Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel


Wohnsitz und Zahl der Mönnitarrier. – Abstammung. – Hauptdorf. – Dampfbäder. –Der alte Häuptling Schwarzschuh. – Der Grünkorntanz.


Die Mönnitarrier (das Weidenvolk Siehe Anmerkung 26.) sind ein kleiner Stamm von etwa 1500 Seelen, die in drei aus erdbedeckten Hütten bestehenden Dörfern an den Ufern des Knife-(Messer-)Flusses wohnen, der durch eine schöne und ausgedehnte Prärie fließt und sich in den Missouri ergießt.

 


Anmerkung 26.

Die Benennung Mönnitarris oder Mennitarris ist von den Mandanern gegeben und bedeutet »die über das Wasser Gekommenen«. Es ist daher falsch, wenn die Amerikaner »Minetarris« schreiben, da in der Mandansprache das Wasser nicht »Minnih«, sondern »Mönnih« oder »Mennih« genannt wird. Die Franzosen legten diesen Indianern den sonderbaren Namen Grosventres bei, dessen Bedeutung nicht mehr auf sie, als auf die übrigen Nationen paßt; auch die Anglo-Amerikaner bedienen sich häufig dieses Namens. Die Mönnitarrier nennen ihre Nation Biddahátsi-Awatiß und nicht Bellántsiä, wie viele Amerikaner sagen.


 

Sie sind unstreitig ein Teil des Stammes der am Fuße der Rocky Mountains lebenden Krähenindianer (s. das 7. und 8. Kapitel) von denen sie vor langer Zeit während eines Kriegs- oder Jagdzuges getrennt wurden und, da ihnen die Rückkehr durch Feinde abgeschnitten war, die Gastfreundschaft und den Schutz der Mandaner in Anspruch nahmen, mit denen sie jetzt in einer Art Bündnis leben, wechselseitige Heiraten schließen und gemeinschaftlich ihr Gebiet verteidigen.

Sowohl in der Sprache und dem äußeren Ansehen, als in vielen ihrer Gebräuche gleichen sie vollkommen den Krähenindianern; durch das lange Zusammenleben mit den Mandanern haben sie jedoch vieles von diesen angenommen und sie suchen noch fortwährend, sich ihnen immer mehr zu nähern. Ihre unbestimmten und mannigfaltigen Sagen enthalten einige Andeutungen darüber, wie, aber nicht wann sie an ihren jetzigen Wohnort gekommen sind. Sie erzählen, daß sie arm, ohne Wigwams, ohne Pferde angekommen, daß nur wenig Männer unter ihnen gewesen, indem ihre Krieger auf der Flucht erschlagen worden seien; die Mandaner hätten sie nicht in ihr Dorf aufnehmen, auch ihnen nicht gestatten wollen, sich in größerer Nähe, als da, wo sie jetzt wohnen, niederzulassen, doch hätten sie ihnen bei Erbauung ihres Dorfes Hilfe geleistet. Ihre Wigwams sind daher genau so gebaut, wie die oben beschriebenen der Mandaner.

Allein trotzdem sie so lange mit den Mandanern zusammen leben und die meisten ihrer Gebräuche angenommen haben, gibt es kaum einen Mönnitarrier, der imstande wäre, ein halbes Dutzend Worte der Mandanersprache zu sprechen, während die meisten Mandaner sich in der Sprache der Mönnitarrier zu unterhalten vermögen. Es läßt sich dies nur dadurch erklären, daß entweder die Mönnitarrier sehr träg und dumm sind, oder – und dies ist wahrscheinlich das richtige, – daß die Sprache der Mandaner, die sich von allen anderen Sprachen des Landes unterscheidet, sehr schwer zu erlernen ist.

Das Hauptdorf der Mönnitarrier, das am Knifeflusse erbaut worden ist, enthält etwa 40–50 erdbedeckte Wigwams von 40–50 Fuß im Durchmesser; es liegt hoch, während die beiden anderen Dörfer tiefer und in den zahlreichen Kornfeldern und der üppigen Vegetation ganz versteckt liegen.

Der erste Häuptling dieses Stammes, ein sehr alter Mann von patriarchalischem Ansehen, namens Itáchpa-Süpchähsch (Schwarz-Schuh), zählt gewiß über hundert Jahre. Ich wohnte mehrere Tage in seiner Hütte, wo die Mitglieder seiner Gemeinde ihn besuchen und ihm ihre Ehrfurcht bezeigen. Er hat Stimme und Gesicht fast gänzlich verloren, aber seine Handbewegungen sind noch energisch und jugendlich. Ich habe diesen alten Häuptling gezeichnet, wie er in seinem Wigwam saß, seine Pfeife rauchte, und mir einige seiner größten Heldentaten erzählte; er trug eine schöne Büffelhaut und hatte sein Haar oben auf dem Kopfe in Kegelform ausgewunden und mit einem kleinen Holzstäbchen befestigt.

