Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Gestern holte mich der italienische Bankmensch mit seinem Automoppel zu einer Spazierfahrt in den Grunewald ab. Maria war auch mit, und ich glaube, es war ihr nicht recht, daß ich dabei war. Und ich konnte doch nichts dafür, daß er mir den Hof macht; es liegt schon in der Natur der Sache, daß er sich gern mit mir unterhält, weil ich Italienisch spreche und Maria nur ein bißchen schlechtes Französisch radebricht. Er ist mir ja so furchtbar gleichgültig. Wir kehrten in Hundekehle ein, wo wir ein Diner für uns bestellt hatten. Wie wir in das Lokal traten, sagte Maria zu mir: »Du siehst heute wieder direkt schwindsüchtig aus, Thymian. Furchtbar miserabel. Tätest du dich ein bißchen schminken! Einem wird ja schlecht, wenn man dich ansieht. Als ob du schon drei Wochen unter der Erde gelegen hättest.« Ich antwortete keine Silbe, aber das Wort »schwindsüchtig« fuhr mir wie ein spitzes Messer ins Herz, und ich brachte nur mit Not ein paar Bissen herunter. Mir war kalt bis in die Seele.

Abends erzählte ich es Julius, der jetzt öfters ganz unvermutet zu mir kommt. Er tröstete mich und sagte, ich soll den Umgang aufgeben, weil mir doch auf die Dauer keine Freude daraus erblühe. »Niemand kommt aus seiner Haut heraus, und diese Art Frauen können die innere und äußere Schminke nicht dauernd verleugnen,« sagte er, »die innere Roheit bricht immer wieder durch. Du gehörst nicht zu ihnen und wirst nie mit ihnen sympathisieren, weil du trotz alles äußerlichen Gemeinschaftlichen – innerlich vornehmer, zarter, dezenter bist als sie . . .«

244 Er mag wohl recht haben, aber an einen Menschen will man sich doch gern in Freundschaft anschließen. Julius war an dem Abend wieder so lieb und gut, daß ich mir ein Herz nahm und ihm alles anvertraute. Er bestand darauf, daß ich ihm die Rechnungen zeigte, ich tat es nur widerwillig, es war eine gepackte Schublade voll, und er addierte und rechnete und sein Gesicht wurde immer bestürzter und ernster.

»Herrgott, Thymian, hast du eine Ahnung, wieviel das ist?«

»Nein,« sagte ich ängstlich – – –

»Dreizehntausend Mark – – – Menschenkind, was hast du nur mit all dem Kram gemacht – – –«

Ich wußte es selber nicht. Vieles hatte ich verschenkt, vieles vernichtet, vieles liegt noch eingepackt auf dem Hängeboden.

»Aber das wenigstens müßtest du doch zurückschicken –« sagte er.

»Nein,« sagte ich, »die Schande tu' ich mir nicht an, mag werden was will.«

»Aber das ist ja merkwürdig, was ihr für Ansichten über Ehre und Schande habt,« rief er. »Was denkst du dir denn? Da muß doch ein Arrangement getroffen werden, sonst holen sie dir ja eines Tages deine Möbel weg . . . Wie kamst du nur dazu? – –«

»Es ist wie eine Krankheit,« sagte ich.

»Ja, freilich bist du krank,« sagte er, »das hab' ich dir schon längst angesehen. Du bist durch und durch nervenkrank. Also sei mal vorläufig ruhig. Ich will überlegen, was sich tun läßt. Das beste ist wohl, wir ziehen doch den Grafen ins Vertrauen.«

Das wollte ich aber nicht, und er mußte mir versprechen, es nicht zu tun.

Mir ist sehr bange. Und ich fühle mich auch krank. 245 Julius meinte erst, es läg' an den Nieren, aber die Untersuchung hat nichts ergeben. Mir ist so übel . . .

* * *


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