Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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November.

Den fürchterlichen Husten werde ich wohl niemals mehr los. Ich bin ganz erschöpft und manchmal so matt, daß ich die Hände nicht rühren mag, um mich aus- und anzukleiden. –

Julius spricht von Davos . . . ob ich die Wintermonate nicht dahin gehen möchte. Das hat mich furchtbar erschreckt, bin ich denn schon auf der letzten Station angelangt?! Ich glaube doch nicht. Die Ärzte machen es immer schlimmer, damit man nicht leichtsinnig ist und sich in acht nimmt. Diesen Husten habe ich von einer Erkältung und es ist auch nur Katarrhhusten, aber ein sehr hartnäckiger und schlimmer. Ich werde jetzt nicht fortgehen. Daß ich die Grete wiedergefunden hab', ist zu reizend. Ich bin oft draußen in Friedenau. Sie kommt nur selten, sie hat ja nur wenig Zeit und ich nehm's 299 nicht so genau. Es ist so heimatlich und gemütlich, wenn das Licht der Gaskrone über den Tisch fällt und der Gongschlag der Standuhr in die abendliche Stille hineinsingt, und das Anthrazitfeuer im Kamin blinzelt, und das Kind schwatzt und lacht und alles so friedlich und ruhig und seitab vom Lärm der Außenwelt. Dann schließe ich manchmal die Augen und träume mich »zu Hause«. Ich rechne es der Grete hoch an, daß sie lieb und freundlich zu mir ist und niemals Fragen stellt. Ich habe sie sehr gern, obgleich sie manchmal ganz aparte, nach meiner Ansicht geradezu verrückte Ansichten hat.

* * *


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