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Achtzehntes Kapitel


Das Tanzen der Indianer. – Der Büffeltanz. – Entdeckung von Büffeln. – Vorbereitungen zur Jagd. – Aufbruch. – Eine Täuschung. – Tote und Skalpierte.


Die Mandaner führen, gleich allen anderen Stämmen, ein müßiges Leben und verbringen daher den größten Teil ihrer Zeit mit Belustigungen und Vergnügungen, woran sie sehr reich sind. Unter diesen Zeitvertreiben nehmen die Tänze die erste Stelle ein; es gibt sehr viele, wie der Büffeltanz ( boasting dance), der Bettlertanz, der Skalptanz und ein Dutzend anderer Tänze, deren jeder seinen eigentümlichen Charakter, seine Bedeutung und seinen Zweck hat.

Diese Belustigungen haben etwas ungemein Groteskes und erscheinen dem Reisenden, der weder ihre Bedeutung, noch ihre Wichtigkeit kennt, als ein rohes Gemisch von Hüpfen, Sprüngen, Jauchzen und mißtönenden Kehllauten; aber wenn man sie aufmerksam betrachtet, und wenn man so glücklich gewesen ist, in ihre geheime Bedeutung eingeweiht zu werden, so gewinnen sie ein hohes Interesse. Jeder Tanz hat seine eigentümliche Fußbewegung und diese wiederum ihre eigene Bedeutung; jeder Tanz hat auch seinen eigenen Gesang, der oft so verwickelt und geheimnisvoll ist, daß unter zehn jungen Leuten, die an dem Tanz und Gesang teilnehmen, häufig nicht einer die Bedeutung des letzteren kennt. Nur den Medizinmännern ist es gestattet, den Gesang zu verstehen; aber auch sie werden gewöhnlich nur gegen einen guten Ehrensold in diese Geheimnisse eingeweiht, die viel Fleiß und Studium erfordern. Es gibt unleugbar einen bestimmten Gesang und Ausdruck für jeden Tanz, denn die Gesänge sind vollkommen abgemessen und werden in genauem Takte mit dem Trommelschlag, und zwar immer mit einer gleichförmigen und unveränderlichen Reihe von Tönen und Ausdrücken, abgesungen, die deutlich gewisse Gefühle andeuten, die durch die Stimme ausgedrückt werden, wenn auch zuweilen in keiner bekannten Sprache.

Sie haben noch andere Tänze und Gesänge, die nicht so geheimnisvoll sind und von jedermann gesungen und verstanden werden, da man sie in der Nationalsprache singt; es ist viel Poesie in ihnen und sie sind vollkommen metrisch, aber nicht gereimt.

Einer dieser Tänze ist der Büffeltanz, dessen Lärm mich mehrere Tage hindurch betäubt hat und den ich jetzt beschreiben will.

Die Büffel sind bekanntlich eine Art herumschweifender Tiere, die sich zuweilen in großer Menge versammeln und von Osten nach Westen oder von Norden nach Süden wandern, so daß es den Mandanern oft plötzlich an Nahrungsmitteln fehlt, und da sie ein schwacher Stamm sind und sich nicht gern weit von Hause entfernen, um nicht mit ihren mächtigeren Feinden zusammenzutreffen, so sind sie zuweilen fast dem Hungertode nahe. Bei einer solchen Gelegenheit bringt ein jeder seine Maske – eine Büffelhaut mit den Hörnern – die er für solche Fälle in Bereitschaft halten muß, aus seiner Hütte hervor und der Büffeltanz beginnt, damit, wie sie sagen, »die Büffel kommen«. Dieser Tanz hat nämlich den Zweck, die Büffel zu bewegen, die Richtung ihrer Wanderung zu ändern und sich nach dem Dorfe der Mandaner zu wenden und auf den schönen Hügeln in der Nähe zu grasen, damit sie die Tiere schießen und zur Befriedigung ihres Hungers kochen können.

Den größten Teil des Jahres hindurch können die jungen Krieger und Jäger, wenn sie sich eine oder zwei englische Meilen von dem Dorfe entfernen, Büffel in Menge erlegen, und man sieht zuweilen große Herden dieser Tiere angesichts des Dorfes grasen. Zu anderen Zeiten dagegen streifen die jungen Männer so weit umher, als es sich mit Sicherheit tun läßt, ohne daß sie Wild antreffen. Diese traurige Nachricht wird den Häuptlingen und Doktoren mitgeteilt, die dann in feierlicher Versammlung über die zweckmäßigsten Maßregeln beraten, bis sie endlich übereinkommen, das alte und einzig wirksame Mittel, das »niemals fehlgeschlagen hat«, anzuwenden.