Er erinnerte sich noch sehr gut der beiden Reisenden Lewis und Clarke, die vor etwa dreißig Jahren zuerst dies Land erforschten und die Rocky-Mountains überstiegen. Sie erzählen in ihrem Reiseberichte, daß dieser Mann sie mit großer Güte behandelt habe, und daß sie ihn dafür mit Zustimmung des Volkes zum Häuptling einsetzten; diese Würde hat er seitdem ununterbrochen bekleidet. Er erkundigte sich sehr angelegentlich nach dem »Rothaar« und dem »langen Messer«, wie er die Herren Lewis und Clarke nannte, weil der letztere, was in diesem Lande beispiellos ist, rotes Haar hatte und der erstere einen breiten Säbel trug. Ich erzählte ihm, daß »das lange Messer« seit mehreren Jahren tot sei, daß aber »Rothaar« noch in St. Louis lebe und sich freuen würde, etwas von ihm zu hören; dies schien ihm sehr angenehm zu sein und er sagte mir, daß er mir noch besondere Aufträge an Herrn Clarke mitgeben werde Als ich ein Jahr später in St. Louis war, hatte ich das Vergnügen, dem greisen General Clarke meine Aufträge auszurichten und ihm auch das Bildnis des alten Häuptlings zu zeigen, das er unter hundert anderen sogleich erkannte. Er bemerkte, daß sie den Schwarz-Schuh schon vor 32 Jahren, als sie ihn zum Häuptling ernannten, für einen alten Mann gehalten hätten..

Die Mönnitarrier werden gewöhnlich Grosventres (Dickbäuche Siehe Anmerkung 26.) genannt; sie haben diesen Namen von den französischen Pelzhändlern erhalten. Sie sind ein großer, kräftig gebauter Menschenschlag und verdienen wohl unter allen Stämmen der westlichen Wildnis am meisten den Beinamen der kriegerischen Nation, denn, ungleich den Mandanern, unternehmen sie häufig Kriegszüge in das Gebiet ihrer Feinde, wodurch sie auch die armen Mandaner oft in Streitigkeiten verwickeln, während sie selbst durch diese Kriegszüge so viel leiden, daß in ihrem Stamme die Männer sich zu den Frauen wie 1: 2 oder 3 verhalten.

Der Sohn des Schwarz-Schuh, der Ihätschintschiä (der rote Donner) heißt und für einen der tapfersten Krieger gilt, wurde in seinem Kriegsanzuge von mir gemalt, d. h. mit Bogen, Köcher und Schild, aber ohne Kopfputz und ohne Büffelhaut und mit größtenteils nacktem, rot und schwarz bemaltem Körper; denn nur die Häuptlinge gehen in vollem Schmuck in den Kampf, damit sie leicht von dem Feinde erkannt werden und wenn sie fallen, ihm eine würdige Beute darbieten.

Außer den Häuptlingen und Kriegern gibt es in diesem kleinen Stamme auch noch schöne Frauen, die sich stets neugierig um mich versammelten und meine Malerei anstaunten. Von allen den Frauen, die täglich in meine Hütte kamen, gelang es mir nur eine einzige zu malen; und auch diese weigerte sich anfangs sehr, indem sie sagte, daß sie nicht hübsch genug sei und daß man über ihr Bildnis lachen werde. Sie war eine Verwandte des alten Häuptlings und wenn auch nicht die schönste, doch ziemlich hübsch; ihr Name war Siht-si-bi-ä (die Mittagssonne). Diese Weigerung, sich malen zu lassen, hat teils ihren Grund in der Furcht, daß ihnen künftig Unglück daraus erwachsen könne, teils auch in der großen Schüchternheit, die bei diesen Stämmen, Fremden gegenüber, alle Vorstellung übersteigt.

Die Mönnitarrier bauen viel Mais und ich war bei ihren Festlichkeiten zugegen, die jährlich stattfinden, wenn die Ähren die gehörige Größe erlangt haben, um gegessen zu werden. Der grüne Mais ist bei allen Stämmen, die ihn anbauen, eine Lieblingsspeise, die gegessen wird, wenn die Körner ihre volle Größe erreicht haben, aber noch weich und fleischig sind. Die Ähren werden gekocht und in großer Menge unter den ganzen Stamm verteilt, der sich daran gütlich tut, solange der Vorrat reicht und durch Opfer, Tänze und Gesänge dem Großen Geist dafür dankt, daß diese freudenvolle Zeit abermals erschienen ist. Diese Feier findet bei den meisten Stämmen, die Mais bauen, auf dieselbe Weise statt, wie weit sie auch voneinander entfernt sein mögen; sie währt so lange, als die Maiskörner in dem weichen Zustande bleiben, gewöhnlich eine Woche oder zehn Tage, und während dieser Zeit werden die Jagd, der Krieg und alle anderen Beschäftigungen ausgesetzt. Die sorglosen Indianer plündern dann die Felder auf unverantwortliche Weise und lassen nur eben so viel Ähren übrig, als zur Aussaat im nächsten Jahre erforderlich sind, ohne daran zu denken, daß sie von der in diesen wenigen Tagen zerstörten Ernte mit Weib und Kindern den langen traurigen Winter hindurch hätten leben können.

