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Drittes Kapitel


Charakter des Missouristroms. – Schöne Prärie-Ufer. – Malerische Tonhügel. – Erstes Erscheinen eines Dampfbootes aus dem Yellow-Stonesflusse und sonderbare Vermutungen der Indianer. – Niederlassung der Pelzcompagnie am Yellow-Stone. – M'Kenzie, seine Tafel und seine Höflichkeit. – Indianerstämme in der Nachbarschaft.


Bevor ich zu den Vergnügungen und Gebräuchen dieses schönen Landes übergehe (die bis jetzt dem größten Teile der Welt noch unbekannt sind), will ich über meine beschwerliche Reise von St. Louis bis zu dem Fort an der Mündung des Yellow-Stone, eine Strecke von mehr als 400 deutschen Meilen, die man zurücklegen muß, ehe man diesen wilden und lieblichen Ort erreicht, einige Worte sagen.

Der Missouri unterscheidet sich in seinem Aussehen und Charakter vielleicht von allen Flüssen der Welt; man fühlt sich beängstigt, sobald man aus dem Mississippi in sein schlammiges Wasser kommt. Von der Mündung des Yellow-Stone bis zu seiner Vereinigung mit dem Mississippi durchströmt der Missouri mit seinem brausenden trüben Wasser eine Strecke von mehr als 400 deutschen Meilen, und auf dieser ganzen Entfernung ist kaum ein Ruheplatz für ein Boot. Durch das fortwährende Herabstürzen der unterwaschenen Alluvialufer ist das Wasser stets trübe und durchsichtig und hat zu allen Jahreszeiten das Ansehen von Schokolade oder Kaffee mit Milch und Zucker. Um mich von dieser Undurchsichtigkeit noch besser zu überzeugen, habe ich sowohl bei dem Fort, als weiter stromabwärts mehrere Versuche angestellt, deren Resultate mich ungemein überraschten. Ich legte nämlich ein Stück Silber (und später ein Stück einer Muschel, das noch weißer ist) in ein mit Missouriwasser gefülltes Glas und konnte es, wenn ich von der Seite hindurchsah, nicht durch eine Wasserschicht von &#8539; Zoll Dicke erkennen. Dies war jedoch im Frühjahr, zu welcher Zeit der Fluß hohen Wasserstand hat und daher weit trüber ist, als in den anderen Jahreszeiten, obwohl er immer schlammig und gelb ist und ein Fremder, wegen des brausenden und wilden Charakters und der ungewöhnlichen Farbe dieses Stromes, selbst bei dem niedrigsten Stande glauben würde, es sei Hochwasser.

Bis auf mehr als 200 Meilen oberhalb St. Louis ist der Strom an den Ufern (und an manchen Stellen das ganze Bett) mit Zweigen und Baumstämmen von den größten Dimensionen angefüllt, die mit dem unterwaschenen Ufer in den Strom gestürzt sind und mit den Wurzeln am Boden festsitzen, während die Wipfel, stromabwärts gerichtet, auf dem Wasser schwimmen und dem kühnen Reisenden Furcht und Schrecken einflößen.

Fast auf jeder Insel und Sandbank liegen große Massen dieser schwimmenden Bäume und bei hohem Wasserstand ist die Oberfläche des Stromes buchstäblich mit solchem Treibholz bedeckt, wodurch es sowohl den Kiel- als den Dampfbooten unmöglich wird, den Strom hinaufzufahren.

Mit welchem Rechte man diese »Wasserhölle« den »Styxfluß« nennt, wage ich nicht zu entscheiden, aber nichts könnte passender oder unschuldiger sein, als diesen Strom den River of Sticks (Baumstammfluß) zu nennen.

Die Szene ist jedoch nicht überall so düster; die Ufer sind mit schönem grünem Rasen bedeckt und an vielen Orten treten die Wälder von stattlichen Baumwollenbäumen bis dicht ans Ufer heran, mit dem sie, wenn es unterwaschen ist, in den Strom stürzen und dem Ozean zugeführt werden.

Der größere Teil der Ufer dieses Stromes ist jedoch ohne Wald und das Auge verweilt gern auf den schönen Prairien, die sich meistenteils sanft gegen den Fluß hin senken, mit Rasen von dunkelstem Grün bedeckt sind und in der Ferne allmählich in einen Samtteppich von den reichsten Farben übergehen, die kein Pinsel wiederzugeben vermag. Je mehr man sich der Quelle nähert, und in der oberen Hälfte seines Laufs, verschwinden die Baumstämme und Zweige, aber der Strom behält seinen heftigen und trüben Charakter.

Man hat, sehr mit Unrecht, die Szenerie dieses Flusses als einförmig und aller malerischen Schönheit entbehrend geschildert. Dies ist wahrscheinlich von Leuten geschehen, die nicht zu den besten Richtern über Naturschönheiten gehörten, oder doch nicht darauf achteten, indem sie, aus Furcht vor den Wilden, die dies schöne Land bewohnen, zu sehr mit der Sorge für die Sicherheit ihres Lebens und ihres Pelzwerks beschäftigt waren.