Der Häuptling läßt dies sodann durch seine Boten und Ausrufer im Dorfe bekanntmachen – und in wenigen Minuten beginnt der Tanz auf dem öffentlichen Platze in der Mitte des Dorfes vor der großen Medizinhütte. Etwa zehn oder fünfzehn Mandaner tanzen zu gleicher Zeit, wobei jeder die Kopfhaut eines Büffels mit den Hörnern auf dem Kopfe und seinen Lieblingsbogen oder Lanze, womit er den Büffel zu töten pflegt, in der Hand trägt.

Ich sagte oben, daß dieser Tanz stets den gewünschten Erfolg habe; allein dies kann auch nicht anders sein, denn er wird Tag und Nacht ununterbrochen fortgesetzt, bis »die Büffel kommen«, und hat zuweilen schon drei Wochen gedauert. Der Lärm der Trommeln und Rasseln, der Gesang und das Jauchzen erschallen unaufhörlich und die Zuschauer mit Masken und Waffen stehen bereit, um diejenigen zu ersetzen, die vor Ermüdung aus dem Kreise treten.

Während dieser allgemeinen Aufregung stehen Wachen auf den benachbarten Hügeln, die, sobald sie Büffel erblicken, ihre Büffelmäntel in die Luft werfen, ein Zeichen, das sogleich von dem ganzen Stamme verstanden wird. Bei dieser erfreulichen Kunde wird dem Großen Geiste, ganz besonders aber dem Medizinmanne und den Tänzern, die die unmittelbare Ursache dieses glücklichen Ereignisses sind, lauter Dank dargebracht. Es werden sodann schnell die Anstalten zur Jagd getroffen, und nach der erfolgreichen Rückkehr die besten Stücke der erlegten Tiere dem Großen Geiste geopfert, worauf ein tüchtiges Mahl gehalten wird.

Ich habe bereits erwähnt, daß jeder Mann im Dorfe der Mandaner verpflichtet ist, eine Büffelmaske zu besitzen, die an dem Pfosten am Kopfende seines Bettes hängt und sogleich aufgesetzt wird, wenn der Häuptling den Büffeltanz befiehlt. Die Maske wird auf den Kopf gesetzt und es befindet sich gewöhnlich daran ein Hautstreifen von der ganzen Länge des Tieres mit dem Schwanze, der über den Rücken des Tanzenden herabhängt und auf der Erde nachschleppt. Ist ein Tänzer ermüdet, so neigt er den Körper vorwärts gegen den Boden, ein anderer schießt mit einem stumpfen Pfeil nach ihm, worauf er zu Boden fällt wie ein Büffel, die Umstehenden springen sogleich hinzu, schleppen ihn bei den Füßen aus dem Kreise, ziehen ihre Messer, und nachdem sie alle Bewegungen wie beim Abziehen und Zerschneiden des erlegten Büffels vorgenommen haben, lassen sie ihn liegen und seine Stelle wird sofort von einem anderen eingenommen. Auf diese Weise kann der Tanz mit Leichtigkeit Tag und Nacht fortgesetzt werden, bis er den gewünschten Erfolg hat, und »die Büffel kommen«.

Der Tag, an dem früh morgens der mehrtägige Tanz, dem ich beiwohnte, endlich durch das erwähnte Zeichen geschlossen wurde und daher mit Freude und Dank gegen den Großen Geist begann, endigte mit einem Unglücksfall, der das ganze Dorf in Trauer versetzte und zwar in einer Zeit des Mangels und der Not. Nachdem nämlich der Tanz drei bis vier Tage gewährt hatte, wurde von einem benachbarten Hügel das Zeichen gegeben, daß man eine Büffelherde, jedoch in ziemlicher Entfernung, sehe; sogleich hörte der Tanz auf, und statt des unangenehmen Schlagens der Trommel und des Geschreies der Tänzer hörte man überall das Stampfen der Rosse – die jungen Männer warfen ihre Kleider ab, ergriffen eine handvoll Pfeile aus ihrem Köcher, warfen noch einen Blick auf ihre Geliebten und schwangen sich auf ihre Pferde. In wenigen Minuten war alles voll Leben und Bewegung – die Bogensehnen schwirrten, die Lanzen wurden in die Erde gestoßen, um sie zu polieren – jedes Gesicht und jedes Auge strahlte von Freude und Heiterkeit – die Pferde stampften wiehernd vor Ungeduld den Boden, und als der Dolmetscher der Pelz-Compagnie, Louis Frénié, mit seiner Flinte in der Hand und dem Pulverhorn an der Seite, Kopf und Leib mit einem Tuche umwunden, die Hemdärmel bis zu den Schultern aufgestreift, durch das Dorf galoppierte und das Jagdgeschrei ausstieß, das sogleich von dem ganzen Dorf wiederholt wurde, da folgte ihm die jagdlustige Jugend und in gestrecktem Galopp ging es auf die benachbarten Hügel zu.