siehe Bildunterschrift

Tafel IX. Der Bärentanz.

Das Merkwürdigste bei dieser Festlichkeit ist der Grünkorntanz, der dem eigentlichen Feste vorhergeht und bei den meisten auf folgende Weise stattfindet:

Wenn dem äußeren Ansehen nach die Maisähren den gehörigen Grad der Ausbildung erreicht haben, so werden mehrere alte Frauen, denen Maisfelder gehören (denn in allen Indianerländern bauen nur diese das Feld, indem die Männer sich nie mit so entwürdigenden Beschäftigungen befassen) von den Medizinmännern beauftragt, täglich bei Sonnenaufgang die Felder zu besuchen und einige Ähren in die Versammlungshütte zu bringen, wo sie in den Kessel geworfen und untersucht werden. Sobald die Medizinmänner die Ähren gut finden, senden sie die Ausrufer ab, um in jedem Teile des Dorfes oder Stammes zu verkünden, daß der Große Geist gnädig gegen sie gewesen sei und daß alle Bewohner sich am nächsten Tage versammeln sollen, um ihm für seine Güte zu danken. Auch wird allen anempfohlen, leere Magen mitzubringen und sich auf das bevorstehende Fest vorzubereiten.

An dem von den Doktoren bestimmten Tage versammeln sich alle Bewohner des Dorfes um einen über dem Feuer hängenden Kessel, worin man Maisähren kocht, um sie dem Großen Geiste als Opfer darzubringen; bis dies geschehen ist, muß jeder seinen Hunger bezähmen. Während diese Ähren kochen, tanzen vier weiß bemalte Medizinmänner, mit einer Maisstaude in der einen und einer Rassel (Schischikue) in der anderen Hand, um den Kessel und singen dem Großen Geiste Dankgesänge. Am diese Medizinmänner tanzen in einem größeren Kreise, ebenfalls singend und Maisstauden in den Händen tragend, die Krieger, während das übrige Volk zuschaut. Während dieses Tanzes werden hölzerne Schüsseln, in denen das Mahl ausgeteilt wird, auf die Erde gestellt und in jede ein aus den Hörnern des Büffels oder des Bergschafes verfertigter Löffel gelegt.

Auf diese Weise wird der Tanz fortgesetzt, bis die Doktoren erklären, daß der Mais genug gekocht habe; der Tanz wird nun auf einen Augenblick unterbrochen, um sofort in anderer Weise und mit anderen Gesängen wieder aufgenommen zu werden, während die Medizinmänner die Maisähren auf ein kleines Gerüst von Holzstäben legen, das sie über dem Feuer errichten und sich dann dem Tanze wieder anschließen.

Ist alles von den Flammen verzehrt, so wird es nebst der Asche hinweggenommen und in die Erde vergraben, dann an derselben Stelle, wo das erloschene Feuer sich befand, ein neues Feuer, und zwar durch Reibung, angezündet. Es geschieht dies dadurch, daß drei Männer, die einander ablösen, das Ende eines Stabes in einem harten Holzblocke zwischen den Händen schnell hin- und herdrehen, bis sich Rauch und endlich ein Funke zeigt, der dann unter dem Jubelgeschrei der Umstehenden in einem Stücke faulen Holzes aufgefangen wird. Man zündet nun ein neues Feuer an, hängt den Kessel darüber und kocht Mais für die Häuptlinge, Doktoren und Krieger. Ist dies geschehen, so kommt der ganze Stamm an die Reihe und das Schmausen währt so lange, bis die Felder erschöpft oder die Körner zu hart geworden sind.

Dies sind die Hauptzüge des Grünkornfestes, wie es bei den meisten Stämmen, wenn auch mit einigen Abänderungen und Zusätzen, gefeiert wird.

Einige südliche Stämme kochen einen Trank von höchst bitterem und ekelerregendem Geschmack, den sie Asceola (schwarzer Trank) nennen. Einige Tage vor dem Feste trinken sie im Übermaß davon, um heftiges Erbrechen zu bewirken und Magen und Eingeweide für den Grünkornschmaus zu leeren.


 << zurück weiter >>