Eine Strecke von 1000 engl. Meilen und darüber erschien mir wie ein Feenland, und während dieses Teils meiner Reise war ich fast immer auf dem Verdeck und ergötzte mich daran, die zahllosen Berge, Hügel, Täler und Schluchten zu betrachten, wo die Herden von erschreckten Büffeln, Elens, Antilopen, von schleichenden Wölfen und Bergziegen, jede auf ihre eigene Weise und in der größtmöglichsten Eile, sich dem Anblicke und dem Geräusch des Dampfbootes zu entziehen suchten, das zum ersten Male die grünen und wilden Ufer des Missouri mit dem Getöse des mächtigen Dampfes begrüßte.

Von St. Louis bis zu den Wasserfällen des Missouri, eine Strecke von mehr als 550 deutschen Meilen, ist eine zusammenhängende Prärie, die nur an wenigen Stellen längs der Ufer des Stromes und seiner Nebenflüsse durch üppigen Wald unterbrochen wird.

Die größte Erhebung dieser Prairien, die sich östlich und westlich vom Missouri in fast endlose Ferne erstrecken, beträgt 2–300 Fuß über dem Niveau des Stromes, der sich ein Bett oder Tal für seinen Lauf gebildet hat, dessen Breite von 2–20 engl. Meilen wechselt. Dies Bett oder Tal ist augenscheinlich durch die Gewalt der Strömung gebildet worden, die allmählich diesen ungeheuren Raum ausgewaschen und die Trümmer in den Ozean geführt hat. Durch die beständig wiederholten Überschwemmungen des Stromes sind diese Massen abgelagert worden und haben auf den Wiesen zu beiden Seiten den reichsten Alluvialboden mit horizontaler Oberfläche gebildet, durch die der Fluß sich im Schlangenlaufe hindurchwindet und abwechselnd von einem Hügelhorn ( bluff) zum anderen fließt, die sich in höchst malerischen Formen und in den schönsten Farben zeigen; einige senken sich mit ihren grünen Abhängen in den lieblichsten Gruppen allmählich bis an den Rand des Wassers, während andere, ihres Grüns beraubt, sich als ungeheure Tonmassen von verschiedenen Farben zeigen und die wunderlichsten Ansichten darbieten.

Diese sonderbaren und malerischen Formen sind durch Regen und Frost entstanden, die unausgesetzt diese kahlen Hügel verändern, indem sie ihre Abhänge auswaschen und in den Fluß hinabspülen.

Unter diesen Gruppen sieht man tausend verschiedene malerische Formen; an einigen Stellen glaubt man, während das Boot vorüberfährt, vor und hinter sich meilenweit die endlosen Ruinen einer alten Stadt zu sehen – Wälle, Terrassen, Dome, Türme, Zitadellen und Kastelle – Kuppeln, schöne Säulenhallen, hier und da eine einzelne Säule, zerfallene Piedestale und selbst einzelnstehende Spitzsäulen von Ton – und das alles glänzt in der Ferne, wenn das Sonnenlicht von den Tausenden von Gipskristallen, die in dem Ton eingelagert sind, reflektiert wird. Werden diese Gruppen von Domen und Mauern mit Zinnen am Morgen oder Abend von den Sonnenstrahlen beleuchtet, so gewährt dies einen Anblick, den nur derjenige sich vorstellen kann, der dies schöne und malerische Land besucht hat.

In diesen wilden und ruhigen Schlupfwinkeln leben in Herden das Bergschaf und die schnelle Antilope sicher vor ihren Feinden, denen die Abhänge dieser Bluffs fast unzugänglich sind. Auch der greuliche Bär ( Ursus ferox) hat sich diese Plätze zu seinem Aufenthalt gewählt, wo er grämlich in den Schluchten und Abgründen herumschleicht und den lauernden Indianer verscheucht, während die Bergschafe und Antilopen sich auf den Gipfeln der Hügel herumtummeln, sicher vor Störungen durch Menschen und Raubtiere.

Dies ist eine flüchtige Skizze der Szenen und Gegenden, die sich auf einer Strecke von 500 deutschen Meilen während einer Fahrt von 3 Monaten unserem Auge darboten.

