzeugt. Es ist dies gewiß der reichste Teil des Kontinents, und diejenigen, die einige Jahre hier leben, werden mir gewiß beistimmen, wenn ich diese Gegend die Fundgrube des Landes nenne.

Von Dubuque begleitete ich meine Frau auf dem Dampfboote bis nach dem Lager Des Moines, das der Überwinterungsposten der drei Schwadronen Dragoner des Obersten Kearney ist. Als wir hier angekommen waren, brachte ich meine Frau und zwei meiner Freunde in meinem Rindenkanoe durch die Stromschnelle von Des Moines, eine Strecke von drei Meilen, die wir in sehr kurzer Zeit zurücklegten. Am Fuße der Stromschnelle bestieg meine Frau mit den beiden Herren das nach St. Louis fahrende Dampfboot, während ich nach Des Moines zurückkehrte, wo ich mich dem Indianeragenten, General Street, anschloß, der eine Reise nach dem Kih-o-kucks-Dorf der Sakis und Fuchsindianer machte.

Der Oberst Kearney gab uns acht Dragoner nebst Pferden usw. mit und wir erreichten das etwa zwölf Meilen oberhalb Des Moines liegende Dorf nach einem Marsche von zwei Tagen. Das Land, durch welches wir kamen, hatte das Aussehen eines Gartens und bedarf nur der Kultur; das Dorf hat eine schöne Lage auf einer großen Prärie am Ufer des Des Moines-Flusses. Die Indianer schienen mit allen Lebensbedürfnissen und selbst mit Luxusgegenständen reichlich versehen zu sein.

Der Häuptling Kih-o-kuck, ein schöner, stattlicher Mann mit großer Würde und Anmut in seinen Manieren, hörte nebst den übrigen Häuptlingen mit großer Geduld der Verlesung der Aktenstücke zu, die der General Street aus Washington erhalten hatte. Nach beendigter Verlesung brachte er uns guten Branntwein und Wein und lud uns ein, zu trinken und bei ihm zu wohnen. Sodann rief er fünf seiner Läufer oder Ausrufer herbei und teilte ihnen mit leiser Stimme den Inhalt der von dem Agenten vorgelesenen Aktenstücke mit, – dem einen war die Bekanntmachung in dem Dorfe, wo wir uns befanden, übertragen, die übrigen eilten mit demselben Auftrage nach dem anderen Dorfe. Beide Dörfer umfaßten die ganze Nation.

Kih-o-kuck kam mit zwanzig der Angesehensten seines Stammes und seiner ganzen Garderobe zu uns, damit ich denjenigen Anzug auswählen möchte, den ich zu seinem Bildnisse für den passendsten hielte; ich wählte mit seiner Zustimmung einen ganz indianischen Anzug. Auf seinen Wunsch malte ich ihn zu Pferde, denn er ist stolz auf seine Reitkunst und er macht sich in der Tat sehr stattlich auf seinem schwarzen Rosse, das wohl das schönste im Lande ist Zwei Jahre später hielt ich in dem Stuyvesant-Institut in New-York Vorträge über die Gebräuche der Indianer. Unter den 1500 Zuhörern befand sich auch Kih-o-kuck, seine Frau und sein Sohn nebst zwanzig Häuptlingen und Kriegern seines Stammes, die, auf dem Wege nach Washington, damals gerade in New-York anwesend waren. Ich zeigte den Zuhörern eine Anzahl von Bildnissen, die alle von den Indianern erkannt wurden, und als ich endlich Kih-o-kuck's Bildnis auf die Staffelei stellte, sprangen sie alle auf und begrüßten es mit einem gellenden Schrei. Als die Stille wieder eingetreten war, erhob sich Kih-o-kuck und richtete folgende Worte an die Versammlung: »Meine Freunde, ich hoffe, Ihr werdet es meinen Leuten verzeihen, daß sie so großen Lärm machen; aber sie waren zu aufgeregt, mich auf meinem Lieblings-Kampfrosse zu sehen, das sie sogleich alle wieder erkannten.«

Ich sagte hierauf zu der Versammlung, daß diese Äußerung mich um so mehr freue, da einige Personen gemeint hätten, die Zeichnung könne nicht richtig sein, denn ein so schönes Pferd habe kein Indianer an der Grenze. Als dies der Dolmetsch dem Kih-o-kuck übersetzte, stand er unwillig auf und sagte, daß die meisten seiner Begleiter von dem Bilde gar nichts gewußt, dennoch aber das Pferd sogleich erkannt hätten; auch möchte er wohl wissen, warum Kih-o-kuck nicht eben so gut ein schönes Pferd sollte reiten können, als die weißen Männer? Diese Worte wurden von der Versammlung mit lautem Beifall aufgenommen und der Dolmetsch, Herr Le Clair, fügte noch hinzu, daß er das Pferd, welches er im Bilde ebenfalls sogleich erkannt, für 300 Dollars an Kih-o-kuck verkauft habe, und daß es von allen Pferden, sowohl der Weißen, als der roten Männer an der Grenze das schönste sei.

Als ich bald darauf von der Büffeljagd mit Bogen und Pfeil sprach und erwähnte, daß der Pfeil oft durch den Körper des Büffels quer hindurchgehe, wovon ich selbst mehrmals Zeuge gewesen sei, schienen einige von den Zuhörern es zu bezweifeln. Ich wandte mich daher abermals an Kih-o-kuck, der auch meine Angabe bestätigte und hinzufügte, daß er glaube, einer seiner jungen Begleiter habe dies auch getan, worauf der bezeichnete junge Mann sogleich aufstand, einen Bogen unter seiner Büffelhaut hervorzog und der Versammlung erzählte, daß er mit demselben einen Pfeil quer durch den Körper eines Büffels hindurchgeschossen habe. Auch ein Häuptling, der mit vierzig Sioux vom oberen Missouri dem Vortrage beiwohnte, erklärte auf Befragen, daß dies von den Jägern seines Stammes sehr oft geschehe.
. Sein Bildnis fiel zu seiner Zufriedenheit aus und der Gedanke, sich auf diese Weise unsterblich gemacht zu sehen, hat seine Eitelkeit gewiß nicht wenig vermehrt. Ich malte sodann noch seine Lieblingsfrau (er hat deren sieben), seinen Lieblingssohn, den er zu seinem Nachfolger bestimmt hat, und zehn der angesehensten Männer und Frauen. Als sämtliche Bildnisse vollendet waren, reichten mir alle die Hand, wünschten mir wohl zu leben und ließen mir, als Zeichen der Anerkennung, die wertvollsten Gegenstände ihres Anzuges zurück, unter denen sich auch eine reiche Wampumschnur befand, die Kih-o-kuck von dem Nacken seiner Frau nahm. Sie zogen sodann in guter Laune nach ihrem Dorfe, um sich zur Herbstjagd vorzubereiten.


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