In dem Dorfe, wo man noch soeben den Hungertod befürchtet hatte, herrschte nunmehr Freude und Fröhlichkeit. Die Häuptlinge und Doktoren, die seit mehreren Tagen sehr kleine Rationen aus dem öffentlichen Vorrat an die Gemeinde verteilt hatten, gaben nun ihre Privatvorräte preis, damit man sich sättige und dem Großen Geiste dafür danke, daß er ihnen Büffelfleisch gesendet habe. Es begann nun ein allgemeines Schmausen, und Vorräte, die im Notfalle noch auf mehrere Wochen ausgereicht hätten, wurden fast ganz verzehrt, und die halbabgenagten Knochen und die halbgeleerten Schüsseln überließ man den Hunden. Bei dieser allgemeinen Fröhlichkeit hatte man auch meiner nicht vergessen – man sandte mir mehrere große Schüsseln mit Pemmikan und anderen Lebensmitteln, die ich in dieser Zeit der Not mit Dank annahm.

Nachdem die Mahlzeiten vorüber waren und die Hunde die Schüsseln ausgeleckt hatten, begannen die üblichen Spiele und Belustigungen und überall im Dorfe herrschte Fröhlichkeit und Freude, als man plötzlich Geschrei hörte – Weiber und Kinder erstiegen sogleich die Dächer der Wigwams, und richteten ihre Augen und Hände nach der Prärie, während die Krieger wütend durch das Dorf rannten, ihr Rachegeschrei ausstießen und ihre tödlichen Waffen aus den Hütten holten. Zwei von den Jägern bogen um den Hügel herum nach dem Dorfe zu, ein dritter kam plötzlich aus einer tiefen Schlucht hervor, ein vierter kam über die grünen Hügel herab und alle eilten in vollem Jagen auf das Dorf zu; bald kamen noch mehrere und die Bewohner umringten sie unter Geschrei und Weinen. Ihr Aussehen erklärte alles, denn der eine blutete an der nackten Brust und sein milchweißes Pferd war ganz blutrot gefärbt, ein zweiter hielt einen vom Blute rauchenden Skalp in der einen und seine Peitsche in der anderen Hand, während ein dritter Bogen und Pfeile weggeworfen hatte und sich auf die Schnelligkeit seines Pferdes verließ. Das ganze Ereignis wurde jedoch in abgebrochenen Sätzen erzählt, die Namen der Toten nach der Reihe genannt und Weinen, Wehklagen und Murren hörte man überall in dieser glücklichen kleinen Gemeinde, die plötzlich in tiefe Trauer versetzt war.

Die mutigen Jäger, die am Morgen voll Lust und Freude auszogen, waren von den Sioux umringt worden, die acht von ihnen töteten. Die Sioux, die wahrscheinlich in der Nacht das Dorf rekognosziert und wahrgenommen hatten, daß man mit dem Büffeltanz beschäftigt sei, benutzten diesen Umstand zu folgender Kriegslist: Am Morgen erschienen sechs oder acht von ihnen in Büffelhäute gehüllt, auf den benachbarten Hügeln, wo sie die Bewegungen der grasenden Büffel genau nachahmten, und von der Wache der Mandaner als die ersehnten Büffel in dem Dorfe angemeldet wurden. Als nun die Jäger, wie es oben beschrieben worden, ausgezogen und den vermeintlichen Büffeln bis auf etwa eine halbe englische Meile nahe gekommen waren, verschwanden diese plötzlich hinter dem Hügel. Louis Frénié, der der vorderste war, schöpfte Verdacht und machte Halt. »Sieh!« rief ein Mandaner und deutete auf eine Schlucht zur Rechten, aus welcher plötzlich 40–50 wütende Sioux auf schnellen Pferden hervorbrachen und auf die Jäger losstürzten, die nun schnell kehrt machten, aber vor sich wieder einen Haufen Sioux erblickten, die von der anderen Seite des Hügels ihnen entgegenkamen! Die armen Jäger eilten nun mit der größten Anstrengung nach dem Dorfe, aber die Sioux waren zu schnell, und Pfeile und Lanzen erreichten die nackten Körper und warfen sie von ihren Pferden. Frénié und mehrere Mandaner kamen endlich im Dorfe an, aber acht Jäger wurden getötet und skalpiert.

So endigte dieser Tag und die Jagd und noch lange währte die Trauer derjenigen, deren Herzen durch dies unglückliche Ereignis gebrochen wurden. Dennoch brachte auch dieser Tag den Mandanern noch Glück; denn der Große Geist, unwillig über eine so schreiende Ungerechtigkeit, sandte ihnen Büffel in Menge und alle Herzen vereinigten sich in dem Danke gegen ihn für seine Güte und Gerechtigkeit.


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