Nichts hat wohl die Indianer jemals so sehr in Erstaunen gesetzt, als das Dampfboot, wenn es rauchend, rudernd und brausend an ihren Dörfern vorüberflog. Diese armen und unwissenden Menschen hatten auf dieser ganzen Strecke nie etwas von einem Dampfboote gehört und an einigen Orten schienen sie durchaus nicht zu wissen, was sie tun oder lassen sollten; sie konnten nicht, wie ein Holländer zu Newburgh am Hudsonsflusse, es für eine »schwimmende Sägemühle« halten; sie hatten keinen Namen dafür und daher war es, wie alles, was ihnen geheimnisvoll und unerklärlich ist, Medizin (Geheimnis). Wir hatten eine zwölfpfündige Kanone und drei oder vier achtpfündige Drehbassen an Bord, die für das Fort der amerikanischen Pelz-Compagnie an der Mündung des Yellow-Stone-Flusses bestimmt waren, und sowie wir uns einem Dorfe näherten, wurden diese sämtlichen Geschütze mehrmals schnell hintereinander abgefeuert, was die armen Bewohner in die äußerste Verwirrung und Bestürzung versetzte. – Einige warfen sich mit dem Gesicht auf die Erde und riefen den Großen Geist an – andere schossen ihre Pferde und Hunde tot und opferten sie, um den Großen Geist zu versöhnen, den sie beleidigt glaubten – noch andere verließen ihre Dörfer und rannten auf die Gipfel der einige engl. Meilen entfernten Hügel, oder sie kamen, wenn das Boot ihrem Dorfe gegenüber landete, vorsichtig ans Ufer, um zu sehen, was aus ihren Häuptlingen werden würde, die durch ihre Stellung verpflichtet waren, zu uns an Bord zu kommen, wir mochten Freund oder Feind sein. Zuweilen, wenn der Kapitän zu seinem Vergnügen die Dampfpfeife ertönen ließ, stürzten alle, Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Häuptlinge, Alt und Jung in einer bunten Masse übereinander hin.

Ihre meisten Männer stellten mancherlei wunderliche Vermutungen über die Beschaffenheit und die Kräfte des Dampfbootes auf. Unter den Mandanern nannten einige es das »große Donnerboot«, denn als wir in einiger Entfernung von dem Dorfe waren, sahen sie den Blitz des Pulvers und hörten den Donner des Geschützes; andere nannten es das »große Medizin-Kanoe mit Augen«; Medizin mußte es sein, weil sie es nicht verstanden, und Augen mußte es haben, weil, wie sie sagten, »es seinen eigenen Weg sieht und das tiefe Wasser in der Mitte des Bettes aufsucht«. Sie hatten keine Idee davon, daß das Boot von dem Manne am Steuerruder gelenkt werde und mußten daher wohl erstaunen, als sie sahen, das es stets das tiefste Wasser wählte. Ich werde später noch einige merkwürdige Vorfälle dieser Art mitteilen.

Das Fort an der Mündung des Yellow-Stone-Flusses ist von Herrn M'Kenzie, der jetzt darin wohnt, erbaut worden. Es ist die größte und am besten gebaute Niederlassung dieser Art am Flusse und bildet den Mittelpunkt und die Hauptniederlage für die Geschäfte der Pelz-Compagnie in dieser Gegend. Es befindet sich hier ein großer Vorrat an Waren und zu gewissen Zeiten des Jahres kommen die Agenten von den zahlreichen Außenposten mit dem Ertrage ihres Handels hier zusammen, um sich von neuem mit Waren für den Handel mit den Indianern zu versehen.

Das Fort hat eine sehr gute Lage in einer schönen Prärie am Ufer in der Nähe der Einmündung des Yellow-Stone-Flusses in den Missouri; die Bewohner und die Vorräte sind gegen die Angriffe der Indianer hinreichend geschützt.

siehe Bildunterschrift

Tafel II. G. Catlin auf der Büffeljagd.

Herr M'Kenzie, ein großherziger, hochsinniger Schotte, scheint mit der Leitung der Pelz-Compagnie in dieser Gegend und bis an die Felsengebirge beauftragt zu sein. Er wohnt gut und bequem innerhalb des Forts, das etwa acht Blockhäuser und Magazine enthält; gewöhnlich befinden sich hier 40–50 Mann und 150 Pferde, letztere außerhalb des Forts. Seine Tafel ist mit allem ausgestattet, was das Land bietet: mit Büffelfleisch und Zungen, mit Biberschwänzen und Knochenmark, nur gibt es keinen Kaffee, kein Brot und keine Butter, dafür aber guten Wein, denn täglich wird eine Flasche Madeira und trefflicher Portwein in einen Kübel mit Eis gestellt und beim Diner geleert.

Dieser Handelsposten ist der Versammlungsort einer großen Anzahl von Indianerstämmen der Umgegend, die des Handels wegen hier zusammenkommen; zuweilen erscheinen die ganzen Stämme. Gegenwärtig lagern hier um das Fort die Knisteneaux, Crows (Krähen), Assinneboins und Blackfeet (Schwarzfüße). Ich werde diese und noch andere in ihrer Heimat besuchen und hoffe auf diese Weise die Odschibbeways, Assinneboins, Knisteneaux, Schwarzfüße, Krähen, Schiennes, Großbäuche, Mandaner u. a. zu sehen und in den folgenden Blättern über ihre Gebräuche, Geschichte, Überlieferungen, Trachten usw. zu berichten.


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